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Neofolk als ästhetische Mobilmachung

Von Brynhild Amann

Paradigmenwechsel in der Jugendkultur

Am 12. April dieses Jahres verlautbarte das Rosenheimer Musikprojekt Belborn das plötzliche Ende seiner kreativen Tätigkeit. Der Inhalt der Erklärung läßt jene Verzweiflung erahnen, welche die Künstler zu diesem Schritt bewogen haben mag: „Wir haben mit dem Feuer gespielt und uns die Hände verbrannt. […] Politische Extremisten (egal von welcher Seite) werden uns niemals verstehen. Wir sind nicht Teil Eures Weltanschauungskampfes und an Eurer Intoleranz nicht interessiert. Ihr tötet Kreativität, Gedankenfreiheit, Musik und Kunst!“

Auf Nachfrage berichtete das Ehepaar vom jahrlangen Kampf gegen seine Kunst, von Ausgrenzungen und Verboten, Schikanen und sogar Drohungen gegen die Kinder.
Damit ist ein grundsätzliches Problem in Europas Kulturszene angesprochen. Jegliche Kunst, die nicht in der bekannt unästhetischen Weise die Spaßgesellschaft feiert, soll mit allen Mitteln unterbunden werden, notfalls auch mit Gewalt. Natürlich ist die Jugendkultur besonderer Repressalien ausgesetzt – zum einen, weil sie kompromißloser, unangepaßter ist, und zum anderen, weil sie keine einflußreichen Mäzene hinter sich weiß. Am Beispiel der Musikrichtung des „Neofolk“ kann man erkennen, welche Mechanismen eingesetzt werden, um systemkritische Künstler mundtot zu machen und mit aller Kraft einen Paradigmenwechsel in der Kunst zu verhindern.
„Neofolk“ [zu deutsch: Neue Volksmusik] entwickelte sich Anfang der 80er-Jahre aus der Dark-Wave- und Gothic-Musikszene. Wie der Name verrät, orientiert sich die klangliche Ausrichtung ursprünglich an der irischen Volksmusik [folkmusic]; balladenartige Gesänge, von Gitarrenklängen unterstützt, bildeten den Grundstock. Weitere musikalische Einflüsse aus verschiedenen Musikrichtungen machen die Eigenart des „Neofolk“ aus: Eine meist ruhige, sonore und melancholisch aufgebaute Instrumentierung, in der häufig Marschrhythmen anklingen, findet sich ebenso wie originäre Volksmusik oder romantische Klassik. Neofolk-Kompositionen beruhen in erster Linie auf einer Instrumentierung mit Gitarren, Flöten, Trommeln, Geigen oder Cellos, häufig auch unter Verwendung von elektronischen Sounds und dezenten Synthesizer-Flächen, wodurch im Gesamtbild mitunter subtile und dunkle Impressionen erzeugt werden können.
Die Interpreten stammen aus aller Herren Länder, wobei eine Ausbreitung vom englischsprachigen Raum über den deutschsprachigen, den skandinavischen bis zum ehemaligen Ostblock zu verzeichnen ist. Erwähnenswerte Interpreten wären etwa die Urväter des „Neofolk“, Death in June und Sol Invictus (England), Blood Axis (Vereinigte Staaten) und Allerseelen (Österreich).

