Nur 112 Jahre währte die Herrschaft der Staufer in Deutschland, und doch hat sich kein anderes Geschlecht so tief in der Erinnerung des Volkes eingegraben wie dieses. Und als 1268 der Kopf des letzten Staufers, des erst 16jährigen Enkels Friedrich II. in den Sand von Palermo rollte, waren gerade 130 Jahre vergangen, seit mit Konrad III. der erste Staufer in Aachen gekrönt worden war.
Der Kampf der Päpste mit den Staufern war in gewisser Weise schicksalhaft, vor allem als letztere auch das sizilische Erbe angetreten hatten: In einer Zeit, in der sich Macht ausschließlich auf Territorialbesitz gründete, bestand damit für das Papsttum die reale Gefahr, von einem in Italien unumschränkt waltenden Kaisertum zu in jeder Hinsicht abhängigen Reichsbischöfen hinabgedrückt zu werden. Die zweieinhalb Jahrhunderte zwischen Karl dem Großen und Heinrich III. († 1056), in der die Kaiser immer wieder die Papstwahlen in ihrem Sinne bestimmt hatten, waren noch unvergessen – daß dies ausnahmslos zum Wohle der Kirche in Zeiten geschah, in denen der Stuhl Petri zum Spielball machtgieriger römischer Adelscliquen geworden war, spielte bei der Angst vor einer neuerlichen Dominanz der römisch-deutschen Kaiser aber keine Rolle. Die Staufer wiederum benötigten die Macht in Reichsitalien und Sizilien, um dem Kaisertum jene Stellung zurückzugeben, die ihm von seiner Idee her eigentlich zukam.
Doch der Konflikt war auch nicht unlösbar, wie das Beispiel des Staufers Friedrich Barbarossas (1152–1190) bezeugt, der, nachdem er 18 Jahre Krieg gegen den Papst geführt hatte, schließlich doch noch zu einem tragfähigen Frieden fand. Im 13. Jahrhundert aber waren die Voraussetzungen andere geworden. Dazu hatte einerseits der Erwerb Siziliens beigetragen, andererseits auch die Politik Friedrichs II., vor allem dessen bewußter Rückgriff auf den römisch-vorchristlichen Reichsgedanken und seine teils tatsächlich kirchenfeindliche Haltung. Die Päpste wiederum hatten ihren Autoritätsanspruch noch weiter in den weltlichen Bereich ausgedehnt und sahen sich zunehmend auch im säkularen Sinn als Herren der Welt – eine maßlose Übersteigerung ihres Machtanspruchs, die sich schon bald nach dem Ende der Staufer mit der avignonesischen Gefangenschaft der Kirche rächen sollte.
Friedrich II. hatte von Anfang an Deutschland im Kampf um die Herrschaft in Italien (im oberitalienischen Reichsitalien ebenso wie in seinem normannischen Erbreich im Süden) vernachlässigt, seine letzten Regierungsjahre zeichnete ein rapider Verfall der königlichen Macht im regnum teutonicum aus. Bereits seit 1246 gab es auf Initiative des Papstes gewählte Gegenkönige. Friedrichs Sohn Konrad IV. ließ sich denn auch nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1250 auf keine weiteren Kämpfe um die Macht in Deutschland mehr ein, sondern ging nach Sizilien, um in seinem Erbreich die Herrschaft gegen den Papst durchzusetzen. 1254 ist er, erst 26jährig, gefallen. Sein Halbbruder Manfred setzte den Kampf für Konradin, den gerade zweijährigen Sohn Konrads fort. Getragen von den ersten Erfolgen und bestürmt vom sizilischen Adel läßt er sich auf eine falsche Todesnachricht Konradins hin 1258 krönen. Als dessen Mutter die Herrschaftsrechte ihres ja noch lebenden Sohnes einmahnt, beharrt Manfred darauf, die selbsterkämpfte Krone behalten zu können, bietet Konradin aber an, ihn zu seinem Erben einzusetzen.
