Der wirkliche Feind des Volkes wird nicht erkannt Auf der nationalen, konservativen und traditionalen Rechten ist man sich weitgehend einig darüber, daß die Völker des Abendlandes vor dem ethnischen und kulturellen Untergang stehen. Die einen, die nationalen Kräfte bedauern dies, wollen die Katastrophe noch abwenden, andere sehen das wohl eher gelassen oder stehen diesem Prozeß gleichgültig gegenüber. Die Uneinigkeit besteht aber vielmehr in der Frage nach den Ursachen für den Untergang. Daß der Kapitalismus irgendwie mit verantwortlich ist für den bevorstehenden Volkstod, leuchtet wohl den meisten auf der Rechten ein. Aber ist man sich eigentlich bewußt, wie der Kapitalismus funktioniert? Reicht die rechte Kapitalismuskritik tief genug? Oder versucht man sich nur eine schönere, nationale oder traditionale Marktwirtschaft als scheinbare Lösung herbeizureden? Auf der Rechten tut man nämlich so, als ob es sich bei (bösem) Kapitalismus und (guter) Marktwirtschaft um zwei völlig verschiedene Gegenstände handeln würde. Nur auf Grundlage dieser Selbsttäuschung ist es möglich, daß seit Jahrzehnten von rechten Publizisten und Politikern die Marktwirtschaft als die Lösung gilt – für den vom Kapitalismus verursachten Zerfallsprozeß.
In der Tat haben wir es hierbei mit einem Thema zu tun, das auf der Rechten weitgehend ein Tabu darstellt: die Marktwirtschaft als hauptsächliche Ursache für den Untergang der europäischen Kulturen. Weil die meisten Rechten davor ihre Augen verschließen, um auch von sich – als Befürworter der Marktwirtschaft – selbst abzulenken, suchen sie unbewußt nach „Sündenböcken“, die daran schuld seien, daß die Marktwirtschaft nicht im völkischen, nationalen oder traditionalen Sinne funktioniert. Es ist aber die Marktwirtschaft an sich als Grund des Untergangs zu erkennen, also das Privateigentum an den Produktionsmitteln und Dienstleistungsunternehmen im Zusammenhang mit der freien Konkurrenz und einem Leistungsprinzip, das auf individuelle Profitmaximierung ausgerichtet ist.
Da Richard Melisch in seinem Aufsatz (in Abendland Nr. 4/2008S. 11–31) dieses Thema in seiner – ansonst interessanten und fundierten – Darstellung ausblendet, muß er zwangsweise – möglicherweise im Unterbewußten – nach einem Schuldigen oder einer Gruppe von Schuldigen für das falsche Funktionieren der Marktwirtschaft suchen. So gelangt er von den Freimaurern der Französischen Revolution von 1789 zu den jüdischen Modernisierern und Globalisierern. Am Ende sind wir dann dort angelangt, wo schon Adolf Hitler in Mein Kampf (1925/26) gegen die „Börsenjuden“ wetterte, wobei dieser Autor dann selbst die Institution der Börse gar nicht überwinden wollte und – an den Schalthebeln der Macht angelangt – auch gar nicht überwunden hatte. Am Ende bleibt dann als rechte „Vision“ eine deutsche bzw. österreichische Börse bzw. eine nationale Marktwirtschaft, die sich gegen Fremdarbeiter, Billiglohnware und Finanzströme aus dem Ausland abschotten soll. Daß dies überhaupt nicht mehr in unsere heutige Zeit paßt, fällt den Leuten nicht auf.
Es wird auf der Rechten nicht zur Kenntnis genommen, daß die Marktwirtschaft ein historischer und dynamischer Prozeß ist, der sich – ausgehend von der sogenannten ursprünglichen Akkumulation (Karl Marx: Das Kapital, 1. Band, 24. Kapitel) – allmählich von einer Wirtschaft mit Markt zu einer Marktwirtschaft entwickelt hat. Dominierten noch im Mittelalter die kleinen lokalen Märkte, im Absolutismus die regionalen Märkte, im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts die nationalen Märkte, so hat sich dies infolge von Akkumulation des Mehrwerts und Konzentration von Betriebsgrößen konsequent zum Weltmarkt entwickelt, wobei der europäische Einheitsmarkt der EU nur ein Zwischenschritt zum globalen Einheitsmarkt sein kann. Insofern ist es rührend, wie sich die nationale Rechte heute am überholten (bürgerlichen) Nationalstaat festklammert, diesen auf der gegenwärtigen Stufenleiter des Kapitalismus zu retten gedenkt. Man tut so, als ob man es heute noch mit den Märkten unter Hitler, Bismarck bzw. unter den Habsburgern zu tun habe.
