In einem offenen Brief hat Gerd Honsik mein Editorial über „Die dumme Rechte und den ‚Kalergi-Plan‘“ aus der NO 2/06 kritisiert. Ich möchte an dieser Stelle darauf antworten, weil dies eine Gelegenheit ist, einige Grundsätze nicht nur meines Denkens, sondern auch der Linie der „Neuen Ordnung“ herauszuarbeiten:
Sehr geehrter Herr Honsik!
In dem von Ihnen kritisierten Artikel ist es mir darum gegangen, vor „Überinterpretationen“ zu warnen, davor, einzelne Sätze aus dem Werk eines Autors herauszunehmen und daran weitreichende Folgerungen und Assoziationen zu knüpfen, ohne zu beachten, was wirklich die Intention des Verfassers war. Ihr offener Brief bestätigt nun meine Warnung vor der Gefahr von Überinterpretationen, denn genau eine solche leisten Sie sich in Bezug auf meinen Text: Erstens zitieren Sie mich falsch. Denn ich habe nicht geschrieben, Coudenhoves Ansichten über die Charaktereigenschaften von „Mischlingen“ würden von einem „erstaunlich biologischen Denken“ zeugen, sondern von einem „erstaunlich biologistischen Denken“! Der Unterschied ist wesentlich. Die Bedeutung der Biologie, hier also der Genetik, wird wohl niemand, der bei klaren Sinnen ist (die meisten unserer linken Zeitgenossen sind es nicht) leugnen. Daraus einen „Ismus“ zu machen ist aber Ideologie und bedeutet die Verabsolutierung dieses Moments. Mein Satz war also durchaus kritisch gemeint. Das scheint Ihnen völlig entgangen zu sein, denn Sie geben ihn nicht nur, wie oben beschrieben, in verfälschter Weise wieder – ich unterstelle nicht, daß das absichtlich geschehen ist –, sondern behaupten auch noch, mein Satz würde Anerkennung ausdrücken, was gerade nicht der Fall war! Ihre Folgerungen und Ausführungen stellen geradezu ein Musterbeispiel für die von mir kritisierte Überinterpretation dar. Denn Sie knüpfen an diese Fehldeutung weitreichende Assoziationen, bis hin zur Mutmaßung, ich würde solches Denken dem Dritten Reich unterstellen.
Ebenso ist es eine Überinterpretation, Kalergi einen „Plan“ zur Vernichtung der europäischen Völker durch Immigration und Zwangsvermischung zu unterstellen. Aus seinen Schriften läßt sich solches, zitiert man sie korrekt und beachtet die Zusammenhänge, in denen die einzelnen Zitate stehen, jedenfalls nicht herauslesen. Eher imGegenteil!
Wie Sie bin ich der Auffassung, die europäischen Völker müssen, wollen sie ihre Identität bewahren und ihre Zukunft sichern, der Massenimmigration entschieden entgegentreten und die Rückführung des größten Teils der nichteuropäischen Immigranten anstreben. Ich bin auch sicher, daß in der Politik Kräfte am Werk sind, die diese Immigration vor allem deshalb fördern, weil sie sie als taugliches Mittel zur Auflösung der ethnischen Identität des deutschen Volkes bzw. der europäischen Völker überhaupt, betrachten. Kalergi aber als Urheber eines entsprechenden „Planes“ zu bezeichnen, ist einfach eine Verfälschung seines Denkens und führt nur zu weiteren Fehldeutungen.
Schon in der Zwischenkriegszeit kann die Paneuropa-Bewegung nicht einfach als Freimaurer-Initiative betrachtet werden, wie dies von seiten der nationalen Rechten oft getan wurde. Anderenfalls wäre kaum ein Prälat Seipel, der Österreich lange Jahre als Kanzler in einer Koalition mit den nationalen Kräften regierte, für eine Unterstützung zu gewinnen gewesen. Freimaurer waren automatisch exkommuniziert, was von einem glaubenstreuen Priester wie Seipel ohne Zweifel beachtet wurde.
Aber mir geht es hier gar nicht um eine abschließende Bewertung einer historischen Persönlichkeit wie Coudenhove-Kalergi, bei der manch Fragwürdiges bleibt, sondern um konkretes Handeln in der Gegenwart. Welche Rolle spielt denn heute die Paneuropa-Bewegung? Bei der Diskussion um eine mögliche EU-Verfassung hat sie sich entschieden für einen Gottesbezug und ein klares Bekenntnis zu den christlichen Wurzeln Europas eingesetzt. Genau das zu verhindern war aber die offen zu Tage liegende Absicht der Freimaurerei, die seit jeher die Entchristlichung Europas als vordringliches Ziel betrieben hat. Demgegenüber ist die Paneuropa-Bewegung unter Otto von Habsburg vor allem eines geworden: entschieden christlich.
