Das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts war eine Zeit des Umbruches: Der Liberalismus der alten 1848er wurde vom Deutschnationalismus der Jungen abgelöst, der Reformkatholizismus ging im Kulturkampf unter und machte einer Generation selbstbewußter und romtreuer Priester Platz. Schließlich bilden sich in den 1880er Jahren aus dem Mutterboden der radikalen Schönerer-Bewegung alle drei modernen politischen Lager Österreichs, die das Land zumindest für das 20. Jahrhundert prägen. Ein Blick auf diese Zeit macht deutlich, wie sehr manche scheinbar längst überholten Fragestellungen auch für unsere Zeit von Bedeutung sind, des weiteren offenbart er insbesondere im Verhältnis zwischen dem nationalen und dem katholisch-konservativen Lager die eine oder andere Gretchenfrage.
Die 70er Jahre waren die hohe Zeit des österreichischen Liberalismus, ja recht eigentlich der „Generation von 1848“ gewesen. In der Folge der militärischen Niederlagen von 1859 und 1866 hatte Kaiser Franz Joseph vom Neoabsolutismus abrücken und eine Verfassung erlassen müssen, ab 1873 wurden die Mitglieder des österreichischen Abgeordnetenhauses, des Reichsrates, direkt gewählt. Ein Viertel der Sitze waren den privilegierten Wählerkurien der Großgrundbesitzer und der Handelskammern vorbehalten, die weitaus meisten Sitze wurden aber in allgemeinen Wahlkurien vergeben, in denen jeder männliche Bürger ab einer bestimmten Steuerleistung das Wahlrecht hatte – anfangs ca. 15 %, ab 1882 ein Drittel der erwachsenen männlichen Bevölkerung.
Die Konstitution war das große Ziel der Liberalen gewesen. Unmittelbar nach ihrer Verwirklichung nahmen sie den Kampf mit der Katholischen Kirche auf, der im Konkordat von 1855 weitreichende Rechte eingeräumt worden waren. Die Maigesetze von 1868 – in den Augen von Papst Pius IX. „wahrhaft unselig, verwerflich, verdammenswert und abscheulich“ – beendeten die katholische Schulaufsicht, führten die Zivilehe ein und sollten die Kirche als solches der staatlichen Aufsicht unterstellen. Hier hatte sich die staatskirchliche Gesinnung des Josephinismus mit der kulturkämpferischen des Liberalismus gefunden. (Kaiser Joseph II. hatte versucht, die Kirche wie eine Behörde in den Staat einzugliedern, diese Vorstellung, die damals auch von einem Teil des Episkopats geteilt wurde, prägte die österreichische Hochbürokratie noch für viele Jahrzehnte). Einer der damaligen Wortführer im Herrenhaus war der als Dichter unter dem Namen Anastasius Grün bekannte Graf Auersperg, für den das Konkordat „ein gedrucktes Canossa“ war. Und auch der greise Josephiner Franz Grillparzer versäumte nicht, sich zur Abstimmung tragen zu lassen.
Das Ehegesetz sah allerdings nur die Notzivilehe für den Fall vor, daß eine kirchliche Verheiratung nicht möglich war, etwa bei wiederverheirateten Geschiedenen oder wenn, was im ländlichen Raum bei Gesinde und Taglöhnern durchaus noch der Fall war, die Ehe-Erlaubnis mangels ökonomischer Voraussetzungen vom Ortspfarrer nicht erteilt wurde.
Hier argumentierten die Liberalen nicht nur mit den unveränderlichen Menschenrechten, sondern auch mit der Notwendigkeit einer sukzessiven Vermehrung der werktätigen Landbevölkerung! Diese ließ sich freilich auch ohne Zivilehe und Eheerlaubnis von der Vermehrung nicht abhalten: Nirgendwo in Europa war der Anteil der unehelichen Geburten so hoch wie in Österreich, in manchen Gebieten lag er bei deutlich mehr als 50 %.
Das Führen der Matrikelbücher blieb aber Aufgabe der Pfarrer, die somit gezwungen waren, auch Ehen einzutragen, die nach kirchlichen Vorschriften gar nicht geschlossen werden durften! Daß dies zu Konflikten führte, ist verständlich, die von katholischer Seite geäußerte Befürchtung, die Zivilehe sei nur der erste Schritt hin zur Auflösung aller christlichen Normen in diesem Bereich, und bald würde wohl die Vielweiberei gestattet werden, muß aber als bloße Polemik bezeichnet werden. Oder doch nicht? Heute jedenfalls ist zumindest in Deutschland die Polygamie sozialrechtlich bereits anerkannt (nämlich was die Mitversicherung der Ehefrauen islamischer Männer betrifft), und die Einrichtung eheähnlicher Rechtsbedingungen für homosexuelle Paare, wie nun weithin üblich, wurde nicht einmal in den wildesten Phantasien der katholischen Kulturkämpfer jener Tage an die Wand gemalt.
Zu weit heftigeren Auseinandersetzungen führten freilich die Schulgesetze. Nach dem Konkordat waren die Volksschulen der Aufsicht der Katholischen Kirche unterstellt gewesen. Nun sollte damit Schluß sein. Die Lehrer begrüßten diesen Schritt aus verständlichen Gründen. Einerseits wird das Verhältnis zum Ortspfarrer, der die Schulaufsicht inne hatte, nicht überall konfliktfrei gewesen sein, andererseits wurden sie durch die neuen Schulgesetze aus der drückenden Abhängigkeit von ihrer Gemeinde befreit: die Gehälter werden nun aus den Landesfinanzen bestritten und sind erheblich höher. Früher mußte das Schulgeld vom Lehrer bei den Eltern eingesammelt werden, und dies teils in Naturalien!
Doch darüber hinaus berührten die Schulgesetze eine grundsätzliche Frage. Damals lautete sie: Dürfen Protestanten und Juden katholische Schüler unterrichten, und, wenn ja, welche Werte werden sie ihnen vermitteln? Wenn heute darüber diskutiert wird, ob eine muselmanische Volksschullehrerin mit Kopftuch den Schülern die Werte unserer Kultur vermitteln kann, haben wir uns von einer der grundsätzlichen Fragen des Kulturkampfes der 1870er Jahre gar nicht so weit wegbewegt. Oder man denke an den deutschen Radikalerlaß, der es seit den 1970er Jahren Anhängern links- und rechtsextremer Bewegungen verbietet, unter anderem den Lehrerberuf zu ergreifen. Auch hier geht es nicht um individuelle Verfehlungen einzelner Lehrer, sondern um die grundsätzliche Frage, ob bestimmte Personen geeignet sind, Schulkindern die Grundwerte unserer Gesellschaftsordnung zu vermitteln.
Während die Zivilehe sehr bald keinen echten Streitpunkt mehr darstellte, blieben die Schulgesetze ein Stachel im Fleisch der katholischen Bevölkerung und wurden später in einzelnen österreichischen Ländern dahingehend reformiert, daß zumindest der Schulleiter, wenn nicht schon die Lehrer der gleichen Konfession angehören mußten wie die Mehrheit der Kinder – eine im alten Österreich mit sieben zahlenstark vertretenen Konfessionen bzw. Religionen ja nicht unwesentliche Frage. Im Zeitalter des Antisemitismus zogen da auch die Deutschnationalen zumeist mit den Christlichsozialen an einem Strang.