Auch reicht es nicht aus, die heutige Kapitalstruktur in das Korsett des Korporatismus einzwängen zu wollen, wie sich dies Johannes Auer wünscht (in Abendland Nr. 4/2008, S. 4). Eine Kooperation bzw. Klassenversöhnung zum Wohle aller kann es auf heutiger Stufenleiter des Kapitalismus – ohne tiefe Einschnitte in die Eigentumsverhältnisse – nicht mehr geben. Unzureichend sind deshalb auch die Rezepte von Othmar Spann (Der wahre Staat, 1921) und Julius Evola (Menschen inmitten von Ruinen, 1953). Diese beiden traditionalen Autoren standen sicherlich dem Kapitalismus kritisch gegenüber. Aber Evola war aus einem standesmäßigen Ressentiment ein Gegner sozialistischer Lösungen gewesen. Der sizilianische Baron wollte in einem „neuen korporativen System“ den „Kapitalist als Eigentümer der Produktionsmittel“ belassen, ihm aber „wieder die Aufgabe des verantwortlichen Führers, technischen Leiters und Organisators inmitten der Betriebsgesamtheit“ zuweisen. (Julius Evola: Menschen inmitten von Ruinen. Hohenrain, Tübingen u. a. 1991, S. 305) Einen solchen Korporatismus könnte ich mir für kleine und mittelgroße Personen- und Familienunternehmen gut vorstellen, aber bitte nicht für heutige Banken, Konzerne und Aktiengesellschaften, in denen es überhaupt keine klassischen Unternehmer mehr gibt, bei denen Eigentum und Betriebsführung deckungsgleich zu sein hätten.
Die Mittelstandsromantik, die uns auf der Rechten begegnet, hat mit der wirklichen Struktur der gegenwärtigen Wirtschaft nichts mehr zu tun. Dies ist nur der Versuch, sich an den Tatsachen vorbei eine schöne, harmonische Welt zu wünschen, wobei die Machtverhältnisse, die nun einmal auf Eigentum beruhen, ausgeblendet bleiben. Sicherlich, Klein- und Mittelbetriebe könnte man – im Gegensatz zu Konzernen – dem Primat der Politik unterordnen, aber in Wirklichkeit finden heute die übelsten Ausbeutungsverhältnisse auch in Betrieben geringerer Beschäftigtenzahl statt. Dies hängt damit zusammen, daß die Kontrolle von Betriebsräten und Gewerkschaften hier weniger greift als in Großbetrieben, Flächentarifverträge ausgehebelt wurden oder noch nie bestanden haben. Weil der Kleinunternehmer sich selbst ausbeuten muß, um gegen die Konkurrenz ökonomisch überleben zu können, müssen auch seine Arbeiter und Angestellten oftmals unbezahlte Überstunden leisten. Dies liegt aber weniger am schlechten Charakter oder Willen des Kleinunternehmers, sondern an der Niedermacherkonkurrenz.
Zum Charakter von Kapitalisten führte Karl Marx völlig zutreffend aus: „Zur Vermeidung möglicher Mißverständnisse ein Wort. Die Gestalten von Kapitalist und Grundeigentümer zeichne ich keineswegs in rosigem Licht. Aber es handelt sich hier um die Personen nur, soweit sie die Personifikation ökonomischer Kategorien sind, Träger von bestimmten Klassenverhältnissen und Interessen. Weniger als jeder andere kann mein Standpunkt, der die Entwicklung der ökonomischen Gesellschaftsformation als einen naturgeschichtlichen Prozeß auffaßt, den einzelnen verantwortlich machen für Verhältnisse, deren Geschöpf er sozial bleibt, sosehr er sich auch subjektiv über sie erheben mag.“ (Karl Marx im Vorwort zur 1. Auflage des Kapitals. Bd. 1).
