Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker
Wer es wagt, im tragischen Vergiftungsfall Nawalny die Frage „Cui bono?“ zu stellen, erhält eine überraschend klare Antwort. Der große Verlierer ist Rußland, der große Gewinner sind die USA.
Jahrelang haben die USA (fast) alles versucht, um den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 zu verhindern, die russisches Erdgas quer durch die Ostsee direkt nach Deutschland pumpen soll. Unter Umgehung der bisherigen Transitländer, die sich diese Dienstleistung wie Polen und die Ukraine vergolden ließen. Nicht nur, daß die USA ihren engsten Verbündeten helfen wollten, auch das ökonomische Eigeninteresse – es geht um den Export von möglichst viel des unter ökologisch extrem negativen Bedingungen gewonnenen, extrem teuren Schiefergases – spielte eine entscheidende Rolle. Firmen wie Siemens, die am Nord-Stream-Projekt beteiligt sind, wurden mit US-Sanktionen bedroht. Doch all dies half nichts. Nord Stream 2 steht kurz vor der Fertigstellung. Die Vergiftung Nawalnys kam da gerade recht – buchstäblich im letzten Augenblick, gerade als die USA das Spiel scheinbar schon verloren hatten.
Schlechter hätte es für Rußland kaum laufen können: Der nach Deutschland verlegte Nawalny sorgte für wochenlange Schlagzeilen, das Projekt wird wohl kurz vor der Beendigung auf Betreiben der BRD eingestellt werden. In diesem Falle kommen auf Deutschland allerdings Milliardenforderungen der geschädigten Firmen –darunter auch die ÖMV – zu.
Selbst wenn Nawalny für Putin wirklich zu einer ernsten Gefahr geworden ist und man ihm jeden Mord an seinen Gegnern zutraut, bliebe die Wahl von Nowitschok eine ungeheure Dummheit. In Rußland sterben kritische Journalisten, Politiker und Aktivisten häufig einen gewaltsamen Tod. Sie werden vor ihrer Wohnungstüre erschossen, wie die bezüglich des Tschetschenienkrieges recherchierende Journalistin Politkowskaya 2006, oder auf einer vielbegangenen Brücke mitten im Zentrum Moskaus, wie der Oppositionelle Nemzow 2015. Die Täter konnten in beiden Fällen unerkannt entkommen, die Aufregung im Westen verebbte rasch, und ob die Staatsspitze in die Morde direkt verwickelt war, muß als unbewiesen und äußerst umstritten gelten. Anders beim Nervengift Nowitschok, das angeblich nur in speziellen Geheimdienstlaboratorien hergestellt werden kann. Und das merkwürdigerweise ebensogut diagnostizierbar wie offenbar nicht unbedingt tödlich ist. Skripal und seine Tochter haben den Anschlag 2018 jedenfalls dank der Kunst britischer Ärzte überlebt. Schon damals schien die Sache zweifelhaft. Der Doppelagent Skripal saß nämlich bereits ab 2004 in russischen Gefängnissen, bis er 2010 im Rahmen eines Gefangenenaustausches ausreisen durfte. Wie leicht hätte man ihn im Gefängnis liquidieren können. Warum ihn erst Jahre nach seiner Ausreise in aufsehenerregender Weise töten, nachdem er bereits reichlich Gelegenheit gehabt hatte, alle ihm bekannten Geheimnisse dem britischen MI5 mitzuteilen? Hat nicht der Mordversuch an Skripal und seiner Tochter entscheidend zur Verlängerung der antirussischen Sanktionen beigetragen? Und doch: War es denn auszuschließen, daß eine Gruppe im russischen Geheimdienst, womöglich ohne Wissen des Kremlherrn und ohne Rücksicht auf politische Kollateralschäden, den Anschlag durchführte, um damit allen russischen Agenten weltweit unmißverständlich mitzuteilen, daß jeder Verräter früher oder später zur Strecke gebracht werden würde? Wie dies 2006 mit der atomaren Verseuchung von Litwinenko wohl der Fall gewesen war.
