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Pierre Drieu La Rochelle

Von Hermann Müller

Wiederkehr eines Verfemten

Es gibt viele Wege einen Schriftsteller zu charakterisieren. Unabhängig von Sympathie und Beurteilung des Schaffens gibt es aus der Fülle an Adjektiven doch immer einige, welche das Standardrepertoire der Literaturkritik stellen. „Begnadet“ ist so eins, für die Großen unter den Literaten reserviert, „streitbar“ für jene, die links und rechts aus der Masse ausscheren. Hin und wieder stößt man sogar auf Perlen der Kritik, etwa Bertold Brechts Urteil über Ernst Jünger, „vielleicht sollte man ihn überhaupt nicht einen Schriftsteller nennen, sondern sagen: Er wurde beim Schreiben gesehen.“1, unabhängig, ob man sich dieser anschließen will. „Verfemt“ ist allerdings ein Ausdruck, welcher nur auf eine überschaubare Zahl von Autoren angewendet wird.

Einer dieser Autoren ist der am 3. Januar 1893 in Paris geborene Pierre Drieu la Rochelle. Seine Jugend verbrachte er als Atheist an einer katholischen Knabenschule, bevor er nach dem Scheitern seiner Juristen-Laufbahn das Schicksalsereignis seiner Generation teilte und sich als Freiwilliger für den Ersten Weltkrieg meldete. Seinen Dienst versah er sowohl in der Infanterie als auch in der Artillerie und wurde u.a. vor Verdun und den Dardanellen mehrfach verwundet. Die Erfahrungen des Krieges, die er durchaus positiv bewertete, beeinflußten auch seine Werke „Die Komödie von Charleroi“, „Die Unzulänglichen“ und insbesondere seine Kriegsgedichte „Interrogation“. Wie nahezu alle seiner Werke sind diese beinahe autobiographisch gehalten, auch der Hauptcharakter in „Charleroi“ dient an den Fronten von Verdun und der Dardanellen. Sein Verhältnis zum Krieg ist genauso gespalten, wie das vieler anderer Veteranen. Auf der einen Seite liebt man die Gefahr, das Adrenalin der Stahlgewitter und den kompletten Gegensatz zur bürgerlichen Welt, auf der anderen Seite verachtet man die Massenheere, das seelenlose und kalte Töten und Sterben in einem technisierten Krieg, bei dem Ritterlichkeit und ehrenhafter Zweikampf höchstens noch bei den Fliegern gesehen wird, die Animalisierung des Menschen, der Wochen in einem Erdloch vegetiert und hofft, nicht von der Granate eines Artilleriegeschosses zerfetzt zu werden. „Die Männer waren nicht menschlich, sie wollten nicht menschlich sein. Sie haben es ertragen, unmenschlich zu sein. Sie wollten diesen Krieg nicht hinter sich lassen, nicht zum ewigen, menschlichen Krieg aufschließen. Sie haben gleichsam eine Revolution verpaßt. Sie sind von diesem Krieg besiegt worden. Und dieser Krieg, der die Männer besiegt hat, ist schlecht. Dieser moderne Krieg, dieser Krieg des Stahls und nicht der Muskeln. Dieser Krieg der Wirtschaft und nicht der Kunst. Dieser Krieg der Industrie und des Handels. Dieser Krieg der Büros. Dieser Krieg der Zeitungen. Dieser Krieg der Generäle und nicht der Anführer. Dieser Krieg der Minister, Gewerkschaftsbosse, Kaiser, Sozialisten, Demokraten, Royalisten, der Industriellen und Bankiers, der Alten und der Frauen und der kleinen Jungen. Dieser Krieg des Stahls und des Gases. Dieser Krieg, der von allen geführt wurde, außer von denen, die ihn führten. Dieser Krieg fortgeschrittener Zivilisation“.2 Und tatsächlich finden sich in der 1934 – dem Jahr, in dem sich la Rochelle zum Faschismus bekannte – erschienenen Novellensammlung „Die Komödie von Charleroi“ auch die zwei anderen Hauptthemen Drieus: sein Haß auf das Bürgertum und sein Verhältnis zu Frauen. Wie viele seiner Altersgenossen geriet er nach dem Ersten Weltkrieg in eine tiefe Sinnkrise. Zunächst schloss er sich den Surrealisten an und danach der konservativen und antiparlamentarischen „Redressement Francais“, um dann wiederum zur linksliberalen „Parti radical“ zu neigen. Die eine Konstante in dieser Zeit war sein literarisches Schaffen, neben der Arbeit für die Literaturzeitschrift „Nouvelle Revue Francaise“ schrieb er  bis 1931 fünf Werke, die andere sein Lebensstil. Gerade er, der die Dekadenz und das Bürgertum seiner Zeit angriff wie wohl kein zweiter in Frankreich, wurde zum Inbegriff des Dandys und berüchtigt für seine Frauengeschichten. Neben zahlreichen Affären war er ein regelmäßiger Besucher von Bordellen, seine fast schon misogyne Einstellung zieht sich durch alle Werke. „Hör dir diese Hure an, du bräuchtest nicht mal den Frauen nachzutrauern. Ach, nichts wie weg, es leben die Männer, es lebe der Tod“, heißt es dazu in seiner „Komödie“.3