Richard Melisch konstatiert zu recht in seinem Beitrag für Abendland, daß sich die demographische Katastrophe, vor der die Europäer und die Gesellschaften mit europäischer Besiedelung (USA, Kanada, Australien usw.) heute stehen, nicht mehr aufhalten läßt. Der Untergang der europäischen Menschheit läßt sich deshalb nicht mehr aufhalten, weil es innerhalb dieser europäisch geprägten Nationen keine starken nationalen und zugleich revolutionären Bewegungen gibt, die ihr Hauptaugenmerk auf die Marktwirtschaft als zentrale Ursache des kulturellen Unterganges richten. Bestimmte Marxisten hätten zwar das analytische Zeug zu solcher Erkenntnis, ihnen ist aber in der Regel die Existenz des geschichtlich gewachsenen Volks, dem sie selbst angehören, gleichgültig. „Volk“ ist auf der Linken eine x-beliebig zusammengewürfelte Wohnbevölkerung. Für radikale Linke ist „Volk“ die soziale Unterschicht derjenigen Personen einer Gesellschaft, die über keine Produktionsmittel verfügen. Dies kann auch ein in Berlin oder Wien lebender Türke sein, vor allem wenn er sich in der Gewerkschaft engagiert.
Die nationale Rechte, der Melisch angehört, ist hierbei auch Teil des Problems – bei allem Idealismus und bei allen Verdiensten, die solche Autoren und Aktivisten haben. Respektabel ist bei diesen Leuten der Ehrenstandpunkt, daß man die Rolle des geschlagenen Deutschen (bzw. Deutschösterreichers) annimmt, sich mit der Niederlage aber nicht abfinden mag, sich gegen pauschale Diffamierungen der Kriegsgeneration – mit geeigneten wie auch manchmal überzogenen Argumenten – zur Wehr setzt, sich nicht ins Privatleben zurückzieht, die Sache des Volkes, dem man selbst angehört, einfach ausfechten möchte. Dieser Typus des nationalen Rechten gedenkt nicht einfach so jämmerlich von der deutschen Bühne abzutreten. Richard Melisch, Hans-Dietrich Sander, Karl Richter und andere nationale deutsche Rechte mehr möchten wenigstens im Schlußakt des Trauerspiels noch eine gute Figur abgeben. Angelika Willig brachte in Deutsche Stimme (August 2008) diese Haltung wie folgt auf den Punkt: „Die [...] ‚Hektik‛ kommt daher, daß wir keine Zeit mehr zu haben glauben auf Grund der Geburtenentwicklung. Dieser Faktor zerstört im Grunde jeden Optimismus. Es kommt aber gar nicht nur darauf an, wie lange sich das deutsche Volk in der Geschichte hält, sondern welchen Eindruck es zurückläßt.“
Oswald Spengler hat diese Haltung im Schlußwort seines Buches Der Mensch und die Technik (1931) so beschrieben: „Wir sind in diese Zeit geboren und müssen tapfer den Weg zu Ende gehen, der uns bestimmt ist. Es gibt keinen andern. Auf dem verlorenen Posten ausharren ohne Hoffnung, ohne Rettung, ist Pflicht. Ausharren wie jener römische Soldat, dessen Gebeine man vor einem Tor in Pompeji gefunden hat, der starb, weil man beim Ausbruch des Vesuv vergessen hatte, ihn abzulösen. Das ist Größe, das heißt Rasse haben. Dieses ehrliche Ende ist das einzige, das man dem Menschen nicht nehmen kann.“
Von einer solch stolzen Haltung werden später einmal die überlieferten Erinnerungen, die Erzählungen und die Werke deutscher Nationalisten künden, wenn es keine Deutschen mehr auf dem Landstrich geben wird, den wir heute noch Deutschland nennen. Eliten späterer Generationen, die dann hierzulande einer fellachisierten Mischbevölkerung angehören werden, die – man lese Ernst Jüngers prophetischen Roman Eumeswil (1977) – von wechselnden Demagogen geführt werden, könnten sich aber auch der Frage zuwenden, welche Analysen und Maßnahmen damals unterlassen wurden, um den Untergang der europäischen Menschheit noch abzuwenden.