Dabei bedeuteten die Schulgesetze des Jahres 1868 für die Liberalen nur den ersten Schritt. Wohin die Reise gehen sollte, ließ sich unschwer erkennen: So enthielten die neuen Volksschul-Lesebücher überhaupt keine Texte mehr, die auf Christus oder den Glauben Bezug nehmen, und das Schulgeld wurde abgeschafft, ohne daß katholische Privatschulen Zuwendungen der öffentlichen Hand erhalten. Es ging um eine Verdrängung der Kirche aus dem schulischen Bereich im ganzen, ungeachtet der Elternrechte. In Salzburg dauerte es bis in die 1880er Jahre, daß eine konservative Mehrheit im Landtag auch katholischen Schulen nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen öffentliche Mittel zuwenden kann.
Trotz dieser Tendenzen blieb die (8- bzw. 6jährige) Volksschule der Vermittlung des christlichen Glaubens in heute unvorstellbarer Weise verpflichtet: So war in Salzburg der tägliche Besuch einer (freilich wohl meist sehr kurzen) Frühmesse üblich, den die Liberalen jedoch als schädlich für die „geschlechtliche Entwicklung der weiblichen Jugend“ bezeichneten. Mit diesem bemerkenswerten Argument gelang es, in den Sommermonaten von Ostern bis Oktober die Schulmessen auf drei pro Woche zu reduzieren, was zur Verbitterung im katholisch-klerikalen Lager führte, bis die Konservativen nach zähem Ringen eine Verkürzung dieses Zeitraumes auf Mai bis September erreichten.
Nun ging es noch um die Stellung der Katholischen Kirche als solches. Sollten ihr die gleichen Rechte eingeräumt werden wie jedem anderen Verein auch? Die Liberalen – und mit ihnen die Josephiner in der Hochbürokratie – verneinten dies: Die Katholische Kirche sei viel zu mächtig, als daß sie privatrechtlichen Vereinen gleichgesetzt werden könne. Der Staat müsse sich Kontrollmöglichkeiten gegenüber innerkirchlichen Vorgängen sichern. So sah das dritte der Maigesetze von 1868 die regelmäßige staatliche Visitation von Klöstern vor, die Anzeigepflicht von Kirchenstrafen etc. Diesem Gesetz verweigert Kaiser Franz Joseph allerdings die Sanktion. Die Wahl von Domherren und Äbten aber bedurfte hinfort der staatlichen Zustimmung, auch mußten neue Ordensniederlassungen genehmigt werden. Letzteres war in Salzburg während der liberalen Ära nicht möglich. Sogar die Gründung eines Altenasyls seitens der Barmherzigen Schwestern wird vom Salzburger Gemeinderat 1872 abgelehnt, obwohl sich die Stadt selbst in sozialer Hinsicht kaum engagiert. Erst in der konservativen Ära der 1880er Jahre gelingen Ordensneugründungen, stets begleitet von heftigen Polemiken der liberalen Presse. Selbst der Dienst der Barmherzigen Schwestern an den Landeskrankenanstalten wird von den Liberalen angegriffen und letztlich nur geduldet, weil sich andere Lösungen als nicht finanzierbar erweisen.
Trotz alledem bleibt Salzburg eine verhältnismäßig ruhige Insel im Gewoge des Kulturkampfes. Der Klerus war zum überwiegenden Teil im gemäßigt-liberalen Konsens integriert, reformkatholisch ausgerichtet und von der persönlichen Geisteshaltung her liberal, tolerant und fortschrittsgläubig. Da gab es Pfarrer, die sich an der deutsch-liberalen Wahlbewegung beteiligten und andere, die ihren Firmlingen statt eines Gebetsbuches ein Geschichtsbuch schenkten. Weder gab es in Salzburg einen kämpferischen Bischof Rudigier wie in Oberösterreich, der wegen eines Hirtenbriefes zu 14 Tagen Kerker verurteilt wurde, noch eine so dezidiert katholisch-konservative Grundstimmung wie in Tirol, wo 1861 das Protestantenpatent, das beide evangelische Bekenntnisse anerkannte, vom Landtag verworfen worden war.
Auch insgesamt verlief der Kulturkampf in Österreich weit milder als in Deutschland, was vor allem Kaiser Franz Joseph zu danken war. Er sorgte dafür, daß die Handhabung der neuen Gesetze durch die Beamtenschaft nicht in jenem antiklerikalen Geist erfolgte, dem sie entsprungen waren und fand in dem Wiener Kardinal Rauscher einen kompromißbereiten Widerpart. Auch Bischof Rudigier, der die Mai-Gesetze als dem Konkordat widersprechend ablehnte und seine Priester zum Widerstand aufgefordert hatte, wurde vom Kaiser noch am Tag seiner Verurteilung begnadigt. Dennoch fanden erstmals Straßendemonstrationen statt. Nicht nur in Linz ging die Bevölkerung für den Bischof auf die Straße, auch in Graz, St. Pölten und verschiedenen Städten Böhmens und Mährens marschierten die Katholiken.
In Reaktion auf die Verkündigung des Unverfehlbarkeitsdogmas am I. Vatikanischen Konzil im Jahre 1870 kündigt die liberale österreichische Regierung dann das ohnedies bereits ausgehöhlte Konkordat endgültig auf. Die damit verbundenen Befürchtungen der Katholiken bewahrheiteten sich in der Folge aber nicht. Der Liberalismus hatte in Altösterreich seinen Zenit bereits überschritten, und die Kirche selbst ging aus den Konflikten selbstbewußter und gestärkt hervor. Wie im deutsch-freisinnigen Lager die nationalen Söhne ihre liberalen 48er Väter verdrängen werden, sind auch die jungen Kleriker wieder deutlich konservativer und romtreuer als die ältere Generation. Der Kulturkampf hat den Reformkatholizismus ausgelöscht.
Für die sich herausbildende deutschnationale Bewegung war der Antiklerikalismus eine beständige Streitfrage. Ging es gegen das liberale Establishment oder um die Frage des Antisemitismus, war das katholische Lager ein willkommener Verbündeter. Zu anderen Zeiten aber stand der Antiklerikalismus im Vordergrund, und Schönerianer polemisierten auf gemeinsamen Veranstaltungen mit der damals noch deutlich marxistisch geprägten Sozialdemokratie gegen die Kirche.
Die Absicht eines privaten Vereines, mittels gesammelten Spendengeldes eine katholische Universität in Salzburg zu errichten, führte in den 1890er Jahren dann zu einer Auseinandersetzung, die von Salzburg aus den ganzen deutschen Kulturkreis einbezog. Der Führer der Salzburger Deutschnationalen, der ehemalige Schönerianer Dr. Sylvester, unterstützte die geplante katholische Universitätsgründung, weil sich damals die Deutschnationalen mit den Klerikalen zum Sturz der herrschenden liberalen Partei verbündet hatten. Die Burschenschaften organisierten derweil als Gegenveranstaltung eine Art Freie Deutsche Sommeruniversität, zu der bedeutende Wissenschaftler und Studenten aus dem ganzen deutschen Reich in Couleur strömten und Salzburg für einige Wochen den Flair einer reichsdeutschen Universitätsstadt wie Jena verliehen. Die Gegner einer Katholischen Universität – und sei sie aus privaten Mitteln finanziert – hatten die durchaus prominenteren Namen vorzuweisen. Sogar hochrangige Wissenschafter wie Max Planck, Theodor Mommsen und Max Weber engagieren sich in der Protestbewegung gegen die geplante Universität – und Karl Kraus läßt in seiner „Fackel“ Houston Stewart Chamberlain (der gerade in Wien an seinen „Grundlagen des 19. Jhdts.“ arbeitet) gegen die Katholische Universität in Salzburg anschreiben. Max Planck, Karl Kraus und Houston Stewart Chamberlain: Dieser ideologische Schulterschluß zeigt, daß die Wissenschaft der Gott des 19. Jhdts. war.
