Salzburg, die Festspielstadt, ist nach einem Wort des weltgereisten Alexander von Humboldt eine der drei schönsten Städte der Welt. Die Authentizität des Satzes wird von den derzeit wortführenden Kunstpropheten der Häßlichkeit heftigst bestritten. Die Aussage selbst aber, ob gut erfunden oder von Humboldt tatsächlich stammend, enthält im Kern die schöne Wahrheit oder Wahrheit der Schönheit als Wahlverwandtschaft zwischen Natur und Kunst. Salzburg-Stadt ist auch ein Stück Weltkulturerbe. Das sollte verpflichten.
Hätte die Barockstadt in der Landschaft nicht die Voraussetzung eines faszinierenden Anreiseziels, gäbe es keine erfolgreichen Festspiele seit 1920. An den süßesten Früchten nagen die Wespen, die den Blütenstaub lieber für sich als für das Gemeinsame sammeln. Und so gibt es die einen, welche Stadtbild und Landschaft erhalten möchten, wie auch die Festspiele in Echtheit und Werktreue und damit ihrer bisherigen Einmaligkeit, und die anderen, welche sehr oft als Opportunisten einer bewußt mißverstandenen Moderne stechend ins Geschäft drängen. Das geht an die Substanz.
Daß die heute wieder von Hunderttausenden bewunderte Altstadt nach 1945 aus den Trümmern auferstanden ist, welche die Bomben der 15. US-Luftflotte in den letzten Kriegsmonaten hinterlassen hatten, ist dem Aufbauwillen und der Heimatliebe der Bevölkerung zu danken. Nicht vergessen werden darf, daß es gelungen ist, das Stadtbild auch in Zeiten schwankender Wertvorstellungen über die Wiederaufbauphase hinaus zu erhalten; in einer Zeit wirtschaftlichen Aufschwunges mit allen damit verbundenen Begehrlichkeiten, aber auch eines wachsenden materialistischen Denkens und der Akzeptanz neumarxistischer Thesen, insbesondere der „Frankfurter Schule“ an unseren Universitäten und höheren Schulen, war das eine schwere Aufgabe.
Die Bürgerinitiativen, die vor Jahren den auf das Stadtbild gerichteten kommerziellen Begehrlichkeiten entgegentraten, beriefen sich auf Univ.-Prof. Dr. Hans Sedlmayr (Autor u. a. der Schrift „Verlust der Mitte“, gest. am 9. Juli 1984 in Salzburg) und dessen Ideen von einer Kunststadt in Harmonie mit der Landschaft. „Die demolierte Schönheit“ und „Stadt ohne Landschaft, Salzburgs Schicksal morgen?“ waren die Titel warnender Kampfschriften, zu denen der in München und Salzburg lehrende Kunsthistoriker die geistigen Grundlagen lieferte. Den Bürgerinitiativen ist zu danken, daß die von vielen Städten im Zuge des Wiederaufbaues verübten und heute bedauerten Bausünden verhindert wurden.
Eine pubertierende Spaßgesellschaft aber hat heute den Begriff „Moderne“ zur gesellschaftspolitischen Antithese erhoben, in der das zeitgenössische Zeitlose untergehen soll. Neuerdings wieder Skyline von Hochbauten, anstelle der für Salzburg charakteristischen Kirchtürme der Altstadt? Neue Betonstadt, im Bahnhofsbereich beginnend, auf dem Vormarsch in die Fürsten- und Bürgerstadt!
Nun wird auch versucht, zum Teil mit Erfolg, die Ideen der Gründer der Bürgerbewegung Rettet Salzburgs Landschaft ins „Aus“ zu drängen. Die Nachfolger haben, wie angekündigt, den „langen Marsch“ durch die Institutionen aufgenommen und teils durchgesetzt.