Aus heutiger Sicht nimmt sich der Anschlag auf Skripal hingegen wie die Generalprobe für die Vergiftung Nawalnys aus. Dagegen spricht freilich, daß dieser rund um die Uhr vom russischen Inlandsgeheimdienst überwacht wird – um eben Attentate, die Putin nur schaden können, zu verhindern. Direkte Beweise für die Verstrickung der USA sind ebenso nicht bekannt. Da kommt einem der Fall Juschtschenko ins Gedächtnis. Der prowestliche ukrainische Präsidentschaftskandidat wurde 2004 bei einem angeblich vom russischen Geheimdienst durchgeführten Anschlag mit Dioxin fast getötet und überlebte nur dank des Einsatzes von Wiener Ärzten mit schweren körperlichen Entstellungen. Die Präsidentenwahl hat er freilich gewonnen, danach aber in so auffälliger Weise jede Suche nach den Schuldigen unterlassen, daß in der Ukraine bis heute die Gerüchte nicht verstummt sind, er habe sich selbst vergiftet, allerdings irrtümlich mit einer zu hohen Dosis.
Die Gewinner im Fall Nawalny sind aber jedenfalls die USA. Trump selbst soll der Anschlag freilich nicht zur Last gelegt werden. Dieser ist immerhin der einzige US-Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg, der nicht einen einzigen Angriffskrieg geführt hat. Zum Liebling unserer pseudopazifistischen Linken ist er freilich trotzdem nicht geworden. Im Gegenteil. Natürlich kann man auch als europäischer Rechter kaum Sympathien für den ungebildeten Prahlhans im Weißen Haus hegen. Paul Gottfried, der Vordenker der amerikanischen Paläokonservativen und regelmäßige Autor unserer Zeitschrift, hat das Dilemma auf den Punkt gebracht, als er schrieb: „Ich mag Donald Trump nicht. Doch seine Feinde mag ich noch viel weniger.“ Wirtschaftspolitisch war der Kurs des amerikanischen Präsidenten allerdings sehr erfolgreich und hätte ihm wohl auch die Wiederwahl gebracht. Wäre da nicht die Corona-Pandemie gewesen, mit ihren wirtschaftlichen Folgewirkungen und den vielen – gelinde gesagt – peinlichen Auftritten des Präsidenten. Die „Black-Lives-Matter“-Krawalle können die Stimmung in den USA allerdings noch zugunsten Trumps drehen. Wir haben bereits im letzten Heft berichtet, zu wie vielen Todesopfern – direkt und indirekt – die Ausschreitungen und Proteste geführt haben und wie sehr gerade die schwarze Bevölkerung von der explodierenden Gewaltkriminalität betroffen ist. Daher schieben auch alle linken Medien vom „Spiegel“ bis zur Wiener „Presse“ Panik und behaupten, der amerikanische Präsident würde die Spaltung in seinem Lande anheizen. Das muß er gar nicht, zutiefst gespalten ist die amerikanische Gesellschaft bereits jetzt. Im Unterschied zu seinen Vorgängern hat Trump allerdings kein Interesse, diese Spaltung mit viel hohler Rhetorik schönzureden und den biederen Bürgern einzuflüstern, es gebe sie nicht. Daß die wahre Lage der Dinge offensichtlich wird, kann Trump nur nützen.
Auch uns in Europa würde beim Umgang mit der „antirassistischen Bewegung“ ein solcher nüchterner Blick auf die Fakten nutzen. So wurden die „Zigeunerräder“ der Firma Kelly’s bereits umbenannt, und kein Wirt wird es mehr wagen, ein Zigeunerschnitzel auf seine Karte zu setzen. Wie das weithin negative Image dieser Volksgruppe allerdings verbessert wird, indem man die wenigen unzweifelhaft positiv besetzten Zigeuner-Begriffe abschafft, entzieht sich jedoch meinem Verständnis. Und mehr noch: Die Roma und die Sinti sind zwar die beiden größten Stämme dieser Volksgruppe, doch nicht jeder zählt zu ihnen. Es gibt auch welche, die sich bewußt und sogar stolz als „Zigeuner“ bezeichnen. Eines der kundigsten und von unzweifelhaft großer Sympathie getragenen Bücher der letzten Jahre über diese Menschen trug daher den Titel „Zigeuner. Begegnungen mit einem ungeliebten Volk“ – in der „Neuen Ordnung“ II/2014 haben wir es ausführlich besprochen.