Die Päpste mühen sich unterdessen vergeblich, einen Verbündeten zu finden, den sie mit der Herrschaft Siziliens betrauen konnten. Papst Urban IV. versuchte es schließlich mit dem französischen König Ludwig IX., dem Heiligen. Der fromme Mann lehnt entrüstet ab, Siziliens Krone sei rechtmäßig Konradin zu Eigen und er, der Papst, möge sich endlich seines Amtes besinnen und Frieden schließen. Doch genau das hat Urban nicht vor. Als nächstes wendet er sich an Ludwigs Bruder, Karl von Anjou – und damit an den Richtigen. Karl, ein düsterer Mann von olivgrauer Gesichtsfarbe, kennt keine anderen Leidenschaften als Macht- und Geldgier. Jeglichen Vergnügungen, auch der Jagd, ist er abhold, alle Künste sind ihm geradezu verhaßt, gelacht soll er nach dem Bericht der Chronisten in seinem ganzen Leben niemals haben. Der einzige, wirklich hervorstechende Charakterzug, den die Zeitgenossen an ihm wahrnahmen, ist ausgeprägte Grausamkeit – und das will etwas heißen, in einer Zeit, die sich nicht sonderlich darüber erregte, wenn etwa ein Friedrich II. einen Verräter mit giftigen Schlangen in einen Sack einnähen und ins Meer werfen ließ.
1265 landet Karl jedenfalls als Lehensmann des Papstes in Sizilien, ein Jahr später ist Manfred tot und sind seine Frau und seine vier erst wenige Jahre alten Kinder in der Hand Karls, der sie in Castel del Monte an die Wand schmieden und dort bis an ihr Lebensende vegetieren läßt. Konradin ist zu diesem Zeitpunkt gerade 14 Jahre alt und damit mündig geworden, und er ist in allem das Gegenteil Karl von Anjous: fröhlich und kunstsinnig – er dichtet selbst Minnelieder –, rühmen alle Quellen seine überragende Schönheit, blond ist er und hochgewachsen. Im wesentlichen vom Bischof von Konstanz erzogen, wird der junge Staufer – und immerhin noch Herzog von Schwaben – in immer stärkerem Maße zum Adressaten ghibellinischer Wunschadressen aus Italien. Doch nicht nur die traditionell reichstreu gesinnten Städte senden Botschafter. Vergeblich waren die Ermahnungen zur Milde gewesen, die der nunmehr amtierende Papst Clemens IV. an Karl von Anjou gesandt hatte. Dessen grausame Herrschaft trieb selbst viele Guelfen (also traditionelle Anhänger des Papstes) in das staufische Lager, auch sie senden Boten an Konradin.
Die deutsche Königskrone ist für Konradin angesichts des Egoismus der Kurfürsten und des extremen päpstlichen Drucks in dieser Frage nicht erreichbar. Doch sich, wie die Mutter es wünscht, mit dem Schwäbischen Herzogtum zufriedenzugeben, ist dem hochgemuten Jüngling zu wenig. Wie einst sein Großvater kaum 18jährig von Sizilien nach Deutschland aufbrach und es im Sturme nahm, will er nun nach Süden reiten. Das Schwäbische Herzogtum wird Stück für Stück an andere deutsche Fürsten verpfändet, um Geld und Truppen für den Italienzug zu sammeln. Diese zeigen sich freilich unschön berechnend und nutzen die Lage des letzten Staufersproßes weidlich aus. Nur wenige stehen aus ehrlicher Freundschaft zu Konradin, so Rudolf von Habsburg, der noch nicht ahnt, daß er 11 Jahre später auch dieser Staufer-Nähe