Die etwas andere Jugendkultur

Die durchwegs antimodernistische Ausrichtung des „Neofolk“ erweitert die Inhalte der romantisierenden Gothic-Szene (Tod, Zerfall, Treue, Liebe, Reinheit, Einfachheit und Natürlichkeit) auf symbolhafte Weise um apokalyptische Szenarien, sozialdarwinistische Theorien, heidnische oder christliche Denkmodelle bis hin zur Relativierung der jüngeren europäischen Geschichte oder Hochhaltung des Heimat-Begriffs. Wichtig ist dabei die originell-verspielte Herangehensweise. Josef Maria Klumb (Kopf der Bands Von Thronstahl und Forthcoming Fire) bringt es auf den Punkt: „Ein ehrlich vorgetragenes, wieder neu entdecktes altes Volkslied verfehlt seine Wirkung nicht, denke ich. So etwas steht im Raum und breitet sich aus, geht nicht verloren, weil da Bindungen mit im Spiele sind, die dem Blut entsprießen. Die Worte, mal klarer, mal opaker, ergeben sich fast von selber — hier darf man nichts erzwingen wollen! Manches Wort, mancher Text zu gegebener Zeit trägt dazu bei, den modernistischen Zauber zu lösen — mehr und mehr. Komposition als Ferment gegen die Dekomposition, Ästhetik gegen den Kult des Häßlichen, Unvergänglichkeit gegen das große Jetzt der Modernisten, das jeden Augenblick stirbt.“
„Neofolk“ ist ein Begriff, der nicht als reine Musikrichtung zu verstehen ist, sondern auch etwas über die in den Texten behandelten Themen und eine bestimmte Lebenseinstellung aussagt. So meint etwa Michael Moynihan (Blood Axis): „Wir leben in einem Zeitalter abnehmender Standards, sinkender Intelligenz, herabgesetzter Instinkte und zunehmend oberflächlicher werdender sogenannter Werte sowie eines hypertrophierten Materialismus. Deshalb bin ich nicht überrascht, daß unser traditionell orientiertes künstlerisches oder kulturelles Unternehmen nur bei einer begrenzten Anzahl von Leuten auf Resonanz trifft. Dennoch, wir haben keine Wahl, als das zu tun, was richtig ist.“
Die Begeisterung der Künstler für philosophische Inhalte, für Nietzsche, Schopenhauer, Jünger, Rilke, Evola und Hegel oder Corneliu Zelea Codreanu, sowie ihre strikte Ablehnung der Folgen der Aufklärung, ihre Sehnsucht nach den Werten der Romantik und der „Dunklen Zeit“ und konsequenterweise ihre Absage an die amerikanisierte Gegenwart, ihre Verbundenheit mit der Natur und eine Fokussierung auf Kraft aus Natürlichkeit und Ursprünglichkeit, stellen sie in direkte Opposition zum weltweit installierten, alles gleichmachenden „Mainstream“.
Viele dieser Musiker bringen den Zuhörer solche Inhalte auch mittels Bucheditionen oder Schriftenreihen nahe, so etwa Michael Moynihan (Blood Axis), der Bücher von Julius Evola in andere Sprachen übersetzt und verbreitet und mit einem Heft namens „Tyr“ verschiedenste Aspekte der Gegenwart beleuchtet. Ebenso der Oberösterreicher Gerhard Petak (Allerseelen), dessen Magazin „Aorta“ sich hauptsächlich mit verschütteten Volksmythen und Traditionen beschäftigt und in gewissen Kreisen bereits Kultstatus genießt.
Die Ästhetik ist beim „Neofolk“ wichtiger Teil des Gesamtkunstwerks, welches mittels der Aufmachung der Alben, der Bühneninszenierung bis hin zu aufwendigen Fan-Produkten (Hemden, Tassen, Anstecker, Schmuck usw.) ein zeitloses, qualitativ hochstehendes Gut vermitteln soll, das sich stark von der schnellebigen Konsumwelt abgrenzt. Auch hier erkennt man die Einflüsse der wertorientierten Vergangenheit. Kunst soll nicht ein Produkt der Wegwerfgesellschaft sein, sie soll ewige Werte schaffen. Man arbeitet mit der Ästhetik des heroisierenden Neoklassizismus eines Arno Breker oder der Romantik eines Fidus sowie weiteren völkisch-klassizistischen Künstlern, trägt die kühle Eleganz Riefenstahlscher Arbeiten weiter oder reduziert sich auf die nüchterne Bodenständigkeit eines Albin Egger-Lienz. Der inhaltlichen Ausrichtung entsprechend, ist die Symbolik ein wichtiger Bestandteil des Selbstverständnisses dieser Musikrichtung – die meist als Metapher zu verstehende Positionierung heidnischer Zeichen und Runen versteht sich als Denkanstoß und Provokation für die saturierte, umerzogene Dekadenzgesellschaft.
Die Erscheinung auf der Bühne ist durchwegs stoisch-martialischer Natur – Feuer, Fackeln, Wappen und Fahnen vermitteln eine eigene Stimmung. Getanzt wird selten auf der Bühne des „Neofolk“, vielmehr strahlen die Musiker mit ihrer teilweisen Uniformierung oder gar Trachtenkleidung eine heroische Ruhe und Gelassenheit aus. Das Verzichten auf künstliche Lichteffekte und die damit einhergehende Dunkelheit verstärken das archaische Geborgenheitsgefühl – man ist unter Freunden.
Ein großes Verdienst dieser Jugendkultur ist es sicherlich, das Interesse jüngerer Generationen für jene Ideen geweckt zu haben, die in der One-World keinen Platz mehr haben dürfen, nämlich das Wissen um das Heimatgefühl, die Riten und Traditionen, die Volksseele, das Europa der Vaterländer. Diese Kunstgattung transportiert jene Inhalte besser, weil spielerisch, als jede Vortragsreihe eines Theoretikers. Die vertiefende Auseinandersetzung muß ohnehin individuell erfolgen. Infostände mit spezifischer Literatur sind fixer Bestandteil eines jeden Neofolk-Konzerts.