Wie lange noch wird sich der österreichische Ableger des deutschen Eisproduzenten Langnese „Eskimo“ nennen dürfen? Auch dieser Begriff gilt mittlerweile als rassistisch, ungeachtet der Tatsache, daß die Bewohner Grönlands festgestellt haben, daß „Inuit“ zwar als Sammelbegriff für einige kanadische Stämme ihrer Volksgruppe zutreffend ist, allerdings nicht für sie – und sie deshalb am Begriff „Eskimo“ festhalten möchten. Faktenwissen spielt für die angeblich guten Absichten der Antirassisten jedenfalls keine Rolle.
Das gilt auch für die zahlreichen „Mohrenapotheken“ in Deutschland und Österreich. Dieser Begriff geht eigentlich auf die „Mauren“ zurück und rekurriert auf den hohen Stand der Heilkunst in den muslimischen Ländern. Eine ehrende Bezeichnung, das gerade Gegenteil europäischer Überheblichkeit. Das könnte man erklären, doch man tut es nicht, sondern benennt die Apotheken lieber für den billigen Applaus ungebildeter Aktivisten um.
Auch dem Wort „Neger“ ist ein solches Schicksal widerfahren: Im Unterschied zum englischen „nigger“ war es nie ein Schimpfwort. Doch unsere politische Linke hat den zuwandernden Afrikanern eingeredet, daß sie sich durch dieses Wort beleidigt fühlen müßten. Dabei hat sich die erste Generation afrikanischer Intellektueller nach dem Abzug der Kolonialmächte gerade unter dem Begriff der „Négritude“ gesammelt, mit so bedeutenden Intellektuellen wie Léopold Senghor, dem ersten Präsidenten Senegals.
Den „Antirassisten“ geht es nicht einfach um Menschenwürde, sie haben ein politisches Ziel. Im Jahre 2014 habe ich auf Amazon den Roman einer karibischen Schriftstellerin über Westafrika unter dem Titel „Wie Spreu im Wind“ wie folgt kritisiert: „Und dann der allgegenwärtige Rassismus des Buches: Die gewaltsame Islamisierung Westafrikas, im Rahmen derer die siegreichen Tukolor die Männer der unterworfenen Stämme zu hunderten, ja tausenden köpften, wenn sie sich nicht sofort zum Islam bekannten, wird nur zurückhaltend geschildert […]. Wenn die Franzosen hingegen Segu einnehmen, steht dies unter der Überschrift Der Tod von Segu, obwohl die Stadt keineswegs zerstört wird und die Opfer viel geringer sind als bei der islamischen Eroberung einige Jahre zuvor.
Zwei Afrikanern wird im Buch nur durch das Eingreifen von Weißen das Leben gerettet – und beide werden danach zu Anführern des Hasses gegen die Europäer. Einer von ihnen ist ein Knabe, den seine Mutter mit seinen Geschwistern aussetzen und dem sicheren Tod übergeben wollte. Er wird aufgrund des Einschreitens eines französischen Ehepaares (gemeinsam mit der Mutter) gerettet und von diesem, nachdem er verwaist ist, auch aufgezogen und in die Schule geschickt. Ja, die Franzosen lassen ihm, obwohl selbst Christen, sogar den moslemischen Glauben, weil sie nur mit Überzeugungsarbeit und nicht gewaltsam christianisieren wollen. Und doch sagt er wörtlich: Die Weißen können Gutes und Böses tun. Frag mich nicht, was schlimmer ist!