wegen zum deutschen König gewählt werden wird. Der beste Freund Konradins ist aber der um drei Jahre ältere Babenberger Friedrich von Österreich. Die Heerfahrt nach Sizilien beginnt im August 1267 auf dem Lechfeld bei Augsburg, an die früheren Romzüge deutscher Könige anknüpfend. Konradin erklärt in einem Manifest, daß der Feldzug in keiner Weise gegen den Papst, sondern ausschließlich gegen Karl von Anjou gerichtet sei, der ihm seine ererbten Rechte vorenthielte. An Clemens IV. schreibt Konradin: „Wodurch haben wir Dich je verletzt, Heiliger Vater, daß Du wie ein Stiefvater so mannigfach und ungerecht gegen uns vorgehst, Du müßtest es denn für eine schwere Beleidigung halten, daß wir noch auf der Erde leben?“ Das allerdings tut der Papst und unterrichtet die mit ihm verbündeten Florentiner vom bevorstehenden Italienzug Konradins mit den Worten: „Vom Stamme des Drachen ist ein giftiger Basilisk hervorgestiegen…“
Im Oktober erreicht Konradin das verbündete Verona, wo er Zulauf von anderen ghibellinisch gesinnten Städten wie Pavia, Pisa, Siena, Padua, Mantua und Vicenza erhält. Auch Rom stellt sich auf seine Seite: Dort herrscht als Senator Heinrich von Kastilien, der einst als reicher Abenteurer und Condottiere mit eigenem Heer als Verbündeter des Papstes nach Italien gekommen war, doch schon seit längerem mit Konradin sympathisiert. Kurz vor dem Eintreffen Konradins in Verona läßt Heinrich von Kastilien die Führer der guelfischen Partei in Rom verhaften und die Stadt ghibellinisch beflaggen. Der Papst, der aufgrund seines gespannten Verhältnisses mit Heinrich in Viterbo residiert, muß diese Nachricht fassungslos hinnehmen. Auch Sizilien war bereits staufisch geworden. Von Tunis aufbrechend, dessen Emir schon mit Friedrich II. verbündet gewesen war, setzt eine winzige Streitmacht von wenig mehr als 500 Mann – Deutsche, Italiener, Sarazenen und auch einige von Heinrichs Spaniern – nach Sizilien über, wo sie Karls Statthalter mit einer riesigen Übermacht angreifen will. Doch kaum ist sein Heer aufgestellt und der Befehl zum Sturm gegeben, entrollen die italienischen Truppenteile plötzlich staufische Fahnen und erschlagen alle Franzosen.
Trotz dieser guten Nachrichten kommt Konradin nicht recht voran. Einige kleine Schlappen gegen die Guelfen müssen eingesteckt werden, die reichstreuen Städte Norditaliens senden nicht soviel Geld und Mann wie versprochen, und noch sind die feindlichen Bastionen zahlreich, ist Karl von Anjous Heer stark. In dieser Situation geben Konradins Onkel, der Herzog von Bayern, und sein Stiefvater, Graf Meinhard von Görz-Tirol, dringliche Geschäfte vor und brechen mit ihrer Gefolgschaft wieder nach Deutschland auf. Auch andere Söldner folgen, das Geld wird knapp, Pferde und Waffen müssen verkauft werden, Konradins Streitmacht zählt nur mehr 3.000 Mann, der Papst verhängt den Bann über ihn und alle, die ihm behilflich sind. Der Jüngling tritt indes im Jänner 1268 den Weg von Verona nach Pavia an und erreicht die 120 km entfernte Stadt, durch feindliches Gebiet ziehend, binnen zwei Tagen.