Im Bewußtsein des ästhetischen Mehrwerts

Die Anhänger des „Neofolk“ sind für Inhalte, welche den Kulturkampf transportieren, weit aufgeschlossener als jedes andere Publikum. Man kümmert sich fast selbstverständlich um die Hintergründe der meist intellektuellen Lyrik, es gehört zum guten Ton, Nietzsche oder Schopenhauer gelesen zu haben oder sich mit den Ideen von Codreanu vertraut zu machen.
Weiters bietet diese Musikrichtung im Gegensatz zum banal-provokativen Rechtsrock, welcher zweckgebunden der reinen Agitation, meist unter Alkoholeinfluß, dient, den „ästhetischen Mehrwert“: Es handelt sich um ansprechende, teilweise avantgardistische Musik.
In neuerer Zeit blieb das Publikum des „Neofolk“ nicht unentdeckt von Ideologen und Parteien verschiedenster Ausrichtungen, was von den Künstlern mit unterschiedlicher Akzeptanz quittiert wird. In den frühen 90er Jahren bereits wurden einige Projekte in der rechtskonservativen Zeitung „Junge Freiheit“ vorgestellt, und Funktionäre aller Rechtsparteien finden sich nicht nur zu Werbezwecken bei Konzerten ein – viele der jungen Politiker in ganz Europa wurden in dieser Musikrichtung beeinflußt.
Die institutionelle Vernetzung der Jugendkultur mit ideologischen Organisationen, eine durchaus übliche Strategie der linken Kunstlobby, würde von dieser allerdings auf der gegnerischen Seite nicht akzeptiert werden – man begann, die Neofolk-Szene zu desavouieren. Schützenhilfe erhielt man dabei von den Urhebern der Umerziehung: Seit den 80er Jahren überschwemmte eine neue „Qualität“ der Kulturanalyse, von Amerika ausgehend, weite Teile Europas. Diverse Wissenschaftler der linkslastigen Cultural Studies stürzen sich fasziniert auf die Jugendkultur, um sie – verfremdet durch ihre eigene Sichtweise – in eine politisch gefärbte Schublade zu zwängen und bei Bedarf herauszunehmen, um sie immer wieder umzudeuten. Je nach Anlaß und Auftraggeber werden dann haltlose Urteile abgegeben, beim genaueren Hinsehen merkt der Beobachter, daß viele dieser „Wissenschafter“ die Essenz der Sache nicht im entferntesten verstanden haben oder gar eigene Wahrheiten herbeizaubern. Ein gewisser Markus Stiglegger etwa beschreibt Konzerte, auf denen er nachweislich nie war, und bringt sie in einen düster-nazionalsozialistischen Kontext, dem er eine lange Abhandlung über die Inhalte dieser „Entgleisungen“ folgen läßt.

