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Der Deutsche Krieg von 1866

Von Dr. Mario Kandil

Worin bestanden seit dem Ende des Deutsch-Dänischen Krieges von 1864 die politischen Ziele Otto von Bismarcks? War es lediglich sein Streben, sich so bald wie möglich von seinem österreichischen Alliierten abzusetzen und die von ihm als unumgänglich erachtete militärische Konfrontation um die Vormachtstellung in Deutschland vorzubereiten? Oder stellte das „kleindeutsche“ Konzept eines unter Preußens Führung stehenden deutschen Nationalstaats nicht den einzigen Plan dar, den er verfolgte? Hatte er stets im Sinn, die Abgrenzung von der Machtsphäre Österreichs nur auf gewaltsamem Wege zu vollziehen, wie es dann im Jahre 1866 tatsächlich geschehen ist?

Vor dem Hintergrund einer im Laufe der Zeit zunehmenden Veröffentlichung von Akten und einer Befreiung des Bismarck-Bildes von nationalstaatlichen Klischeevorstellungen brach sich folgende Auffassung Bahn: Zwischen 1864 und 1866 habe Otto von Bismarck erwogen, im Zusammenspiel mit Österreich eine reelle Alternative zum Krieg um die Führung in Deutschland auf Dauer zu verfolgen. In diesem Sinne müsse auch sein politisches Handeln in dieser Zeitspanne verstanden werden. Stimmt diese Interpretation aber mit dem überein, was dann letztlich in der Realpolitik geschah?

Die Ausgangslage nach dem Krieg von 1864

Nach Beendigung des Kriegsbündnisses, das Österreich und Preußen zur Niederwerfung Dänemarks eingegangen war, stand das Verhältnis der zwei deutschen Großmächte erstmals bei den Gesprächen zur Diskussion, die vom 20. bis 24 August 1864 in Schloß Schönbrunn Bismarck mit Graf Rechberg, dem österreichischen Außenminister, führte. Zwischen diesen beiden Staatsmännern, die zueinander in einem Verhältnis stark ausgeprägter Rivalität standen, wurde dabei zunächst einmal über die Zukunft der Elbherzogtümer verhandelt. Bismarck strebte deren Erwerb für Preußen an, und es erscheint nicht aus der Luft gegriffen, anzunehmen, dass er zwecks Erlangung von Österreichs Zustimmung dessen Interesse nach Italien umzuleiten suchte. Für ein dort angesiedeltes Kompensationsprojekt formulierte Bismarck eigens einen Vertragsentwurf.
Mit diesem Entwurf visierte der Leiter preußischer Politik keine „übereilte Lösung“ der Frage der Elbherzogtümer an, sondern wollte zuerst eine eingehende Prüfung der diversen Rechtstitel, die in Betracht kamen, vornehmen. Zudem plante er auch noch die Einschaltung des Deutschen Bundes. Die Unterstützung, die Preußen den Österreichern bei der Wiederangliederung der Lombardei leisten sollte, war dem Verzicht vorangestellt, den die Donaumonarchie auf ihren Anteil an Schleswig-Holstein zu erbringen hatte. Aber ohne daß Otto von Bismarck aus der Reserve herauszutreten brauchte, kam das ganze Projekt durch den Widerstand des preußischen Königs Wilhelm I. zu Fall. Es ist fraglich, ob mit dem Projekt Bismarcks in den deutschen Verhältnissen eine permanente Ordnung zu schaffen gewesen wäre. Trotzdem hatte Heinrich Ritter von Srbik sicher recht, indem er das Schönbrunner Dokument als einen Entwurf „von gewaltiger Tragweite“ bezeichnete.
Die Politik, die Bismarck zwischen dem Dänischen Krieg von 1864 und dem Deutschen Krieg von 1866 verfolgte, läßt sich als Versuch betrachten, alle friedlichen Optionen auszuschöpfen, um mit Österreich im Gespräch zu bleiben. Dennoch wollte er einer militärischen Konfrontation – wenn diese denn nicht zu vermeiden war – nicht aus dem Weg gehen. Das Feld, auf dem sich die beiden deutschen Hauptmächte als Rivalen gegenüberstanden, blieben auch jetzt noch die Elbherzogtümer, die Österreich und Preußen im Kondominium verwalteten. Österreich machte Front gegen die immer unverhohlener zutage tretenden Annexionstendenzen Preußens. Es tat dies, indem es von Neuem die Kandidatur des Augustenburgers, der als Herzog Friedrich VIII. auf Druck Otto von Bismarcks hatte zurücktreten müssen, aufgriff und den Versuch unternahm, diese im Verein mit den Mittelstaaten im Deutschen Bund und der liberal gesinnten öffentlichen Meinung in die Tat umzusetzen.
Otto von Bismarck war fest entschlossen, diese Unternehmung zunichte zu machen, und gab am 22. Februar 1865 die Bedingungen bekannt, unter denen Preußen bereit wäre, der Errichtung eines Staates unter der Herrschaft Friedrichs von Augustenburg zuzustimmen. Die preußischen Konditionen enthielten eine fast komplette Bindung an Preußen auf außenpolitischem, militärischem, maritimem und ökonomischem Gebiet – das neue Staatswesen hätte somit im Hinblick auf die von allen übrigen Bundesmitgliedern hartnäckig verteidigten Souveränitätsrechte einen ernsten Präzedenzfall verkörpert.
Was Bismarck mit seinen Forderungen beabsichtigte, war wohl nichts anderes, als die Augustenburger Lösung faktisch zu einer Unmöglichkeit und den Weg für eine Annexion Schleswig-Holsteins durch Preußen frei zu machen. Die hierauf erfolgende Reaktion Österreichs unter dem Nachfolger Rechbergs als Außenminister, dem Grafen Mensdorff, zeichnete sich durch unzweideutige Schärfe aus. Es schien unvermeidlich, daß es zu einem bewaffneten Konflikt zwischen den Alliierten von 1864 wegen der in jenem Jahr gemachten Kriegsbeute kommen würde.

