Mit Ihnen verliert die FPÖ den profiliertesten Vertreter des „wehrhaften Christentums“. Bedeutet das einen Kurswechsel?
Stadler: Mein Ausscheiden aus der FPÖ alleine müßte noch keinen Kurswechsel der Partei bedeuten – so wichtig war ich in der FPÖ auch wieder nicht. Aber die Partei hat eine neue Programmdiskussion begonnen und will das Parteiprogramm des Jahres 1997 verändern. Die bisher auf dem Tisch liegenden Vorschläge sind allerdings sehr deutliche Belege für einen weitreichenden Kurswechsel der FPÖ. Man will unter Strache offensichtlich eliminieren, was unter Haider noch zugelassen wurde, nämlich den wertkonservativen christlichen Wählern eine politische Heimat zu bieten, die sie woanders schon längst verloren haben. Zusätzlich hatte Haider erkannt, daß mit der Zuwanderungsproblematik massive ethnische und kulturelle Umwälzungen eingeleitet wurden, welche die Selbstbesinnung der Österreicher auf die eigenen ethnischen, kulturellen und religiösen Wurzeln notwendiger denn je machen. So tief will die jetzige FPÖ aber nicht schürfen. In sehr oberflächlicher Form geht man zurück auf den plumpen alten national-liberalen Antiklerikalismus und reiht sich willig in den säkularen, neuheidnischen Grundkonsens ein. Ein paar Freimaurer haben es zuwege gebracht, die religiöse Gleichgültigkeit Straches auszunutzen und auf alte antichristliche Reflexe zu setzen. Dies ist weniger für mich persönlich bedauerlich, als vielmehr für eine große Zahl von wertebewußten Christen, welche große Hoffnungen in die FPÖ gesetzt haben und nun vor der Frage stehen, wen sie bei den nächsten Wahlen überhaupt noch wählen können.
Sie selbst sind Anhänger der Priesterbruderschaft Pius X. und befinden sich damit in einem Konflikt mit der „Amtskirche“. Aus der Freiheitlichen Partei kann man hören, Sie hätten versucht, die Freiheitliche Akademie als solche auf diesen Kurs zu bringen. Haben Sie zu wenig zwischen Ihrer persönlichen Glaubensüberzeugung und der Politik der FPÖ unterschieden, die Menschen verschiedener Religionsüberzeugungen ansprechen will?
Stadler: Es war einer der stupidesten Vorwürfe gegen mich, ich hätte aus der Freiheitlichen Akademie ein Institut der Priesterbruderschaft St. Pius X. machen wollen. Mir persönlich sind solche Unterstellungen nicht neu, weil ich seit Jahren wegen meiner Katholizität, vor allem aber wegen meiner Zugehörigkeit zum Laienzweig eines altehrwürdigen Ordens Ziel von Anfeindungen aus der eigenen Partei war. Mein Kurs hat bestimmten, sogenannten „aufgeklärten“ Kreisen nie gepaßt. Ich habe aber dennoch mit dem von mir geprägten Begriff des „wehrhaften Christentums“ in der österreichischen Innenpolitik einen Kurs definiert, der sich vom parteipolitischen Einheitsbrei der anderen Parteien grundsätzlich unterschieden hat. Mit der nunmehrigen Entwicklung will sich die FPÖ wieder in den parteipolitischen Einheitsbrei einbringen, um systemkompatibel zu sein. Damit hat aber meines Erachtens die FPÖ keine demokratiepolitische Rolle mehr zu spielen, weil es meines Erachtens zu den bereits ausreichend vorhandenen Systemparteien nicht noch eine zusätzliche mit blauem Lack braucht. Wenn die FPÖ ihre Existenz, ihre Rolle und ihre Aufgabe aber wirklich legitimieren möchte, dann muß sie die Systemkonformität und den von den anderen definierten ideologischen Grundkonsens meiden, wie sie sonst nichts zu meiden hätte. Die gegenwärtige FPÖ-Führung möchte diese Lehre aber nicht ziehen, weil es für Strache wichtiger ist, von den Sozialisten einen antifaschistischen Persilschein ausgestellt zu bekommen, anstatt ein kantiges Eigenprofil zu entwickeln.
Sie haben in der Politik immer deutliche Worte gefunden und haben dadurch einerseits viele Anfeindungen erfahren, andererseits aber auch vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen. Wie sieht die Zukunft von Ewald Stadler aus?
Stadler: Ich persönlich möchte mit dem Ende der nunmehrigen Legislaturperiode nicht nur aus dem Nationalrat ausscheiden, sondern auch gänzlich die politische Bühne verlassen. Dies ist die Konsequenz aus folgender Erkenntnis: Wenn jemand wie ich mit seiner Geisteshaltung in der FPÖ keinen Platz mehr hat, dann hat er mit absoluter Sicherheit auch in keiner anderen Partei Platz. In der österreichischen Innenpolitik ist aber das Vehikel „Partei“ als Transmissionsriemen zwischen dem Wahlvolk und den verfassungsmäßigen Institutionen nicht umgehbar. Diese institutionelle Exklusivstellung der Parteien im österreichischen Verfassungsgefüge ist Teil des Systems und bildet ein wesentliches Element der Bestandsgarantie für die Funktionärskaste in den Parteien.
Ich habe mich daher entschlossen, mir aus eigener Kraft eine neue berufliche Zukunft aufzubauen und möchte dazu nächstes Jahr in einer Anwaltskanzlei tätig werden. Derzeit muß ich hiefür noch mein Rechtspraktikum bei Gericht in Krems nachholen, da ich wegen meiner politischen Funktionen in den vergangenen Jahren nie die Möglichkeit hatte, dieses unabdingbare Praktikum als Voraussetzung für eine anwaltliche Betätigung zu absolvieren.