Verleumdung und Gewalt

Erschwerend für die Jugendkultur des „Neofolk“ kommt die Neigung der „Linken“ hinzu, sämtliche vermeintlich rechtslastigen Aktionen sofort zu kategorisieren und zu kriminalisieren. Im Zuge der geradezu zwanghaften Pädagogisierung der jungen Generationen entpuppt sich das Korsett der Political Correctness als effizientes Instrument, einen Typus des gleichgeschalteten Konsumenten zu produzieren.
Völlig harmlose Dinge werden argwöhnisch umgedeutet und geraten im Endeffekt zur großen Verschwörung gegen Staat und Ordnung, zu deren Stützen sich die sonst gerne auf anarchistischen Pfaden wandelnden Linken kurioserweise aufschwingen.
Die Strategien sind mannigfaltig. In anonymen, sogenannten „antifaschistischen Internetportalen“ werden Menschen diffamiert, Beweise werden selten bis nie geliefert, Name und Adresse der Betroffenen werden veröffentlicht und Leser zum „Besuch“ der Beschuldigten aufgefordert. Arbeitgeber und Umfeld werden „alarmiert“, der Angeprangerte bleibt meist ohnmächtig und mit zerstörter Existenz zurück, wie das traurige Beispiel des Rosenheimer Musikprojekts weiter oben deutlich macht. Keiner der Brandstifter kümmert sich um diese Schicksale; der rote Mob zieht brandschatzend weiter, dem nächsten Opfer entgegen.
In politisch korrekten deutschen Landen bildete sich gar eine Gruppe aus den eigenen Reihen heraus – die „Grufties gegen Rechts“, welche, beflügelt durch den Jargon der Trotzkisten, gegen die „braune Gefahr“ in der Musikszene vorgehen, wobei ihr unermüdliches Anrennen gegen das noch verankerte gute Volksempfinden geradezu zwanghaft erscheint.
Diese Gruppierung verdeutlicht ihre Absichten intoleranter Ausgrenzung Andersdenkender, wenn sie verlauten läßt, man könne „Kunst nur dann gelten lassen, wenn ein aufklärerischer Hintergrund vorhanden ist“.
Bedenklich ist der Umstand, daß diese Vereinigung Friedfertigkeit vorgibt, durch ihre gezielten Informationen im Internet aber die gewaltbereiten Linken auf sämtliche vermeintlich rechten Veranstaltungen aufmerksam macht. Die Chaoten erledigen dann die Schmutzarbeit:
Wurde anfangs noch „gewarnt“ und „informiert“, kam es Mitte der 90er Jahre zu Gewalttaten seitens der antifaschistischen Szene. 1996 bereits gab es einen Anschlag auf die Musiker der Band Forthcoming Fire, welche mit Autos überfahren werden sollten, mehreren anderen Bands wurden die Transportfahrzeuge in Brand gesteckt. Beim Wave- und Gothic-Treffen in Leipzig wurden 1998 Konzertbesucher im Dunkeln überfallen und mit Baseballschlägern krankenhausreif geprügelt. Mit Hilfe von Telefon oder Internet wurden Konzertveranstalter anonym bedroht, sodaß sie die Veranstaltung absagten. Auf diese Weise mußten einige Bands fast ihre gesamte Konzert-Tournee absagen, so etwa Sol Invictus. Hier einige Streiflichter zur Rechtfertigung der Konzertabsagen seitens der Veranstalter: Gasthaus Krone in Darmstadt: „Sorry, wenn hier jetzt evtl. falsch (über)reagiert und entschieden wurde. Die Flut von E-Mail-Beschwerden und Gästebucheinträgen ging ja erst gestern los, und es bestand deshalb kurzfristig akuter Handlungsbedarf. Da auf die Schnelle keine Klärung in Aussicht war, war die erste Maßnahme durch die Absage, erst mal Schaden vom Veranstaltungsort abzuwenden, da wegen des Konzertes mit massiven Gegenaktionen zu rechnen war, die auch den Bands geschadet hätten. Vielleicht wäre es auch ratsam gewesen, seitens der Veranstaltungsagentur auf die eventuellen Reaktionen seitens antifaschistischer Kreise hinzuweisen, die zu anderen Konzerten ja im Vorfeld an anderen Veranstaltungsorten schon aktiv geworden sind. Denn in diesem Bezug ist Darmstadt ein aufmerksames Pflaster …“ Wien, Veranstalter Walaskialf: „In der Frage der Ermittlung wegen Sol Invictus: Den Behörden liegt nichts vor.“ Zürich, Disco-Club Totenlicht: „Aufgrund der Androhung eines autonomen Aufmarsches hat der Club die Vermietung vorerst zurückgezogen. Zur Zeit werden Gespräche mit dem Club geführt, und es wird nach einem Ersatzclub Ausschau gehalten.“ All das führt bei Veranstaltern und Musikern zu großen Verlusten.
Konzerte finden heute nur mehr im kleinsten Kreis, mit persönlicher Einladung und kurzfristiger, individueller Bekanntgabe der Örtlichkeiten statt, was mit sehr langen Anfahrtswegen und teuren Hotelaufenthalten verbunden ist. Doch auch die Geheimhaltung wird relativ schnell durch die konzertierte Taktik zwischen militanten Linken und Behörden untergraben, wie ein Konzertbericht eines enttäuschten Besuchers des Funkenflug-Konzertes in Mühlhausen im Jahre 2004 verdeutlicht: „Der geheime Konzertort war offenbar doch nicht ganz so geheim geblieben – zumindest konnte die Heidelberger Antifa in Erfahrung bringen, wo das Konzert stattfinden soll. Sie wandten sich daraufhin an den Stadtrat des Ortes Mühlhausen, welchem sie den Konzertabend als extrem rechte Veranstaltung prognostizierten. […] Nachdem die Verunsicherungsstrategie beim Rat tatsächlich Wirkung zeigte, übte dieser schließlich Druck auf die Betreiber des Fanfarenhauses aus, welche sich am Ende von der geplanten Veranstaltung distanzierten und das Lokal nicht mehr zur Verfügung stellen wollten. Noch vor dieser Entscheidung traten Polizei und Staatsschutz an Veranstalter und Musiker heran.“ In der Folge wurden von sämtlichen Besuchern, die ahnungslos am Veranstaltungsort erschienen, polizeilich die Personalien aufgenommen oder ihre Autokennzeichen notiert.
Zum Konzert von Allerseelen auf der Burg Vondern kamen lediglich 40 Zuhörer, da viele durch offene Gewaltandrohungen unter indimedia.org abgeschreckt wurden. Während eines weiteren, als Privatveranstaltung deklarierten Konzertes wurden kurzerhand sämtliche Ausgänge versperrt und ebenfalls alle Konzertbesucher erkennungsdienstlich registriert – eine Taktik, die in Österreich bei politischen Veranstaltungen neuerdings ebenfalls angewendet wird.
Natürlich verwundert es kaum mehr, wenn der bundesrepublikanische Verfassungsschutz in seinem Bericht des Jahres 2000 diese Beobachtungen unter dem Schlagwort „Versuch der [rechtsextremen] Einflußnahme im Dark-Wave-Gothic-Musikbereich“ zusammenfaßt.
Die Aussage eines Künstlers „Ich bin kein Freund von Multikulti und Vermischung“ wird in diesem Bericht als rassistische Tendenz ausgelegt.

