Der jüngsten Volkszählung von 2002 zufolge handelt es sich um insgesamt nur noch gut 150.000 Personen, die sich als Deutsche bekennen – eine Zahl, die allerdings mit etlichen Fragezeichen behaftet ist, zumal 204.000 Menschen angaben, in ihrem häuslichen Umfeld Deutsch zu sprechen. Unklar ist, ob nicht ein Teil jener, die keine Angabe zur Nationalität machen wollten oder die sich selbst einer „oberschlesischen Nationalität“ zuordneten – in den Wojewodschaften Oppeln und Schlesien waren das immerhin mehr als 170.000 Menschen – hinzugerechnet werden müssen. Für Unsicherheit sorgt außerdem das Mißverhältnis zwischen den zahlreicheren deutsch-polnischen Doppelstaatlern und den Bekenntnisdeutschen (in Danzig besitzen zum Beispiel 13.000 Personen einen deutschen Paß, während dort bei der Volkszählung nur 2300 eine deutsche Identität offenbarten). Erwähnt werden sollte weiterhin, daß der übergeordnete „Verband der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaften in der Republik Polen“ mit seinen zehn ordentlichen und sieben assoziierten Mitgliedsorganisationen sowie den rund 600 von ihm vertretenen „Deutschen Freundschaftskreisen (DFKs) nach eigenen Angaben gut 276.000 zahlende Mitglieder hat.
Ähnlich wie sich die diversen Landsmannschaften der ostdeutschen Flüchtlinge und Vertriebenen oft nicht einmal als politische Schicksalsgemeinschaft begreifen, verstehen sich die unterschiedlichen Siedlungsgruppen jenseits von Oder und Neiße nicht als Einheit. Daß am 4. Oktober letzten Jahres in der Breslauer Jahrhunderthalle erstmals über 7.000 Deutsche aus dem ganzen Land zu einem zentralen „Kulturtreffen“ zusammenkamen, bedeutete vor diesem Hintergrund einen bemerkenswerten Erfolg.
Vielleicht dämmert es den zwischen Breslau, Stettin und Allenstein lebenden Deutschen allmählich doch, daß sie all ihre – bescheidenen – Einflußmöglichkeiten zusammennehmen sollten, um bei der Zentralmacht in Warschau die eigenen Interessen besser durchzusetzen.
Zu tun gibt es reichlich, obwohl unverkennbar ist, daß sich die Stimmung der polnischen Mehrheitsbevölkerung gegenüber Deutschland und den Deutschen (am wenigsten allerdings gegenüber den vor Ort lebenden alteingesessen Deutschen!) seit dem Untergang des Sowjetimperiums grundlegend verbessert hat. Zumindest läßt sich das für all jene Landesteile sagen, die einst zum Deutschen Reich gehörten bzw. eine preußische Prägung aufweisen. Dort gibt es vornehmlich bei jüngeren Polen und unter Akademikern ein enormes Interesse an der deutschen Vergangenheit. Immer mehr historische Tabus aus der kommunistischen Zeit werden gebrochen. Symptomatisch ist eine Denkmalsrestaurierung, die 1996 in Krieblowitz bei Breslau stattfand. Dort arbeiteten einen Monat lang polnische und deutschen Soldaten gemeinsam an der Wiederherstellung des Mausoleums von Feldmarschall Blücher.
Ein Vertriebener aus dem Raum Posen stellte zu Recht fest: „Wer heute Polen besucht, dem fällt auf, daß die Vorbehalte gegenüber den Deutschen ständig abnehmen. Ein aus dem Posener Land wegen seiner deutschen Volkszugehörigkeit vertriebener Bauer ist heute in seinem Heimatdorf eher willkommen als ein Bauer, der im Rahmen der Kollektivierung aus der ehemaligen DDR vertrieben wurde.“
Fortbestehende Schwierigkeiten, denen sich die deutschen Volksgruppen ebenso stellen müssen wie andere Minderheiten, erklären sich wesentlich durch die Sonderrolle der Politiker und Bürokraten sowie eines Teils der Journalisten. Diese häufig noch durch die kommunistische Ära geprägten Machteliten stehen allen Veränderungen zurückhaltend gegenüber. Antideutsche Ressentiments sind in ihren Reihen vergleichsweise stark verbreitet. Hinzu kommt ein ausufernder Bürokratismus, der entsprechende Unarten, die man sonst oft den Deutschen unterstellt, geradezu harmlos erscheinen läßt.