Vorübergehender Ausgleich

In Berlin fand am 29. Mai 1865 ein Kronrat statt, dem König Wilhelm I. die folgende Frage vorlegte: Aufrechterhaltung der Bedingungen vom Februar oder Annexion von Schleswig und Holstein? Der Monarch selbst verfocht die Annexion der Herzogtümer und wurde darin von Moltke unterstützt. Aber Bismarck trat überraschend für Mäßigung und Abschwächung der Februarkonditionen ein, so daß der Kronrat ohne ein klares Resultat auseinanderging.
Die österreichisch-preußischen Beziehungen blieben den ganzen Sommer 1865 über in einem unentschiedenen Schwebezustand. Es gab Reibungen und Spannungen, die sich speziell in Schleswig und Holstein selbst entwickelten; es gab aber auch Einigungsbemühungen und neben der Kriegsgefahr diplomatische Sondierungen nach allen Seiten hin. Dabei erwies sich die außenpolitische Gesamtlage ohne Zweifel als für Preußen vorteilhaft – insbesondere aus dem Grund, daß das Frankreich Kaiser Napoleons III. durch sein Engagement in Mexiko seit dem Ende des US-amerikanischen Bürgerkriegs anderweitig gebunden war.
In ebendieser Situation schloß Otto von Bismarck mit Österreichs aus Holstein stammendem Unterhändler Graf Blome in Bad Gastein ein Abkommen – die Gasteiner Konvention vom 14. August 1865. Diese vermochte die Gefahr eines Krieges zwischen den beiden deutschen Großmächten für den Augenblick noch einmal zu bannen. Österreich und Preußen einigten sich auf eine vorläufige Teilung der Verwaltung der Elbherzogtümer. Danach sollte Schleswig an Preußen, Holstein aber an Österreich fallen – „unbeschadet der Fortdauer der gemeinsamen Rechte beider Mächte an der Gesamtheit der Herzogtümer“, wie Otto von Bismarck in den Vertragstext einfügen konnte. Für den Kaufpreis von 2,5 Millionen dänischen Talern gelangte Lauenburg an Preußen. Dieses erreichte überdies noch eine Reihe von bedeutenden Sondervorteilen in Holstein: so z. B. die Errichtung preußischer Befestigungen und Marinestützpunkte sowie die Führung zweier Etappenstraßen nach Schleswig.
Österreich befand sich damit in Holstein in einer regelrechten Falle, denn es hatte sich sowohl militärisch als auch politisch in für den Ernstfall unhaltbaren Außenpositionen festgefahren. Sie waren von preußischem Territorium umschlossen und von preußischem Einfluß infiltriert. Und so war Otto von Bismarck zweifelsohne der Sieger in dieser diplomatischen Unterhandlung, die zudem noch das Kaiserreich Österreich in der Wahrnehmung seiner Anhänger und Freunde aufgrund der Preisgabe der Augustenburger Lösung schlecht aussehen ließ. Bismarck hingegen konnte in aller Ruhe zusehen und die Dinge weiter für sich reifen lassen

Zuspitzung der Lage

Die Verhandlungen von Bad Gastein scheinen die letzte Etappe einer Politik zu repräsentieren, die den friedlichen Dualismus der beiden deutschen Hauptmächte Österreich und Preußen noch am Leben ließ. Sieht man näher hin, verstärkt sich der Eindruck, daß noch eine letzte Zurückhaltung Bismarck davon Abstand zu halten bewog, Österreich zu Fall zu bringen. Ohne – wie Bismarck dies tat – von einem „Plan gleichbleibenden Ausgleichstrebens“ sprechen zu können, wurde dieser preußische Staatsmann doch vom Bewußtsein geleitet, daß man noch nicht sämtliche Möglichkeiten einer friedlichen Verständigung ausgeschöpft hatte. Es existierte eben noch nicht jener letzte „Zwang“, der ihn erst den Entschluß zum Krieg fassen ließ. Dieser „Zwang“ ließ sich allerdings gar nicht mehr vermittels der Schleswig-Holstein-Politik herbeiführen, sondern er brauchte ein wirklich großes Kriegsziel, das auf die Gesamtheit der aufzurufenden Kräfte ausgerichtet war.
Dieses Kriegsziel bestand ganz unleugbar in der deutschen Frage. Zu ihr als einem höheren Einsatz mußte nun der Leiter preußischer Politik greifen, wenn er ein wahrhaft großes Kriegsziel auf die Tagesordnung setzen wollte. Indessen zeigte sich bald, daß auch ein dauerhafter Ausgleich in den Elbherzogtümern real undurchführbar war. Denn indem der österreichische Statthalter von Gablenz in Holstein eine „Agitation“ des Augustenburgers tolerierte, entstanden zwischen Österreich und Preußen am Ende immer heftigere Reibereien.
 Den letzten Anstoß zum Bruch zwischen den beiden Verbündeten des Dänischen Kriegs von 1864 lieferte schließlich eine Massenversammlung in Altona am 23. Januar 1866. Auf ihr wurde die Forderung nach Einberufung einer schleswig-holsteinischen Ständeversammlung erhoben. Bismarck deutete für den Fall, daß Österreichs Politik auf dieser Linie fortfahren würde, Preußens Entschluß an, sich wieder völlige Freiheit zu nehmen und das mit Wien geschlossene Abkommen zu kündigen. Nachdem als Reaktion hierauf die Regierung in Wien sich jede Einmischung Preußens verbeten hatte, war die Allianz zwischen der Habsburgermonarchie und dem preußischen Staat an ihr Ende gelangt – und mit ihr die „großdeutsche“ Lösung der deutschen Frage.