„Österreich abschalten“

Österreich steht dem großen Bruder in nichts nach, so nennt sich die frühere Staatspolizei heute nicht nur ebenfalls verharmlosend „Verfassungsschutz“, sie agiert auch mit ähnlich unkorrekten Mitteln, um eine ungeliebte Jugendkultur nicht aufkommen zu lassen. So wurde 2004 das Abhalten des Festivals „Heiliges Österreich“ mit Winkelzügen verhindert und dadurch mehrere Personen in den finanziellen Ruin getrieben.
Bereits im Vorfeld wurde das in Oberösterreich geplante Festival von April auf „unbestimmte Zeit“ verschoben. Ausgerechnet im Kärnten Jörg Haiders schaffte es die militante Linke im Juli, mit Rückendeckung durch die Staatspolizei, die Veranstaltung ebenfalls zu sprengen. Sie wurde von der Burg Glanegg bei Feldkirchen ein drittes Mal verlegt, und zwar in die Gegend von Spittal. Durch Straßenaufmärsche und andere Agitationsformen wurde auch die Ersatzveranstaltung von der mittlerweile unter Druck geratenen Polizei aufgelöst. Dies, obwohl Sicherheitsdirektor Slamanig bei den Antifaschisten das „wahre Gefahrenpotential” erkannt hatte und im Umfeld der Veranstalter kein „rassistisches oder militantes Verhalten“ festgestellt werden konnte.
Der propagandistische Zweck dieser Agitation gegen das Festival wird bei der Presseaussendung des Vereins „Noborderkoroska“ [„Kärnten ohne Grenzen“, wobei die slowenische Bezeichnung für Kärnten benutzt wird, d.Verf.] offensichtlich: „Kärnten der Ort, wo sich RechtsextremistInnen aller Lager wohlfühlen und mit finanziellen Mitteln des Landes großzügig gefördert werden. Jedes Jahr treffen sich beispielsweise tausende Jung- und Altnazis unter der Patronanz von hochrangigen LandespolitikerInnen am Klagenfurter Ulrichsberg, um den ‚gefallenen Kameraden‘ der SS und der Wehrmacht zu gedenken. Mit dem Kärntner Abwehrkämpferbund und seiner Schwesterorganisation, dem Kärntner Heimatdienst hat Kärnten zwei gesellschaftlich fast völlig integrierte Vereine (die MitgliederInnenzahlen gehen in die Zehntausende), die schon seit Jahrzenten ein rassistisches, slowenInnenfeindliches Klima schaffen, das in den 70er Jahren mit dem ‚Ortstafelsturm‘ genannten Ortstafelpogrom seinen vorläufigen Höhepunkt fand. […] Anstatt sich klar hinter den antifaschistischen Widerstand der slowenischen PartisanInnen zu stellen, wird in revisionistischer Manier eine Aufrechnung der Opferzahlen betrieben, ganz so, als wäre der Holocaust in seiner grausamen Einmaligkeit mit irgendetwas anderem vergleichbar. Es gilt also nicht nur, Werner Symanek [der Veranstalter von „Heiliges Österreich“, d.Verf.] seine Arbeit zu vermiesen, sondern insbesondere auch jenen, die glauben, in Kärnten ein Braunes Eck gefunden zu haben, in dem sie ungestört ihre haßerfüllte Ideologie verbreiten können: Dem KAB, dem KHD, der ‚deutsch-kärntner Volksgemeinschaft‘ und in letzter Konsequenz dem Land Kärnten.
Ein Land, das rechts bis ins Mark ist, gehört verraten. Kärnten raus! Österreich Abschalten!“ [Fehler im Original, d.Verf.]