Auch wenn man in den Kreisen der Paneuropäer die mittel- und langfristigen Folgen der Massenimmigration noch nicht mit der wünschenswerten Klarheit erkannt hat, ist die Paneuropa-Bewegung jedenfalls nicht zu deren Propagandisten oder Befürwortern zu zählen. Auch gegen den EU-Beitritt der Türkei hat sie sich klar ausgesprochen.
Über Benesch hat Otto von Habsburg gesagt, er sei ein Mensch gewesen, an dem überhaupt nichts Positives gewesen wäre – und wer weiß, wie zurückhaltend Habsburg bei der Beurteilung anderer Menschen für gewöhnlich ist, kann das Ausmaß dieses Verdikts ermessen. In Tschechien ist die Paneuropa-Bewegung außerdem die einzige mir bekannte politische Organisation, die nicht nur die Vertreibung der Deutschen klar verurteilt, sondern sogar eine Wiedergutmachung und Entschädigung gefordert hat.
Gerade als national denkender Mensch kann ich aus all diesen Gründen jedenfalls in der Paneuropa-Bewegung unter Otto von Habsburg keinesfalls einen Gegner sehen. Im Gegenteil: Denn daß die nationale Rechte heute europäisch denken muß, habe ich an dieser Stelle schon oft darzulegen versucht.
Am Ende Ihres Briefes stellen Sie die Frage, ob ich diesem verpflichtet bin. Ich überhöre den Unterton, der in diesem Wort „verpflichtet“ vielleicht mitschwingt, sondern will die Frage offen beantworten: Verpflichtet bin ich zu allererst Gott, dem ich einst Rechenschaft für mein Tun ablegen muß. Verpflichtet fühle ich mich sodann in erster Linie meinem Volk, dem deutschen, da das Wachsen und Werden von Völkern – im Unterschied von Staaten – der menschlichen Willkür entzogen ist und die Zugehörigkeit zu einem Volk dem Menschen somit vorgegeben, in meinem Augen: gottgegeben ist. In dritter Hinsicht, die Abstufung ist zu beachten, fühle ich mich meiner Heimat, Österreich, verpflichtet.
Deren Geschicke wurden seit Jahrhunderten vom Hause Habsburg gelenkt. Was wäre Österreich heute ohne die Habsburger! Eine um gerechte Wertung bemühte Geschichtswissenschaft – ich nenne hier nur einen Ritter von Srbik, immerhin Reichstagsabgeordneter 1938– 1945 – hat längst die ungerechtfertigten Anwürfe, die von kleindeutsch-nationalistischen Historikern gegen das Haus Österreich erhoben wurden, widerlegt. Das im Südosten Europas entstehende Reich der Habsburger setzte jedenfalls den Ordnungsauftrag des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation als dessen legitimer Erbe fort. Für Mitteleuropa, wo die Völker in ungeheuer vielfältiger Gemengelage untereinander wohnten, war diese Ordnungsidee auch die angemessene; mußte konsequent nationalstaatliches Denken zu Katastrophen führen. Auch heute noch, nach all den Völkermorden, Massenvertreibungen und Zwangsumsiedlungen des 20. Jahrhunderts, ist dieser Raum ein ethnisch äußerst vielfältiger. Und auch heute wird gerade der national Denkende – der sein Volk liebt, die anderen achtet und die Identität aller Völker bewahrt wissen will – erkennen, daß dieser Raum nach wie vor einer mehr oder minder reichischen Ordnung bedarf.
Otto von Habsburg hat die Tradition seiner Familie in unserer Zeit mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln fortgesetzt und mit allen Kräften unermüdlich für den Raum und die Völker gearbeitet, für die seine Vorväter einst die Verantwortung trugen und dabei auch die Paneuropa-Bewegung als legitimes Instrument betrachtet. Ein Journalist hat ihn einst als „Herrn mit der unsichtbaren Krone auf dem Haupt“ bezeichnet. Ich bin überzeugt, es wäre um meine Heimat, mein Volk, ja um Europa besser bestellt – weit besser –, wenn die Geschichte einen anderen Gang genommen hätte und er heute eine sichtbare Krone trüge.
In diesem Sinne kann ich Ihre Frage positiv beantworten: Ja, ich fühle mich auch dem Hohen Herren, Erzherzog Otto von Österreich, verpflichtet.
