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Ein Kompromiß für Kärntens Zukunft

Von Josef Feldner,
Obmann des Kärntner Heimatdienstes

In weiten Kreisen der Politik und bei einem Großteil der Medien galt der Kärntner Heimatdienst (KHD) bis vor etwa einem Jahr als eine der slowenischen Minderheit in Kärnten insgesamt negativ gegenüberstehende Gruppierung.
Da half es auch nichts, wenn seitens des Heimatdienstes solchen Behauptungen immer wieder das in vielen Publikationen, Reden oder Stellungnahmen dokumentierte Bekenntnis zum friedlichen Miteinander entgegengehalten wurde. Und es half auch nichts, wenn die KHD-Seite ebenso häufig betonte, die verfassungsmäßig garantierten Rechte und Einrichtungen der Kärntner Slowenen uneingeschränkt zu respektieren. Jede noch so sachlich begründete Kritik an der Kärntner Slowenenführung, an überzogenen slowenischen Forderungen und an slowenischem Anspruchsdenken wurde als Beweis für eine angebliche Slowenenfeindlichkeit des Kärntner Heimatdienstes bewertet.
Das änderte sich erst, als im Mai vergangenen Jahres mit den beiden verständigungs- und konsensbereiten slowenischen Exponenten Marjan Sturm und Bernard Sadovnik ein Konsens zur Lösung der strittigen Kärntner Ortstafelfrage gefunden wurde.
Diesem sehr bald als „historisch“ bezeichneten Konsens gingen vielstündige Gespräche zwischen dem Verfasser dieser Zeilen auf der einen Seite sowie Sturm und Sadovnik auf der anderen Seite unter der umsichtigen Gesprächsleitung von Univ.-Prof. Stefan Karner voraus, der von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dazu beauftragt worden war. Das Erstaunliche an diesen Gesprächen war, daß das anfänglich vorhandengewesene gegenseitige Mißtrauen rasch abgebaut und bis zur letzten Gesprächsrunde in eine geradezu freundschaftliche Atmosphäre umgekehrt werden konnte. Der Abbau des gegenseitigen Mißtrauens, das beiderseitige Wollen, alte längst überkommene Konflikte zu überwinden, geht in seiner Bedeutung weit über die im Vorfeld der Politik erzielte Einigung zur Lösung der Ortstafelfrage hinaus.
Deshalb soll hier nicht so sehr auf Details der aus Verschulden der Politik nach wie vor ungelösten Ortstafelfrage eingegangen, sondern der neue Weg der Verständigung näher beleuchtet werden, auch wenn sich auf diesem Weg noch zahlreiche Hindernisse befinden, die es zu überwinden gilt. Eines dieser Hindernisse ist die noch vorhandene Skepsis hinsichtlich der Ernsthaftigkeit des KHD beim Beschreiten dieses neuen Weges. Um diese Ernsthaftigkeit zu beweisen, bedarf es einer Neupositionierung des KHD mit neuen Schwerpunkten und geänderten Prioritäten. Hatte der KHD den Schwerpunkt seiner Arbeit vor dem Konsens auf eine oft plakativ formulierte Kritik an der Slowenenführung und auch an Slowenien gesetzt, so stellt er jetzt das Positive in den Vordergrund. Trotz dieser geänderten Sichtweise und trotz einer anderen Gewichtung der Aufgaben des KHD bleibt dieser weiterhin die überparteiliche Vertretungsorganisation für die Interessen der deutschsprachigen Südkärntner.
Unserem Thema entsprechend sollen hier alle über Kärnten hinausgehenden Aufgaben des KHD ausgeklammert bleiben und nur die kärntenspezifische Aufgabenstellung behandelt werden.
Diese beschreibt der Kärntner Heimatdienst in seinen „Grundprinzipien und Zielen“ u. a. folgendermaßen:
lVertretung von legitimen Interessen der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung im Kärntner Grenzland bei Respektierung der Rechte und Einrichtungen der slowenischsprachigen Minderheit.
lEintreten für ein gleichberechtigtes friedliches Miteinander von Mehrheit und Minderheit sowie Bekenntnis zum Dialog im Vorfeld der Politik zur Problembeseitigung, Streitbeilegung und Vertretung von gemeinsamen Anliegen.