Über Jamaika heißt es, die ständige Gegenwart der Weißen habe alles verdorben, und ausgerechnet der völlig gescheiterte Staat Haiti wird als positives Gegenbeispiel gepriesen. Es ist die weiße Rasse als solche, die die Autorin als verderblich für Afrika ansieht...Ihr Fazit kann man aber auch gegen den Strich lesen: Der letzte Protagonist, Mahdi Omar, verkündet sinngemäß: Wir, alle Schwarzen, alle Afrikaner sind ein Volk – und er begründet da heraus den Aufstand gegen die Weißen. Schon zuvor heißt es: Was wollen die Weißen hier, haben sie kein eigenes Land? Konsequent weitergedacht, müsste man diese Frage heute den afrikanischen Migranten in Europa stellen.“
Darauf schrieb mir ein anderer Leser als Kommentar. „Informieren sie sich bitte über die Bedeutung von Rassismus. Es liegt in der Natur und Geschichte des Rassismus, dass er eben nicht von Schwarzen gegenüber Weißen, sondern von Weißen gegenüber allen als «anders» definierten Gruppen ausgeübt wurde. Rassismus als Grundlage und philosophisch konstruierte (Kant, Hegel, u.v.a.) Ideologie, die die jahrhundertelange Ausbeutung und Versklavung Schwarzer Menschen rechtfertigen sollte. In diesem Hinblick kann eine Schwarze Frau nicht rassistisch sein. Die Frage: Was wollen die Weißen hier, haben sie kein eigenes Land? ist aufgrund der Invasion + Unterwerfung + Ausbeutung, die Schwarze durch Weiße erfahren haben durchaus berechtigt. Und konsequent weitergedacht ist es nur, zu erkennen, wie und wo diese imperialen Mechanismen (weiterhin) wirken und dadurch Flucht und Migration verursachen.“
Das mag ehrlich gemeint sein, falsch ist es trotzdem. Aber es zeigt das eigentliche Anliegen der „Antirassisten“: Es geht um ein politisches Ziel und dieses ist antiweiß und antieuropäisch. Wer als Europäer auch nur von Rassen spricht, gilt als Rassist. Daß in den USA etwa Medikamente gegen Bluthochdruck unterschiedlich je nach der Rassenzugehörigkeit des Patienten eingesetzt werden, wird ignoriert. „Antirassismus“ ist eine Ideologie, die biologische Fakten leugnet und daher wie die Leugnung geschlechtlicher Identität Leid verursacht. Der Antirassismus ist nichts als eine Variante der ewigen Linken, die Unterschiede zwischen den Menschen als prinzipiell negativ wahrnimmt und mit politischem Druck abschaffen möchte – ob dies Unterschiede aufgrund der Herkunft, der Familie, der Nation, des Geschlechts, der Religion oder auch nur des Aussehens sind. „Lookism“ lautet das diesbezügliche Schlagwort. Es ist ebenso natürlich wie ungerecht: Menschen mit einem gefälligen, gar schönen Äußeren haben es oft leichter als mißgestaltete, unförmige Exemplare des Homo sapiens. Das Lebensglück orientiert sich allerdings nicht daran. Auch eine schöne Frau kann jung sterben, eine unglückliche Ehe eingehen oder beruflich scheitern. Gerechtigkeit läßt sich auf dieser Welt nicht herstellen, und es ist ein Irrtum der wohlmeinenden Linken, sie per gesetzlichen Maßnahmen erzwingen zu können. Gerechtigkeit kann sich nur – und das ist eine Hoffnung, die ausschließlich der Glaube gibt – sub specie aeternitatis, also im ewigen Leben durch den Eingriff Gottes herstellen lassen. Diese Hoffnung weisen die Linken allerdings entschieden zurück. Sie möchten Gerechtigkeit auf dieser Erde herstellen und sie damit in den Himmel verwandeln. Das Ergebnis wird, wie immer, die Hölle auf Erden sein.