Dort, und vor allem in Pisa, wo er Anfang April 1268 einlangt, erhält er endlich den erwarteten Zulauf an Mannschaft und insbesondere an Geld. Vielleicht war es ein Fehler, sich in Pisa nicht gleich nach Sizilien einzuschiffen, sondern den Landweg über Rom, das lockende Rom, zu wählen. Doch noch sieht es aus, als ob sich Italien ganz und gar für Konradin entscheidet. In Siena zieht er unter großem Jubel ein, nicht viel später geht es am Weitermarsch an der Viterbo vorbei, der Residenz des Papstes. Clemens IV. steht an diesem Tag auf den Mauern seiner Festung, beobachtet den Vorüberzug des staufischen Heeres und sagt zu Thomas von Aquin, der an seiner Seite steht: „Des Knaben Größe wird verschwinden wie ein Rauch, er zieht dahin gegen Apulien wie zur Schlachtbank.“
Der Empfang in Rom schien anderes zu verheißen: Wieder unter dem Jubel des Volkes zieht Konradin am 24. Juli in der Ewigen Stadt ein, die Straßen sind zum Triumphzug geschmückt, singend und tanzend feiern die Römer den jungen Helden und akklamieren ihm auf dem Kapitol als künftigen Kaiser. Nun wächst Konradins Streitmacht auf 10.000 Mann an, und nach drei Wochen Aufenthalt, den wohl stolzestens Wochen seines Lebens, bricht Konradin wieder auf. Fünf Tage später, am 23. August 1268, kommt es bei Tagliacozzo zur Schlacht mit Karl von Anjou, der weniger als halb so viele Mann ins Feld führen kann wie der junge Staufer, in dessen Heer römische Adelige neben den Spaniern Heinrich von Kastiliens und deutschen Rittern stehen. Eine Kriegslist der Franzosen wendet jedoch das Blatt. Mehrere hundert französische Ritter halten sich abseits und versteckt als der Angriff Konradins beginnt. Die staufischen Truppen erzielen einen leichten Sieg über den deutlich unterlegenen Gegner, ja es gelingt sogar vermeintlich Karl von Anjou zu töten –, in Wirklichkeit ist es jedoch ein anderer, der dessen Rüstung trägt. Als die zerschlagenen Reste des französischen Heeres, verfolgt von Rittern Heinrich von Kastiliens, fliehen und der feindliche Anführer scheinbar tot auf der Walstatt bleibt, beginnen die staufischen Truppen ihren Sieg zu feiern, sie legen Waffen und Rüstungen ab, baden im Flusse Salto und untersuchen die gefallenen Feinde nach wertvollen Waffen und ähnlichem. In diesem Moment greift die französische Reserve an. Konradins unvorbereiteten Truppen bleibt nur die Flucht – die Schlacht ist ausschließlich aufgrund mangelnder Umsicht verloren.
Der Krieg mußte damit freilich noch lange nicht entschieden sein. Fünf Tage später trifft Konradin mit nur mehr 500 Mann im Gefolge erneut in Rom ein. Die Stadt empfängt ihn kühl, fürchtet die Rache Karl von Anjous. Schon nach drei Tagen muß Konradin Rom heimlich wieder verlassen. Eine weitere Hiobsbotschaft langt ein: Heinrich von Kastilien ist in die Hände Karls gefallen. Nun sieht Konradin keine Möglichkeit mehr, weiter auf dem italienischen Festland für seine Sache zu kämpfen. Er will nach Sizilien. Von Astura südlich von Nettuno versucht Konradin in See zu stechen, verliert aber wertvolle Tage und wird schließlich aufgrund des Verrates von Johannes Frangipani, des Herrn des Städtchens, von einem französischen Kapitän gefangengenommen. Gefesselt schleppt Karl von Anjou den Prinzen und seine engste Gefolgschaft wie Friedrich von Österrreich nach Neapel, stellt sie auf dem Weg immer wieder in demütigender Weise dem Volke zur Schau. Nun beginnt Karl sein Rachewerk. Schon am Schlachtfeld von Tagliacozzo hatte er die gefangenen Römer verstümmeln lassen, jetzt werden ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht und bedeutendere Gefangene müssen gewertigen, daß Karl erst vor ihren Augen ihre Kinder töten läßt, um sie dann dem Henker zu überantworten. Das Leben Heinrich von Kastiliens kann der Papst zwar retten, 23 Jahre bleibt er der Gefangene des Anjou, doch für Konradin und seine jugendliche Gefolgschaft gibt es keine Rettung mehr. In einem Schauprozeß werden sie als Majestätsverbrecher und Landfriedensstörer zum Tode verurteilt. Damit bricht Karl mit allem Brauch und Herkommen der Zeit, denn Konradin war im guten Glauben an den Rechtsanspruch auf seines Großvaters Reich nach Italien gezogen.
