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Sozial und national

Von Sergio di Primio

Die italienischen Rechtsparteien jenseits von Fini und Berlusconi

In Italien konnte sich unter dem Namen „Movimento Sociale Italiano“ unmittelbar nach dem II. Weltkrieg eine in der Tradition Mussolinis stehende Rechtspartei etablieren, die zugleich verschiedene ideologische Strömungen zu integrieren vermochte, weshalb neben ihr nur kleine Splittergruppen existierten. Nachdem Gianfranco Fini 1987 als Nachfolger Almirantes an die Spitze des MSI getreten war, hatte er begonnen, die Partei nach seinen Vorstellungen umzubauen. Am historischen Parteitag von Fiuggi 1995 wurde der endgültige Bruch mit der faschistischen Vergangenheit verkündet und die Umbenennung in Alleanza Nazionale beschlossen. In der Folge etablierte sich die AN rasch als Teil des italienischen Parteiensystems ohne weiter den Anspruch zu erheben, eine grundsätzliche Alternative zur liberal-kapitalistischen Ordnung zu bilden. Und in der Tat bewirkte auch die Regierungsbeteiligung der AN keine merkbare Modifikation der europapolitischen, weltpolitischen oder wirtschaftspolitischen Ausrichtung der italienischen Politik.
Der folgende Beitrag portraitiert die vier bedeutendsten Gruppierungen der zersplitterten italienischen Rechten, die, jenseits von Fini und Berlusconi, den Anspruch aufrecht erhält, eine grundlegende Alternative zum bestehenden System zu bieten. Dabei liegt der Schwerpunkt der Darstellung auf den sozialpolitischen Vorstellungen dieser Parteien. Andere Themen, etwa die Südtirol-Frage, kommen in diesem Artikel nicht zur Sprache, werden aber durch die angestrebte Zusammenarbeit der Parteien der italienischen Rechten mit der FPÖ (vergl. Artikel auf S. 6) wohl in Kürze thematisiert werden.

Im Rahmen dieses Beitrags sollen die vier wichtigsten Parteien/politischen Bewegungen der zersplitterten Italienischen Rechten zuerst aufrißartig vorgestellt werden, während in einem zweiten Teil die (weitgehenden) Gemeinsamkeiten um (oft nur geringfügigen) Unterschiede in bezug auf verschiedene wesentliche Politikfelder beleuchtet werden.

Der Movimento Sociale Fiamma Tricolore unter Luca Romagnoli

Der Movimento Sociale Fiamma Tricolore wurde nach der historischen Wende von Fiuggi vom altgedienten Doyen Pino Rauti als Nachfolgepartei des ursprünglichen MSI ins Leben gerufen und vermochte den größten Teil jener rechten Kräfte Italiens, die Finis Abschwörung nicht mitvollziehen mochten, um sich zu versammeln. Am ersten Parteitag im November 1996 griff er auf die Konzeption des Nationalen Arbeiterstaates des Jahres 1946 zurück, um sich gleichermaßen sozial und völkisch-national zu profilieren. Bei den Parlamentswahlen von 1996 schnitt er landesweit mit überraschenden 1,5 % ab, wobei in den Regionen Abruzzen, Molise, Kalabrien, Sizilien, Kampanien und Apulien-Latium Spitzenergebnisse zwischen 4,2 und 6,6 % erzielt wurden. Pino Rautis autoritärer Füh
rungs
stil aber auch seine Bereitschaft zu einer Annäherung an Berlusconi führte bald zu innerparteilichem Zwist und auch zu Abspaltungen. Wie so häufig standen rechte Strategen, die ein Einvernehmen mit der rechten Mitte für notwendig hielten, den Anhängern einer „reinen Lehre“, den puri e duri gegen
über, die mit einer kompromißlosen Oppositionspolitik dagegenhalten wollten. Auch unter Rautis Nachfolger Romagnoli kamen diese Auseinandersetzungen nicht zum Erliegen. Wieder einmal trieb die sog. desistenza einen Keil zwischen die movimentisti: Romagnoli geriet bald in den Verdacht, heimliche Absprachen mit Berlusconi getroffen zu haben, in einzelnen Wahlkreisen davon abzustehen, das Zünglein an der Waage zu spielen und ihn damit indirekt begünstigt zu haben; der „Treubrüchige“ mußte daraufhin aus dem rechten Wahlkartell ausscheiden und mit der FT bei der Europawahl allein antreten, gerade zu dem Zeitpunkt, da das große Werk eines europäischen Schulterschlusses mit J. M. Le Pens FN auf dem Gipfeltreffen von Nizza, um das er sich so verdient gemacht, nahezu vollzogen schien. So erreichte die Fiamma Tricolore nur 0,7 % der Stimmen, was aber doch für einen Sitz im Europaparlament genügte, den Romagnoli selbst einnahm.