Haß auf die moderne Welt
Hier zeigt sich eine innerliche Zerrissenheit Drieus, der die Dekadenz haßte, sie aber selbst lebte. „Drieu: Das ist die Krankheit, die sich durchschaut“, kommentierte Andrê Malraux, gleichfalls Schriftsteller und Freund la Rochelles. Doch weniger die Themenauswahl, vielmehr das Talent ließ letzteren aus der Masse der Schriftsteller und Intellektuellen herausragen. Unzweifelhaft gehört er zu den besten französischen Literaten des 20. Jahrhunderts, seine akribische Beobachtung menschlichen Verhaltens verleiht den Charakteren seiner Bücher eine große Tiefe, die Sprachstruktur reißt den Leser mit. Es ist die unleugbare Authentizität seiner Werke, die ihren Charme ausmachen, die Brechung der Normen und die Behandlung menschlichen Scheiterns, die la Rochelles Bücher prägen.  Sämtliche Werke verströmen den Geist Nietzsches, eines von Drieus großen Vorbildern.
Auch eine typische Ästhetik ist seinen Werken zu eigen, die sich etwa im Gespräch eines verbitterten Offiziers der marokkanischen Einheiten mit der Hauptfigur ausdrückt: „ Europa ist für immer ein Bahnhof im Nirgendwo geworden. Überall zusammengepferchte Männer, die warten, daß sie an die Reihe kommen. Gedränge, überall Gedränge. Gedränge in den Zügen, den Kasernen, den Schützengräben. Gedränge in den Kneipen, den Spelunken, den Lazaretten, den Friedhöfen… welchen Eindruck hatten Sie, als Sie an die Front kamen?“ „Es regnete, das ist alles. Es regnete. Unsere Männer waren bereits kranke Tiere, sie magerten ab. Man hat uns in einen ruhigen Abschnitt geschickt, einen schlammigen Abschnitt..“ „…schikanöse und routinemäßige Bombardierungen, leere Dörfer, in Kellern verschanzte Bürokratien, maulwurfartig vergrabene Generäle, ältliche Reservisten, gönnerhaft wie Bühnenarbeiter eines frommes Theaters mit jämmerlichem Leben und jämmerlichem Tod.“ […] „Meine Männer waren Mohammedaner und durchaus an Elend gewöhnt, aber dieses Verhängnis, dieses Elend verstanden sie nicht. Sie wurden verrückt, suchten das Weite. Diese großartigen, für den Sturm geschaffenen Männer […]“ „Aber Sie haben das schreckerfüllte Gesicht der Männer nicht gesehen, wenn sie stürmten. Ich habe über mir am Rand des Grabens einen Deutschen kommen sehen. Den einzigen, der es bei einem niedergeschlagenen Angriff bis zu uns schaffte. Seine Gestalt über uns entsetzte uns, zu dritt schossen wir ihm in den Bauch. Wenn Sie, noch bevor wir feuerten, die armselige Totenfratze dieses verirrten Angreifers gesehen hätte. Er stürzt auf uns herunter.“ […] „Und Sie?“ „Ich? Ich haßte…“ „Ja, der Haß, das ist es. Ein schrecklicher Haß auf alles überkommt uns. Was haben Sie gehaßt?“ „Ich haßte die moderne Welt. All das ist die moderne Welt.“
Bereits in der „Komödie“ zeigt sich Drieus veränderte politische Haltung. Sie ist mehr als eine Novellensammlung und vereint in sich die Charakteristika von Roman und Essay. Sie thematisiert, 20 Jahre nach Beginn des Krieges, die Unzufriedenheit der heimgekehrten Kriegsteilnehmer, ihre Desintegration in die bürgerlichen Gesellschaft, die prägende Erfahrung des Krieges – für Drieu zusammengefaßt in den Begriffen der Stärke, der Männergemeinschaft, der Todesbereitschaft und der Rolle des Führers – und die Versuche, dem Sterben auf den Schlachtfeldern einen Sinn zu verleihen. Dabei ist der Erzählstrang nicht allein auf die Ereignisse und das Erleben der Hauptfigur im Ersten Weltkrieg beschränkt, er ist eine bewußte Verbindung der Nachkriegszeit mit dem Kriegsgeschehen. Eine besondere Rolle spielt dabei die Zeitstruktur. Bei allen Novellen ist von verschiedenen Zeitebenen auszugehen, wobei im erzählerischen Ich sich alles nahezu gleichzeitig abspielt. Im Mittelpunkt der „Komödie“ steht die Reise der Madame Pragen zu dem