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Meinungs-Manipulation

Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker

Journalisten müssen nicht lügen. In einer Zeit, wo wir Medienkonsumenten „overnewsed but underinformed“ (Gerd Bacher) sind, läuft Manipulation weit subtiler ab. Ein Beispiel aus einer österreichischen „Qualitätszeitung“:
Im Artikel „Bauern drohen Einkommensverluste“ schrieb „Die Presse“ am 13. September 2007: „Im vergangenen Jahr konnten sich Österreichs Landwirte noch über einen sensationellen Einkommenszuwachs von durchschnittlich 15,3 % freuen. … Geht es aber nach dem Willen einiger EU-Länder, werden die Bauern bald deutlich weniger verdienen als bisher. Eine ihrer wichtigsten Einkommensquellen, die EU-Direktzahlungen, sollen weiter schrittweise gekürzt werden. Je Betrieb machen diese derzeit 50 bis 80 % des Gesamteinkommens aus.“
Welcher brave Presse-Leser, ein fleißiger Angestellter vielleicht, hätte sich nicht im vergangenen Jahr gerne über 15 % Einkommenszuwachs gefreut? Die Bauern haben es gut! Nicht dazugesagt hat der kundige Verfasser des Artikels allerdings, daß die Einkommen der Landwirte von 1995 bis 2000 sechs Jahre lang stagnierten oder gar sanken. Und welcher brave Presse-Leser, ein fleißiger Angestellter vielleicht, hätte sich das gefallen lassen: Sechs Jahre nicht einmal die kollektivvertragliche Lohnerhöhung, trotz Inflation?
Und dann die Direktzahlungen! Die Bauern werden ja offenbar für ihre bloße Existenz bezahlt und nicht für ihre Leistung. Und erzielen dann auch noch Einkommenszuwüchse! – Auch hier tut ein Blick in die einschlägigen Statistiken gut: Die Getreidepreise sind im heurigen Jahr tatsächlich stark gestiegen – und entsprechen derzeit jenen von Ende der 1980er-Jahre! Denn in den Jahren vorher waren sie ebenso stark gefallen. Nach 27 Jahren mit völlig anderen Produktionskosten (für Diesel, Maschinen, Dünger) erst wieder der Erzeugerpreis von damals. In welcher anderen Branche gibt es das noch? Brot und Getreideprodukte haben sich zwischen 2001 und 2007 zwar im Laden um 14,9 % verteuert, die Bauernpreise sind bis 2006 aber kontinuierlich zurückgegangen.
Auch bei den anderen landwirtschaftlichen Produkten sieht es ähnlich aus. Man muß klar und deutlich machen:
Unter den Bedingungen des heutigen „Weltmarktes“, der alles andere als frei ist, wo nämlich die Geldmächte an den Börsen den Produzenten die Preise diktieren und die Gewinne einstreichen, könnte in Österreich Landwirtschaft nur mehr in den absoluten Gunstlagen existieren, wo intensivst gedüngt und gespritzt werden kann und Mähdrescher kilometerweit fahren ohne störende Hecken oder Bachläufe. Die bäuerliche Form der Landbewirtschaftung, die unsere Kulturlandschaft so wunderschön hat werden lassen, kann zusperren. Die Berggebiete werden entvölkert und aufgeforstet.
Wer das nicht will und auch die Lebensmittelversorgung der österreichischen Bevölkerung in Krisenzeiten sicherstellen möchte, muß den Landwirten das Überleben ermöglichen: Ob mit Direktzahlungen oder durch die Sicherstellung vernünftiger Produzentenpreise, sei dahingestellt.
Der erwähnte Artikel in der „Presse“ geht auch darauf ein, weshalb die EU-Kommission die Direktzahlungen reduzieren will: nämlich „wegen der Welthandelsgespräche im Rahmen der Doha-Runde, die jegliche Marktverzerrung auch in der Landwirtschaft beenden wollen.“ Ein höchst interessanter Satz. Die Gespräche wollen beenden? Normalerweise verfolgen nur die Gesprächsteilnehmer Ziele und Absichten, nicht die Gespräche selbst. Durch die Formulierung „Die Welthandelsgespräche wollen Marktverzerrungen auch in der Landwirtschaft beenden“ wird das – von wem? – verfolgte Ziel der völligen Marktliberalisierung aber verobjektiviert. Wenn „die Gespräche“ selbst schon die Liberalisierung wollen, erübrigt sich wohl auch die Frage, wie denn die Haltung der EU dazu ist. Benennt man hingegen jene Gesprächspartner, die in der Doha-Runde auf schrankenlose Liberalisierung drängen, müßte man glatt erklären, aus welchen Interessen sie dieses Ziel verfolgen. Und daran schlösse sich auch schon die Frage, ob die EU-Kommission mit ihrer Haltung in diesen Gesprächen die Interessen der europäischen Völker vertritt. Aber soweit sollen brave Presse-Leser wohl gar nicht denken. Daß es eindeutig politische Interessen sind, die hier aufeinanderprallen – oder eben nicht aufeinanderprallen, sieht man die Haltung der EU-Kommission an –, wird von der „Presse“ in Bezug auf Globalisierung und Liberalisierung auch sonst nicht vermittelt. Im Gegenteil wird in der Regel mehr oder minder der Eindruck erweckt, es handle sich hier um zwangsläufige Entwicklungen, die über uns hereinbrechen wie ein Naturereignis, wo es, wie bei einem Schneesturm, auch wenig Sinn hat, zu fragen, wer denn dahintersteckt und ob man nicht etwas ganz anderes wollen soll. Da hilft es dann nur, sich warm anzuziehen – aber das ist nun ohnedies schon anzuraten, angesichts der Zukunft, in die uns die Politik der EU nicht nur in diesem Bereich führt.
 

 
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