Die Fronte Sociale Nazionale unter Adriano Tilgher

Die Fronte Sociale Nazionale ging 1997 aus einem Zusammenschluß ehemaliger Mitglieder von „Avanguardia“ und „Ordine Nuovo“ sowie der „Lega Nazionale Popolare“ von Delle Chiaie hervor. Zum Umfeld dieser Gruppierung gehören etliche Zeitschriften wie „La Spina nel fianco“, „Terra di confine“, „Voce universitaria“ und vor allem „Carpe diem“, die sich stark auf die Ideen der Republik von Salo bezieht. Neben Parteichef Tilgher zählen zu seinen herausragenden Köpfen die namhaften Historiker Sermonti, del Piaz und die Koryphäe unter den Evola-Anhängern Erra, Chefredakteur der Zeitschrift „Roma“, sowie der „schwarze Ideologe“ Signorelli und der eigentlich von der „Terza posizione“ herkommende de Angelis.
Die FSN hatte ihre Hochburg immer in Rom und erlangte bei den Parlamentswahlen 2001 1,6 % im Alleingang ohne jegliches Einlenken auf Berlusconis „Haus der Freiheit“.
Auch die FSN hatte ihre Abweichler, welche teils zur Forza Nuova, teils zum Verein Raido, gleichsam den Erbwaltern Evolas abdrifteten, eine kleine Gruppe wandte sich auch zum rechten Zentrum Port Aperta – eine Anlaufstelle für Bedürftige und Ausgegrenzte und Jugendzentrum in einem sozialen Brennpunkt der Hauptstadt.
Ein bedeutender innerer Konflikt entstand durch die Ausbildung eines philo-islamischen Flügels aus den sog. Volksbündler-Kreisen, den „comunitaristi“, die auf das politisch-theoretische Rüstzeug der Zeitschrift „Il rosso e il nero“ von C. Terraciano und das nahe verwandte Blatt „Socialismo e liberazione“ von M. Neri zurückgreifen. Die Volksbündler suchen, beeinflußt auch von dem zum Islam bekehrten Verleger Muti eine Brücke zu dem islamischen Fundamentalismus zu schlagen. In diesem Fahrwasser tummeln sich auch die „roten Faschisten“ des „Movimento antagonista sinistra nazionale“, die, um die Überwindung der Dichotomien Rechts/ Links, Faschismus/Kommunismus bestrebt, in der traditionell roten Emilia Romagna die Monatszeitschrift „Aurora“ herausgeben. Der Kerngedanke dieser national gesinnten Linken ist, den nationalen Kampf der Völker um ihre Unabhängigkeit zu bündeln mit dem sozialen Ringen um die Befreiung der Werktätigen von der Knechtschaft des internationalen Kapitalismus und der Hochfinanz.

