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„Ich vermiete nicht an Juden!“

Frau Bloch ist eine kultivierte Dame. Sie sucht einen Mieter für eine Wohnung von mehr als 200 m² in Wien und ich bin interessiert. „Der Stocker Verlag, eine renommierte Firma!“. Gerne möchte sie mir diese Wohnung vermieten. Doch ich suche sie nicht für mich selbst, sondern für einen amerikanischen Freund. „Ist Ihr Freund vielleicht Jude?“, fragt sie, „wissen Sie, ich vermiete nicht an Juden!“.

Wie bitte? Hat meine Gesprächspartnerin noch nichts von der Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung der EU gehört? Doch Frau Bloch kratzt die Kurve: „Wissen Sie, ich habe nichts gegen Juden! Wir haben selbst in unserem Haus eine Wohnung an Juden vermietet. Eine ganz reizende Familie. Aber diese orthodoxen Juden …“ – „Wie bitte?“ – „Ja wissen Sie, die bekommen halt jedes Jahr ein Kind. Als sie eingezogen sind, war diese Familie zu viert, jetzt sind sie schon sieben …“

Blöderweise braucht mein amerikanischer Freund die 200 m²-Wohnung nicht bloß für seinen persönlichen Luxus, er hat tatsächlich eine kinderreiche Familie. Mit diesem Mietangebot wird es wohl nichts werden. Frau Bloch ist dabei sicher keine Rassistin. Ich bin fest davon überzeugt, daß sie am Lichtermeer gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mit einer Kerze in der Hand teilgenommen hat. Sie würde ihre Wohnung sicher jederzeit an Juden vermieten – an einen schwulen jüdischen Künstler etwa und dessen Lebensgefährten. Oder an ein nachweislich sterilisiertes jüdisch-liberales Ehepaar. Nur mit den orthodoxen Juden, die Kinder bekommen wie die Karnickel, weil sie doch von der Verhütung nichts halten, nur mit denen hat sie Probleme. Sie diskriminiert nicht Juden, sondern Familien. Und das, nun ja das darf sie.

Als Vermieter oder Geschäftsmann darf ich in Österreich niemanden wegen seiner rassischen oder ethnischen Herkunft, seiner religiösen oder sexuellen Orientierung diskriminieren – nur Kinder und Familien, die sind von dem sonst allumfassenden Diskriminierungsschutz ausgeschlossen. Dabei ist Frau Bloch ganz sicher nicht kinderfeindlich. Nein, im Gegenteil. Ich bin sicher, sie hat schon einmal 10 € für die SOS-Kinderdörfer gespendet. Oder zumindest fünf. Diese Kinderdörfer haben ja auch den Vorteil, daß sie recht weit weg sind von dort, wo wir wohnen. Aber kinderreiche Familien im eigenen Zinshaus, das wäre ja noch schöner!

Frau Bloch ist nicht allein mit dieser Einstellung. Da gibt es eine Organisation in Österreich, einen Verein, sehr verdient um die Bewahrung nationaler Kultur, Idealisten, die ohne Frage in vielen Bereichen wertvolle Arbeit leisten. Dieser Verein hat auch Wohnungen zu vermieten. Es ist auch nicht so lange her, daß sich zwei Bewerber für eine dieser Wohnungen fanden: darunter eine kinderreiche Familie. Die Wohnung hat sie nicht bekommen. Hatte man Sorge, daß der Renovierungsbedarf nach Beendigung des Mietverhältnisses höher sein würde, als bei einem kinderlosen Paar? Offenbar ist der Unterschied beträchtlich, ob man in der Theorie für mehr Kinder eintritt, oder ob man es tatsächlich und unmittelbar mit einer Familie zu tun bekommt, die sich für Kinder entschieden hat.

Sehe ich mir die Abonnentenlisten der „Neuen Ordnung“ an, finde ich viele Akademiker, höhere Beamte, Menschen mit herausragenden Berufstiteln oder klingenden Namen. Manche von ihnen werden die eine oder andere Wohnung zu vermieten haben. Ich hoffe, wenigstens den Abonnenten dieser Zeitschrift ist klar, daß ein kinderfreundliches Klima damit beginnt, daß Familien erschwingliche Wohnungen in angemessener Größe finden und zwar auch dann, wenn sie mehr als ein oder zwei Kinder haben. Mein amerikanischer Freund sucht immer noch eine Wohnung. Und Frau Bloch wird für ihre 200 m² sicher schon längst einen solventen, kinderlosen Mieter gefunden haben.

Bald ist Weihnachten!

Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker
(Vater von vier Kindern)

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com