Mißtrauen beseitigen

Für ein friedliches Miteinander müssen allerdings viele Komponenten zusammenwirken.
Eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren eines friedlichen Miteinanders in Kärnten ist die Bereitschaft zur gemeinsamen Aufarbeitung der dunklen Kapitel der Vergangenheit, die die deutsch- und die slowenischsprachigen Nachkriegsgenerationen in Kärnten nicht länger entzweien dürfen.
Dazu muß vor allem das Jahrzehnte hindurch sorgsam gepflegte gegenseitige Mißtrauen beseitigt werden. Das gelingt nur bei ehrlichem Bedauern und uneingeschränkter Verurteilung auch jener Verbrechen, die von Angehörigen des eigenen am jeweils anderen Volk verübt wurden. Wenn heute von Deutschkärntner Seite die bedingungslose Verurteilung der Verbrechen des Nationalsozialismus und der damit inkludierte Verzicht auf jegliche Relativierung dieser Verbrechen als richtig und notwendig außer Diskussion gestellt ist, so gibt es bei der Beurteilung des titokommunistischen Partisanenkampfes noch keine Einmütigkeit von Deutsch- und Slowenischkärntnern hinsichtlich deren Zielsetzungen, insbesondere nach Zerschlagung des NS-Regimes.
Auch Partisanenverbrechen verurteilen
Von Deutschkärntner Seite wird kritisiert, daß dieser Partisanenkampf in Kärnten nicht für die Freiheit Österreichs, sondern – wie vielfältig dokumentiert ist – für den Anschluß an Titos Jugoslawien geführt wurde und daß diese Forderung noch vier Jahre nach Wiedererrichtung der Republik Österreich vehement vertreten wurde. Ebenso müssen auch die noch weitestgehend ungesühnten Verbrechen verurteilt werden, die das Titoregime bei Durchsetzung seiner revolutionären Zielsetzungen nach Kriegsende, somit nach Vernichtung des Nationalsozialismus an schuldlosen Zivilpersonen der eigenen jugoslawischen Völker, aber auch an den Volksdeutschen und an einigen Hundert, an den NS-Verbrechen schuldlosen Kärntnern zu verantworten hat.
Das alles hält ein latentes Mißtrauen gegenüber ehemaligen Partisanen in Kärnten aufrecht, das einer restlosen Aussöhnung nach wie vor entgegensteht. Hier werden noch von beiden Seiten die letzten entscheidenden Schritte zu setzen sein. Die diesbezügliche Entwicklung gibt uns aber auch diesbezüglich allen Grund zu Optimismus.
Wenn nämlich immer öfter auch von slowenischer Seite Kritik an diesen Verbrechen geübt und dabei auch Bedauern ausgedrückt wird, so darf berechtigterweise gehofft werden, daß recht bald auch dieses Hindernis auf dem Weg zur Verständigung zwischen Mehrheit und Minderheit in Kärnten beseitigt sein wird.
Wenn es Deutsch- und Slowenischkärntnern gemeinsam gelingt, die Belastungen der Vergangenheit erfolgreich zu überwinden, ohne diese zu vergessen, wenn die Deutschkärntner den Slowenischkärntnern nicht mehr pauschal die Nachkriegsverbrechen der Partisanen und die Slowenischkärntner den Deutschkärntnern die NS-Verbrechen vorwerfen, dann wäre damit das friedliche Miteinander entscheidend gefestigt. Dank des nunmehr auf beiden Seiten erkennbaren Bemühens in diese Richtung, sind wir in Kärnten auf dem besten Weg, Österreich und dem übrigen Europa ein Konfliktlösungsmodell vorzuleben, das auch für andere Konfliktregionen Vorbild sein könnte.