Das Ergebnis: Mit den positiven Ideen des Umweltschutzes wird ungeniert weiter geworben, mit den Irrwegen der Ideologien jedoch die Politik gemacht. Die Lehre daraus: In der Wärme von Regierungsstuben können die Wölfe auf den Schafspelz verzichten. Ein Anfang mit dem über das Schloß bis in den Mirabellgarten hineinblickenden, überhöhten schwarzen Turm des Fernheizwerkgebäudes, wurde vor wenigen Jahren an der Salzachpromenade gemacht. Die Eingeweihten nennen den das Stadtbild weithin beherrschenden Turm (den „Hüttinger-Turm“) nach dem Namen des Klubobmannes der Grünen Fraktion im Rathaus, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrates der heimischen Energiegesellschaft ist.
Die Architekturliteraten unserer Tage erheben das, was empörte Salzburger als einen „Schlag ins Gesicht der Stadt“ empfinden, zur „Kathedrale“ der Gegenwart und „ehrlichen Architektur“, im Gegensatz zum barocken „Behübschungskitsch“ der Vergangenheit. Das Volk wehrte sich damals mit Erfolg, als versucht wurde, den Heizwerkumbau mit einem Architekturpreis auszuzeichnen, und der Landeshauptmann mußte die Preisvergabe stoppen.
In einer Flut von Leserbriefen wurde am Ende der Festspielzeit 2005 die Sorge um Salzburg und seine Kultur wieder einmal zum öffentlichen Thema. Eine bewegte Klage über Eingriffe in das Stadtbild tut sich auf.
Es besteht dabei auch ein innerer Zusammenhang mit der Entwicklung der Festspiele zu einem Allerweltsfestival schon in der Zeit, als Gerard Mortier künstlerischer Chef war. Mit der Fortsetzung der Salamitaktik gegen das Stadtbild durch eine weitgehende Entstilisierung droht als letzte Konsequenz die Aberkennung des Titels „Weltkulturerbe“, wie sich dies zum Beispiel erst jüngst auch schandbar bedrohlich für die Stadt Köln wegen Vernachlässigung des Kulturdenkmals Kölner Dom ankündigte.
Keiner der zahlreichen, auch journalistischen Beobachter hätte die Entwicklung in Richtung Antikunst so klar zu formulieren vermocht, wie dies in einem Leserbrief in den „Salzburger Nachrichten“ vom 20. des Festspielmonats August 2005 durch die Salzburgerin Dr. Maria Gollhammer-Riezinger geschehen ist. Sie bringt auf den Punkt, was in jüngster Zeit noch keinem Politiker in Stadt und Land und keinem ihrer Hofnachrichten-Schreiber in den Medien aufgefallen ist, und zeigt auf, was die Menschen bedrückt:
„Man verwandelt sakral geprägte Räume in einen Kinosaal (Große Aula), Berg- und Parkansichten werden durch seelenlose Betonklötze verschandelt (Furtwänglerpark), den Genius loci entweiht man durch eine Parodie (Hommage am Ursulinenplatz), ganz zu schweigen von eher harmlosen genialen Einfällen wie den ,Mozartstühlen‘ auf dem Hanuschplatz.
Was mich nun endgültig verärgert hat, ist die Inszenierung von Mozarts Zauberflöte. Es mag noch angehen, die Gedanken eines Malers nachdenken zu müssen, um sein abstraktes Bild verstehen zu können, aber die Empfehlung, doch nicht zu mosern, sondern zu schauen, was sich der Regisseur bei der Zauberflöte gedacht hat, empfinde ich arg. Für wie blöde und manipulierbar hält man uns eigentlich, daß wir uns den tiefen Sinn der Zauberflöte (der klare Text wurde von Mozart adäquat feinfühlend und unvergleichlich vertont) ausreden lassen?
Was kümmern mich die verdrehten Gedanken eines Regisseurs?
Natürlich ist ein Sarastro, wie ursprünglich gedacht, nicht mehr in eine oberflächliche Spaßgesellschaft zu integrieren und so wird er kurzerhand vergreist und in den Keller verstaut.