Wollte Bismarck von Anfang an die Konfrontation mit Österreich?

Bis zum heutigen Tage wird gegen Otto von Bismarck der Vorwurf erhoben, er habe bereits seit dem Beginn seiner politischen Laufbahn die Konfrontation mit Österreich anvisiert und nahezu alles für deren Zustandekommen unternommen. Es sei ihm dabei lediglich um die Vergrößerung Preußens gegangen, und nötigenfalls hätte er für diese oberste Zielsetzung auch die deutsche Einigung geopfert.
Daß es sich speziell im Hinblick auf Bismarcks Einstellung zur Habsburgermonarchie etwas anders verhielt, als unterstellt wird, beweist diese Äußerung des „preußischen Junkers“, die uns Moritz Busch – sein langjähriger „Pressechef“ – von einer Unterredung am 28. Januar 1883 überliefert hat: „‚[…] schon sechsundsechzig [1866] habe ich einen Versuch gemacht, mich mit ihnen [den Österreichern] zu verständigen. […] Schon wie die ersten Schüsse gefallen waren (in Wirklichkeit muß es ungefähr vierzehn Tage früher gewesen sein), schickte ich Gablenz, den Bruder des Generals, nach Wien zum Kaiser, mit Vorschlägen zum Frieden auf Grund des Dualismus. Ich ließ ihm vorstellen, wir hätten sieben- bis achthunderttausend Mann auf den Beinen, sie auch eine Menge Leute. Da sollten wir uns doch lieber vertragen und eine Frontveränderung vornehmen, nach Westen, beide zusammen gegen Frankreich, und das Elsaß wiedernehmen und Straßburg zur Bundesfestung machen. Die Franzosen wären schwach gegen uns. […] Wenn wir den Deutschen dies als Morgengabe brächten, so würden sie sich unseren Dualismus gefallen lassen. Sie, die Österreicher, sollten im Süden gebieten, über das siebente und achte Armeekorps verfügen, wir über das neunte und zehnte und im Norden Bundesfeldherr sein.‘ […] ‚Nun denn‘, fuhr er fort, ‚Gablenz kam mit seinem Auftrag vor den Kaiser, der nicht ungeneigt schien, aber erst den Minister des Auswärtigen hören zu müssen erklärte. Sie wissen, Mensdorff. Der war aber ein mittelmäßiger, schwacher Kopf, nicht für solche Gedanken geschaffen, und meinte, er müsse sich vorher mit den anderen Ministern beraten. Die waren für den Krieg gegen uns. Der Finanzminister sagte – er dachte, sie würden uns schlagen –, erst müßte er fünfhundert Millionen Kriegskontribution von uns haben oder eine gute Gelegenheit, den Staatsbankrott zu erklären. Der Kriegsminister erklärte sich mit meinem Vorschlag nicht unzufrieden; erst müsse aber gerauft werden, dann könnten wir uns vertragen und über die Franzosen herfallen‘. So kam Gablenz unverrichteter Sache zurück, und einen oder zwei Tage darauf reisten der König und ich nach dem Kriegsschauplatz ab.“
Ziehen wir Bismarck vor dem Hintergrund dieser von Busch wiedergegebenen Aussagen als seinen eigenen Kronzeugen zu Rate, so fällt die These, er habe von Anfang an die Konfrontation mit Österreich angesteuert, natürlich sogleich in sich zusammen. Nach dieser hier zitierten Darstellung hat Bismarck vielmehr einen echten Dualismus auf der Basis der Gleichberechtigung von Preußen und Österreich angestrebt, diesen dem Wiener Hof zum Vorschlag gebracht und ist lediglich durch die in ihrer Mehrzahl zum Krieg geneigten österreichischen Minister gezwungen worden, den Waffengang mit der Donaumonarchie in Angriff zu nehmen. Im Lichte von Bismarcks Version der Dinge erscheint er sogar als ein wahrhaft „großdeutsch“ gesinnter Politiker, denn er schlug den Österreichern ja vor, sich vereint gegen den gemeinsamen alten Gegner Frankreich zu wenden und das alte deutsche Land Elsaß zurückzugewinnen. Das alles stellt das genaue Gegenteil des Vorwurfs dar, der „kleindeutsch“ gesinnte Bismarck hätte zum Ruhm und zur Vergrößerung des preußischen Königreichs nötigenfalls auch auf die deutsche Einheit verzichtet. Auf die „großdeutsche“ Lösung der deutschen Frage hat er ja dann letzten Endes auch zugunsten eines unter der Führung Preußens stehenden „kleindeutschen“ Nationalstaats Verzicht geleistet.
Doch schauen wir noch etwas genauer hin. Seit den 1850er Jahren hatte Bismarck immer wieder unterstrichen, daß das bis dato bestehende Bundesverhältnis irgendwann einmal „ferro et igni“ (mit Eisen und Feuer) „geheilt“ werden müsse, weil sich Preußen und Österreich unter den gegebenen Umständen die „Lebensluft wegatmeten“. Und trotz all seiner Offenheit für neue Entwicklungen hatte er sehr exakte Pläne, um dieses Ziel zu erreichen. Hierzu gehörten: die Ausschaltung des Deutschen Bundes bei einem derartigen Konflikt; Rußland und England sollten draußen gehalten werden; von Frankreich sollte zumindest eine wohlwollende Neutralität erlangt werden; vor allem jedoch war die kleindeutsche Nationalbewegung für Preußens eigene Ziele und Zwecke zu mobilisieren. Es war abzusehen, daß sich eine solche Konstellation, die allerdings eine idealtypische gewesen wäre, nicht von selbst einstellen würde. Doch selbst als es deutlich geworden war, daß die Sicherheit des Erfolgs von den Ausgangsbedingungen her nicht zu erlangen sein würde, hat er nicht davor zurückgescheut, „nochmals in der bewußten Lotterie“ (gemeint ist hier natürlich der Krieg) im Sinne einer Machtpolitik nach dem Vorbild König Friedrichs des Großen die eigene Existenz aufs Spiel zu setzen.
Das verkörperte zugleich das gerade in diesem Kontext nicht zu unterschätzende Moment des Individuellen in der Entscheidung von 1866. Bismarck zählte zu denjenigen, die situationsbedingt handeln, ohne dabei jedoch Opportunisten zu sein. Seit Gastein 1865, seit endgültig deutlich geworden war, daß sich Österreich auch unter einer stark konservativen, dem liberal-großdeutschen Konzept eines Zentralstaates abgeneigten Regierung nicht zu einem Ausgleich mit Preußen zu Bismarcks Konditionen bereit finden würde, ging der Leiter preußischer Politik entschlossen auf einen Kurs, der dem Konflikt mit der Donaumonarchie nicht auswich. Seine Entschlossenheit, die er dann im Konflikt an den Tag legte, bedeutete konkret: Mobilisierung und Ausnutzung aller Faktoren, die geeignet erschienen, der Position Österreichs zu schaden und diejenige Preußens zu stärken – ohne Rücksicht auf die daraus resultierenden Folgen, auch ohne Rücksicht auf das, was er somit an Entwicklungen und Prozessen mit Eigendynamik in Gang setzen würde. Denn er sagte sich: „Soll Revolution sein, so wollen wir sie lieber machen, als erleiden.“