Die Forza Nuova von Roberto Fiore

Die wirtschaftlich und finanziell wohl stärkste Organisation der italienischen Rechten mit großer Durchschlagskraft sucht den Ausgleich zwischen den beiden Seiten des rechten Lagers, dem traditionalistisch-konservativen mit dem sozial-kämpferischen zu verwirklichen (worum sich auch die FSN bemüht). Das klassenübergreifende, alle Sozialschichten ansprechende Gedankengebäude stellt auf ein sehr breit gefächertes Spektrum von Zielgruppen ab: von konservativen Katholiken über das Bürgertum der ganzen Bandbreite (ob Großindustrieller oder Otto Normalverbraucher) bis hin zu den „Globalisierungsverlierern“ und Deklassierten, ja zum Skinhead.
In der Führeretage der Bewegung finden wir auch Vassallo, den Mitbegründer des Evola-Vereins „I figli del sole“, in dem sich katholischer Integralismus mit mystischer Krieger-Askese mischt, sowie seit 1975 Obmann der internationalen Vereinigung Philipp I., benannt nach dem spanischen König der Gegenreformation. Ein weiterer Vordenker der Forza Nuova ist Univ.-Prof. Sanfratello, dem es insbesondere um die Begründung der Unvereinbarkeit der Scharia und des Islam mit den europäischen Traditionen geht – wodurch der Graben zu anderen Strömungen der italienischen Rechten naturgemäß tiefer wird.
Auf der ersten Versammlung der Forza Nuova im Hotel Universo in Rom beteiligten sich auch J. L. Perez von der „Democracia nacional“ und Udo Voigt von der NPD. Damals wurden als programmatische Eckpunkte festgehalten: Abschaffung der Abtreibungsgesetze, Förderung der Familie und eines demographischen Wachstums als zentraler Punkt einer nationalen Renaissance, klare Eindämmungspolitik gegenüber der Immigration und konsequente Abschiebung illegaler Einwanderer, Verfemung der Freimaurerei und anderer Geheimbünde, Ausrottung jeder Art von Wucher, Streichung der öffentlichen Verschuldung, Wiederherstellung des Konkordats von 1929, Aufhebung der freiheitsberaubenden Gesetze von Manzino/Selba (die u. a. „Verherrlichung des Faschismus“ und ander Meinungsdelikte unter Strafe stellen) u.a. Die Forza Nuova, die, zumindest zu einem früheren Zeitpunkt, auch Grußbotschaften an Jörg Haider verkündete, strebt insbesondere die Schaffung einer europäischen Koordination der rechten Gruppierungen an.
Finanziert wird die Forza Nuova durch verschiedene konservative Organisationen und Verbände, wie dem katholischen „St. George Educational Trust“ sowie dem „St. Michael’s the arcangel trust“. Die Forza Nuova pflegt allerdings auch Kontakt zu zweifelhaften revisionistischen und historischen Vereinigungen wie dem „Circolo Culturale“ aus Bergamo, der, von der Lombardei bezuschußt, das Mittelalter mit dem Raster des Faschismus erfaßt.
Dank seinem im Ausland angehäuften Vermögen entfaltet Fiore vielseitige Aktivitäten, von den Zeitschriften im Umfeld der Forza Nuova ragt der „L’uomo libero“ heraus, daneben sind die hauseigenen „Barricata“, „Exempla“, „L’altra voce“ und das zugkräftige „Foglio di lotta“ zu nennen, sowie an bedeutenderen Verlagen „Controcoriente“, „Il solco“ und die „Edizione Effedieffe“.
Bei den letzten Europa- und Kommunalwahlen in Rom (wo die FN Romano Mussolini, den Sohn des Duce, als Bürgermeisterkandidaten aufstellte), erntete sie aber Mißerfolge. Nur in kleineren Gemeinden und Bezirken konnten Ergebnisse zwischen 2 und 14 % erzielt werden. Die Zahl der Ortsgruppen der FN vermehrte sich allerdings in den letzten fünf Jahren von 27 auf 96 mit deutlichem Schwergewicht im Veneto.