Dummes und Hässliches wird uns im Fernsehen schon genug vorgesetzt! Man hat den Eindruck, als werde alles Schöne und Edle mutwillig zerstört. Leider sind die zeitgenössischen Künstler Kinder des Zukünftigen und so können wir ahnen was uns morgen noch blüht…“
Daß die neue Eventkultur der Spaßgesellschaft unserer Tage sich nicht mit dem Kulturwillen der Bürger deckt, beweisen solche Briefe ohne Zahl in den beiden führenden Lokalzeitungen Salzburgs, in der „Salzburg Krone“ und in den „Salzburger Nachrichten“.
Mit seiner Kritik am Neubau eines Museums der Moderne auf dem bisher geheiligten Mönchsberg als Naturbestandteil der „grünen“ Zungen, hier nicht doppelzüngig angewendet, hat sich als Mitbegründer der Bürgerinitiativen der 1970er Jahre der Schauspieler und ehemalige Gemeinderat Herbert Fux bitter über die neue Führungsgeneration in der zur Grünen Allerweltspartei abgesackten Bürgerliste beklagt, wie ein Zitat aus dem Jahre 2003 bezeugt:
„Jetzt ist es endlich da, das von Architekten, Medien und Politikern geforderte Wahrzeichen der Moderne über der Altstadt. Es sollte ein Musterbeispiel heutiger Architektur werden, leider wurde es nur ein Betonbunker mit Sehschlitz in Richtung Altstadt. Kein Wunder, dass die Salzburger mit 62 Prozent dieses Werk ablehnen. Für dieses Projekt wurde eine internationale Jury bemüht und führende Architekten standen im Wettbewerb. Solch einen Bau hätte auch ein Polier zustande gebracht. Ein Glück, dass die Altstadt bisher von solchen Manifestationen verschont blieb. Schon vor 20 Jahren versuchte der damalige Stadtrat Voggenhuber (Bürgerliste, Anm. d. V.) einen Turm der ,Moderne‘ und einen Lift zu installieren, obwohl Aufzüge im Berg vorhanden waren. Der Versuch endete mit seinem Sturz als Stadtpolitiker.“
Dieser Lesebrief schließt mit einem Appell an die Architekten, das kleine Altstadtgebiet in Ruhe zu lassen, sie könnten sich in den 96 Prozent des übrigen Stadtgebietes austoben.
Der fromme Wunsch des Herbert Fux bleibt ein solcher, denn im Jahr 2005 hat der Kreuzzug der Moderne ohne Glauben an das Kreuz sein strategisches Ziel mit einem behördlich ungeahndeten (oder geduldeten), aber offengelegten Bruch des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes erreicht. Die Architektengruppe „one room“ produzierte sich zuletzt im Sommer 2005 mit dem Umbau der Aula der alten Theologischen Fakultät. Ruchbar werden Bausünden leider meist dann, wenn sie begangen worden sind. Das, was man zu sehen bekommt, löste auch diesmal einen Sturm der Empörung aus. Wie meist zu spät.
Denn schon 2003 hat der damalige Vorsitzende der Sachverständigenkommission für die Altstadt (kurz SVK), Architekt DI Reiner Kaschl, im Gespräch mit Preisträger Architekt DI Karl Meinhart kein Hehl daraus gemacht, welchen Umgang er mit Altstadtgebäuden billigt:
Es sei wichtig, in der Altstadt historische Bauten zu restaurieren, aber auch neue Teile hinzuzufügen (! d. V.) … die Altstadt dürfe keine Tabuzone für moderne Architektur sein … Kritik an moderner Architektur entspringe aus der Angst vor dem Neuen.
Der Gesprächspartner Meinhart ist seit 1997 mit seinem Atelier „one room“ in Salzburg und auch Vorsitzender einer „Initiative Architektur“, eines Netzwerkes durch alle Bundesländer, gefördert von öffentlichen Institutionen und nicht ohne Einfluß auf Architektenwettbewerbe und Vergaben; also eine Pressure-Group in des Wortes engster Bedeutung.