Nur konsequenterweise wurde damals auch die Forderung erhoben, die theologischen Fakultäten generell aus dem Verband der Universitäten auszuscheiden, da sie durch die Bindung an das kirchliche Dogma keine freie Forschung zulassen könnten. Und tatsächlich muß festgehalten werden, daß die Kirche die Freiheit der Wissenschaften ablehnte (beim Thema Gentechnik, Klonen und Reproduktionsmedizin zeigt sich freilich, daß auch ein säkularisierter Staat den Wissenschaften Grenzen auferlegt) und auf ihren Index der für Katholiken verbotenen Bücher die Werke einer ganzen Reihe bedeutender Gelehrter und Philosophen wie Immanuel Kant und Charles Darwin gesetzt hatte.
Ein absolutes Credo des Liberalismus ist das autonome Individuum, der von jeder Bevormundung durch den Staat soweit wie nur irgend möglich freie Bürger. Damit, und nur damit, so die Überzeugung der Liberalen, ist der persönlichen Wohlfahrt und dem Glück des einzelnen am besten gedient. Die Probe aufs Exempel fiel in der Ära des österreichischen Hochliberalismus in den 1870er Jahren nicht gerade positiv aus. Das Wirtschaftsleben hatte sich in Österreich ja schon seit längerem frei entfalten können. Die Maxime, daß nur niedrige Löhne und hohe Unternehmensgewinne das wirtschaftliche Wachstum und so die öffentliche Wohlfahrt im gesamten zu befördern vermöchten, hatte auch schon im Neoabsolutismus gegolten. Doch die Lage der Arbeiterschaft hatte sich keineswegs verbessert, im Gegenteil. Der Fleischkonsum der Bevölkerung lag damals um 30 % unter dem Niveau des Vormärz. Eine durchschnittliche Arbeitszeit von 91 Wochenstunden (das sind mehr als 15 Stunden am Tag, wenn man von einem freien Sonntag ausgeht) war weithin üblich. Selbst sieben- und achtjährige Kinder standen bis zu 13 Stunden täglich an der Werkbank. Die österreichische Gewerbeordnung von 1859 hatte zwar die Arbeit von Kindern unter dem Alter von zehn Jahren generell verboten und auch die Jugendarbeit Beschränkungen unterworfen, exekutiert wurde sie in der Ära des Liberalismus allerdings nicht. Urlaubsanspruch gab es nicht, neben dem freien Sonntag boten einzig die kirchlichen Feiertage Gelegenheit zur Erholung, doch war ihre Zahl schon unter Maria Theresia im Zeichen der Produktionssteigerung von 38 auf 16 jährlich herabgesetzt worden – immer noch viel zu viele in den Augen der Liberalen.
Als die Regierung 1868 versucht, die wöchentliche Maximalarbeitszeit mit 71 Stunden (rund 12 Stunden täglich) zu begrenzen, traten die Handelskammern scharf dagegen auf – u. a. mit dem Argument, daß auch die Arbeiter selbst kein Interesse an einer Arbeitszeitverkürzung hätten, da sie in der nun überreich vorhandenen freien Zeit doch nur Geld ausgeben würden, statt es zu verdienen! Die ersten Sozialgesetze Österreichs – Kranken-, Unfall- und Altersversicherung – konnten daher erst von der konservativen Regierung Taaffe in den 1880er Jahren durchgesetzt werden. Damit war Österreich aber immer noch (gleich nach Deutschland) das zweite Land der Welt, in dem es zu solch einer Gesetzgebung kam. Diese Tatsache verdankt sich eindeutig der starken Position, die die katholische Soziallehre in Österreich errungen hatte. Von katholischer Seite wurde dabei sogar auf „das geradezu ausgezeichnete Werk Das Kapital von Karl Marx“ Bezug genommen. Die deutschen Sozialistenführer August Bebel und Wilhelm Liebknecht hingegen unterstützten die österreichischen Liberalen, weil diese die Kirche bekämpften, in der der Marxismus den Hauptgegner sah. (Diese Haltung muß nicht verwundern, im Gegenteil: Schon Karl Marx hatte die zersetzende Wirkung des Liberalismus auf die gesellschaftlichen Strukturen gewürdigt, die erst die Voraussetzungen für die kommunistische Revolution schaffen würde und gleichzeitig jeden Einsatz für eine Verbesserung der Lage der Arbeiterschaft scharf abgelehnt, weil dies nur zu einer Verringerung der Revolutionsbereitschaft führen konnte.) In Österreich war es der Tiroler Kapuzinerpater Josef Kreuter, der als einer der ersten Abgeordneten im Reichsrat die soziale Frage zur Sprache brachte – im Zusammenhang mit der von der liberalen Partei betriebenen Aufhebung der Anti-Wuchergesetze.
Josef Kreuter war überhaupt ein Mann treffender Worte. Seine Kritik am liberalen Slogan „alles durch den konstitutionellen Staat“ liest sich auch in unserer Zeit modern, in der der „Staat als Beute“ (Hans Hermann von Arnim) der Parteiendemokratie gelten muß: „Alles durch den konstitutionellen Staat, den Staat aber durch die Partei, die Partei durch den Club und den Club durch seine Führer; jetzt haben Sie das moderne politische ABC.“
Ganz allgemein stellen heute Historiker fest, daß der herrschende Liberalismus die von ihm erkämpften bürgerlichen Freiheiten höchst parteiisch gehandhabt hat. Die privilegierten gesellschaftlichen Kräfte verstanden sich, wie Hanns Haas in seinem Aufsatz Von Liberal zu National. Salzburgs Bürgertum im ausgehenden 19. Jahrhundert feststellt, „als Element einer beinahe gewaltsamen Modernisierung des gesellschaftlichen Lebens, von der sie langfristig zu profitieren hofften. Sie teilten die weitverbreitete Illusion, mit diesem ihrem partikularen Interesse zugleich die Interessen der gesamten Gesellschaft zu vertreten. Verständnis für die soziale Frage, damals überwiegend des Mittelstands und der Bauern, immerhin des größeren Teils der Bevölkerung, brachten sie nicht auf“.