Provokationen

Manche Liedtexte führen freilich zu vorhersehbaren Reaktionen der Behörden, wie dies beim Verbot des Albums „Rose Clouds of Holocaust“ der englischen Band Death in June der Fall war. Das bereits im Jahr 1995 erschienene Album versucht die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ in einem seit 2005 laufenden Verfahren zu indizieren. Der Text des ruhig-melodiösen Liedes: „Rose clouds of Holocaust / Rose clouds of flies / Rose clouds of bitter / Bitter, bitter lies / And when the angels of ignorance / Fall down from your eyes / Rose clouds of Holocaust / Rose clouds of lies” wird im folgenden kryptischer: „Rose clouds of twilight truth / Rose clouds of night / Rose clouds of harvested / Love, all alight / And when the ashes of life / Fall down from the skies / Rose clouds of Holocaust / Rose clouds of lies.”
[Übersetzung: „Rosa Wolken des Holocaust, rosa Wolken der Fliegen, rosa Wolken der bitteren, bitteren Lügen. Und wenn die Engel der Ignoranz von Euren Augen fallen, rosa Wolken des Holocaust, rosa Wolken der Lügen.“ Sowie kryptischer: „Rosa Wolken der dämmernden Wahrheit, rosa Wolken der Nacht. Rosa Wolken der geernteten Liebe, ganz lodernd. Und wenn die Aschen des Lebens vom Himmel fallen. Rosa Wolken des Holocaust, rosa Wolken der Lügen.“]
Vor beinahe zehn Jahren, als die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ den Sänger Pearce nach seiner Inspiration für das Stück fragte, verwies er auf ein Naturerlebnis in Island; es gehe in dem Text um „die vulkanische Landschaft Islands“. Das Wort „Holocaust“ bedeute „verbranntes Opfer“. Der im Lied angesprochene „Holocaust“ habe nichts gemein mit der „Verfolgung und Vernichtung von Juden, Homosexuellen, Zigeunern und anderen in Deutschland während der Zeit des Dritten Reichs“.
Die Bundesprüfstelle ließ sich von diesen Einlassungen allerdings nicht überzeugen und blieb bei der Auffassung, daß der Verfasser „den Holocaust während des sog. ‚Dritten Reichs‘ mit Lügen“ gleichsetze. Diese „Lüge vom Holocaust”, meinte die Behörde weiter, soll „wie ‚die Engel der Ignoranz’ von ‚den Augen der Menschen’ ‚abfallen‘”. Zudem sei „Holocaust“ ein „feststehender Begriff für die Ermordung von Millionen Menschen in Konzentrationslagern”. Daß der Verfasser den Holocaust als „Rosenwolke”, mit „Rosenwolken aus bitteren Lügen“ und einer „zwielichtigen Wahrheit” beschreibe, impliziere, daß er diesen Massenmord „als Lüge entlarven“ wolle.
Death in June ist eine der politisch provokantesten Gruppen des Neofolk. Schon der Name „Tod im Juni“ ist eine Reverenz an den SA-Führer Ernst Röhm. Im Interview mit dem Magazin Zillo erklärte Pearce die Namensfindung folgendermaßen: „Auf der Suche nach einer zukünftigen politischen Perspektive stolperten wir über den Nationalbolschewismus, der sich wie ein Leitfaden durch die Hierarchie der SA zog.“