Das Zeugnis, das später einmal der nationalen Rechten ausgestellt wird, könnte sich wie folgt lesen: Man lag in der Regel in der Beschreibung der Symptome richtig – die da wären: übermäßige Konsumorientierung, Verausländerung, Kriminalität, Kulturverfall, demographische Katastrophe und Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland –, aber man weigerte sich, auf die Hauptursache der Katastrophe, auf die Marktwirtschaft, mit unverstelltem Blick zu sehen. Arne Schimmer, ein kluger nationaldemokratischer Autor, hat dieses Problem genau erkannt. Er hat den Blick dafür, daß die rechte Suche nach dem linken Sündenbock nur vom Versagen rechter Marktwirtschaftler ablenken soll: „Viele Konservative konstatieren mit einer geradezu komischen Verzweiflung eine angeblich bis heute fortdauernde politische und kulturelle Hegemonie der 68er, die nur zu Werteverfall und Konsumterror geführt habe. Wohlweislich übersehen wird dabei, daß der heute hegemoniale Neoliberalismus so gut wie gar nichts mit dem utopischen Kommunismus der 68er zu tun hat und der globale Siegeszug dieses Neoliberalismus nicht unerheblich durch die konservative Marktvergötzung begünstigt wurde.“ (Deutsche Stimme, September 2008)
Was viele nationale Rechte nicht wahr haben möchte, ist die Tatsache, daß sich die demographische Katastrophe des europäischen Menschentyps nur noch mittels eines Ausstiegs aus der Marktwirtschaft abwenden ließe. Wenn man sich auf diese Lageanalyse geeinigt hätte, so könnte man sich über die zu formulierende staats- und wirtschaftspolitische Alternative immer noch streiten. Ob etwa die geplante Rückkehr zu einer nationalstaatlich gelenkten sozialen Marktwirtschaft, wie sie Martin Laus (Deutsche Akademie) vertritt, ausreichend ist, wäre kritisch zu reflektieren. Aber immerhin nimmt dieser Autor die Marktkräfte (auch auf der Produktionsebene) kritisch ins Visier. Alternativen könnten auch die von mir bevorzugte gemischte Volkswirtschaftsordnung in einem staatlichen Lehensträgersystem sein (persönlicher, familiärer, genossenschaftlicher, kommunaler und staatlicher Besitz). Aber auch ein Rätesozialismus (wie im Spektrum der Zeitschrift Fahnenträger verfochten) oder eine sozialistische Planwirtschaft, wie von Falk Liepe (in Junges Forum) favorisiert, wäre denkbar. Beim letzteren Konzept stört mich weniger die radikale Formulierung des Sozialismus, sondern vielmehr der Umstand, daß dieses Modell in einen utopischen Raum – nach „Eurasien“ – verschoben wird.
Die genannten alternativen Modelle haben aber immerhin miteinander gemein, daß hier erkannt wurde, daß die Marktkräfte – also die freie Konkurrenz des Privateigentums an Betrieben – erheblich einzuschränken oder gar aufzuheben sind. Würde man sich auf einen Ordnungsrahmen – in meinem Falle den Nationalstaat – einigen können, so würde die Frage, wie viel Sozialismus eine Volkswirtschaft vertragen kann bzw. wie weitreichend die persönliche Verfügbarkeit über Betriebe aufzuheben ist, nur eine rein akademische Frage sein, da man auch von einer sozialen Marktwirtschaft über einen Marktsozialismus (bzw. „Sozialistische Marktwirtschaft“) zu einem Sozialismus aus einem Guß gelangen könnte. Solche Schritte setzen allerdings Macht voraus, über die wir zu Zeit nicht einmal ansatzweise verfügen. Eine sozialistische Revolution müßte aber erst einmal auf das Bewußtsein einer potentiellen Bewegung wirken. Dabei stehen wir noch ganz am Anfang (siehe: www.sache-des-volkes.info). In bestimmten lateinamerikanischen Staaten – wie Venezuela und Bolivien – ist zwar der Sozialismus noch nicht eingeführt worden, aber der Weg in diese Richtung ist unverkennbar beschritten worden.
Bislang ist der breiten Mehrheit auf der Rechten in unseren Breiten noch nicht bewußt, daß die Marktwirtschaft an sich die hautpsächliche Ursache für den bevorstehenden Volkstod darstellt. Der demographische Schrumpfungsprozeß an sich müßte noch nicht den Untergang der europäischen Menschheit nach sich ziehen. Nationale Theoretiker, deren Denken sich in den Bahnen von Mathematik und Physik bewegt, kommen allzu schnell auf die abwegige Idee, daß geographische Räume, die sich allmählich leeren, von außen irgendwie aufgefüllt werden müßten, weil sonst ein Vakkuum entstünde. Dies ist zumindest für mich keine überzeugende Logik. Es gibt jedenfalls keinen Grund dafür, daß Millionen von Farbigen in Alaska einwandern – nur weil dort die Bevölkerungsdichte der überwiegend weißen Bevölkerung sehr gering ist. Ähnliches ließe sich von Sibirien oder Kanada sagen. Deutschland ist heute schon viel zu dicht bevölkert, so daß ein Schrumpfungsprozeß als Heilungsprozeß verstanden werden könnte. Auch in früheren Epochen, etwa nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), war die Volkszahl zusammengeschrumpft. Eine Regeneration war jedoch bei entsprechenden Machtverhältnissen immer noch möglich.