Kriegsschauplatz von Charleroi, an dem ihr Sohn gefallen ist. Begleitet wird sie von einem ehemaligen Kameraden ihres Sohnes, der nun ihr Sekretär ist und die Aufgabe hat, sie über das inzwischen zugewachsene Schlachtfeld zu führen. In der Person der Madame Pragen, deren „Pilgerfahrt“ zum Todesort ihres Sohnes zu einer grotesken Komödie wird, äußert sich bereits die überspitzte Charakterisierung des dekadenten Bürgertums. Madame Pragen – die sicherlich nicht zufällig von dem Antisemiten Drieu als Jüdin geschildert wurde – steht sinnbildlich für die bürgerliche Gesellschaft, die, ohne etwas geleistet zu haben, mit dem Opfertod der Frontsoldaten versucht, ihre eigene Stellung zu erhöhen. In ihr als Gegenpart zum kampfgeprägten Bewußtsein des literarischen Ichs tritt der Antagonismus der Kriegsteilnehmer und der Zuhausegebliebenen zu Tage. Das Gefühl der Frontgeneration, von den Parteien aller Couleur verraten worden zu sein, drückt sich in der letzten Sequenz des Buches noch einmal aus, wo die beiden parallel laufenden Erzählstränge – die Gegenwart, die Pilgerfahrt der Madame Pragen zum Schlachtfeld, und die Kriegserinnerungen, die ihr Sekretär wieder durchlebt – vereint werden. Sie bietet ihrem Sekretär die Finanzierung eines Wahlkampfes an, um seine historischen Erfahrungen in die Politik einzubringen. Dieser lehnt aber mit dem Hinweis ab, daß alle politischen Gruppierungen mangelhaft seien. Es ist eine der vielen Anspielungen auf den Faschismus, den die Ablehnung der alten Parteien von „links“ und „rechts“ mit dem Ziel einer Erneuerung des politischen Lebens, generiert aus den Erfahrungen der Frontgeneration, charakterisierte. Auch der Betonung des Moments, des Augenblicks und der Entscheidung kommt eine tragende Rolle zu. Und wieder merkt man die Bezugnahme zum Faschismus, der die Tat vor das Reden setzte. Immer wieder versetzt Drieu den Protagonisten in Momente höchster Gefahr, um ihn aus Instinkt und Charakter richtig handeln zu lassen. Die Berechtigung zum Führen wird aus der Situation heraus geboren, sie ist das Produkt des Momentes. Gleichzeitig verschmilzt der Anführer mit seiner Gefolgschaft zu einer symbiotischen Kampfgemeinschaft, das eine wird durch das andere ergänzt, beide durchdringen sich gegenseitig. „Ich war ein Anführer. Ich wollte mich all dieser Männer um mich herum bemächtigen, durch sie stärker werden, sie durch mich stärken, und uns alle zusammen, mich an der Spitze, durchs Universum schleudern. Alles hing von mir ab, die ganze Schlacht – und auch die Schlachten von morgen, die Revolutionen von morgen – lasten auf mir... Alles hing von mir ab. Ich mußte nur wollen, und alles lief auf einen Punkt zu, alles wurde wahr, alles wurde offenbar. Ich mußte nur aufstehen, auf dem Schlachtfeld aufstehen – und all die Bewegungen und die Faltungen erblickten ihren Gipfel, das ganze menschliche Erdbeben sah eine Kammlinie und stürzte herbei.“4, heißt es etwa in der Beschreibung einer Schlachtszene.
Es sind Worte wie diese, die den Literaturkritiker David Eisermann Rochelle als französischen Ernst Jünger charakterisieren ließen, ohne zu vergessen, auf die Unterschiede aufmerksam zu machen. Unzweifelhaft gibt es Parallelen zwischen „In Stahlgewittern“ und der „Komödie“: die Abneigung gegenüber der modernen Kriegsführung, die Betonung des Individuums und des Moments, die Herausstellung des Einzelnen und seiner Tat. Gleichzeitig ist Drieus Werk weitaus subtiler und sprachlich facettenreicher geschrieben, eine Verarbeitung und Deutung des Kriegserlebnises unter Berücksichtigung des Nachkriegsgeschehens. Als Erzählband hat es auch einen anderen literarischen Anspruch, andere Möglichkeiten als das nüchterne Festhalten realer Begebenheiten in einem Tagebuch.
Unzweifelhaft gehört die „Komödie von Charleroi“ zu dem Besten, was Drieu geschrieben hat. Zu recht ist la Rochelle, wenn auch von Protesten begleitet und nur mit einem Teil seines Gesamtwerkes, in die Bibliothèque de la Pléiade des französischen Gallimard Verlages aufgenommen worden. Darin werden Klassiker der Weltliteratur, besonders der französischen, neu herausgebracht und gewürdigt.