Die Azione Sociale unter Alessandra Mussolini

Von der Enkelin des Duce, Alessandra Mussolini, nach ihrem Bruch mit Fini am 18. Dezember 2003 in Rom aus dem Boden gestampft, konstituierte sich die AS eigentlich nicht als Partei, sondern eher als Sammlungsbewegung mit dem Ziel, die verschiedenen Rechtsparteien zu vereinigen.
Im Unterschied zu anderen Rechtsparteien verteidigt sie allerdings den § 18 der Arbeitergesetzgebung, wonach in Unternehmen mit über 15 Beschäftigten ein Kündigungsschutz gilt, ebenso wie das Gesetz über den Schwangerschaftsabbruch. Auch dem Thema Frauenrechte wird eine zentrale Bedeutung beigemessen, wie denn der Schutz der Familie und Anreize für eine größere Kinderzahl, etwa durch Anerkennung der Hausarbeit, zu den festen Angelpunkten des Programmes zählen. Bei den letzten Europawahl erhielt auch die AS mit 1,2 % der Stimmen (immerhin 400.000 Wähler in ganz Italien) einen Sitz im Europaparlament. Im Bezirk von Latina lag das Ergebnis mit 4,2 % landesweit am höchsten.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Wie alle europäischen Rechtsparteien steht auch die italienische Rechte für die Bewahrung des kulturgeschichtlichen Erbe ihres Volkes ein, was in unserer Zeit geradezu zum zwingenden Imperativ der Politik wird: Damit die kulturelle Tradition Italiens als einer organisch gegliederten, von den Ursprüngen her griechisch-römisch-germanisch geprägten und christlich durchgeistigten Ökumene, die sich bis in die Zeit der Habsburgerherrschaft fortsetzte, nicht verschwindet, wendet sie sich geschlossen gegen die Ideologie des Multikulturalismus, die Politik der offenen Tür und auch die politische Entwicklung innerhalb der EU, die darauf hinausläuft alle Unterschiede durch Gleichmacherei einzustampfen und Europa zu einem einzigen, seelenlosen Großraummarkt zu degradieren. Die italienische Rechte dementgegen bejaht das Selbstbestimmungsrecht der Völker über ihren eigenen Lebensraum, gerade wo international tätige Finanzmächte ihre Lebensgrundlagen abgraben.
In der wildwuchernden Immigration erkennt sie nicht nur nachteilige kulturelle und soziale Folgen für die europäischen Staaten, sondern auch für die Herkunftsländer der Zuwanderer. Konsequent tritt sie daher für eine offensive Entwicklungspolitik ein. Die bisherige Entwicklungspolitik mit Darlehen und direkten Hilfen von nicht-staatlichen Organisationen erwies sich aber als falsch, da diese Länder einerseits bevormundet wurden und andererseits die Hilfsgelder in undurchsichtigen Kanälen versickerten.
Stattdessen fordert die italienische Rechte einen Schuldenerlaß für die Staaten der Dritten Welt und gleichzeitig eine völlige Neustrukturierung der Entwicklungshilfe, die auf die Selbstversorgung und wirtschaftliche Autonomie dieser Länder abzielen müßte, statt agrarische und wirtschaftliche Großprojekte zum Nutzen der internationalen Handelskonzerne und Finanzmächte zu fördern.
Insbesondere die FSN hebt sich hier durch eine ausgewogene und wohldurchdachte Einstellung vom teils rabiaten Gehabe anderer Gruppierungen ab. Weil die Immigration eine Folge der globalen neoliberalen Politik ist, die die Entrechteten dieser Erde als subproletarische Menschenmasse dazu benutzt, die Löhne und den Lebensstandard in
den europäischen Ländern herabzudrücken, will sie in den Trägern dieser Politik den eigentlichen Feind bekämpfen, statt sich bloß xenophobisch gegen die Immigranten zu wenden, denen zuallererst ihre verlorenen Wurzeln, ihre Heimat und Kultur zurückgegeben werden müssen.
Innenpolitisch steht die Rechte für eine Stärkung des Staates, da die Dezentralisierung und die Übertragung vieler Funktionen auf die Länder und andere Gebietskörperschaften in Italien letztlich auf einer Erstarkung der Günstlingswirtschaft hinauslief. Daher lehnen die italienischen Rechtsparteien den Föderalismus und alle partikularistischen Egoismen ab und sagen ebenso Nein zur Einführung marktwirtschaftlicher Spielregeln bei den zentralen Aufgaben des Staates, wenn sie zur Privatisierung der großen nationalen Infrastrukturen oder zur Verschleuderung italienischer Kulturgüter führen.