Daß die erkämpfte politische Organisationsfreiheit miteinschloß, daß sich auch katholische oder sozialistische Vereine bildeten, wurde nicht unbedingt eingesehen. Auch im Lande Salzburg ging man mit polizeilichen Mitteln und scharfen Zensurmaßnahmen gegen alle Vereine und Zeitungen vor, die sich nicht der liberalen Sache verschrieben hatten. Sogar Wahlwerbung der konservativen Partei wird von der Gendarmerie beschlagnahmt und nicht nur das: Die Gendarmen selbst müssen sich als Wahlhelfer der deutsch-liberalen Partei betätigen und deren Aufrufe verteilen! „Gleiches Recht für alle, Recht für den Arbeiter und Recht für den Priester, Recht für den Edelmann und nicht allein für den Bourgeois!“, schrieb damals Leo Graf Thun in der Zeitschrift „Vaterland“, dem Leitblatt des Konservativismus, und stellte fest, daß das „kleine Volk, dessen Dummheit und Rohheit“ die Bourgeoisie nicht müde werde zu verspotten, in den Augen der Konservativen nicht weniger gelte als alle anderen Stände auch. Erst in der konservativen Ära der 1880er Jahre verändert sich das öffentliche Klima dann. Die Behörden waren nun nicht mehr verlängerter Arm einer politischen Richtung, sondern zogen sich von jeder einseitigen Parteistellung zurück. Es entstand der Typus des k. k.-Beamten, der, allein auf Kaiser und Reich orientiert, über den Parteien stand und dem jede politische Tätigkeit untersagt war. Auch die Presse wird nicht mehr so eingeschüchtert wie in der liberalen Ära. Die Zahl der Beschlagnahmungen geht etwa in Salzburg deutlich zurück und erfolgt nur mehr bei konkreten Tatbeständen, etwa bei antikatholischer Propaganda der sozialdemokratischen „Salzburger Wacht“, bei Ausfällen gegen das Kaiserhaus oder bei „Aufreizung zur Feindseligkeit gegen die Juden“ des ebenfalls in Salzburg erscheinenden „Kyffhäuser“, der Wochenschrift des Schönerianerischen „Germanenbundes“.
Ein weiteres Merkmal der liberalen Ära war die weitverbreitete Korruption und die immense Bestechlichkeit der Politiker, ja der Minister. Die gerade gewonnene Pressefreiheit wurde von den liberalen Zeitungen aufs Gröbste mißbraucht. Karl Eder schreibt dazu in seinem Werk Der Liberalismus in Alt-Österreich: „In Wien haben größtenteils Juden die öffentliche Meinung der liberalen Ära gemacht und gelenkt … Grad, Art und Selbstverständlichkeit der Pressekorruption der liberalen Jahrzehnte bildeten eines der erstaunlichsten und erschreckendsten Phänomene … Da dieses Phänomen nicht nur in Wien, sondern auch in London und New York auftrat, wo der Anteil der Juden wesentlich geringer war, handelte es sich um die Krankheit der Presse auf einer bestimmten Entwicklungsstufe. [Diese letztere Aussage müßten wir aus heutiger Sicht doch wohl als verfrühten Optimismus, das Buch ist 1955 erschienen, einstufen. – DS] Die Presse wurde vom Großkapital bei seinen Beutezügen als Instrument benützt, und vom Leitartikel über den volkswirtschaftlichen Teil bis zu den Inseraten stand alles im Dienste bestimmter, nur wenig bekannter und oft schwer durchschaubarer Geschäfte.“
Die Goldgräberstimmung findet mit dem großen Börsenkrach von 1873 ihr abruptes Ende, unzählige Firmen überleben diesen „Schwarzen Freitag“ nicht: Allein von den seit 1868 neu gegründeten 70 Wiener Banken überstehen nur acht den Zusammenbruch – von den alteingesessenen Instituten jedoch alle. Die Spekulationsblase war geplatzt, die unseriösen Firmen von der Bildfläche verschwunden, eine hohe Arbeitslosigkeit die Folge.
Gerade diese Ergebnisse der liberalen Ära und die Rolle, die österreichische Juden im Liberalismus spielten, hat dann den Antisemitismus zu einer Massenbewegung werden lassen.
Das erzwungene Ausscheiden Österreichs aus Deutschland stellte die nationale Frage grundsätzlicherweise neu. Schon in den 1860er Jahren hatte der kleindeutsche Gedanke in der Studentenschaft langsam Fuß gefaßt. Sich von einem „reaktionären Junker“ wie Bismarck und vom preußischen Obrigkeitsstaat das Heil für Deutschlands Zukunft zu erwarten, bedeutete freilich auch einen deutlichen Bruch mit den demokratischen Idealen der 1848er. Im Jahr von Königgrätz war der kleindeutsche Gedanke schon so stark geworden, daß keine studentischen Freischaren gegen Preußen aufgeboten wurden. Daß Österreich vorerst aus Deutschland verdrängt werden mußte, um die Herstellung der deutschen Einheit durch Preußen zu ermöglichen, war der Inhalt des kleindeutschen Gedankens gewesen. Dieser verwandelte sich nach 1866 in den deutschnationalen Gedanken, der in seiner radikalen Form die Auflösung der österreichisch-ungarischen Monarchie und den Anschluß der ehedem zum deutschen Bund gehörenden Länder (damit selbstverständlich auch Böhmens und Mährens) zum deutschen Reich vertrat. Diese irredentistische Strömung war bis weit in die 1870er Jahre hinein ausschließlich eine Sache der Jugend, der Burschenschaften und geheimer Mittelschulverbindungen wie der Prager „Quercus“ gewesen, die bereits mit solchen in Linz und Salzburg in Verkehr stand und in deren Kreisen die in Berlin erscheinende Gymnasiasten-Zeitung „Walhalla“ aufmerksame Leser fand. Unterstützung von Professoren-Seite gab es nur vereinzelt, und der erste Politiker, der diese Strömung 1878 mit seinem Ruf „Wenn wir nur schon zum Deutschen Reiche gehören würden!“ deutlich machte, war der 1873 zum ersten Mal in den Reichsrat gewählte Georg Ritter von Schönerer – und löste damit auch einen beispiellosen Skandal aus.
Unumstritten war diese Richtung aber auch unter den Burschenschaften nicht, vor allem unter solchen Bünden, in denen noch republikanisch-freiheitliches Gedankengut als Erbe der Revolution von 1848 herrschte. Die Corps waren zu diesem Zeitpunkt noch deutlich schwarz-gelb orientiert und lehnten die radikal-nationale Richtung ab – was teilweise bis zum Ausmerzen des Wortes „deutsch“ in den Liederbüchern führte! Als es 1883 anläßlich eines Trauerkommerses für den verstorbenen Richard Wagner in den Wiener Sophiensälen (mit mehr als 4.000 Teilnehmern!) zu staatsfeindlichen Reden kommt und der Rektor der Universität Wien gegen die Organisatoren des Kommerses vorgeht, geschieht dieses mit ausdrücklicher Unterstützung der damals bestehenden fünf Wiener Corps!
Der verehrte Held Bismarck erwiderte die ihm entgegengebrachte Liebe freilich nicht gänzlich. Schon einmal hatte er den deutschnationalen Studenten ausrichten lassen, er würde, sollte es ihnen einfallen, auf Revolution zu machen und den Anschluß der deutschen Provinzen mit Gewalt durchsetzen zu wollen „auf sie schießen lassen“. Und als sich der greise Fürst am 15. April 1895 anläßlich seines 80. Geburtstages bereit fand, in Friedrichsruh eine Abordnung österreichischer Burschenschaften zu empfangen, dann nur unter der Bedingung, daß bereits die an ihn gerichtete Ansprache ein Treuebekenntnis zum österreichischen Kaiserhaus enthalte, eine Treue, zu der Bismarck die Burschenschafter in seiner Erwiderung nochmals kräftig ermahnte.