Das Hochmittelalter war gewöhnt, daß unterschiedliche Rechtsauffassungen mit dem Schwerte ausgetragen wurden, doch gebührte dem Unterlegenen zumindest ritterliche Haft. Daß es hier anders kommen konnte, war, beschämend ist es zu sagen, nicht ohne Mithilfe des Papstes möglich, der Karl durch dessen Ernennung zum Reichsvikar erst die Rechtsmittel für die ungeheuerliche Tat in die Hand gegeben hat. Karl von Anjou wiederum hatte freilich mit Schrecken erkannt, auf welchem Vulkan er seine Herrschaft gebaut hatte, wie sehr das Volk im sizilischen Königreich staufisch gesinnt war. In dieser Situation war, vom reinen Standpunkt der Nützlichkeit aus, ein toter Konradin tausendmal besser als ein eingekerkerter. Und doch: Mit dem Todesurteil hat Karl von Anjou eine Schwelle überschritten, die dem Mittelalter unbekannt war. Der Gegner im ritterlichen Kampfe wurde nun nicht mehr ritterlich behandelt, sondern als Todfeind ausgemerzt. Damit hat er die Entwicklung der Neuzeit vorweggenommen, die immer öfter auch keine Gnade gegenüber den besiegten Gegnern mehr kennt, geschweigedenn einen Kompromiß mit ihnen. Mit der schauerlichen Tat Karl von Anjous wurden letztendlich jene Jahrhunderte zunehmender Grausamkeit eingeleitet, die im Dreißigjährigen Krieg gipfelten. Während sich das Mittelalter bemüht hatte, die kriegerische Auseinandersetzung einzuhegen und an Regeln zu binden, geriet dies in der Folge zunehmend in Vergessenheit und wurde erst im 18. Jhdt. unter anderen Voraussetzungen und geistigen Grundlagen langsam neu entdeckt. Als Karl von Anjou das Blut Konradins vergoß, hat er damit nicht nur einem Feinde den Kopf abgeschlagen, sondern zugleich der Ordnungs- und Kulturidee des Mittelalters.
Am 29. Oktober 1268 überantwortete der Anjou Konradin und seine getreuesten Freunde dem Henker. Seiner nach Neapel geeilten Mutter schlug er die Herausgabe des Leichnams ab; neben einem Judenfriedhof ließ er die toten Körper Konradins und Friedrich von Österreichs im Sand verscharren. Zwei Jahre später errichteten allerdings die Karmeliter in der Nähe eine Kirche, Santa Maria della Grotta. Dort wurden später die Überreste Konradins und Friedrichs beigesetzt, heute ruhen sie in der neueren großen Kirche Santa Maria del Carmine.
Wenngleich Konradin hier öfter als „letzter Staufer“ bezeichnet wurde, war er es, streng genommen, freilich nicht. Noch lebten die unglücklichen Kinder Manfreds, noch dauert ihr Martyrium. Friedrich, dem Ältesten, gelang im Jahre 1300 die Flucht – nach 34 Jahren Gefangenschaft –, Enzio starb im gleichen Jahr und Heinrichs Martyrium sollte noch weitere 18 Jahre dauern – insgesamt 54 Jahre vegetierte er erblindet und in Ketten, in den Kerkern des Anjou. Nur Helena, ihre Schwester war schon nach 18 Jahren Haft freigekommen, ausgetauscht gegen den in Gefangenschaft geratenen Sohn Karls.