Außenpolitik

Auch hier geht es, wie überhaupt in der Wirtschaft, um die Rückgewinnung der Souveränität. Durch seine seewärts vorgestreckte Lage ist Italiens Bestimmung nach dem Mittelmeer gerichtet, geht sein außenpolitischer Blick nach Süden zu den Anrainerstaaten des Mittelmeers in Nordafrika und im Nahen Osten und weiter zu den Ländern des Mittleren Orients mit dem Ziel, die geostrategische Unabhängigkeit im europäischen Gesamtverbund – welche allein über die Abkoppelung von der Nato zu bewerkstelligen ist – durch den Neuaufbau alter freundschaftlicher Beziehungen und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Staaten dieser Region im Hinblick auf die dort vorhandenen Energiequellen neu zu beleben.
Europa ist für sie nicht der große Wirtschaftsraum der Krämerseelen und das Bankengeflecht à la Maastricht, sondern eine Gemeinschaft von Völkern, in der jede Nation ihr Selbstbestimmungsrecht behält. Die Parteien der italienischen Rechten verwerfen daher den Entwurf der Europäischen Verfassung ebenso wie die Bindung an Amerika und lehnen die Erweiterung der Europäischen Union auf Länder wie die Türkei ab, die der europäischen Geschichte und Tradition fernstehen. Merkwürdig ist, wie die neue italienische Rechte dem Islam und der arabischen Welt mit zwiespältigen Gefühlen begegnet, einerseits besteht für die (katholisch-integralistische) FN eine klare Trennungslinie, indem sie für Muslime jeden Spalt zu (ja sie fordert glattweg Abschiebung), für andere Araber wieder das Tor weit aufgestoßen hält, etwa für (Saddam Husseins!) Irak oder auch für Libyen, die als Verbündete (besonders Ghadaffi wegen seiner Vorstellung eines nicht-marxistischen Sozialismus) gegen die amerikanische Weltherrschaft betrachtet werden.
Nicht zu vergessen ist dabei auch, daß der Islam als einzige große Weltkultur nach wie vor am Zinsverbot festhält und damit eine Bastion gegen die internationalen Geldmächte darstellt.
Besonders scharf ist die „anti-amerikanische“ Tonlage bei der FSN, die die US-Weltordnung als „globalismo neocolonialista imperialista“, die aushungert und tötet, in Bausch und Bogen verdammt und in den USA den wahren Regisseur des globalen „freien“ Marktes als Urheber des sittlichen Niedergangs und der wirtschaftlich-soziokulturellen Gleichschaltung Europas sieht. Auch wenn sich alle italienischen Rechtsparteien mit unterschiedlicher Abstufung gegen die Politik der USA wenden und darüber hinaus eine Israel-kritische Position einnehmen, ist eine merkbar antisemitische Komponente nur bei der fest im katholischen Traditionismus verankerten FN festzustellen. Echter Antisemitismus findet sich erst außerhalb dieser Parteien, etwa im Arbeitskreis Avanguardia mit seiner gleichnamigen Zeitschrift unter der Federführung von L. Fonte.