Frei denkende Jugendkultur

Kann man hier also Elemente nationalsozialistischen Gedankengutes vermuten, trifft dies für die meisten anderen Gruppen jedoch nicht zu. Auch insgesamt läßt sich sagen, daß das Welt- und Menschenbild der Neofolk-Bewegung viel differenzierter und tiefgründiger ist, als daß es durch pauschalisierende Schlagwörter oder die verleumderischen Unterstellungen seitens diverser Antifa-Gruppen zutreffend charakterisiert werden kann.
Die Richtung des Neofolk ist im Grunde die am freiesten denkende Jugendkultur seit der Romantik. Jenseits der linken Zensur experimentiert man hier mit sämtlichen Inhalten, die emotionell und philosophisch von Interesse sind. Das macht den Neofolk für den Betrachter von Außen unverständlich und läßt bei gutmenschlichen Weltverbesserern diffuse Ängste aufkommen.
Angesichts der Bereitwilligkeit der Behörden, die Liedtexte rechter Gruppierungen auf strafbare Inhalte zu prüfen, fragt man sich auch, wo Verfassungsschutz und Staatspolizei bleiben, wenn von seiten linker oder schwarzer Grupppen gewaltverherrlichende Texte, ja sogar als Lieder verkleidete Mordaufrufe auf Tonträger gepreßt und in den Handel gebracht werden.

Der Paradigmenwechsel ist nicht mehr aufzuhalten

Jugendkultur, im speziellen die Musik, wird traditionell als widerständige und subversive, als „linke“ Sache wahrgenommen, die aber in Zeiten von Abflachung, Sinnmangel und einem allgemeinen Sättigungsgefühl nicht mehr so richtig gegenkulturell daherkommt wie früher. Während die Linke also vergeblich nach der Erneuerung verblühter Popvisionen Ausschau hält, war der wahre Poptrend der letzten Zeit nicht etwa türkisch-deutscher Postrock, sondern der „Neofolk“ und artverwandte „rechte“ Jugendmusik.
Der Kunst wird ein enormes Veränderungspotential zugeschrieben – gerade das macht sie in linken Augen so gefährlich. Ganz im Sinne des strategischen „Marsches durch die Institutionen“ der 68er-Generation wird somit die Kunst ausnahmslos mit linken Themen besetzt.
Von allen Kunstgattungen ist die Musik wohl jene, die am stärksten die Emotionen des Publikums anspricht und am unmittelbarsten Zugang zum Menschen findet. Die panische Angst der Linken geriert sich aus der Erkenntnis, daß die wertkonservative Jugendkultur schlicht die besseren, weil ehrlicheren Argumente hat, weil sie die Seele des Menschen anspricht. Gerade in diesem Bereich haben die Linken keine echte Alternative vorzuweisen. Neben Dauerspaß und Flucht vor der Realität durch Drogen aller Art, hat deren Ideologie nichts mehr zu bieten.
Darüber hinaus stellt die Jugend durch die Menschheitsgeschichte hindurch stets die revolutionäre, erneuernde Bevölkerungsgruppe dar; Jugendkultur hat also, trotz Mainstream und Konsumzwang, ein brisantes, beunruhigendes Potential in der Gesellschaft aufzuweisen. Den brisantesten Zündstoff in einer Gesellschaft, die vom Geist der Alt-68er dominiert ist, bietet folgerichtig die wertkonservative Jugendkultur.

Literatur

Neutrale Autoren: Diesel, Andreas und Dr. Gerten, Dieter: Looking for Europe-Neofolk und Hintergründe, Zeltingen-Rachtig 2005, ISBN 3936878-02-1
Antifaschistische Autoren: Speit, Andreas u. a. (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung: Rechtsextreme Tendenzen in der Dark-Wave- und Neofolkszene, Münster 2002, ISBN 3897718049

 
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