Ab der Jahrhundertwende schwächte sich die irredentistische Strömung dann deutlich ab, der Anschlußgedanke dominierte nicht mehr in diesem Maße, und auch in den Burschenschaften hielt großösterreichisches Denken wieder Einzug. Die Corps waren im Zuge der Nationalitätenkämpfe dafür bis zur Jahrhundertwende entschiedener deutsch geworden und hatten sich ganz allgemein stärker politisiert. Dem republikanischen Gedanken, der ein halbes Jahrhundert zuvor unter der Jugend noch so stark gewesen war, hingen die Studenten Österreichs um 1900 allerdings nicht mehr an, ob schwarz-gelb oder schwarz-weiß-rot orientiert, die Studenten waren überwiegend Monarchisten.
Die Nationalitätenkämpfe wurden zum dominierenden Thema in den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Im Kern ging es dabei um die Frage Zentralismus versus Föderalismus. Die Verfassung des Jahres 1867 war zentralistisch, die deutsch-liberale Partei war es auch: Die Deutschen stellten die führende Schicht der Monarchie, ihnen kam daher auch die politische Macht zu. Dies ging so lange gut, wie die Deutschliberalen die Mehrheit im Abgeordnetenhaus hatten. Als sie 1878 dann verlorengegangen war, wurde bald klar, daß sie sich rein wahlarithmetisch nie wieder ausgehen würde: Die Deutschen stellten in der österreichischen Reichshälfte rund 35 % der Gesamtbevölkerung. Je mehr auch ärmeren Schichten das Wahlrecht zugestanden wurde, desto ferner rückte die Mehrheit für die Deutschen. Das Dilemma der deutschen Parteien war nun folgendes: Beharrten sie auf dem Anspruch, daß ihnen als führender Schicht der Monarchie die politische Macht zustünde, mußten sie sich auch dem Kaiserhaus gegenüber entsprechend loyal verhalten, außerdem konnte man, wenn man doch für den Gesamtstaat stehen wollte, nur schlecht eine dezidiert nationale Politik verfolgen.
Die Deutschliberalen betonten ihr Deutschtum daher nur ungern. Sie verstanden die Deutschen nicht als eine Nation unter vielen, sondern als die Staatsnation, zumindest der österreichischen Reichshälfte: Und sie wußten, daß dieser Anspruch verlorengehen würde, wenn sie als Nationalität politisch exponiert in Erscheinung träten.
Begann man nationale Interessenspolitik zu betreiben, stellte man sich damit automatisch auf dieselbe Stufe mit all den anderen Völkern und konnte diesen nur mehr schlecht erklären, warum auch in Ländern mit slawischer Mehrheit etwa die Amtssprache deutsch zu sein hatte. Den Tschechen im Reichsrat auszurichten, daß ihre Kultur der der Zulus oder Eskimos vergleichbar wäre und es einem Deutschen nicht zugemutet werden könne, die Sprache eines so minderen Volkes zu erlernen, half da auch nicht viel weiter.
Mit solchen Nettigkeiten konnte Karl Hermann Wolf aufwarten (dessen Gruppe sich freilich in den 1890er Jahren bereits von den noch radikaleren Schönerianern abgespalten hatte), ein Otto Steinwender als Führer der größten deutschnationalen Partei erkannte die bereits vollzogene Gliederung des Staates in Nationen bald an, das Insistieren, etwa der Tschechen, auf ihre nationalen Interessen, empfand er nicht als verachtenswerte Herausforderung eines minderwertigen Volkes, sondern eher als Vorbild für eine künftige deutschnationale Politik – das schloß auch ein gehöriges Maß an Realismus und Kompromißbereitschaft mit den Anliegen der anderen Nationalitäten ein.
Die Slawen waren prinzipiell föderal eingestellt, weil der Föderalismus den von ihnen dominierten Ländern größere Freiheiten bescherte. Darin trafen sie sich mit dem feudalen Adel, aber auch mit den katholischen Parteien der Alpenländer, die bald mit den Slawen gemeinsame Sache machten und später mit ihnen die Regierung des Eisernen Ringes unter Eduard Graf Taaffe stützten. Die Deutschliberalen warfen ihnen deshalb Verrat am eigenen Volke vor, übersahen dabei jedoch, daß es gerade der Kulturkampf gewesen war, der die Katholiken zu so entschiedenen Feinden des Zentralismus gemacht hatte.
Da der Hauptträger des Liberalismus das deutsche Bürgertum war, ergab sich für die katholische Partei ein natürliches Bündnis mit allen seinen Gegnern. Der dem nationalen Lager zuzurechnende Historiker Georg Franz resümiert diesbezüglich: „Für das Wesen der Deutschliberalen ist es jedenfalls sehr aufschlußreich, zu sehen, wie sie eifrig Öl ins Feuer des Kirchenkampfes gossen, während die staatsrechtliche und nationale Zersplitterung dem habsburgischen Reiche an der Leber fraßen.“
Die Verschärfung des Nationalitätenkampfes führte in der Folge allerdings dazu, daß auch die katholischen Parteien in nationalen Fragen mit den Deutschnationalen stimmten.
Dabei ging es meist um ziemlich handfeste Angelegenheiten: In vielen Gebieten der k. u. k.-Monarchie lebten Menschen unterschiedlicher Nationalität in denselben Gemeinden zusammen. In welcher Sprache sollte an den dortigen Volksschulen unterrichtet werden, welche Anforderungen gab es an Priester und Beamte? Wie sehr hier gerade auch Symbolpolitik gemacht wurde, zeigt der Fall des Gymnasiums in Cilli: In der Untersteiermark gelegen, hatte die Stadt kaum 6.000 Einwohner, davon drei Viertel Deutsche, doch ohne jeden Rückhalt: Die nächste deutsche Ortschaft war zwei Bahnstunden entfernt. Hier sollte nun, von der Regierung seit einigen Jahren versprochen, am deutschen Gymnasium eine slowenische Parallelklasse geführt werden. Auch wenn sich das Beispiel Cilli gut als Exempel dafür eignet, welch „kontraproduktive Borniertheit … bei den Sprachenkämpfen der Monarchie die Regie führte“, weist der Wiener Historiker Lothar Höbelt in seiner Habilitationsschrift Kornblume und Kaiseradler doch darauf hin, daß bei den „paar Dutzend Akademikern, die eine solche Provinzstadt zählte … ein paar slowenische Professoren das labile nationale Gleichgewicht ins Wanken bringen konnten“. Und die Slowenen lehnten auch den auf der Hand liegenden Kompromißvorschlag ab, nämlich, das slowenische Gymnasium ein paar Kilometer weiter zu errichten, unproblematisch insbesondere, da die Mehrzahl der Schüler ohnedies vor Ort übernachten mußte.