Wirtschaft

Die neue italienische Rechte wagt es, im Falle der Wirtschaft zu des Pudels Kern vorzustoßen und die Gretchenfrage zu stellen, über die man sich sonst hinwegsetzt: Dient unsere Wirtschaft denn wirklich dem Wohle der Gemeinschaft oder nicht vielmehr der privaten Bereicherung einzelner?
Damit geht einerseits eine kritische Haltung zum Euro einher: Ita
lien verfügt seit Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung über keine Handlungsspielräume zur Haushalts- und Finanzpolitik mehr, ja hat eigentlich die volle Kontrolle über die Wirtschaftspolitik verloren. Dazu kommt der Privatisierungswahn, der bisher staatliche Infrastruktur in den Rachen des anonymen kosmopolitischen Großkapitals wirft. Sogar die Forza Italia überlegt neuerdings, zur Schuldenbekämpfung italienische Kulturgüter und Kunstschätze an Großbanken zu verkaufen.
Demgegenüber fordern die Rechten – allen voran die Fiamma Tricolore – die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und auch einen Zollprotektionismus in den als strategisch geltenden Sektoren bzw. Schutzzölle in bestimmten Bereichen, um die heimische Produktion gegen multinationale Konzerne und deren zuweilen unlautere Konkurrenz zu schützen.
Auch die FSN macht sich für eine Resozialisierung stark, da etliche Kernbereiche der Wirtschaft zu regelrechten trojanischen Pferden wurden, zu Staaten im Staat, die die Volksgemeinschaft von innen aushöhlen. Gemeint sind das Banken- und Versicherungswesen, die Großkonzerne im Bereich Rohstoffe und Energiequellen, des Transport- und Verkehrswesens und des Großhandels, die zu einem undurchdringlichen Konglomerat wurden. Sozial und national zu sein, bedeutet für die durch und durch antikapitalistische, antineoliberale FSN, sich – in scharfer Abgrenzung zu Finis „Alleanza Nazionale“ – auf die Seite der arbeitstätigen und der sozial schwachen Schichten zu schlagen, gegen die Übermacht des staatenlosen, kosmopolitischen Großkapitals. Nur in der integralen Ausübung seiner Machtbefugnisse, die ihm von der Wirtschaft entrissen wurden, kann der Staat den Menschen wieder jene soziale Sicherung zukommen lassen, die im wilden Spiel der Kräfte zunehmend im Schwinden begriffen ist. Dabei geht es nicht um den Klassenkampf der Linken, sondern um den korporativistischen Staat, mittels dem allein die Völker zu ihrer historisch-ethnisch begründeten, kulturell-geistigen Identität zurückfinden können. Die italienische Rechte hat nichts gegen das Kapital an und für sich, ist also für die freie Unternehmer-Persönlichkeit, die das eigentliche Feindbild des Marxismus ist, doch tritt sie gegen den Zinskapitalismus und das internationale Großkapital sowie die dadurch bedingte ungerechte gesellschaftliche Ordnung auf.
Es ist hier nicht der Platz, auf das Grundproblem unserer Wirtschaftsweise – das Zinswesen – einzugehen, auf das moderne Finanzwesen, das aus dem Geld, das eigentlich ein bloßes Hilfsmittel für den Güteraustausch war, den Herrn allen Wirtschaftens machte. Es muß der Hinweis genügen, daß die neue italienische Rechte in diesem Bereich tatsächlich den Stier bei den Hörnern packen will und das Grundübel unserer Zeit, die moderne zinskapitalistische Wirtschaft, diese monströse Ausgeburt des Neoliberalismus, die uns in das Schlamassel der öffentlichen Verschuldung hineingeritten hat, an der Wurzel packen will und daher bestrebt ist, die Zentralbanken, die heute die Wirtschaft in einer geradezu diktatorischen Weise beherrschen, wieder unter strenge staatliche Kontrolle zurückzuführen sowie jedwede private Beteiligung an diesen als Einfallstor fremdbestimmender Mächte nicht länger zuzulassen.
Die Notwendigkeit und die Konsequenzen dieser Rückführung der Geldpolitik in die ausschließliche Verfügungsgewalt des Staates können hier leider nicht mehr angemessen dargestellt werden, sollen aber in naher Zukunft in der „Neuen Ordnung“ umfassend behandelt werden.