Die Unzulänglichen

Heuer ist nun nicht nur die „Komödie“ erstmals auf Deutsch im Manesse Verlag erschienen, sondern auch sein Hauptwerk, „Die Unzulänglichen“, in der ersten deutschen Neuauflage seit 50 Jahren. Diesen Weltanschauungsroman hat der neue Jungeuropa Verlag des Publizisten Phillip Stein mit einem Vorwort von Benedikt Kaiser herausgebracht. Eine Rezension dieses  „bedeutendsten Werks der faschistischen Literatur“ (Zeev Sternhell, israelischer Historiker5) ist schwierig, weil Drieu versuchte, in diesem Buch schlichtweg alles, was er zu sagen hat, zu thematisieren. So findet man wieder eine ausführliche Thematisierung der Beziehung der autobiographisch angehauchten Hauptperson Gilles zur Frauenwelt. Die Parallelen von Gilles Leben und der Biographie la Rochelles sind kein Wunder, Drieu selbst meinte einmal, daß er nur „seine Geschichte zu erzählen“ imstande sei6. Natürlich findet sich auch das zweite große Hauptthema des französischen Schriftstellers in seinem Buch wieder: die Dekadenz. Gilles Weg führt durch das Frankreich des Ersten Weltkrieges und der Zwischenkriegszeit, er schlägt sich von Geliebter zu Geliebter, zieht durch die Pariser Cafés und Bars der 20er Jahre von Ekel über die allgemeine Dekadenz erfüllt, die er doch auch selbst lebt. Für den Kenner der politischen Situation Frankreichs und Europas in der Zwischenkriegszeit finden sich immer wieder offensichtliche Anspielungen auf Personen und Gruppen der Zeitgeschichte. Mehr als die Hälfte des Buches sind eine große Anklage der modernen Welt, die vom Antisemiten Drieu als ein Produkt des jüdischen Geistes gesehen wird. Dennoch können große Teile des Buches als literarisch hochwertiger Kulturpessimismus gelten, eine schonungslose Kritik eines Zeitgenossen an seiner Umwelt.  Der Grund, warum das Werk 1939 in Frankreich nur zensiert und erst 1942 unter deutscher Besatzung in ganzer Länge erscheinen konnte, ist eher im dritten und dem darauf folgenden Kapitel, Apokalypse, zu finden. Gilles findet zu seiner Passion als Schriftsteller und gründet eine eigene Zeitschrift, von der er und seine Frau leben können. Auf der Suche nach einem Ausweg aus der erstarrten politischen Lage erscheint plötzlich die Gelegenheit, im Rahmen der Februarkrise die verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Die Straßenschlachten der extremen Rechten mit der Polizei  – diese Begebenheit lieferte auch das Titelbild – elektrisieren Gilles genauso wie die möglichen Reaktionen von Seiten der extremen Linken. Wieder findet sich hier das Element des Moments. „Wir sind aus dem Kriege, wenn auch nicht lodernd, so doch auf ewig an den Gedanken eines starken Lebens gebunden, zurückgekommen – und nichts ist geschehen. Weil wir nur noch eine Handvoll junger Männer waren und sogleich in der Masse morscher Seelen untergegangen sind. Im Handumdrehen haben sie uns unter ihr altes Regime gezwungen. Wir ahnten unsere bevorstehende