Derzeit ist der Architektengruppe „one room“ die Gestaltung des Max- Reinhardt-Platzes im Festspielbezirk anvertraut. In den Oasen und Gärten der angeblichen „Architekturwüste“ Salzburg sind viele Böcke als Gärtner beschäftigt, so meint man in der Bevölkerung, denn inzwischen sind 7.000 Unterschriften als Protest gegen die Fortsetzung des Projektes von „one room“ abgegeben worden. Die politische Einmischung aber kommt vom Grün-Stadtrat und Planungschef der Stadt, der das durchziehen will und zu all den kritisierten Punkten in Sachen Kulturpolitik kaltschnäuzig mit dem Gewöhnungseffekt rechnet, denn, so meinte er, man könne alles nach 30 Jahren wieder wegreißen, wenn es nicht gefalle.
Die Diskussion über die Veränderungen im Festspielbezirk verdient zum besseren Verständnis genauer studiert zu werden. Zu der von Dr. Gollhammer-Riezinger gerügten brutalen Zerstörung des sakralen Raumelementes durch die Innenausstattung ist nun auf der anderen Seite des AULA-Gebäudes ein Anbau anstelle der herausgebrochenen Fassade angehängt, die Anfügung vollzogen. Damit ist die Umrahmung der Grünfläche des nach dem Dirigenten Furtwängler benannten Parks durch ein historisches Ensemble gegenüber dem Neubau des Kleinen Festspielhauses zerstört worden.
In der mit Selbstlob nicht sparenden Sprache der Verursacher dieser Verschandelung klingt das für den, der es nicht selbst gesehen hat, so:
„Das neue, zur Stadt orientierte Treppenfoyer ist eine selbstbewusste Geste. Mit ihr signalisiert die Universität Salzburg eine tragende Rolle im kulturellen und gesellschaftlichen Leben Salzburgs. Der Entwurf dieses Porträts, hervorgegangen aus einem städtebaulichen Wettbewerb für die Neugestaltung des Niemandslandes zwischen Universität, Kollegienkirche und den Festspielhäusern (gemeint ist der Furtwänglerpark), stammt vom Salzburger Architekturbüro ,one room´. Mit geradezu barocker Wucht ordnet er das Areal zu einer Einheit. Das neue Stiegenhaus ist der erste realisierte Baustein dieses Gesamtkonzepts. Im Spiel von Transparenz und Intransparenz bildet es in seiner Funktion als Erschließungs- und Aufenthaltsbereich sowie in der materiellen Durchbildung einen Filter von innen und außen. So wirkt das zwischen den Gläsern eingelegte, golden eloxierte Metallgewebe wie ein Schleier, der sich über den Blick in die Stadtlandschaft legt. Gesteigerte Noblesse und pure Funktion wohnen also in diesem Bauwerk – wie so oft in den Häusern der Salzburger Altstadt – ganz nahe beieinander.“
Nüchterne und unabhängige Fachleute und Betrachter sehen das anders. Bisher umgrenzt von den Altstadtfassaden der Aula und der von Fischer von Erlach gestalteten Kollegienkirche, spiegelt dort eine in die ursprünglich vorhandene Mauer eingelegte Glas-Stahlfassade das Bild des vor sich hin bröselnden Schillerdenkmals in den Garten. Die neue Glaswand verdeckt ein „monströses neues Stiegenhaus“ mit einem ebenso überdimensionalen Foyer. Zwei ganz gewöhnliche Glastüren als Eingang werden als „neues Tor der Aula zur Altstadt“ erklärt, wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. In einer von 600 empörten Salzburgern besuchten Podiumsdiskussion über dieses Projekt im umgemodelten „Sakralsaal“ sagte der Kunstsachverständige der Erzdiözese Salzburg, Prälat Dr. Johannes Neuhardt: „Dem, der das schön findet, rate ich, schon morgen einen Augenarzt aufzusuchen.“
So sehen also die „Anfügungen“, die aus dem Kreis der SVK empfohlen werden, in der traurigen Wirklichkeit aus. Derartige Anbauten sind auch nicht modern, sondern im Salzburg der k.u.k. Finanzverwaltung nicht unbekannt. Für die Aktionisten moderner Architektur stellen diese abgekupferten Provisorien anscheinend ein beliebtes Vorbild dar. Bei der gelungenen Sanierung von Altstadtbauten für moderne Zwecke der Universität in der Salzburger Altstadt sind solche Provisorien des Ärars weggeräumt worden. Weil die Architektur-Initiativler Salzburg als „Architekturwüste“ empfinden, seien auch positive Gegenbeispiele angeführt, wie eben die Universitätsumbauten in der Altstadt.
