Österreich hatte am 9. April 1809 Frankreich erneut den Krieg erklärt, um dem Eroberungszug Napoleons quer durch Europa Einhalt zu gebieten. Tirol war längst bayerisch geworden, da Bayern in Allianz mit den Franzosen stand. Sein Name wurde von der Landkarte getilgt; Tirol hieß nun „Bayerischer Innkreis“. Aber Österreich wollte nicht französisch werden. Schon Ende Januar beschloß Erzherzog Johann mit dem Tiroler Schützenhauptmann Andreas Hofer die bevorstehende Volkserhebung gegen die französisch-bayerische Besatzung; am 9. April marschierten österreichische Truppen in Bayern ein. In Tirol kam es zu den ersten Gefechten. Sechs Tage später wurde im „Wiener Diarium“ das „Österreichische Kriegsmanifest“ zum Befreiungskampf gegen Napoleon veröffentlicht, aber niemand schien darauf zu hören. Preußen blieb neutral, auch Rußland hatte sich mit Frankreich arrangiert. Österreich war allein. Kaiser Napoleon konnte ungehindert in Wien einziehen und dort Quartier für sich und seine Armee nehmen.
Im Jahre 1809 war Wien noch von zahlreichen kleinen Dörfern umgeben, die heute längst eingemeindet sind. Aspern, heute Teil des 22. Wiener Gemeindebezirkes, war ein solches Dorf. Zwar hat es zum Teil noch seinen ehemaligen Charakter bewahrt, aber es ist stark angewachsen und dann mit der Bundeshauptstadt zusammengewachsen. Gute Verkehrswege führen aus dem Wiener Stadtzentrum hinauf nach Nordosten. Die typischen niederösterreichischen Häuser säumen die sauberen Straßen, viele Bäume beleben das idyllische Bild des kleinen Ortes. Wenn man heute zum Kirchplatz bummelt, kann man sich nicht vorstellen, daß hier, genau hier, zu Pfingsten 1809, am 21. und 22. Mai, eine blutige Schlacht mit über 40.000 Toten und Verwundeten stattgefunden hat – die erste entscheidende Niederlage Napoleons, des bisher ungeschlagenen „Empereurs“.
Nach dem Einmarsch des Korsen in Wien hatten sich die österreichischen Truppen unter ihrem Oberbefehlshaber Erzherzog Karl nach Nordosten und Osten zurückgezogen. Napoleon besetzte die in dieser Richtung liegenden Orte, vor allem Aspern. Hier setzte Erzherzog Karl am Pfingstsonntag seine Truppen erstmals ein: 84.000 Österreicher mit 288 Kanonen griffen 77.000 Franzosen mit nur 152 Kanonen um 16 Uhr an; bei Einbruch der Dunkelheit hatten die Österreicher Aspern erstürmt und konnten sich im Ort festsetzen. Napoleon warf seine besten Kavallerieeinheiten in die Schlacht, aber es gelang ihnen nicht, die Österreicher zu vertreiben. Unterdessen ließen letztere die Donaubrücken sprengen, so daß Napoleon keine Reserven aus Wien herbeiholen konnte.
In der Nacht wurde die Schlacht für mehrere Stunden unterbrochen. Beide Armeen ordneten sich neu, versorgten die Verwundeten und bargen die Toten, aber schon am Morgen des Pfingstmontags ging Erzherzog Karl erneut zum Angriff über. Hauptschwerpunkt der Schlacht war nun das nur wenige Kilometer entfernte Eßling, aus dem die Franzosen nach schweren Kämpfen vertrieben wurden. Sie zogen sich auf die befestigte Donauinsel Lobau zurück. Die Schlacht hatte sie rund 35.000 Mann gekostet, die Österreicher 23.000. Beide Armeen waren mit ihren Kräften am Ende.
Erzherzog Karl konnte seinen Sieg nicht ausschöpfen und die Franzosen aus Wien vertreiben; dennoch ging er als „Sieger von Aspern“ in die Geschichte ein. Sein triumphales Reiterstandbild auf dem Heldenplatz in Wien steht ebenbürtig neben dem Denkmal des Prinzen Eugen. Es ist nur wenig von Bedeutung, daß Karl schon kurze Zeit später, in Deutsch-Wagram, die zweite Schlacht gegen Napoleon verlor: einmal Sieger, immer Sieger.
Nach der Niederlage Napoleons bei Aspern herrschte am Wiener Hofe Jubelstimmung. Österreich erwartete, daß sich der Korse nun verhandlungsbereit zeigen würde. Kaiser Franz I. hatte daher nach Aspern an die Tiroler geschrieben: „Nach bedeutenden Unglücksfällen, und nachdem der Feind selbst die Hauptstadt der Monarchie eingenommen hat, ist es Meiner Armee gelungen, die Französische Hauptarmee unter Napoleons eigener Anführung im Marchfelde am 21. und wiederholt am 22. May zu schlagen, und nach einer großen Niederlage über die Donau zurückzuwerfen. Die Armee und die Völker Österreichs sind von höherem Enthusiasmus als je beseelt; alles berechtigt zu großen Erwartungen. Im Vertrauen auf Gott und Meine gerechte Sache, erkläre ich hiermit Meiner treuen Grafschaft Tyrol, mit Einschluß des Vorarlbergs, daß sie nie mehr von dem Körper des Österreichischen Kaiserstaates getrennt werden …“
Kein Wunder, daß sich die Tiroler durch solche Worte veranlaßt sahen, nun ihrerseits alles zu tun, um die verhaßte bayerische Regierung zu verjagen. Die Bergisel-Kämpfe bewiesen, daß sie es konnten. Aber Napoleon fühlte sich noch immer stark genug, den Österreichern zu trotzen, ja ihnen sogar eine Entscheidungsschlacht anzubieten.