Ich denke, daß nun, sehr geehrter Herr Honsik, die Übereinstimmungen und Unterschiede unseres Denkens sehr deutlich zutage getreten sind. Jedenfalls hat es mich sehr gefreut, daß Sie auf meinen Text, von dem Sie sich doch persönlich angegriffen fühlen mußten, in so sachlicher und offener Weise reagiert haben. Jüngst habe ich aus dem rechten Lager eine ganz andere Art von Reaktion mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen müssen.
Immer wieder schwirren durch rechte Schriften erstaunliche Zitate, etwa von alliierten Politikern über die Nürnberger Prozesse, die Kriegsschuldfrage o. ä., für die keine Primärquellen angegeben werden können. Folgt man dem Quellenvermerk, landet man bei einem anderen rechten Autor, wird von diesem weiterverwiesen und so fort, bis man früher oder später bei einer rechten Schrift landet, die gar nicht den Anspruch der Wissenschaftlichkeit erhebt und das gefragte Zitat ohne jede weitere Quellenangabe wiedergibt. In einigen Fällen ist da bei mir schon der Verdacht aufgekeimt, der Autor habe nicht ein von ihm irgendwo aufgeschnapptes, quellenmäßig aber nicht mehr verifizierbares Zitat einfach aus dem Gedächtnis wiedergegeben, sondern die betreffende Aussage schlicht und einfach erfunden, um seinen Ausführungen an dieser Stelle mehr Gewicht zu geben. Letztlich konnte ich mir eine solche Bereitschaft zur Geschichtsfälschung bei rechten Autoren aber doch nicht vorstellen. Jüngst wurde ich eines Besseren belehrt:
Mein letztes Editorial mit einigen – zugegebenermaßen zugespitzten – Überlegungen zur Drogenpolitik hat erstaunlich viel Zustimmung, aber auch natürlich das erwartete Maß an Ablehnung und scharfer Kritik gefunden. Etliche haben sich in der einen oder anderen Weise schriftlich mit meinen Gedanken auseinandergesetzt und kritische Einwendungen erhoben. Nicht so ein gewisser Ludwig Reinthaler jr. aus Wels. Dieser fand es gar nicht für nötig, meinen Artikel auch zu lesen und sich mit dessen Argumenten auseinanderzusetzen, vielleicht war es ihm auch intellektuell nicht möglich, Gegenargumente zu formulieren. Daher griff er zum einfachen Mittel der Verleumdung und behauptete in einer Aussendung: „Wie wir aus nichtbestätigten Quellen wissen, soll Herr Stocker an der Kundgebung gegen Rassismus in Wels teilnehmen.“ Eine glatte Lüge, aus den eigenen Fingern gesogen und durch die freche Behauptung „nichtbestätigter Quellen“ glaubhaft gemacht. Argumentieren war Herrn Reinthaler wohl zu anstrengend, also wurde der Gegner verleumdet, nach dem Motto „es wird schon etwas hängenbleiben“. Leute solchen Charakters schrecken wohl auch vor der Fälschung historischer Quellen nicht zurück, wenn echte Recherche zu aufwendig oder nicht tauglich für den Zweck der Bestätigung des eigenen, vorgefaßten Standpunktes erscheint. Herr Reinthaler hat freilich nicht bedacht, daß sich Lebende gegen Verleumdungen mit juristischen Mitteln wehren können – was ich auch tue –, denn sonst bleibt diese Behauptung womöglich stehen, wird von irgendwem nach meinem Tode ausgegraben, von anderen zitiert, und nach einiger Zeit heißt es dann, ich hätte mich nach Kräften gemüht, bei Antifa-Kreisen anzudocken und auf entsprechenden Kundgebungen wie zum Beispiel in Wels Reden gehalten.
Nun gut: Ich nehme mich nicht für so wichtig, tatsächlich zu glauben, es könne zu dem oben geschilderten Vorgang kommen. Aber zur Illustration taugt er ja doch, wie eine in verleumderischer Absicht in die Welt gesetzte Lügengeschichte durch gegenseitiges Zitieren an Glaubwürdigkeit gewinnen und schließlich als allgemein anerkanntes Faktum dastehen kann. Vorsicht also bei nicht belegten Zitaten! Herr Reinthaler hat übrigens mehrfache schriftliche Aufforderungen unbeantwortet gelassen, die Verleumdung rückgängig zu machen, auch, als ich ihm die Frage stellte, ob das sein Begriff von Ehre sei. Jetzt muß er halt mit juristischen Mitteln zur Räson gebracht werden.
Wie ist es aber um das Selbstreinigungsvermögen der nationalen Kräfte bestellt, wenn sie jemanden mit einem solchen Charakter nicht aus ihren Reihen entfernen oder zumindest zur Ordnung rufen? Ich bin neugierig, ob dies geschehen wird.