Die erste diesbezügliche Fehlinterpretation der Lehre Jesu Christi war der Anfang vom Ende des römischen Reiches. Im Jahr 375 nach Christus befand sich der Stamm der Westgoten, die in der Gegend der Halbinsel Krim zu Hause waren, auf der Flucht vor den Hunnen. Er begehrte, an der unteren Donau angekommen, Aufnahme beim oströmischen Kaiser Valens. Dessen Berater sagten ihm, dass das Gebot der Nächstenliebe es erfordere, diesem verfolgten Volksstamm Einlass zu gewähren. Was dann auch geschah. Drei Jahre später, im Jahr 378, waren die Einwanderer unzufrieden und beklagten sich über mangelhafte Gastfreundschaft. Die ca. 20.000 Krieger der Goten zogen gegen Konstantinopel. Das römische Heer mit einer Stärke von ca. 30.000 stellte sich in der Stadt Adrianopel (heute Edirne) den Angreifern entgegen, wurde aber fast zur Gänze von den Goten vernichtet. Auch Kaiser Valens fiel in der Schlacht. Die Westgoten zogen dann nach Rom, das sie plünderten, und später weiter nach Südfrankreich und Spanien, wo sie ihr Reich gründeten. Anfangs wäre es den Römern wohl ohne weiteres möglich gewesen, diese Migranten bereits an der Donau vom Eindringen in das römische Staatsgebiet abzuhalten. Heutzutage ist in Europa und besonders in Österreich eine vergleichbare Entwicklung im Gange. Migranten begehren zu Zehntausenden Einlass in Europa. Die Vertreter der christlichen Kirchen verlangen neuerlich die Anwendung des Gebotes der Nächstenliebe. Die nichtkirchlichen und nichtreligiösen Kräfte verlangen die Aufnahme der Migranten aus dem Titel der Menschenrechte und der Genfer Asylkonvention. Dies, obwohl auch wohl ein Blinder abschätzen kann, dass mit der immer größer werdenden Zahl von dynamischen, meist jungen Männern und deren dann nachfolgenden Familienangehörigen die Grundlage für eine wesentliche Beeinträchtigung, ja Gefährdung der Existenz der heimischen Bevölkerung gelegt wird. Dieser wird, wie seinerzeit von den Goten dem Römerreich, mangelnde Gastfreundschaft vorgeworfen. Der Hinweis auf das Gebot der christlichen Nächstenliebe und der auf diesem Gebot aufbauenden Regelungen der Menschenrechte und der Genfer Asylkonvention basiert jedoch auf einer Unkenntnis der wahren Lehre Christi. Tatsächlich war Jesus Christus keineswegs ein Internationalist, sondern nach heutigen Begriffen als jüdischer Nationalist zu bezeichnen. Sowohl der Evangelist Matthäus (15,22-28) als auch der Evangelist Markus (7, 24-30) berichten davon, dass Jesus von einer Kanaaniterin, d.h. einer Ureinwohnerin Israels, um die Heilung ihrer Tochter, die von einem Dämon befallen war, angefleht wurde. Er sagte: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt. Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.“ Bekanntlich hat das inständige Beharren der Kanaaniterin und auch der Wunsch der Jünger („befreie sie von ihrer Sorge, denn sie schreit hinter uns her“) diese Bittstellerin loszuwerden, Jesus dazu bewogen, die Heilung zu vollziehen. Diese Einstellung Christi würde heutzutage wohl als verstärkter Nationalismus charakterisiert werden, wie er heute in Europa eigentlich undenkbar wäre. Das von Jesus formulierte Gebot der Nächstenliebe etwa am Beispiel des barmherzigen Samariters kann nur im Zusammenhang mit den obigen Ausführungen verstanden werden. Die zitierten Stellen in den zwei Evangelien zeigen jedoch, dass Jesus Christus, der einer Fremden eine bloße Heilung verweigern wollte, wohl nicht im Traum daran gedacht hätte, die Integrität der Bevölkerung des damaligen Israel auf eine Art und Weise in Frage zu stellen, wie dies gegenwärtig in Österreich und anderen Ländern Europas in erschreckendem Maße der Fall ist.
Der Autor: Botschafter a.D. Dr. Heinrich Birnleitner. Dieser hatte Österreich beim Europarat (einschließlich Menschenrechtskommission), in Dakar (von wo zehn westafrikanische Staaten betreut wurden), bei der UNIDO in Wien und als Botschafter in Bagdad vertreten.
Dieser Beitrag wurde bereits am 14. August im Netz-Tagebuch von Dr. Andreas Unterberger (www.andreas-unterberger.at) veröffentlicht.