Mit allen Mitteln versuchen die Amerikaner die irakischen Bauern in die Abhängigkeit der großen Agrarkonzerne zu bringen. Als „Erlaß 81“ der amerikanischen Zivilverwaltung im Irak beschlossen, erklärt ein bereits im März vom irakischen Parlament ratifiziertes Gesetz die seit Jahrtausenden gepflegte Tradition von Nachzucht und Saatgut-Austausch de facto für illegal.
Nach einem internationalen Abkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) wird zwar das „geistige“ Eigentumsrecht von Pflanzenzüchtern geschützt und die Zahlung von Lizenzgebühren bei registrierten Sorten festgelegt, den Bauern jedoch erlaubt, wie seit jeher üblich, einen Teil der Ernte als Saatgut behalten und im nächsten Jahr ohne neuerliche Zahlungen aussäen zu können. Dies ist im Irak nun nicht mehr möglich. Der Sortenschutz unterscheidet sich nun kaum mehr vom Patentrecht. Ähnlich restriktive Bestimmungen mußten schon Länder wie Sri Lanka und Kambodscha im Rahmen von Handelsabkommen mit den USA erlassen.
Das Ziel der Konzerne ist, wie die Saatgutfirma Monsanto auf einem Gentechnik-Kongreß im Jahr 1999 festhielt, ein Szenario, in dem binnen 15–20 Jahren sämtliches Saatgut auf der Welt gentechnisch verändert und damit patentiert sein wird.
Das Einfallstor für patentierte Züchtungen und gentechnisch veränderte Sorten ist die Nahrungsmittelhilfe. Denn selbstverständlich verwenden Bauern einen Teil des solcherart gelieferten Getreides auch für die Aussaat, insbesondere wenn es nicht als gentechnisch verändert gekennzeichnet ist. Auf diese Weise wurde in Mexiko bereits ein großer Teil des traditionellen Saatgutes mit Genmais kontaminiert.
Ein weiteres Einfallstor sind Entwicklungshilfe-Projekte, bei denen Bauern im Anbau geschützter „Hochertragssorten“ von Getreide oder Hülsenfrüchten unterrichtet werden. Oft ist diesen nicht klar, welche finanziellen Belastungen in der Zukunft auf sie zukommen bzw. werden Ihnen großzügig Kredite und finanzielle Unterstützungen für den Kauf von Industriesaatgut in Aussicht gestellt.
Bald darauf folgt der zweite Schritt. Ob über Nahrungsmittelhilfe oder Anbauschulungen, wenn erst ein gewisser Prozentsatz geschützter oder gentechnisch veränderter Sorten in einem Land etabliert ist, verbreitet dieser sich über Pollenflug, Insektenbestäubung oder technischer Kontamination bei Transport und Verarbeitung weiter.
Viele Bauern, die nie von sich aus ein solches Saatgut verwenden wollten, werden trotzdem einen gewissen Anteil solcher Pflanzen auf ihren Feldern stehen haben. In Kanada wurde bereits ein Landwirt gerichtlich verurteilt, weil Genraps der Firma Monsanto auf seinen Feldern wuchs. Obwohl Percy Schmeiser dies nie beabsichtigt hat, wurden Monsanto-Rapssamen von einem Transporter auf seine Felder geweht und vermischten sich mit dem Saatgut des Farmers. Da dieser immer wieder einen Teil der Ernte für die Neuaussaat verwendete, verstieß er, so die Ansicht des Gerichtes, gegen die Interessen von Monsanto, die durch eigens ausgeschickte Detektive den Fall ins Rollen gebracht hatte. Anstatt daß also eine Firma, die gentechnisch verändertes Saatgut erzeugt, selbst Sorge dafür tragen muß, daß Nachbarfelder nicht kontaminiert werden bzw. Landwirte zu entschädigen hat, auf deren Feldern sich gegen deren Willen Gen-Getreide ansiedelt, liegt die Last der Verantwortung gänzlich bei den Bauern, die selbstverständlich nichts dagegen unternehmen können, wenn sich von Nachbarfeldern Gengetreide einkreuzt. Im Irak wird Landwirten, die solcherart vermischtes Saatgut aussäen, ohne Lizenzgebühren an die multinationalen Konzerne zu entrichten, die Konfiszierung ihrer Ernte und sämtlicher Maschinen, die „zur Verletzung des Schutzes der Sorte“ genutzt wurden, also der Traktoren, Pflüge usw. angedroht!
Darüber hinaus erstrecken sich die Patente nicht auf eine bestimmte genetisch eindeutig bestimmbare Sorte, sondern auf Pflanzeneigenschaften. Was dies heißt illustriert ein Beispiel der Firma SunGene, die sich vor einigen Jahren in den USA eine Sonnenblumensorte mit einem hohen Ölsäuregehalt patentieren ließ. Das Patent bezog sich jedoch nicht nur auf die spezifische Genetik der betreffenden Sorte, sondern auf den hohen Ölgehalt als solchen. Die Firma drohte daraufhin umgehend allen anderen Sonnenblumenzüchtern, daß jede Sonnenblumensorte mit entsprechend höherem Ölsäuregehalt eine Patentrechtsverletzung darstelle und gerichtlich verfolgt würde.
Wenn also im Irak ein internationaler Saatgutkonzern eine Industriesorte mit bestimmten besonderen Eigenschaften patentieren läßt, kann dies dazu führen, daß sämtliche traditionellen irakischen Sorten, die dieselben Eigenschaften aufweisen, verboten werden.
Die Träger des alternativen Nobelpreises haben anläßlich ihrer Konferenz zum 25jährigen Jubiläum dieser Auszeichnung den obengenannten Erlaß der US-Zivilverwaltung im Irak als „Verbrechen gegen die Menschheit“ gebrandmarkt. Dieser Erlaß ist aber mehr als bloß ein besonders abstoßendes Beispiel für die Unterordnung der irakischen Wirtschaft unter US- und Weltkonzern-Interessen. Es illustriert vielmehr darüber hinaus, mit welchen Methoden die USA Hand in Hand mit den multinationalen Saatgut-Konzernen vorgehen, wenn es darum geht, weltweit die Rechte der Bauern auszuhebeln, deren jahrtausendelange Züchtungsarbeit ja erst die Grundlagen für die neuen Industriesorten geliefert haben. Außerdem offenbart das Beispiel Irak die Strategie dieser Konzerne, gentechnisch verändertes Saatgut weltweit möglichst rasch in einem Maße auszubringen, daß jeder Widerstand dagegen von vornherein illusorisch wird. Ein „Detail“ am Rande: Nach einer Meldung von „Spiegel-Online“ (18. November 2005) haben genetisch veränderte Erbsen in einer australischen Versuchsreihe Lungenkrankheiten bei den sie fressenden Mäusen verursacht, ohne daß die Wissenschaftler die Zusammenhänge wirklich aufklären konnten. Gentechnik ist eben tod-sicher.
Während sich die Schweiz jüngst in einer Volksabstimmung souverän gegen die Ausbringung gentechnisch veränderten Saatgutes wehren konnte, ist dies in Österreich – entgegen dem klar ausgedrückten Willen der überwiegenden Mehrheit des Volkes – aufgrund einschlägiger EU-Bestimmungen, nicht möglich.
Einen ausführlichen Beitrag zu dieser Thematik brachten die „Umweltnachrichten“ 101/05