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Regiogeld und zinsfreie Wirtschaft

Von M. B.

Der Geist von Silvio Gesell lebt weiter. In einer Zeit, in der der Marktradikalismus regiert, war es schon fast vorhersehbar, daß Regiogeld eine Renaissance erlebt. Kein Wirtschaftssystem würde so sehr für wirtschaftliche Stabilität sorgen wie das von Silvio Gesell. Dies bestätigt ein Experiment aus dem Jahre 1932, das in einem österreichischen Ort namens Wörgel stattfand. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise erlebte dieser Ort einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Da nun wieder eine neue Weltwirtschaftskrise droht, sollen die Vorteile des Regiogeldes genauer erläutert werden. Die heutigen Herausgeber dieses Zahlungsmittels sind Vereine. Diesen Vereinen sind Geschäfte, sogenannte Partner, angeschlossen, die es als Zahlungsmittel entgegennehmen. Das Ziel der Vereine und der Theorie Silvio Gesells überhaupt ist das Halten des Geldes in der jeweiligen Region.
„Durch den Wegfall von Handels- und Währungsgrenzen bluten wir sonst regional einfach aus“, sagte Frank Jansky, Sprecher des Regionalgeldverbandes. Gerade Kommunen und Gemeinden, in der mittelständische Unternehmen am stärksten vertreten sind, werden zu den großen Verlierern dieser Globalisierung.
Zur Zeit existieren acht Vereine für die Herausgabe dieses Geldes. Zusammenschlüsse sind geplant, um deren Kräfte zu bündeln. Christian Gellerie, geschäftsführender Vorstand des Vereins für regionales Wirtschaften, der den „Chiemgauer“ herausgibt, berechnete, daß ein Chiemgauer im Jahr durchschnittlich 20 mal genutzt wird, ein Euro hingegen nur 10 mal.
Durchgesetzt hat sich dieses Zahlungsmittel in Berlin und Sachsen-Anhalt. In den alten Bundesländern existieren zur Zeit zwölf Geldsorten, 35 weitere sind in der Vorbereitung. Ralf Becker vom Regionalgeldverband hält eine einheitliche Regiowährung für ganz Mitteldeutschland für sinnvoll.
Lokale mittelständische Unternehmen werden somit unterstützt und deren Existenz gesichert. Beispielsweise werden für einen Gemüsehändler Anreize geschaffen, seine Waren von Bauern in der Nähe zu beziehen statt aus dem Ausland. Das verhindert wiederum den Geldabfluß und unterstützt die regionale Wirtschaft.
In Sachsen-Anhalt existiert zur Zeit der „Urstromtaler“, der eine leistungsbezogene Währung darstellt. 120 Unternehmen nehmen den Urstromtaler an. „Leistungsbezogen“ meint, daß nicht Waren, sondern Dienstleistungen damit bezahlt werden: ein Maler empfängt für seine Arbeit statt Euro diese Urstromtaler, die er bei anderen Partnern, wie z. B. einem Zahnarzt, ausgeben kann.
In Berlin wird die Währung „Berliner“ von der Grünen Liga gefördert. „Je stärker die regionale Wirtschaft ist, desto geringer sind die Transportwege von Waren“, so Ralf Becker. Somit ist dieses Zahlungsmittel auch ökologisch wertvoll, denn durch die kürzeren Transportwege werden die Abgase verringert. Ein kleiner Beitrag zur aktuellen Feinstaubdiskussion.
Seit Oktober 2005 existiert in Hagen der „VolmeTaler“. 184 Unternehmen nehmen diesen an, sogar die örtliche Edeka-Filiale. Initiator ist der Weinhändler Helmut Reinhardt, der auch den Vorschlag einbrachte, über Bonussysteme Kunden anzulocken. Wenn man beispielsweise in einer Gaststätte eine Familienfeier mit VolmeTaler zahlt, erhält man den Sektempfang gratis. Seit es den VolmeTaler gibt, gehen die Einwohner von Hagen wieder verstärkt zu Einzelhändlern statt zu großen Märkten. Teilnehmende Partner verzeichneten plötzlich Neukunden.
In vielen Regionen werden die Geldnoten durch jede Transaktion „aufgeladen“ (etwa mittels eines Stempels oder durch Aufkleben einer Marke). Wenn sie innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht umgesetzt werden, verlieren sie ihre Gültigkeit und können nur gegen eine Gebühr wiederverwendbar gemacht werden. Dies erzeugt eine höhere Umlaufgeschwindigkeit, was die Wirtschaft ankurbelt. Weitere Projekte sind in Planung, etwa die einer zinsfreien Kreditvergabe oder die Einrichtung von Girokonten für Regiogeld.
Daß dieses „zinsfreie Wirtschaften“ von den Medien weitgehend totgeschwiegen wird, sollte keinen verwundern. Mächtige Interessen stehen dem entgegen, da der Erfolg dieser Regionalwährungen den Gegnern der Zinswirtschaft gute Argumente liefert. Doch da die wirtschaftliche Lage sich weiter verschlechtern wird, werden auch die diesbezüglichen Fragen immer lauter werden und sich auch politische Kräfte bilden, die eine zinsfreie Wirtschaft zum Ziel haben.
Mit den Vorteilen des Regiogeldes wird nun auch hier deutlich, daß Deutschland keiner viel gepriesenen Reformen bedarf, sondern eines anderen Wirtschaftssystems. Eines, das Unternehmensexistenzen sichert, Arbeitsplätze sichert und zugleich ökologisch wertvoll ist. All dies faßt die „natürliche Wirtschaftsordnung“ zusammen.

 
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