Bündnisse und Ausbruch des Kriegs

Die entscheidende Wende in Bismarcks Politik trat auf dem preußischen Kronrat vom 28. Februar 1866 zutage. Der Leiter von Preußens auswärtiger Politik und sein Monarch sahen die Möglichkeiten einer Einigung mit Österreich als erschöpft an und leiteten diplomatische Schritte für den Kriegsfall in die Wege.
Zu den entscheidenden Voraussetzungen der deutschen Einigungskriege gehörte es, daß diese sich in einer Phase vollzogen, in der die großen Weltmächte Rußland und England den Schwerpunkt ihrer Politik aus Europa anderswohin verlegt hatten und überdies beide durch Entwicklungen in ihrem Inneren anderweitig beschäftigt waren. Englands Einmischung in einen europäischen Krieg – die ja bereits 1864 ausgeblieben war – hatte 1866 keine größere Wahrscheinlichkeit erlangt. Dieses lag auch daran, daß die Staatsmänner des Empire kein ernstzunehmendes militärisches Übergewicht Preußens befürchteten. Dem zaristischen Rußland gegenüber baute Bismarck weiter auf den Fundamenten, die er im Jahre 1863 (Alvenslebensche Konvention) gelegt hatte. England und Rußland blieben mithin bei dem bevorstehenden Waffengang mit der Habsburgermonarchie draußen.
Für den Fall eines militärischen Konfliktes mit Österreich richtete Bismarck sein Augenmerk auf das Frankreich Napoleons III. sowie auf das noch junge Königreich Italien. Letzteres mußte der unversöhnliche Gegner Österreichs bleiben, solange dieses Venetien besaß. Das für Bismarck und für Preußen entscheidende Problem bestand darin, den Kaiser der Franzosen von einem Eingreifen auf der Seite Österreichs abzuhalten. So stellte es ein diplomatisches Meisterstück Bismarcks dar, Frankreichs Neutralität erlangt zu haben, ohne sich Napoleon III. gegenüber zu einer Gegenleistung verpflichtet zu haben. Geschickt hatte der spätere „eiserne Kanzler“ bei dem Treffen in Biarritz (3. September 1865) Napoleons Hoffnungen auf einen Gebietserwerb (Wallonien oder Luxemburg) genährt, sich aber nicht vom Franzosenkaiser abhängig gemacht, weil er sich die Möglichkeit einer Verhandlungslösung mit der Donaumonarchie zunächst noch offengehalten hatte.
Napoleon III. holte sich das, was Preußen ihm versagte, bei Österreich, dessen verunsicherte Diplomaten er am 12. Juni 1866 zu einem Neutralitätsvertrag mit Frankreich veranlassen konnte. Die Österreicher verzichteten darin auf Venetien auch für den Fall, daß es in Deutschland siegen würde. Im Falle eines österreichischen Erfolgs in Italien war eine Änderung des territorialen Besitzstands an die Zustimmung Frankreichs gebunden. Die Habsburgermonarchie hatte somit Venedig in jedem Fall aufgegeben, und auf die Wiedergewinnung der Lombardei konnte man nicht mehr hoffen. Doch in den deutschen Angelegenheiten ging Napoleons Anmaßung noch weiter: Eine territoriale Ausdehnung des Habsburgerreichs in Deutschland wollte er nur insofern konzedieren, als das „Gleichgewicht Europas“ durch eine österreichische Vormachtstellung in Deutschland nicht „gestört“ werden würde. Politisch – wenn auch nicht juristisch – gravierend war eine Zusage Österreichs, gegen eine territoriale Änderung keinerlei Einspruch zu erheben, „welche Sachsen, Württemberg und Baden auf Kosten mediatisierter Fürsten vergrößern und aus den Rheinprovinzen einen neuen deutschen unabhängigen Staat machen würde“. Dahinter verbarg sich ganz offenkundig so etwas wie der Rheinbund Kaiser Napoleons I. – des großen Onkels Napoleons III. Dieser glaubte, sich durch seine Abmachungen mit Österreich einen nicht unbedeutenden Einfluß auf die deutschen Angelegenheiten gesichert zu haben – was ja stets das vorrangige Ziel französischer Deutschlandpolitik gewesen war.
Bismarck hingegen hatte mittlerweile an anderer Stelle zum Stoß gegen Österreich angesetzt. Denn am 8. April 1866 hatte Preußen mit den Italienern eine auf drei Monate befristete Defensiv- und Offensivallianz geschlossen. Darin machte sich Italien von dem preußischen Kriegsentschluß gegen Österreich abhängig, dem nachzueifern sich das junge Königreich verpflichtete. Seinerseits vermochte es nur eine Garantieklausel durchzusetzen, mit der vor Erreichung der Kriegsziele ein Sonderfrieden ausgeschlossen wurde. Mit diesem Vertrag hatte Otto von Bismarck nunmehr den äußersten Punkt des Weges erreicht, der ihn in immer größerem Maße von der konservativen Ideologie und der Kooperation mit der konservativen Habsburgermonarchie abgebracht, der ihn vielmehr in die Nähe der nationalen Revolution geführt hatte.
In die Phase einer gesteigerten Bereitschaft zum Krieg, in der die bedrängte Donaumonarchie ihrem überaus entschlossen handelnden Kontrahenten durch militärische Maßnahmen politisch in die Hände arbeitete, fiel ein letzter Vermittlungsversuch. Dieser, von Anton von Gablenz, einem Bruder des österreichischen Statthalters in Holstein, unternommen, scheiterte an der Ablehnung seitens des Wiener Hofs: Der lehnte nämlich die Einsetzung eines preußischen Prinzen in den Elbherzogtümern und die innere Umgestaltung Deutschlands durch eine dualistische Aufteilung der Bundeskontingente – dies waren die Kernpunkte des Ausgleichsprojekts – ab.
Die letzte Entscheidung fiel über die Frage Schleswig-Holstein, und sie fiel im Bundestag des Deutschen Bundes. Am 1. Juni 1866 kündigte Österreichs Regierung in Frankfurt am Main an, daß sie die Erbfolge in Holstein dem Urteilsspruch des Bundes unterwerfen wolle. Hiergegen protestierte nun Preußen unter Verweis auf sein im Vertrag von Bad Gastein fixiertes Mitbestimmungsrecht und ließ preußische Truppen in Holstein einmarschieren. Österreich forderte im Bundestag gegen diesen Akt der Selbsthilfe, die durch das Bundesrecht ausgeschlossen war (laut Artikel 19 der Schlußakte des Wiener Kongresses), „zum Schutze der inneren Sicherheit Deutschlands und der bedrohten Rechte seiner Bundesglieder“ die Mobilisierung der sieben nicht-preußischen Korps der Bundesarmee. Dieses geschah am 11. Juni. Am Tag vorher hatte Preußen seinen Bundesreformplan für einen neuen Bund, in dem Österreich und die niederländischen Territorien nicht mehr vertreten waren, formell eingereicht. Der reduzierte Mobilmachungsantrag der Präsidialmacht fand am 14. Juni mit 9 gegen 6 Stimmen die Annahme. Hierauf erklärte nun der Gesandte Preußens den „bisherigen Bundesvertrag für gebrochen und deshalb nicht mehr verbindlich“. So war der Deutsche Bund von 1815 nicht seitens der nationalen Bewegung gesprengt worden, sondern durch den Gegensatz seiner beiden Hauptmächte. Zu schwach war das Bundesrecht gewesen, um den Machtegoismus der großen Staaten bändigen zu können.