Konflikte dieser Art gab es mit weniger Bekanntheitsgrad überall. Die politisch, kulturell und auch bildungsmäßig vorwärtsdrängenden slawischen Völker brachten die mehr oder minder starken deutschen Minderheiten mancherorts in Zugzwang. Unabhängig von allen Parteienkämpfen entsteht in dieser Situation 1880 der Deutsche Schulverein, der sich – wie schon der Name sagt – in erster Linie des Schulwesens der deutschen Minderheiten in gemischtnationalen Gebieten annehmen will. 1886 umfaßte er schon 108.000 Mitglieder, 1914 200.000. Dabei ist der Deutsche Schulverein keine singuläre Organisation, die 1889 in Graz ins Leben gerufene Südmark zählte bis zum I. Weltkrieg weitere 88.000 Mitglieder. Daneben gab es eine ganze Anzahl regionaler Schutzvereine, wie den „Böhmerwald-Bund“, den „Bund der Deutschen Nordmährens“ u. a. Die immensen Mitgliederzahlen dieser Vereine widerlegen die nach dem II. Weltkrieg von linker Seite gerne vorgebrachte Behauptung, die Mehrzahl der deutschen Österreicher in den letzten Jahren der Monarchie sei zumindest anational gewesen. Zugleich illustriert gerade die Geschichte des Deutschen Schulvereines ein grundsätzliches Dilemma der deutschnationalen Bewegung: In Böhmen, in Prag zumal war ein großer Teil der Juden deutlich deutsch orientiert – wie sah es daher mit dem Antisemitismus aus? Den diesbezüglichen Bestrebungen Georg Ritter von Schönerers und der Alldeutschen zeigt sich der Deutsche Schulverein lange Zeit unzugänglich. In Wien wurde die von Burschenschaften betriebene Errichtung einer akademischen Sektion nicht gestattet, weil diese keine jüdischen Mitglieder aufnehmen wollte. Erst unmittelbar vor der Jahrhundertwende wurde die Errichtung antisemitischer Ortsgruppen zugelassen.
Die deutschen Schutzvereine waren mit ihren mehreren hunderttausend Mitgliedern eine echte Massenbewegung, was der Vergleich mit den Auflagenzahlen bedeutender Tageszeitungen besonders deutlich macht: So hatte die in der ganzen Monarchie und darüber hinaus gelesene „Neue freie Presse“ eine Auflage von 33.000 Exemplaren, das „Neue Wiener Tageblatt“ kaum mehr und das „Illustrierte Wiener Extrablatt“ als größte deutsche Tageszeitung stolze 43.000 Stück. Die Provinzblätter können da nicht mithalten: 1880 hat das liberale „Salzburger Volksblatt“ eine Auflage von ganzen 613 Exemplaren (dreimal wöchentlich!), die konservative „Salzburger Chronik“ zählt 468 Abonnenten. Der ungeschlagene Spitzenreiter, das „Salzburger Kirchenblatt“, kam einmal wöchentlich auf 1.200 Exemplare.
Zu den heftigsten Nationalitätenkämpfen führten die Sprachverordnungen, mit denen der Ministerpräsident Graf Badeni den Nationalitätenkonflikt in Böhmen zu lösen versuchte. Die Bestrebungen der Deutschböhmen liefen auf eine administrative Zweiteilung des Landes hinaus: Nur deutsche Beamte in deutschen Gebieten, dafür als logische Folge nur tschechische Beamte in tschechischen Gebieten. Anders wäre es nicht zu machen gewesen. Lothar Höbelt stellt klar, was die Alternative, das Festhalten am Zentralismus, bedeutet hätte. Mußte die Einheitlichkeit der Verwaltung gewahrt werden, „stand freilich über kurz oder lang auch die Frage der Zwei- oder Mehrsprachigkeit im Verkehr mit dem Publikum eines multinationalen Staatsgebietes auf der Tagesordnung: Denn nur auf Deutsch konnte die Verwaltung im gesamten Reich einfach nicht amtieren. Das mußte jedem klar sein. Die Logik der badenischen Sprachverordnungen zeichnete sich hier bereits ab, gerade, wenn man am zentralistischen Standpunkt festhielt, wie es die Deutschliberalen bisher getan hatten“.
1881 hatte man das Tschechische in einigen Bezirken Böhmens in Verwaltung und Gerichtsbarkeit mit dem Deutschen gleichberechtigt. 1882 war es zur Teilung der Prager Universität gekommen, 1886 hatte die Zweisprachigkeit die Oberlandesgerichte erreicht, die Berufungsverfahren in Tschechisch durchführen mußten, wenn in der ersten Instanz Tschechisch die Verhandlungssprache gewesen war. Badeni will nun die generelle Zweisprachigkeit der Verwaltung durchsetzen. Damit hätten die deutschen Beamten binnen weniger Monate das Tschechische erlernen müssen, während umgekehrt tschechische Beamte aufgrund der Tatsache, daß die innere Amtssprache der Verwaltung nach wie vor Deutsch war, die andere Sprache ohnedies beherrschten. Der Gesetzesentwurf war schlecht vorbereitet: Einerseits war es auch den meisten Führern der Deutschnationalen, wie Otto Steinwender, klar, daß in der Sprachenfrage ein Kompromiß mit den Tschechen gefunden werden mußte, auf der anderen Seite hielten sogar die Führer der radikalen Jungtschechen eine durchgehende Zweisprachigkeit für nicht nötig. Doch während auf parlamentarischer Ebene durchaus noch Gesprächsbereitschaft bestand, wuchs der Druck von unten, und zwar in allen deutschen Kronländern, bis die Lage nicht mehr unter Kontrolle war. Die Sprachenfrage spielte ja vielerorts eine Rolle, etwa wenn die Postdirektion in Graz plötzlich erklärte, nur mehr zweisprachige Briefträger einstellen zu wollen. Überall kam es zu Demonstrationen, sogar in kleinsten Marktgemeinden und Dörfern, auch in Ländern wie Salzburg, die von der Sprachenfrage selbst gar nicht berührt waren. Die Stimmung wurde zunehmend radikaler. Schließlich schoß ein Bosniaken-Regiment in Graz auf die Demonstranten, es gab Tote. In Prag machte im Gegenzug der tschechische Mob Jagd auf farbtragende Burschenschafter. Es kam zu Angriffen gegen Verbindungshäuser. Im Reichsrat entspannen sich nun die bekannten Szenen. Wo bisher ausschließlich mit Worten gekämpft worden war, flogen die Tintenfässer, die Abgeordneten droschen auf ihre Pulte oder brachten Trompeten und Trillerpfeifen mit, um ihre Gegner am Sprechen zu hindern. Es kam zu Rangeleien und regelrechten Prügelszenen. Ein Universitätsprofessor zückte sogar ein Messer. Die Regierung ließ die tobenden Parlamentarier stückweise von der Polizei aus dem Saale tragen. Als der Deutschradikale Karl Hermann Wolf an die Regierungsbank trat und von einer „Schufterei“ sprach, wurde er vom Ministerpräsidenten auf Pistolen gefordert – das Duell endete mit einem Steckschuß im Oberarm, den Wolf Badeni zufügte. Der altösterreichische Parlamentarismus hat sich von diesen Szenen nie mehr erholt, auch nach dem Rücktritt Badenis ging es mit ihm bergab.