Was spräche aus nationaler Sicht dagegen, wenn eines Tages in West- und Mitteldeutschland statt 82 Millionen Einwohner nur noch 40 Millionen Deutsche wohnten? Wir hätten dann die Bevölkerungsdichte Anfang des 19. Jahrhunderts erreicht. Im Vergleich zu anderen Weltregionen wären wir immer noch dicht besiedelt. Sicherlich, bis eine neue Familienpolitik greifen würde, gäbe es weniger Arbeitskräfte und weniger Beitragszahler für die sozialen Netze. Hier müßten strukturelle Umstellungen erfolgen – in der Lebensarbeitszeit (Rente mit 67 ist in der BRD schon eingeführt) und in der Rentenformel (Kinderfaktor einführen, kinderreiche Paare begünstigen, bei Tendenz zur Einheitsrente hinsichtlich des beruflichen Erwerbsleben). Der einzige wirkliche Hinderungsgrund für einen solchen Schritt ist allerdings die Marktwirtschaft, die von Natur aus auf Expansion bzw. Wachstum ausgerichtet ist. Bei einer schrumpfenden Bevölkerung im Inland wäre bei dem Gebot des marktwirtschaftlichen Wachstums aber zwingend „Zuwanderung“ notwendig, also zusätzliche Arbeitskräfte, Mieter und Konsumenten. Sonst würden in absehbarer Zeit die Löhne steigen, die Mieten sinken, mangels ausreichender Nachfrage die Preise für Konsumartikel verfallen. Dies wäre allerdings eine Katastrophe für das Großkapital am Wirtschaftsstandort Deutschland!
Hingegen müßte der demographische Schrumpfungsprozeß von einem ökonomischen Schrumpfungsprozeß begleitet werden. Hierzu müßte Deutschland künftig auf die Jagd nach dem Titel des „Exportweltmeisters“ verzichten, weil der – seit den 1960er Jahren – nur mit immer mehr „Gastarbeitern“ erreichbar ist.
Hätte sich Melisch intensiver mit dem Werk des Karl Marx auseinandergesetzt, so hätte er erkennen müssen, daß der Markt selbst die Erscheinungen hervorgebracht hat, vor denen wir heute stehen. Statt dessen fragt sich Melisch, warum nicht schon Alexander der Große, die alten Römer oder Napoleon ihre politische Macht an Großbanken und Großkonzerne abgegeben haben. Die Antwort müßte lauten: weil es solche Großbanken und Großkonzerne zu dieser Zeit noch gar nicht gegeben hatte. Die Marktkräfte befanden sich zu Napoleons Zeiten noch auf wesentlich niederer Stufenleiter. Die technischen Möglichkeiten bzw. die Produktivkräfte waren noch unterentwickelt. Durch neue Produktionstechniken (Dampfmaschine, Verbrennungsmotor, Fließband, Roboter, Computer usw.), Optimierung von Transportmöglichkeiten und Nachrichtentechnik ist die Möglichkeit, großes Kapital in den Händen einer Minderheit immer schneller anzuhäufen, immens angestiegen.
Die Kapitalakkumulation, die Marx und Engels in ihrem Werk detailgenau beschreiben, hat über die Jahrhunderte hinweg den Konzentrationsprozeß vorangetrieben, so daß nun im letzten Akt der Globalisierung folgerichtig das Politische als eigenständige Instanz von der Ökonomie aufgehoben wurde. Während rechte Autoren immer noch nach den Hintermännern suchen, welche verhängnisvolle politische Entscheidungen fällen, so als ob es noch so etwas wie das Primat der Politik gäbe, finden wir heute in Wirklichkeit ein von den Nationalstaaten emanzipiertes Weltkapital vor, welches das Politische aufgehoben hat. Das „Nationale“ ist allerdings dabei nicht vollständig aufgehoben. Die Restbestände des bürgerlichen Nationalstaats werden von der Bourgeosie als Regulationsinstanz gebraucht (gerade zur Zeit, da wir eine Finanzkrise erleben).