Der Waffengang

Der Deutsche Krieg von 1866 – der ursprünglich als Preußisch-Deutscher Krieg (formal ein Krieg von Preußen gegen den Deutschen Bund) bezeichnet wurde – nimmt in der deutschen Geschichte eine in höchstem Maße eigentümliche Position ein. Einerseits stellt dieser Krieg den letzten Krieg deutscher Territorialstaaten untereinander dar; andererseits verkörpert er doch nur einen Abschnitt des deutschen Nationalkriegs – nur mit der Einschränkung, daß die deutsche Nation an ihm innerlich kaum Anteil nahm. In späteren Jahren hat Moltke den Charakter dieses Kriegs als den eines Kabinettskriegs betont. Denn der Krieg von 1866 sei weder durch die öffentliche Meinung noch durch die Volksstimmung entstanden.
In dem dann ausbrechenden Kampf standen sich auf der österreichischen und der preußischen Seite als Oberbefehlshaber zwei Männer ungleicher Befähigung gegenüber. Der Österreicher Ludwig von Benedek war ein Militär mit Talenten und Verdiensten, jedoch ohne Selbstvertrauen, wohingegen Helmuth von Moltke, der Chef des preußischen Generalstabs, neben Otto von Bismarck die ganz große Figur des deutschen Einigungsprozesses darstellte. Ein planender Generalstäbler neuer Schule und seit dem 2. Juli 1866 mit dem Recht des Immediatvortrags beim preußischen König ausgestattet, dachte der ältere Moltke Carl von Clausewitz’ Lehre vom absoluten Krieg mit dem Ziel der Vernichtung der feindlichen Streitmacht konsequent zu Ende und wandte sie in der militärischen Praxis erfolgreich an. Unter der Führung Helmuth von Moltkes wurde das preußische Heer nach seiner Umorganisation seit 1860 zu einer Waffe von großer Überlegenheit. Dazu trug auch das Zündnadelgewehr in nicht gerade geringem Ausmaß bei.
Die militärischen Einzelheiten des Deutschen Kriegs von 1866 sollen an dieser Stelle nicht in extenso wiedergegeben, sondern nur die entscheidenden Ereignisse erwähnt werden.
In Umsetzung von Moltkes Strategie einer Umfassung der Österreicher schlugen von den in drei Teile gegliederten Streitkräften Preußens die Elbarmee unter General Herwarth von Bittenfeld und die I. Armee unter Prinz Friedrich Karl die ihnen entgegengestellten österreichischen Korps. Nach der Vereinigung der drei preußischen Armeen in der Umgebung der Festung Königgrätz, auf die sich der Österreicher Benedek stützte, entwickelte sich am 3. Juli 1866 die welthistorisch entscheidende Schlacht von Königgrätz. In ihr wurde Benedek von der vereinigten preußischen Streitmacht besiegt. Doch zu einem vollständigen Umfassungs- und Vernichtungssieg reichte dieser Erfolg nicht aus. Den Abzug der Masse der österreichischen Truppen nach Südosten über die Festung Königgrätz konnten die preußischen Sieger nämlich nicht unterbinden.
Im Vergleich zu dieser großen Entscheidung büßten die anderen Kriegsereignisse ganz klar an Bedeutung ein: In Italien erfocht der österreichische Erzherzog Albrecht bei Custozza am 24. Juni 1866 einen großartigen Sieg. Gleiches glückte der österreichischen Flotte unter Admiral Tegetthoff am 20. Juli bei Lissa, wo er die überlegene italienische Flotte schlug. Die recht lahme Kriegführung der Italiener versäumte den „Stoß ins Herz“ des Feindes, wie ihn Preußen von seinem Alliierten forderte. Für das junge Königreich kam es in erster Linie auf Venetien an, das im Prinzip schon sicher war.
Auf dem Kriegsschauplatz im Westen und Süden Deutschlands verhinderte der politische Eigensinn der Mittelstaaten jede größer angelegte strategische Konzeption derjenigen Staaten, die mit Österreich verbündet waren. Der Versuch König Georgs V. von Hannover, mit seinen Truppen nach Süden durchzubrechen und eine Verbindung mit der bayerischen Armee herzustellen, endete nach dem an sich ja erfolgreichen Gefecht bei Langensalza (27. Mai) mit der Einschließung der Armee des Königreichs Hannover. In allgemeiner Betrachtung stand die Anwendung der Vernichtungsstrategie, die von Napoleon und Clausewitz begründet worden war, in einem bemerkenswerten Gegensatz zu dem nationalen Gedanken jener Jahre.