Die Sprachenfrage in Böhmen konnte auch bis zum Ende des I. Weltkrieges nicht mehr in einer für alle Seiten befriedigenden Weise gelöst werden. Und dennoch bleibt festzuhalten, daß ein solcher echter Ausgleich prinzipiell möglich gewesen wäre: In Mähren kam er 1905 zwischen Deutschen und Tschechen zustande, sogar in der Bukovina mit ihrer viel komplizierteren nationalen Struktur wurde eine Lösung gefunden.
Schon 1878 hatte die Wiener Burschenschaft Libertas als erste Körperschaft beschlossen, daß sie Juden unabhängig ihrer Konfession nicht mehr als Deutsche ansehen würde. Damit wurde der Liberalismus der Vätergeneration bis ins Mark getroffen. Die Revolution von 1848 war im wesentlichen Teil noch von Juden mitgetragen worden: Unter den fünf Todesopfern des 13. März fanden sich zwei Juden, von den 29 Unterschriften für Pressefreiheit stammte etwa ein Drittel aus jüdischer Hand. Selbst als in den 1860er Jahren die Kämpfe zwischen der deutschnationalen (kleindeutschen) und der deutsch-österreichischen (großdeutschen) Richtung an den Universitäten Wien und Prag einsetzten, befanden sich jüdische Studenten nicht selten als Wortführer auf beiden Seiten. Doch ein Jahrzehnt später faßte der Antisemitismus an der Prager und Wiener Universität (mit einem jüdischen Studentenanteil von 9,5 % bzw. 21 %) Fuß. 1885 fordert Georg Ritter von Schönerer zum ersten Mal die völlige Beseitigung jüdischen Einflusses auf das öffentliche Leben, doch die zahlenmäßig weit stärkere „Deutschnationale Vereinigung“ gibt ihren Mitgliedern noch Anfang der 1890er Jahre die Haltung zum Antisemitismus frei. Erst 1895 nimmt auch die Deutsche Volkspartei den Antisemitismus in ihr Programm auf, aber nur in der Form, daß ein Überwiegen des jüdischen Einflusses bekämpft werden soll. Die Partei selbst blieb für jüdische Mitglieder offen! Und auch die christlich-soziale Partei, für deren Entstehen der Antisemitismus so wichtig gewesen war, wendet sich gegen seine radikale Form, die sich gegen das jüdische Volk als solches richtet. Später verebbt der Antisemitismus sogar wieder ein wenig, die Amplitude kollektiver Erregung schlägt geringer aus: 1910 kommt es zum Zusammenschluß der deutschen Parteien im Deutschen Nationalverband, dem ohne Probleme auch zwei jüdische Abgeordnete des (altliberalen) Fortschrittklubs angehören. Die Nationalitätenkämpfe hatten den Deutschradikalen deutlich gemacht, daß man in Mähren jeden brauchen konnte, der sich zum Deutschtum bekannte, sei er nun jüdischer Herkunft oder nicht.
Wenn bisher von Parteien die Rede war, dann nicht im modernen Sinne: Die Kandidaten für die Reichsratswahlen wurden von lokalen Honoratiorenverbänden und Vereinen aufgestellt. Erst im Parlament selbst fanden sie sich zu Klubs zusammen. Eine Parteienorganisation im modernen Sinn existiert nicht.
Ursprünglich gab es unter den deutschen Abgeordneten im wesentlichen nur zwei Strömungen: die „Vereinigte Deutsche Linke“, also die Liberalen als fast alleinige Vertreter des deutschen Besitzbürgertums – noch waren ja nur 15 % der Männer wahlberechtigt –, auf der anderen Seite die klerikal-konservativen Abgeordneten aus den ländlichen Wahlbezirken der Alpenländer, die, im Parlament in der Minderzahl, doch wohl den überwiegenden Teil der deutschen Bevölkerung repräsentierten. Nach dem Ende der liberalen Vorherrschaft, unter der konservativen Regierung Taaffe, stellt sich für die deutsche Linke die Frage, ob man in Zukunft „seiner Majestät loyale Opposition“ spielen sollte, um möglichst bald zur Regierungsverantwortung zurückkehren zu können, oder die deutschen Interessen gegenüber der slawenfreundlichen Regierung in Form einer schärferen Opposition deutlicher zu vertreten waren. In der Folge kommt es zu einer Spaltung der Parlamentarier in zwei Gruppen: Einerseits bildet sich der deutsch-österreichische Club, die am Primat der Reichsidee festhaltende „großösterreichische Staatspartei“, unterstützt nicht nur von vielen Wiener Abgeordneten, sondern gerade auch von den Sprachinsel-Deutschen, die bis zum Ende der Monarchie mit scharf-nationalen Tönen nichts anfangen können, da sie, in einem prekären Beziehungsgeflecht mit nichtdeutschen Nationalitäten lebend, auf gutes Einvernehmen mit der schwarz-gelben Bürokratie angewiesen sind. Die „schärfere Tonart“ findet sich im Deutschen Klub zusammen, für den sich bald die Bezeichnung „Nationalliberale“ einbürgert (1885).
Doch schon zwei Jahre später spaltet sich von diesem Klub die deutschnationale Vereinigung unter Otto Steinwender ab, aus der später die Deutsche Volkspartei als wichtigste deutschnationale Gruppe hervorgehen sollte. Ausschlaggebend dafür war bereits der Antisemitismus gewesen, dem sich die Nationalliberalen verschlossen, und, mehr noch, die Frontstellung Sozialreformer gegen Manchester-Liberale. Das war vor allem ein Generationskonflikt. Die deutschnationalen Söhne standen gegen ihre judenliberalen Väter auf. Augenscheinlich wurde dies nach den Reichsratswahlen von 1891, als die Abgeordneten der Deutschen Nationalpartei – unter ihnen die ersten Burschenschafter im Hohen Haus – im Schnitt um rund 20 Jahre jünger waren als die Altliberalen. Rasch spielten sozialreformatorische und antikapitalistische Forderungen bei der Volkspartei eine immer größere Rolle, etwa im Ruf nach einer Verstaatlichung des Versicherungs-, Bank- und Verkehrswesens. Antiliberalismus und Antisemitismus, der Kampf gegen das liberale Establishment haben absolute Priorität und lösen den Antiklerikalismus, der früher bestimmend gewesen war, ab. Otto Steinwender ruft zur Achtung der religiösen Gefühle der Katholiken auf und erklärt: „Bilden wir uns nicht ein, daß das materialistische Dogma vernünftiger sei als ein anderes“.
In Wien entstehen die „Vereinigten Christen“, ein antiliberales Bündnis von Deutschnationalen und Katholisch-Konservativen, auch in Salzburg kann eine solche Vereinigung erstmals die liberale Vorherrschaft im Lande brechen. In Brünn kommt es 1897 sogar zu einem Bündnis von Deutschnationalen und Tschechen, um den „Judenliberalen“ das Mandat abzujagen.
Doch noch eine radikalere Gruppe bestand im deutschen Lager: Der Kreis um Georg Ritter von Schönerer. Aus ihm gingen mit Viktor Adler und Engelbert Pernerstorfer die späteren Führer der Sozialdemokratie ebenso hervor wie mit Karl Lueger der Führer der Christlich-Sozialen – 1881 sitzen Schönerer und Lueger sogar drei Tage gemeinsam im Gefängnis, weil sie eine Gruppe von Arbeitern bei illegaler sozialistischer Agitation unterstützt haben – die Arbeiterzeitung räumte ihnen daher auch gleich einen Platz im Pantheon der Helden der frühen Arbeiterbewegung ein.