In der Nacht zum 5. Juli überschritt seine Armee mit 180.000 Mann und 554 Kanonen die Donau und stellte sich dem Heer Erzherzog Karls – 136.000 Mann und 480 Kanonen – bei Deutsch-Wagram nordöstlich von Aspern zum Kampf. Karl verständigte sofort Erzherzog Johann, der mit 12.000 Mann bei Preßburg (dem heutigen Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei) stand. Aber es war nicht mehr möglich, diese Reserve rechtzeitig heranzuführen und in den Kampf zu werfen. Den ganzen Tag lang griff der Kaiser die Österreicher an, die jedoch verbissen standhielten. Aber am zweiten Tag, als der Druck der Franzosen und die österreichischen Verluste immer größer wurden, mußte Karl den Rückzug antreten; die Übermacht war zu groß.
Für die Niederlage ausschlaggebend war die Artillerie der napoleonischen Garde, die der Kaiser zusammen mit 8.000 Mann des Korps von Marschall MacDonald in der kritischsten Phase in die Schlacht warf. Gleichzeitig umging Marschall Davoust den linken Flügel der Österreicher und machte dadurch ihre Stellung unhaltbar. Um 15 Uhr befanden sich Erzherzog Karls Truppen in vollem Rückzug, nachdem sie 20.000 Tote und Verwundete sowie 6.700 Gefangene, darunter vier Generale, verloren hatten. Die französischen Verluste beliefen sich auf rund 24.000 Tote, Verwundete und Gefangene.
Am 11. Juli kam es bei Znaim zum letzten Gefecht des österreichisch-französischen Krieges; während es noch im Gang war, handelten Parlamentäre einen Waffenstillstand aus, der am selben Tag um 17 Uhr verkündet wurde. Erzherzog Karl schloß ihn gegen den Willen von Franz I., der hoffte, im Kampf gegen Napoleon mit ungarischer Hilfe letztlich doch noch siegreich zu bleiben. Am 19. Juli mußte aber auch der Kaiser dem Waffenstillstand zustimmen. Österreich war endgültig besiegt.
Drei Monate später, am 14. Oktober 1809, kam es zum Frieden von Schönbrunn. Zwei Tage darauf verließ Napoleon Wien, wo er 158 Tage lang im kaiserlichen Schloß Schönbrunn residiert hatte. Die Bedingungen des Friedens waren hart: in 18 Artikeln wurde das Kaiserreich Österreich zur Abtretung von mehr als 2.000 Quadratmeilen Landes (das entspricht 110.000 km²) mit 3,5 Millionen Einwohnern gezwungen. Ein Geheimartikel verlangte zudem eine Kriegsentschädigung in Höhe von 85 Millionen Franc sowie die Beschränkung der österreichischen Truppenstärke auf 150.000 Mann.
In Deutsch-Wagram ist diese historische Schlacht noch sehr lebendig. 1859 wurde eine Kapelle, 1909 ein Denkmal erbaut, 1959 ein Heimatmuseum eingerichtet, das von Funden, die auf dem Schlachtfeld im Lauf der Jahre gemacht wurden, geradezu überquillt. Dioramen wechseln ab mit den Portraits aller wichtigen Persönlichkeiten auf beiden Seiten, mit Fahnen, Büsten, Uniformstücken, alten Briefen und napoleonischen Briefmarken (es gibt auch eine französische Wagram-Briefmarke); ja es ist sogar ein Totenschädel mit Kopfschuß zu sehen. Auch der Degen von Maximilian von Wimpffen, dem österreichischen Feldmarschall, kann bewundert werden, in dessen Klinge die französischen Worte eingraviert sind: „Zieh mich nicht unüberlegt und bring mich nicht ohne Ehre zurück!“
Wie auf vielen Schlachtfeldern gibt es auch hier, zwischen Wagram und Aspern, einen Feldherrnhügel. Unmittelbar neben der Straße am Waldesrand steht ein Dreikantstein mit einer Kanonenkugel obendrauf. In französischer und deutscher Sprache sind auf dem Stein die Worte zu lesen: „Hier stand am 6. Juli 1809 das Hauptquartier von Kaiser Napoleon“.
Man steht an dieser Stelle und blickt in das weite Land; man sieht die gelben Rapsstreifen und grünen Wiesen, die dunkelgrünen Baumgruppen und die asphaltierte Straße, auf der nur ab und zu ein Wagen fährt. Die meiste Zeit ist es lautlos still.
Nicht vorzustellen, daß einmal – vor 200 Jahren – auf diesen weiten Fluren zwei Tage lang ein mörderischer Kampf getobt hat, mit zehntausenden Toten und Verwundeten, mit brennenden Dörfern, darüber der Qualm des Feuers und des Pulverdampfes. Und hier, inmitten dieser Stille, stand Napoleon selbst, der große Dirigent der Schlachten, von hier aus schickte er seine Soldaten in den Tod – und in den Sieg.