Der Ausgang des Krieges und die Folgen

Was waren die unmittelbaren Folgen von Preußens Sieg in Böhmen? An erster Stelle wurde durch ihn die politische Intervention Napoleons III. ausgelöst – mit sämtlichen von Bismarck heftig befürchteten Gefahren wie Ansprüchen auf Kompensation und Ausweitung des Kriegs. Am 5. Juli bot der Kaiser der Franzosen auf Anrufung von seiten Österreichs, das ihm Venetien abtrat, seine Vermittlung an. In schlechter politischer und militärischer Rüstung befindlich, war allerdings die Lage Napo
leons III. bei weitem nicht so günstig, wie er dies nach außen hin suggerieren mochte. Vielmehr sah er sich einem siegreichen und starken Preußen gegenüber, dessen Machtausdehnung nicht mehr aufzuhalten war. Am 5. August erhielt Bismarck zwar von den Franzosen einen Vertragsentwurf mit Verpflichtungen zur Kompensation, doch schon wenige Tage danach rückte Napoleon wieder davon ab. Von Bismarck ermuntert, unternahm die französische Politik in den nachfolgenden Wochen den Versuch, mit ihren Kompensationsforderungen auf Belgien und Luxemburg auszuweichen.
Den einzigen Weg, um das von ihm befürchtete Eingreifen Frankreichs oder auch Rußlands zu vermeiden, erblickte Bismarck in der vorläufigen Begrenzung von Preußens Macht auf das Gebiet Norddeutschlands. Der preußische Ministerpräsident drängte folglich König Wilhelm I. dazu, den errungenen Sieg nicht vollständig auszunutzen, sondern einen raschen Frieden zu schließen. Bismarck mußte all seine Überzeugungskraft aufbieten und seine ohnehin schon überstrapazierten Nerven bis zum Zerreißen anspannen, um den Monarchen umzustimmen. Denn obwohl Wilhelm anfangs zu den Gegnern eines Kriegs gehört hatte, wollte er nun der Habsburgermonarchie nach alter Siegersitte harte Bedingungen diktieren und in ihre Hauptstadt Wien einmarschieren. Nach zum Teil überaus heftigen Auftritten – auch mit einigen preußischen Militärs – vermochte Bismarck jedoch den resignierenden König zum Einlenken zu bestimmen.
Die entscheidende Etappe zur Beendigung des kriegerischen Konflikts stellte der von Kaiser Napoleon III. vermittelte Vorfriede von Nikolsburg (26. Juli 1866) dar. In der Hauptsache – Austritt aus der Deutschland als Ganzes betreffenden Politik – hatte Österreich schon vorher nachgegeben, da seine militärische Situation keine Aussicht auf Erfolg mehr bot. Im später mit Preußen geschlossenen Frieden von Prag fand der Vorfriede seine Bestätigung, und zudem wurde mit Italien der Friede von Wien geschlossen.
Der Friede von Prag zwischen Preußen und Österreich (23. August 1866) beendete jetzt auch definitiv den Deutschen Krieg. Hatte die österreichische Regierung die Verpflichtung zur Zahlung von Reparationen in den Verhandlungen zu beschränken vermocht, erkannte sie – kompromißbereit – die Auflösung des Deutschen Bundes an. Überdies mußte Österreich seine Zustimmung dazu geben, daß ohne seine Einflußnahme die deutschen Verhältnisse einer Neuregelung unterzogen wurden. In Bezug auf die Nordhälfte Deutschlands konzedierte es der Hohenzollernmonarchie, Hannover, Kurhessen und Nassau zu annektieren. Nicht genug damit – die Donaumonarchie leistete zugunsten von Preußen Verzicht auf die Herzogtümer Schleswig und Holstein. Auch diese konnten dem preußischen Staat angegliedert werden – ebenso wie die bislang Freie Stadt Frankfurt am Main. Gegenüber Preußen mußte Österreich keine Gebietsverluste in Kauf nehmen – ganz anders, als dieses gegenüber dem preußischen Bündnispartner Italien der Fall war. Diesem mußte Österreich in dem Frieden von Wien (3. Oktober 1866) Venetien abtreten.