Das völlige Chaos wäre unverantwortbar, schließlich geht es darum, das Privateigentum der Bonzen vor dem Pöbel zu schützen. Das „Nationale“ hat nun aber nichts mehr mit Volk, Rasse oder Nationalkultur gemein. Die transnational vernetzte Bourgeosie setzt sich selbstherrlich alleine mit „Nation“ gleich. Es geht um den Wirtschaftstandort Deutschland bzw. Österreich als Quelle von Profitmaximierung und Zinserträgen. Alexander der Große hatte – wie Melisch richtig deutet – weder die Anzahl an Besatzungssoldaten, um von ihm unterworfene Länder wirklich gleichzuschalten, eine Einzheitszivilisation durchzusetzen; er hatte auch nicht die Zeit dazu, weil ihm die (geeignete Transport- und Nachrichten-) Technik fehlte. Zu Pferd läßt sich ein Weltreich nicht so schnell erobern und festigen. Eroberungskriege können mit heutigem militärischem Gerät schneller abgeschlossen werden. Hitlers Panzerarmeen und Luftwaffe mit samt Nachschub der Reichsbahn hatten den Großteil Europas und Nordafrikas in nur knapp drei Jahren erobert. Um den Irak Saddam Husseins niederzuringen, brauchten die USA drei Wochen. Für Alexander, Cäsar und Napoleon war diese Geschwindigkeit unvorstellbar! Die Globalisierung läßt heute Zeit und Raum zusammenschmelzen.
Wie schon erwähnt, so traten frühere Eroberer und Herrscher ihre politische Macht nicht einfach an große Banken ab, weil es solche Großbanken damals nicht gegeben hatte. Was die vielen fanatischen Zinstheoretiker auf der Rechten nicht verstehen, ist der Umstand, daß die Konzentration des Kreditwesens und somit dessen Machtansammlung eine Folge der Revolution in der Produktionssphäre ist. Dies wird von denjenigen, die realitätsfern zwischen gutem Produktionskapital und bösem Geldkapital unterscheiden wollen, einfach ausgeblendet. In früheren Epochen konnte ein Produzent oder Kaufmann seine ökonomischen Projekte noch mit einer Kleinbank abwickeln. Die Daimler AG wird wohl heute ihre Investitionen nicht über die Stadtsparkasse Stuttgart abwickeln. Selbst die Dresdner Bank ist heute zu kein geworden, sie wurde deshalb kürzlich von der Commerzbank geschluckt. Die Größenordnungen haben sich infolge des Konzentrationsprozesses verändert. Die Macht der Banken hängt heute mit deren Größe zusammen, deren Größe aber bezieht sich auf die Größenverhältnisse im Produktionskapital (das Thema „Zins“ hatte Karl Marx übrigens umfassend in seinem Kapital, 3. Band, 29.–34. Kapitel, behandelt – so viel zu der unsinnigen Behauptung aus dem rechten Ghetto, der Jude Marx habe dieses Thema ausgeblendet, um jüdische Geldverleiher zu schonen).
Nicht zur Kenntnis genommen wird auf der Rechten auch die Erkenntnis, die schon W. I. Lenin zueigen war, daß modernes Finanzkapital eben nicht nur großes Bankkapital darstellt, sondern eine Verschmelzung von großem Bank- und (!!!) Industriekapital. Wie die Branchen heute miteinander vernetzt sind – über Kapitalbeteiligungen und Aufsichtsratsposten – kann man dem Buch des marxistischen Autoren Stefan Engel Götterdämmerung über der „Neuen Weltordnung“ (2003) entnehmen. Es ist alles miteinander vernetzt: Bankkapital und Versicherungskonzerne werden zu Allfinanz-Konzernen; Immobilienunternehmen und Automobilindustrie sind mit dem Bankkapital verflochten. Die chemische Industrie investiert in Agrarfabriken, an die sie Dünger verkauft, die Lebensmittelindustrie hält sich Agrarfabriken als billige Beschaffungsquelle abhängig. So könnte man schier endlose fortfahren. Und alles ist zudem transnational miteinander vernetzt.
Der fanatische Versuch von Rechten, das gute Produktionskapital vom bösen Geldkapital trennen zu wollen, wird immer lächerlicher. Lächerlich ist auch der Versuch, zwischen gutem deutschem und bösem ausländischem Kapital zu unterscheiden. So gibt es ausländische Konzerne, die in Deutschland investieren, und deutsche Kapitalisten, die ihre Arbeitsplätze aus Kostenersparnis ins Ausland verlagern.
Es geht also nicht darum, wie die Rechten oftmals meinen, den Bösewicht zu suchen, der den Schalter von „Gut“ auf „Böse“ umgestellt hat, sondern das System Kapitalismus (= Marktwirtschaft) als das Übel an sich zu erkennen. Dazu müßten die Rechten aber auch einen Blick in den Spiegel wagen. Davor schrecken sie allerdings zurück.