Bekenntnis zur Verständigung

Noch ist jedoch dieses Ziel nicht ganz erreicht, und es wird noch großer Überzeugungsarbeit bei vielen noch immer mit Mißtrauen und Vorurteilen behafteten Menschen auf beiden Seiten bedürfen. Am 9. Oktober 2006 haben der Kärntner Heimatdienst, die Plattform Kärnten, der Zentralverband slowenischer Organisationen und die Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Sloweninnen mit starker Unterstützung durch Kirche, Politik und Wirtschaft in einem Festakt vor der „Stätte der Kärntner Einheit“ im Klagenfurter Landhaushof mit der Unterfertigung einer „Feierlichen Erklärung“ ein Bekenntnis zu Versöhnung und Verständigung abgegeben. Damit wurde über Kärnten und Österreich hinaus ein europaweit beispielgebendes Signal gesetzt, in Verwirklichung des Grundsatzes, ein positives Geschichtsbewußtsein zu entwickeln und die Traditionspflege weit stärker als bisher auf die Zukunft auszurichten.
Zum Streben nach Verständigung innerhalb Kärntens gehört gleichermaßen auch die Bereitschaft zum stetigen Ausbau der grenzüberschreitenden Kontakte auf allen Ebenen auf Basis der Gegenseitigkeit. Dazu bedarf es des gegenseitigen Abbaus aller insbesondere zwischen Kärnten und Slowenien noch bestehenden, historisch bedingten Aversionen. Auf der einen Seite ist es noch die schreckliche Erinnerung an die nationalsozialistische Besatzungszeit, auf Kärntner Seite sind die mit Waffengewalt erhobenen jugoslawischen Gebietsansprüche noch immer nicht vergessen. Hier haben noch beide Seiten im Bereich der Vertrauensbildung Handlungsbedarf.
Gemeinsam mit verständigungsbereiten Slowenen hat der Kärntner Heimatdienst die Weichen für eine friedliche Zukunft in Kärnten gestellt. Nun gilt es noch, die Zweifler und die Skeptiker auf beiden Seiten zu überzeugen, daß dieser Weg der Verständigung der einzig richtige ist.
Der Kärntner Heimatdienst stellt auch nach den Wahlen seine guten Dienste zum Erreichen einer endgültigen, für beide Seiten tragbaren Lösung des unseligen, dem Ansehen Kärntens schweren Schaden zufügenden Ortstafelstreits zur Verfügung. Dabei soll dem noch immer skeptischen Teil der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung klargemacht werden, daß mit zweisprachigen Ortstafeln kein „Slowenisch-Kärnten“ geschaffen wird, und daß es heute nicht mehr den geringsten Grund gibt, „Urängste“ zu pflegen.

Slowenische Minderheit ist Teil der Kärntner Identität

Nach Überwindung dieser anachronistischen Ängste wird auch dieser Teil der 90%igen deutschsprachigen Mehrheit in Südkärnten die slowenische Volksgruppe nicht länger als Bedrohung sehen, sondern als Teil unserer gemeinsamen Kärntner Identität. Dazu muß aber noch der Deutschkärntner Mehrheitsbevölkerung in Südkärnten das Gefühl gegeben werden, daß auch die slowenische Seite Verständnis für ihre berechtigten, noch immer nicht erfüllten Forderungen zeigt. Die Forderung nach Beseitigung von Benachteiligungen der Deutschkärntner im Bereich der Kirchensprache, von Benachteiligungen deutschsprachiger Kinder und Lehrer im Minderheiten-Schulbereich oder die Forderung nach Gleichstellung von Deutschkärntner Vereinen mit slowenischen im Förderbereich sind bei gutem Willen relativ leicht zu erfüllen und würden der Festigung eines dauerhaften friedlichen Miteinander in Südkärnten dienen.
Deutsch- wie slowenischsprachige Gruppierungen in Kärnten werden auch in Zukunft ihre spezifischen Interessen vertreten. Interessenskollisionen, unterschiedliche Forderungen und Vorstellungen sind beim Zusammenleben von Menschen verschiedener Sprache und Volkszugehörigkeit ganz natürlich. Das ist überall auf der Welt so und auch in Kärnten nicht anders. Das beiderseitige Bemühen, diese unterschiedlichen Interessen und daraus entstehende Streitigkeiten nicht rücksichtslos gegenüber der anderen Seite durchsetzen zu wollen, sondern im Dialog nach Einigung zu streben und dabei Kompromißbereitschaft zu zeigen, könnte in Zukunft die Volksgruppenpolitik in Kärnten im Positiven bestimmen.
Gelingt den verständigungsbereiten Kräften auf deutsch- wie auch auf slowenischsprachiger Seite auch in anderen Bereichen als den Ortstafeln Kompromisse im Vorfeld der Politik zu erzielen, die diese als Basis für ihre Entscheidungen heranziehen könnte, dann wäre endlich das Klima der Konfrontation von einem Klima der Verständigung abgelöst.
Als überparteiliche Vertretungsorganisation für die Interessen der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung wird der Kärntner Heimatdienst auch weiterhin seinen Beitrag zum positiven Klimawandel in Kärnten leisten, im Interesse des Ansehens unseres Landes und im Interesse einer friedlichen Zukunft!

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com