Zwar fand sich Österreichs Kaiser Franz Joseph I. vorläufig noch nicht mit der Verdrängung aus den deutschen Angelegenheiten ab; zwar trug Bismarcks Politik einer Versöhnung mit Österreich erst nach 1871 Früchte; doch durch seine – gegen heftige innere Widerstände durchgesetzte – maßvolle Behandlung der Donaumonarchie hatte der preußische Ministerpräsident die Weichen für eine spätere Allianz mit dem jetzt geschlagenen Gegner gestellt. Ein Etappenziel auf dem Weg zur Expansion des preußischen Staats war zudem erreicht, als Österreich am 18. August 1866 den Norddeutschen Bund (er umfaßte insgesamt 22 Staaten) und damit die Hegemonie Preußens in weiten Teilen Deutschlands anerkannte. Den Norddeutschen Bund, der durch die Verfassung vom 16. April 1867 zu dem ersten deutschen Bundesstaat wurde, bezeichnete Adolphe Thiers für Frankreich als „das größte Unglück seit vierhundert Jahren“. Kein Wunder, wollte doch jede französische Regierung Deutschland möglichst in zerstückelter Form erhalten sehen, um auf die dortigen Angelegenheiten Einfluß nehmen zu können.
Während Otto von Bismarck durch den errungenen Sieg innenpolitisch mit einem Schlag ein hohes Maß an Popularität erlangte und nachträglich vom preußischen Abgeordnetenhaus durch dessen Annahme der Indemnitätsvorlage Straffreiheit zugestanden erhielt, litten die französisch-preußischen Beziehungen durch Preußens Erfolg nachhaltig. Denn Napoleon III. hatte für seine Vermittlung schon eine territoriale Belohnung (das linke Rheinufer) einstreichen wollen, kam jedoch durch den schnellen Sieg der Hohenzollernmonarchie „zu spät“. So kam es in Frankreich zu der Forderung nach „Rache für Sadowa“, das ein Ort der Schlacht von Königgrätz gewesen war – und das, obwohl die Franzosen an allen Kämpfen militärisch nicht beteiligt gewesen waren. Aus dieser Enttäuschung resultierte in der Folge eine Annäherung zwischen Paris und Wien, dem Hauptverlierer des Kriegs von 1866. Trotzdem gelang es weder Napoleon III. noch dem ehemals sächsischen Ministerpräsidenten von Beust, der erst Außenminister und später Reichskanzler der neuen Doppelmonarchie (ab 1867) wurde, den auf dem Feld der Diplomatie geführten Kampf gegen den gewieften Strategen Bismarck zu gewinnen.
Im Verlauf der Verhandlungen über einen Friedensvertrag schlossen sich Bayern, Baden und Württemberg in Schutz- und Trutzbündnissen mit dem so gewaltig erstarkten Preußen zusammen und legten so das Fundament für das gemeinsame Vorgehen im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Nicht zuletzt wegen der durch Bismarcks raffinierte Diplomatie gewonnenen Rückendeckung von seiten Rußlands vermochte Preußen seinen Einfluß auf die süddeutschen Staaten im Deutschen Zollverein auszudehnen. Letzten Endes resultierte auch hieraus der militärische Sieg über das Napoleonische Frankreich und die Kaiserproklamation im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles am 18. Januar 1871. Geschickt hatte Bismarck es eingefädelt, daß Österreich sowohl vom zaristischen Rußland als auch vom aufbegehrenden Ungarn daran gehindert wurde, auf der Seite Kaiser Napoleons III. in die Kämpfe einzugreifen. Vor diesem Hintergrund entschloß sich Kaiser Franz Joseph I. dazu, als ein deutscher Fürst zu agieren und Preußen mit seinen Bundesgenossen nicht in den Rücken zu fallen. Daraus entstand eine österreichische Politik wohlwollender Neutralität und schließlich sogar das Bündnis mit dem Deutschen Reich. Als 1866 der deutsche Bruderkampf zugunsten von Bismarcks Preußen entschieden war, bemühte der Kanzler sich mit allen verfügbaren Kräften um ein Bündnis mit Österreich, das für ihn von zentraler Bedeutung für seine Bündnispolitik war. Und an dieser Allianz sollten auch seine Nachfolger festhalten. Für wie wichtig Bismarck diese Allianz hielt, belegt u. a. eine vom k. u. k. Botschaftsrat in St. Petersburg, dem Freiherrn von Aehrenthal, wiedergegebene Äußerung Bismarcks vom 12. Mai 1888. Diese fiel in Berlin bei einem Gespräch, in dem der deutsche Reichskanzler – wie so oft in jenen Jahren – Österreich-Ungarn davon abzuhalten versuchte, Rußland herauszufordern. Der Freiherr von Aehrenthal schrieb an Graf Kálnoky, den seinerzeitigen k. u. k. Außenminister: „Mit ganz besonderer Wärme sprach der Fürst von der österreichisch-deutschen Allianz; diese sei in Fleisch und Blut der gesamten Bevölkerung Deutschlands übergegangen.“