Sicherlich, es gibt immer noch Zeitschriften und Weltnetzseiten, die meine Beiträge, auch wenn Sie die Marktwirtschaft kritisch beleuchten, veröffentlichen (Deutschland in Geschichte und Gegenwart, Hier & Jetzt, Neue Ordnung, Fakten, Nation & Europa Verlag, ZeitGeist, Abendland usw.); aber die meisten nationalen Rechten kleben an ihrer Marktwirtschaft, sie wollen eigentlich nur zurück zur Marktwirtschaft von Hitler oder Bismarck. Und dabei wollen sie nicht durch Kritik gestört werden.
Daß sich bestimmte Rechte auf den jüdischen Einfluß auf das Wirtschaftsgeschehen konzentrieren, ist ihr gutes Recht und sollte nicht mit dem PC-Knüppel des „Antisemitismus“ beantwortet werden. Hierbei ist vielmehr eine offene und tabu- und angstfreie Debatte zu führen. Es ist lediglich der Versuch zurückzuweisen, die notwendige Kapitalismuskritik auf einseitige Schuldzuweisung auf jüdische Kapitalisten zu verkürzen. Ein gefundenes Fressen stellt hierbei wohl das Buch von Yuri Slezkine The Jewish Century (2004) dar. Karl Richter jedenfalls fühlt seine Sicht der Dinge, daß die Moderne eine jüdische Veranstaltung sei, von dem jüdischen Autoren vollauf bestätigt (vgl. Neue Ordnung, Nr. 1/08, S. 14–16), und auch Richard Melisch ist vollauf begeistert von dem jüdischen Buch (vgl. Abendland Nr. 4/2008, S. 11–31). Nicht zuletzt springt auch Friedrich Romig auf dieses Buch an (Die Tagespost, Würzburg, 24. Jänner 2006). Das ist auch irgendwie naheliegend, daß der Standpunkt, den man über die Juden immer schon hatte, sich am besten von einem Juden bestätigen läßt.
Schon Hans-Dietrich Sander hatte 1988 in seinem wirklich lesenswerten Buch Die Auflösung aller Dinge diese Theorie entwickelt. Sanders These lautet, das Judentum sei geschichtlich der „Vorläufer der Moderne“ (ebd., S. 20–41). Diese These ist nun wirklich nicht so einfach mit dem „Antisemitismus“-Vorwurf beiseite zu schieben. Zumal die zahlenmäßige Beteiligung von Juden an modernen kapitalistischen Prozessen ins Auge sticht. Denn gemessen an ihrem kleinen Anteil an der Weltbevölkerung stellen die Juden viele Funktionsträger in der modernen kapitalistischen Arbeitswelt. Der Frankfurter Michel Friedman ist in der Medienbranche tätig, Haim Sabban zieht bei Pro 7 und bei SAT 1 die Fäden, Ron Sommer hatte bei Telekom mit der „Volksaktie“ die deutschen Kleinbürger in die Irre geführt. Ignaz Bubies war als Immobilienhändler tätig. Führende amerikanische Nachrichtenagenturen sollen jüdisch bestimmt sein. Barack Obamas Hauptsponsor ist eine jüdische Milliardärin. Der französische Jude Dominique Strauss-Kahn führt seit 2007 den IWF. Von Alan Greenspan und Milton Friedman wollen wir jetzt erst gar nicht anfangen. So oder so läßt sich bei einigermaßen objektiver Betrachtung der jüdische Anteil am Kapitalismus einfach nicht leugnen. Da müßten die Scheuklappen schon riesengroß sein.
Aber es erscheint mir doch, daß hier nur von rechter Seite Wirkung mit Ursache vertauscht wurde. Daß es bestimmte Völker gibt, die aufgrund ihrer genetischen Anlagen und stammesgeschichtlichen Prägung die kapitalistische Maschine besser bedienen können als andere, weniger in dieser Hinsicht begabte Völker, dies gehört zu den Wirkungen und nicht zu den Entstehungsursachen des modernen Kapitalismus. Die Ursachen sind vielmehr die, die Karl Marx und Friedrich Engels in ihrem Werk beschrieben haben: Privateigentum an Betrieben und freie Konkurrenz, was sein Ziel in möglichst umfassender Gewinnmaximierung findet (ob als Profit aus der Industrieproduktion, der Grundrente oder dem Zins).