1882 gibt sich die Gruppe das „Linzer Programm“, das noch keine Forderung nach Auflösung Österreichs enthält, sondern nur die einer Sonderstellung für Galizien, Dalmatien und die Bukovina, was den Deutschen im verbleibenden Rest Zisleithaniens gegenüber Tschechen, Italienern und Slowenen eine absolute Mehrheit gebracht hätte. Daneben sind die Forderungen nach einer Aufnahme des Bündnisses mit dem Deutschen Reich in die Verfassung und vor allem der Ruf nach einem demokratischen Wahlrecht und Sozialreformen bemerkenswert. Damals, zu Anfang der 1880er Jahre, konnten Juden wie Viktor Adler und Heinrich Friedjung den beginnenden Antisemitismus noch unterstützen, weil sie im Kapitalismus ein jüdisches System sahen, das die Wohlfahrt eines souveränen Volkes zerstöre. Erst als sich Schönerers Antisemitismus radikalisiert, trennen sich Adler und Pernerstorfer von ihm. Lueger hält länger aus: Noch 1887 stimmt er im Reichsrat für einen Antrag Schönerers, der auf die völlige Verdrängung der Juden aus dem öffentlichen Leben Österreichs hinauslief – laut dem englischen Historiker Andrew G. Whiteside der schärfste antisemitistische Gesetzesentwurf, der je in Österreich im Parlament behandelt wurde.
Die alldeutschen Anhänger Schönerers bildeten bald überall in der Monarchie eine kleine, aber lautstarke Minderheit. „Viel Geschrei und wenig Wolle“, lautet der Bericht eines observierenden Salzburger Beamten an das Ministerium des Inneren. Schönerers Zeitschrift „Unverfälschte deutsche Worte“ kommt nicht über ein vierzehntägiges Erscheinen und eine Auflage von 3.000 Exemplaren hinaus. Sein 1887 in Salzburg gegründeter „Germanenbund“, der sich um die Revitalisierung germanischer Kulte bemüht und sich als Dachverband ähnlicher Gruppierungen versteht, kann österreichweit auch nicht mehr als 4.000 Mitglieder auf die Beine stellen.
Nach den Badeni-Wirren radikalisieren sich die Alldeutschen weiter, das taktische Bündnis mit den Katholiken im Zeichen des Antisemitismus und Antiliberalismus ist längst Geschichte. Jetzt fordert Schönerer: „Ohne Juda, ohne Rom wird erbaut Germaniens Dom!“ Wenn, dann wäre nur der Protestantismus die Religion der Deutschen. Die „Los-von-Rom“-Bewegung propagierte den Austritt aus der Katholischen Kirche. In Salzburg traten bis 1912 aber nur 969 Personen von ca. 30.000 Einwohnern aus der Kirche aus. Zum einen Bildungsbürger wie Beamte und Ärzte, zum anderen Arbeiter – hier ließ bereits der Marxismus grüßen. „Doch der Großteil der deutschnational eingestellten städtischen Bevölkerung blieb katholisch und antiklerikal. Man spottete milde über die Priester, ging zu Weihnachten in die Mette und steckte die Kinder in katholische Schulen“, resümiert Ernst Hanisch.
Schönerer hatte mit der Los-von-Rom-Bewegung eine neue Front eröffnet, die seine Bewegung weiter marginalisierte. Eine Gruppe um Karl Hermann Wolf spaltete sich als „Deutschradikale“ ab und überflügelte bald die Alldeutschen. Die Nationalitätenkämpfe werden zum dominierenden Thema, so verbünden sich die Wolfianer in Böhmen mit deutschnationalen Juden gegen die Tschechen und in Niederösterreich mit den Christlichsozialen gegen die Judenliberalen. Sie werden „Großösterreicher“, unterstützen den Kaiser, loben den Mährischen Ausgleich von 1905 und befürworten eine sprachliche Teilung Böhmens. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts ist auch die Studentenschaft weniger militant geworden, die radikale Anschlußbewegung tritt zunehmend in den Hintergrund, großösterreichisches Denken zieht sogar bei den Burschenschaften teilweise ein. Ja es gibt Verbindungen, die ein Jahrzehnt davor noch hundertprozentig alldeutsch eingestellt waren und nun wieder beginnen, Juden aufzunehmen.
Als „Achsenzeit“ des österreichischen politischen Systems müssen die Jahre 1887/88 gelten: Ende 1888 wird Viktor Adler der Führer der neugegründeten sozialdemokratischen Partei, 1887 begann die geschilderte Herausbildung der deutschen Volkspartei, und 1888 näherte sich Karl Lueger – Schönerer saß damals gerade im Gefängnis, weil er in der Redaktion einer Wiener Tageszeitung Lärm geschlagen hatte – der katholischen Reformgruppe unter Karl von Vogelsang und Fürst Liechtenstein an. Im Februar 1888 hatte Lueger erstmals an einem Bankett zu Ehren des Papstes teilgenommen, ab September begann er den Begriff „christlich-sozial“ für seine Bewegung zu reklamieren. In Wien und Niederösterreich gelang es den Christlichsozialen in der Folge, all jene Gruppen aufzusaugen, die anderswo das Substrat der Deutschnationalen bildeten. Nur der harte Kern der Alldeutschen blieb abseits. Der Erfolg Luegers beruhte darauf, daß es nicht bloß ein taktisches Bündnis war, das er mit dem katholischen Reformkreis einging, sondern daß hier der Graben des Antiklerikalismus im Zeichen von Antiliberalismus und Antisemitismus tatsächlich übersprungen, nein zugeschüttet wurde. In nationalen Fragen zogen die Christlichsozialen dann in Folge auch mit den deutschnationalen Gruppierungen mit und integrierten sich u. a. in der zur Jahrhundertwende im Reichsrat entstehenden deutschen „Gemeinbürgschaft“.
Während Sozialdemokraten und Christlichsoziale bald moderne Parteien im heutigen Sinne mit einer durchgehenden Organisationsstruktur bildeten und damit Konkurrenten ausschalten konnten, gelang dies im deutschnationalen Lager nicht. Für dieses Lager war die Vereinsstruktur der Schulvereine, Turner- und Sängerbünde, Burschenschaften & Co. nach wie vor prägend. Eine Einheit war schwer herzustellen; auch wenn die Deutsche Volkspartei sich als zahlenmäßig stärkste Gruppe etablierte und die Alldeutschen ein kleines, aber stabiles Element bildeten, gab es 1908 etwa allein in der Stadt Salzburg die stolze Zahl von 10 (!) verschiedenen deutschnationalen Parteiungen.
Der vorliegende Text ist ein Auszug aus einem für die Festschrift zum 125. Bestehen der Salzburger Burschenschaft „Germania“ verfaßten Aufsatz. Einen weiteren Auszug, der sich stärker mit der Ideengeschichte jener Zeit befaßt, wird die „Neue Ordnung“ in ihrer nächsten Nummer veröffentlichen.
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