Hypothek für die Zukunft

Dies alles kann und soll an dieser Stelle nicht bestritten werden. Eines jedoch darf aus der Sicht eines gesamtdeutsch denkenden Patrioten nicht übersehen werden: Mit dem Sieg des unter Bismarcks politischer Leitung stehenden Königreichs Preußen über dessen deutschen Antipoden Österreich im Krieg von 1866 war für die Schaffung eines deutschen Nationalstaats nunmehr die „großdeutsche“ Variante obsolet geworden. Der Hohenzollernstaat hatte mittels der von Bismarck betriebenen Politik von „Eisen und Blut“ die nationalstaatliche Einigung Deutschlands wahrhaftig in die Tat umgesetzt. Doch dieses war eine Einigung unter Führung Preußens und unter Ausschluß Österreichs – mithin lediglich die „kleindeutsche“ Variante.
Österreich ging – notgedrungen – einen anderen Weg, so daß erst nach der Auflösung der Habsburgermonarchie nach dem Ersten Weltkrieg die Frage nach der „kleindeutschen“ oder der „großdeutschen“ Lösung noch einmal akut wurde. Doch das Streben weiter Teile der Politiker und der Bevölkerung der Republik Deutsch-Österreich nach einem Anschluß an das Deutsche Reich fand vor der Willkür der Siegermächte keine Gnade – die Pariser Vorortverträge von Versailles und Saint-Germain-en-Laye schlossen diese Vereinigung kategorisch aus. Und auf dieser Basis scheiterte auch 1931 eine Zollunion zwischen dem Deutschen Reich und Österreich. Als es dann im März 1938 letztlich doch zum „Anschluß“ Österreichs an das Deutsche Reich kam, dauerte das Zusammengehen ganze sieben Jahre.
Mit Deutschlands totaler Niederlage im Zweiten Weltkrieg brach das „Großdeutsche Reich“ 1945 auseinander. Seitdem gehen Deutsche und Österreicher in unterschiedlichen Staatswesen erneut getrennte Wege. Daran, daß es hierzu kam, hat der Ausgang des nicht umsonst so bezeichneten Deutschen Kriegs vom Sommer 1866 einen ganz beträchtlichen Anteil; und hinter alledem steht als die treibende Kraft Otto von Bismarcks deutsche Politik.

 

 

 

 

 

 

 

 
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