Noch lebte auch Enzio, ein natürlicher Sohn Friedrichs II. und somit Onkel Konradins, der sogar an den Regierungsgeschäften des Vaters beteiligt gewesen war, bis er 1249 im Alter von 25 Jahren in Bologneser Gefangenschaft geriet. Auch diese Gefangenschaft währte lange, 23 Jahre, bis zum Tode Enzios, doch die Bologneser stelltem ihm ein Palais und genügend Mittel für ein standesgemäßes Leben zur Verfügung. Und da es zum guten Ton in der Stadt gehörte, mit dem wohlaussehenden und fröhlichen Staufer, der sich zudem als bedeutender Dichter einen Namen machte, auf freundschaftlichem Fuß zu verkehren, war es „Heinz“ gegönnt, mit zwei jungen Damen der Bologneser Gesellschaft auch noch eine Nachkommenschaft zu zeugen.
Karl von Anjou hat Konradin um 17 Jahre überlebt. Jahrelang hat er alle Anhänger des Staufers in Italien verfolgen und, soweit es in seiner Macht stand, jeden, der ihm in irgendeiner Weise zu Hilfe geeilt war, hinrichten lassen. Ganze Städte wurden verwüstet, Karls Truppen hausten mit Mord, Brand und Vergewaltigung. Papst Clemens war dagegen machtlos, seine Klagebriefe blieben ohne Widerhall: „Du hast nichts gezeigt als Habsucht, Wollust, Blutdurst! … Wahrlich, so arg hat Kaiser Friedrich II. als Feind der Kirche nie gehandelt.“ Zumindest in Sizilien hat Karl die Rechnung präsentiert bekommen. Am Ostermontag des Jahres 1282 bricht in Palermo die „Sizilianische Vesper“ aus. Das Volk erhebt sich und erschlägt so gut wie alle Franzosen auf der Insel. Sizilien ist für den Anjou verloren. Drei Jahre später stirbt er, wohl erstmals von Gewissensängsten gepeinigt. Um seine Person ranken sich keine Legenden, ihm hat kein Dichter in späteren Jahren ein Lied gewidmet und niemand zerdrückt beim Gedanken an ihn eine heimliche Träne im Augenwinkel.
Bei Konradin ist dies anders. Bis heute hat sein Name bei den Deutschen einen zauberischen Klang behalten. Die Bereitschaft, auch in ausweglosen Situationen das Äußerste zu geben, hat ihn zum Paten. Ebenso der Wille, auch ein tragisches Geschick in Würde bis zum Ende zu durchschreiten. Unzählige Balladen, Theaterstücke und Romane ranken sich um sein Geschick und sofort nach Konradins Tod tauchen farbige und symbolträchtige Einzelheiten seines Endes in den Berichten der Chronisten auf, die die aufgeklärte Geschichtswissenschaft ins Reich der Legenden verweist. Doch in Wahrheit kann niemand wissen, ob die eine oder andere dieser Geschichten nicht doch auf eine tatsächliche Begebenheit zurückgeht, und selbst, wenn dem nicht so wäre, halten wir daran fest, daß ihnen allen eine höhere Wahrheit innewohnt.
So soll Konradin, der einst bei seinem Auszug verkündet hatte, er wolle sich im „kriegerischen Schachspiel“ mit Karl messen, die Nachricht vom Todesurteil auch während eines Schachspiels mit Friedrich von Österreich vernommen – und dieses in Ruhe zu Ende geführt haben. Vor dem Blutgerüst verzieh Konradin – den der Papst bereits losgesprochen hatte – dem Henker. Dies ist im übrigen ebenso belegt wie seine letzten Worte: „Oh Mutter, welches Leid bereite ich Dir!“
Als zweiter der fünfzehn Hingerichteten dieses Tages rollte der Kopf des 19jährigen Friedrich von Österreich in den Sand, noch das abgeschlagene Haupt soll die Mutter Gottes mit den ersten Worten des Ave Maria gegrüßt haben. Zuvor aber war ein Adler – das Herrschaftstier des Reiches – vom Himmel herabgestoßen, hatte seine rechte Schwinge im noch lebenswarmen Blute des Staufer-Jünglings genetzt und war wieder emporgeschnellt in den unendlich blauen Himmel, der sich über das Neapel dieses schwarzen Tages spannte.