Einfühlend wurde Verdecktes und Verstecktes zutagegebracht, zugänglich dargestellt. Ohne Verletzung des historischen Stadtbildes wurden diese Gebäude im Zentrum der Stadt modernen Zwecken dienlich gemacht. Gleiches gilt für den Umbau in der Neuen Residenz für das Land-Stadt-Museum Carolino Augusteum auf dem Residenzplatz. Dessen Direktor, Dr. Erich Marx, ist Historiker und auch von politischer Erfahrung, besonders der Stadtplanung geprägt. Ein bezeichnendes Detail am Rande ist, daß sein Vorschlag, anstelle des in der Altstadt auf den Fassaden vorherrschenden Grau in Grau zur historischen farbigen Belebung zurückzukehren, dort auf Widerstand stößt, wo man bei dem Ersatz alten Baubestandes durch Glas und Beton nicht einmal zarten Widerspruch leistet.
„Der Salzburger Festspielbezirk besitzt mit dem Max-Reinhardt-Platz das wohl schönste Freiluft-Foyer der Welt. Wir setzen uns deshalb für eine diskrete und zurückhaltende Neugestaltung des Platzes ein. Der Dialog zwischen der imposanten Kollegienkirche und dem Festspielhaus darf nicht durch Hochbauten gestört werden, sondern sollte im Zuge der Neugestaltung verbessert werden“.
So lautet die Präambel einer Bürgerresolution , nachdem der Skandal rund um Park und Reinhardt-Platz endlich aus den Tiefen der Blindheit bürgerlichen Bewußtseins an die sichtbare Öffentlichkeit gehoben wurde. Als konkrete Forderungen wurden erhoben und in kürzester Zeit von 7.000 geleisteten Unterschriften bekräftigt:
-Erhaltung des Platzcharakters und seiner
einzigartigen Atmosphäre.
-Verzicht, neue Gebäude auf diesem Platz zu errichten.
-Gewährleistung eines freien Blicks zur Festung.
-Die Beibehaltung des Platzes als Freilichtfoyer.
Für den Max-Reinhardt-Platz vor dem Kleinen-Festspielhaus-Neubau, das neue Mozarthaus für 2006, ergäbe sich mit dem Verschwinden des eingeschossiges „Sparkassenstöckls“ (Geschenk der Sparkasse an die Festspiele) die einmalige Chance, einladenden Freiraum auch für gärtnerische Gestaltung und freien Blick in ein Karree historischer Gebäude zu gewinnen, aber auch in die andere Richtung den Blick auf die Festung zu sichern.
Dem steht die Planung der Gruppe „one room“ entgegen. Der Grüne Bürgerlistenstadtrat Padutsch besteht darauf, daß das Projekt der „Aktion Modernes Bauen in der Altstadt“ in der Stadt durchgezogen wird. In der Alten Universität, wo die Gruppe „one room“ ihre weiteren Pläne als Auftakt einer Podiumsdiskussion (mit „hochkarätiger“ Besetzung, wie das neue Schlagwort heißt) vorführte, wurde die Szene zum Tribunal. Es war Gelegenheit für die große Mehrheit der 600 Teilnehmer, der massiven Kritik allerorten vor prominenter politischer Besetzung des Podiums Ausdruck zu geben.
Einen niederschmetternden Eindruck hinterließ die Aussage von Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. Als Schützerin der Altstadtgesetze aufzutreten, wollte sie nicht und ließ sich keineswegs aus dem Idyll der Fun- Gesellschaft reißen. Ihre Meinung kurz und forsch gefaßt: Verbauung oder nicht – ein solcher Platz müsse auch für Events nutzbar sein.
Auf Volkesstimme hören Politiker dann gar nicht gern, wenn sie widerspricht. Schließlich will man nicht „politisch inkorrekt“, also populistisch, in der Öffentlichkeit dastehen. Leserbriefe sind aber ein Gradmesser, wenn ihre Zahl zu bestimmten Themen eine Schwelle überschreiten.