Niederlage, wir haben uns in Besäufnis, Verrücktheit und kleine Spielereien gestürzt. Doch die Niedrigkeit hat die Grenze des Möglichen erreicht. Die Stavisky Affäre7 hat den Leuten urplötzlich die Niedrigkeit ihres Herzens offenbart. Der Schlag ging so tief, daß alles in Bewegung geriet. Auf der äußersten Rechten und auf der äußersten Linken hat es einen Ruck gegeben, und brüsk hat man gespürt, daß das ganze Regime wackelte. Für uns hat die Uhr geschlagen …“ Hier entwickelt der Roman seine eigentliche, politische Relevanz. Zunehmend wird Gilles überzeugt, daß nur der Faschismus die Antwort ist. Drieu zeichnet dabei das Bild einer jugendlichen Erneuerungsbewegung, die die Ideen der radikalen Linken und der radikalen Rechten vereint. Es ist eine ästhetische und in Teilen intellektuelle Weltanschauung mit starkem Europabezug, die la Rochelle propagiert. Der französische Faschismus selbst war mehr als anderswo eine Bewegung von Schriftstellern und Intellektuellen und Drieu verkörperte „in sich das bunt schillernde, in ungreifbaren Übergängen schwer faßbare Wesen des französischen Faschismus vielleicht am anschaulichsten“8, wie Ernst Nolte meinte. Es ist damit ein gänzlich anderer Stil und ein anderes Narrativ als in vergleichbaren Romanen nationalsozialistischer Schriftsteller wie Hans Zöberleins  „Der Befehl des Gewissens“ oder „Kampf um Berlin“, in denen soziale und wirtschaftliche Faktoren eine viel größere Rolle spielen. Schlußendlich meldet sich Gilles als Freiwilliger für den spanischen Bürgerkrieg. Während der Wirren der Kämpfe gerät er mit anderen europäischen Freiwilligen – einem Iren und einen Polen – zusammen. Mit ihnen diskutiert er den Traum eines künftigen, faschistischen Europas, das durchaus katholisch geprägt ist. „Der Nationalismus ist überholt. Was die demokratischen Mächte in Genf nicht erreicht haben, werden die faschistischen Mächte schaffen. Sie werden die Einheit Europas herstellen.“9, legt Drieu dem irischen Freiwilligen O’Conner in den Mund. Doch am Ende des Romans stehen wieder nicht die Worte, sondern die Tat. Angegriffen von den republikanischen Streitkräften nimmt Gilles das Gewehr und schießt. Damit endet die Wandlung des dandyhaften Intellektuellen in den aktivistischen Tatmenschen des Faschismus.

 Anmerkungen

1?Bertolt Brecht: Gesammelte Werke. Bd.  20. Frankfurt am Main 1977, S.  309.
2?Pierre Drieu La Rochelle, die Kömödie von Charleroi, Manesse Verlag Zürich, 2016, S. 60
3?Ebd., S. 138
4?Ebd,, S. 56
5?Pierre Drieu La Rochelle, Die Unzulänglichen, Jungeuropa Verlag, 2016, S. 16
6?Ebd., S. 550
7?Die Stavisky Affaire war die Verstrickung einiger Politiker in ein Schneeballsystem des jüdischen Betrügers Alexandre Stavisky
8?Ernst Nolte: Der Faschismus in seiner Epoche. Piper, München/Zürich, 2004, S. 26
9?Pierre Drieu La Rochelle, Die Unzulänglichen, Jungeuropa Verlag, 2016, S. 520

 
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