Der nationale Arbeiterstaat

Man kann einem Kranken nicht die passende Medizin verschreiben, wenn man vorher nicht die richtige Diagnose erstellt hat: So sind beim wirtschaftlichen Niedergang und der grassierenden Arbeitslosigkeit in Italien die politischen von den strukturellen Ursachen zu trennen.
Zu den ersten gehört wohl in erster Linie der konsequent fortgetriebene Freihandel, der nur multinationale Konzerne begünstigt und so zum Verschwinden ganzer Branchen unserer Industrie führt. Weiters gehören dazu der allzuhohe Steuerdruck, gepaart mit einer schwerfälligen Bürokratie, die italienische Firmen zur Auslagerung ihrer Produktionsstandorte nahezu zwingt.
Die strukturellen Gründe liegen jedoch in der Loslösung der Wirtschaft von ihren produktiven Grundlagen. In diesem Zusammenhang müssen wir einen Blick auf die Wandlung der Börse werfen: Früher hatte sie den ehrlichen Zweck, Spargelder zu treuen Händen dorthin zu verleihen, wo besondere Tüchtigkeit durch den Zuwachs von geldlichen Hilfsmitteln eine erhöhte kaufmännische Erzeugung und Bedarfsdeckung zur Folge hatte. Heute finden auf den Börsen in erster Linie bedenkenlose Spekulationen statt, die dazu führten, daß das arbeitslose Einkommen aus reinem Geldbesitz über den Ertrag aus Arbeit siegt, obwohl diese der einzige Schöpfer und Schaffer des Mehrwertes ist. Der einst blühende Mittelstand verfiel, während das Bankwesen fortwucherte. Die Folgen dieser Entwicklung aufzuzählen, würde einen eigenen Beitrag erfordern.
Festzuhalten ist, daß dieses System das Krebsgeschwür der internationalen Verschuldung bewirkte und daß es multinationale Konzerne und internationale Syndikate fördert, die allen volkswirtschaftlichen Interessen geradezu entgegengesetzt sind.
Daher muß eine richtige Beschäftigungspolitik automatisch den Schutz des Binnenmarktes beinhalten. Wenn der Kapitalismus es fertiggebracht hat, sich die Arbeit vollends zu unterjochen, sie zinspflichtig zu machen und auszubeuten, wenn er das natürliche, gesunde Verhältnis zwischen Arbeit und Geld auf den Kopf gestellt hat – und der heutige Zustand von Staat und Gemeinden zeigt die Folgen dieser tödlichen Entwicklung –, muß die Arbeit wieder in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik gerückt und das Kapital vom Selbstzweck wieder zum Mittel werden.
Die Parteien der italienischen Rechten opponieren somit ebenso gegen den übersteigerten Liberalismus als auch gegen die von den Gewerkschaften und Linkskräften vorangetriebene Nivellierung nach unten. Sie wissen, daß nur eine Steigerung der Produktivität Lohnverbesserungen ermöglichen kann und lehnten daher eine einseitig auf Umverteilung fixierte Politik ab, sondern sind bestrebt, die produktiven Kräfte in den Arbeitsprozeß einzubeziehen und am Gedeihen der Betriebe zu beteiligen.
Angesichts eines von grenzüberschreitenden Kapitalen überfluteten und von international verfilzten Finanzmächten gegängelten Staates – so die durchgängige Einstellung der Rechten – muß der Staat den Regiebetrieb in allen für die Unabhängigkeit Italiens lebenswichtigen Sektoren übernehmen, da nur so die Souveränität des Landes gewährleistet bleibt.
Deutlich werden gerade beim Sozialstaatsgedanken die Wurzeln dieser Parteien im italienischen Faschismus, wobei sich diesbezügliche Nostalgiker am ehesten in der FN finden, während die FSN mehr auf die Gedankenwelt der deutlich sozialistischer orientierten republica sociale italiana, der Republik von Salo zurückgreift.

Gesundheit

Die italienischen Rechtsparteien stehen jeder Logik der Gewinnmaximierung im Zeichen der angestreben Privatisierung entgegen: Gesundheit kann nicht nach betriebswirtschaftlichen Maßnahmen gehandhabt werden; für die niedrigeren Einkommensgruppen ist die staatlich abgesicherte kostenlose Krankenfürsorge ein Muß, erst höhere Einkommensstufen können in größerem Umfang zur Arzt- und Krankenhaushilfe beitragen.

Umwelt

Die italienischen Rechtsparteien wenden sich konsequent gegen die Zerstörung der Landschaft und insbesondere noch intakter Naturräume durch Zersiedlung, ehrgeizige Industrieprojekte und wirtschaftliche Profitgier und treten ebenso konsequent gegen die Verbreitung genveränderter Organismen durch die Landwirtschaft ein.

Öffentliche Ordnung

Die italienischen Rechtsparteien erkennen klar, daß anhand der Verhältnisse insbesondere im Süden des Landes nur eine starke und zentral gesteuerte, staatliche Ordnungsmacht ein einigermaßen sicheres Bollwerk gegen Korruption und Einfluß der Unterwelt und der mafiösen Strukturen bietet. Im schlimmsten Fall soll sogar die Verwaltung der von den Aktivitäten des organisierten Verbrechens besonders betroffenen Gebiete durch das Militär (wie es früher in Sizilien der Fall war) möglich sein.

Unterricht

Hier treten die italienischen Rechtsparteien für eine stärkere Berücksichtigung jener Inhalte ein, die auf empirischer (oder beruflicher) Ebene vielleicht nicht unmittelbar verwertbar sind, aber dennoch wesentlich zur Herausbildung einer ganzheitlich geformten Persönlichkeit gehören.

Justiz

Die gesamte Rechte fordert mehr Unabhängigkeit des Richterstandes, die Todesstrafe bei besonders grausamen Verbrechen, die Abschaffung sogenannter „Meinungsdelikte“ sowie jener Gesetze, die die Gesinnungs- und Vereinigungsfreiheit unterdrücken. Ebenso wird der europäische Haftbefehl abgelehnt, sofern er sich auf „Straftaten“ bezieht, die eigentlich keine sind, wie zum Beispiel angeblich xenophobe Äußerungen.

 
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