Und die zweifache Freiheit des Arbeiters ist grundlegend für den Kapitalismus: „frei“ zu sein von eigenen Produktionsmitteln und sich „frei“ (nicht hörig wie im Mittelalter) auf dem Arbeitsmarkt zu bewegen. Karl Marx hatte diesen Prozeß vom Mittelalter zur Neuzeit in dem Kapitel über die sogenannte ursprüngliche Akkumulation genau analysiert (Das Kapital, Bd. 1, 24. Kapitel). Daß wir an den Schaltzentralen der UNO mehr Juden, weiße Amerikaner und Europäer als Afrikaner und Indios finden, daß weltweit als Börsenmaklern mehr Juden als Vietnamesen tätig sein dürften, daß wir unter den Konzernchefs in der Industriebranche mehr Deutsche als Nigerianer zählen können, daß es mehr türkische Teppichhändler als schwedische geben mag, hat nichts mit der Grundursache des Kapitalismus zu tun.
Die seit 70 nach Christi verstreuten Juden sind eben im großen und ganzen aufgrund ihrer Veranlagung flexibler als solche Menschen, deren Stämme und Völker seit Jahrhunderten tief verwurzelt sind. Es ist ja wirklich frappierend: die Flexibilität bestimmter klischeehafter Juden, die im Nazi-Streifen der Ewige Jude (1940) beschrieben wurde, stimmt heute haargenau mit dem Gebot des modernen Arbeitsmarktes nach Flexibilität überein. Aber damit ist – wie oben erläutert – das Wesen der kapitalistischen Moderne eben nicht bestimmt. Deren wirkliche Wurzel besteht im Privateigentum an Betrieben, in der Profitorientierung auf dem Markt der freien Konkurrenz, die folgerichtig aufgrund des Niedermacherwettbewerbs sich immer mehr in den Monopolkapitalismus transformiert.
Jedenfalls ist die fanatische Suche von Rechten nach jüdischen Konzernchefs und jüdischen Leitern großer Finanzinstitute und Nachrichtenagenturen, wo gemessen an ihrer Weltbevölkerungszahl relativ viele Juden anzutreffen sind, gegenstandslos. Selbstverständlich können bestimmte Völker dem Kapitalismus ihren spezifischen Stempel aufdrücken, weshalb wir dann von einem rheinischen Kapitalismus, vom Manchesterkapitalismus oder vom jüdischen Händler und Geldverleiher sprechen –, aber dies alles wirkt heute im Zeitalter der Globalisierung nur noch hilflos. Hierbei wird die Illusion genährt, man könne mit einem rein deutschblütigen Börsenpersonal das Vaterland noch retten.
Aber immerhin hat zumindest einer auf der Rechten das Problem genau erkannt: Karlheinz Weißmann. In seinem Hausorgan Sezession (Nr. 25, S. 6–10) analysiert der promovierte Historiker messerscharf das Problem, vor dem wir heute stehen. Weißmann sieht drei Lösungsmöglichkeiten, mit denen man auf die globale Amerikanisierung antworten könnte: a) indem Deutschland bzw. Europa die USA nachahmen; b) die antikapitalistische und basisdemokratische Ablehnung der USA; c) die Modifikation (Abwandlung) des amerikanischen Modells. So toll die Analyse ausfällt, so enttäuschend ist des Autors Entscheidung; er entscheidet sich nämlich für die Nachahmung bzw. für die europäische Kopie des amerikanischen Weges, was darin gipfeln soll, daß wir Europäer die Green Card der USA als Vorbild für die Anwerbung hochqualifizierter Einwanderer aus anderen Erdteilen zum Vorbild nehmen sollen. Die antikapitalistische Mobilisierung lehnt Weißmann rundheraus ab, weil sowohl nationalistische als auch internationalistische Versuche, den Sozialismus einzuführen, an den Machtverhältnissen scheitern würden. Immerhin hat Weißmann begriffen, wer die Macht im „freien Westen“ wirklich ausübt: nämlich das transnationale Kapital. Aber warum wendet sich die „Sezession“ dann Nebenkriegsschauplätzen zu: den Achtundsechzigern, den Kommunisten sowie den Islamisten? Weil es bequemer ist, weniger weh tut und beim bürgerlichen Zielpublikum allemal gut ankommt? In späteren Geschichtsbüchern wird dann aber vielleicht einmal geschrieben stehen, daß sich die deutsche Rechte am Anfang des 21. Jahrhunderts der Auseinandersetzung mit dem wirklichen Feind ihres Volkes gar nicht gestellt hatte.