Und so schildert ein Leser der „Salzburger Nachrichten“ seinen vergeblichen Versuch, einer die Stadt besuchenden Hamburger Journalistin die Besonderheiten Salzburgs zu zeigen:
„… Die Pferdeschwemme war zur Freizeitbad-Arena mit nackten Bodypainting-Modellen mutiert – offenbar eine penetrante Werbeaktion eines Salzburger Privatradios. Vor Mozarts Geburtshaus war ein überdimensionierter Laufsteg aufgebaut – die Modenschau hatten wir gerade versäumt. Auf dem Mozartplatz irgend ein gastronomisches VIP-Zelt. Schön auch der Ausklang: Auf dem Alten Markt gegenüber dem Cafe Fürst drängte sich das Zelt eines österreichischen Sportartikelhändlers in den Vordergrund –- Hip-Hop-Rhythmen inklusive. Und fast hätte ich es vergessen: Bei der Abfahrt standen wir im Stau – auf Grund einer mit Blaulicht begleiteten Rollerblader-Truppe, Herkunft und Sinn der Aktion unbekannt. All das hätte man an diesem Tag freilich auch in Dortmund oder anderswo erleben können.“
Wie immer auch gemeint, selbst die Festspielpräsidentin Rabl-Stadler schien durch die Antwort der im Volksmund gern und herzlich als „fröhliche Landesgabi“ apostrophierten Landeshauptfrau verschreckt. Die Festspiele lehnen eine vierstöckige Verbauung auf dem ihnen von der Sparkasse geschenkten Grundstückes ab. Ein Danaergeschenk, weil nach Ansicht von Gemeindevertretern der Stadt Salzburg die Festspiele zu einer Nutzung des Vermögenszuwachses durch eine Kürzung der Bundessubvention gezwungen werden könnten; Kriterien österreichischer Kultur- und Städtebaupolitik!
Der schon länger vor der Diskussion erfolgte Alleingang der rotgrünen Rathausmehrheit zur Änderung der Flächenwidmung, um die Errichtung eines viergeschossigen Gebäudes zu legalisieren, läßt erkennen, daß diese Mehrheit auch die Bürgerproteste nicht zur Kenntnis nehmen wird und das Projekt „one room“ mit einem Fanatismus durchsetzen will, der den ideologischen Hintergrund deutlich macht.
Wer die nicht nur auf Architektur bezogene Kritik und Antikritik hernimmt, sondern sie mit der Festspielentwicklung vergleicht und mit dem gesellschaftlichen Leben, wird erst richtig der Zusammenhänge gewahr. Darüber schreibt der Salzburger Historiker Heinz Dopsch in seiner mehrbändigen Geschichte Salzburgs, bezogen schon auf die 1960er und 1970er Jahre: Der damalige Salzburger Landeshauptmann „Lechner fühlte sich der kulturellen Mission der Festspielstadt verpflichtet, während die Mehrheit der SPÖ-Politik auf die Frage der bürgerlichen Hochkultur zurückhaltend reagierte“. Es war aber auch der sozialistische Kulturpolitiker Josef Kaut, der die Exklusivität der Festspiele verteidigte, und erst der ihm nachfolgende, damals noch 68er-Jungpolitiker in der Landesregierung, der Journalist Dr. Herbert Moritz, schlug die entscheidende Bresche in das Festspielgesetz.
Heute ist die Lage schon fortschrittlicher entwickelt, wie diese Geschichte lehrt. Unbequeme Gesetze werden wegen der umständlichen demokratischen Prozedur nicht geändert, sondern am besten erst gar nicht beachtet, wie zum Beispiel das Altstadterhaltungsgesetz in Salzburg. Den Kritikern der ideologischen „Moderne“ droht die Faschismuskeule, und das gemeine Volk wird von den Gestaltungsfragen in seiner politischen Lebensgemeinschaft – der Kommune – sowieso ausgeschlossen. Was blüht uns also morgen?