All diese Beobachtungen erklären, warum beispielsweise noch immer kein polnisches Minderheitengesetz existiert. Einen entsprechenden Entwurf gab es zwar bereits 1998, jedoch wurde er im Sejm und dann im Minderheitenausschuß „totgeredet“. Mitte Januar 2004 wurde nun – rechtzeitig vor dem EU-Beitritt – ein zweiter Anlauf genommen. Auf dem Papier kann sich auch diese Vorlage der „Kommission für nationale und ethnische Minderheiten sowie für Regionalsprachen“ sehen lassen. Staatliche Maßnahmen „zur Veränderung nationaler oder ethnischer Proportionen in Wohngebieten der Minderheiten“ werden ausdrücklich untersagt und sogar die Voraussetzungen für zweisprachige Bezeichnungen von Orten, Landschaften, Straßen etc. festgelegt (mindestens 20 Prozent der lokalen Bevölkerung müssen einer Minderheit angehören). – Daß dieser Entwurf demnächst Gesetzeskraft erlangt, ist aber eher unwahrscheinlich.
Nach wie vor gibt es in der Republik Polen, anders etwa als in Ungarn oder Rumänien, keine mehrsprachigen Ortsschilder, und noch immer fehlen Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache. Es gibt nur zweisprachige Bildungsangebote oder einen erweiterten Deutsch-Fremdsprachenunterricht. Allerorten sind Klagen über einen Mangel an geeigneten Lehrkräften und fehlende Schulbücher zu vernehmen. Der bundesdeutsche Staat leistet auf diesem entscheidenden kulturpolitischen Feld kaum Unterstützung.
In der Wojewodschaft Oppeln erhielten Mitte der 90er Jahre rund 13.200 Schüler an 132 Grundschulen muttersprachlichen Unterricht, der oft jedoch nur aus drei Wochenstunden besteht. Im Jahr 2001 waren es dann schon knapp 17.000 Schüler an Grundschulen sowie etwa 1.700 an Gymnasien.
Allein zum Schuljahresbeginn 1996/97 wurden in fünf Orten zweisprachige Grundschulen eröffnet, andere folgten. An vier Standorten existierten zu dieser Zeit Gymnasien mit bilingualen Zügen. Das erste deutsch-polnische bilinguale Gymnasium entstand bezeichnenderweise im niederschlesischen Goldberg und nicht im oberschlesischen Kerngebiet der Minderheit.
Tatsache ist aber auch, daß es gerade den betroffenen Deutschen im Raum Oppeln nicht selten an Interesse, Mut und Energie fehlt, um bestehende gesetzliche Möglichkeiten einzufordern. Die Gesetzeslage ist jedenfalls keineswegs ungünstig. So wurde am 1. Januar 2003 eine neue Bildungsverordnung des Warschauer Bildungsministeriums rechtskräftig, die die sprachlichen Belange von Schülern aus nationalen Minderheiten regelt (bis dahin galten ähnlich weitgehende Regelungen aus dem Jahr 1992).
Darin ist festgeschrieben, daß es „Schulen und andere öffentliche Einrichtungen“ solchen Kindern und Jugendlichen ermöglichen, „ihre nationale, ethnische, sprachliche und religiöse Identität wie auch die eigene Geschichte und Kultur zu bewahren und zu entwickeln“. Auf schriftlichen Antrag ist durch den jeweiligen Direktor muttersprachlicher Unterricht zu organisieren. Dieser kann in Schulen oder einzelnen Schulabteilungen stattfinden, wo die Minderheitensprache die Unterrichtssprache bildet (abgesehen von den Fächern Polnisch, Geographie und Geschichte bzw. Gesellschaftskunde), oder in bilingualen Schulen oder an solchen Bildungseinrichtungen, an denen das Polnische zwar die Unterrichtssprache ist, aber eine Minderheitensprache als Zusatzfach auf dem Lehrplan steht.
In § 5 der Verordnung heißt es unmißverständlich, daß solche muttersprachlichen Unterrichtsformen für nicht-polnische Schüler geschaffen werden müssen, „wenn sich für den Unterricht in der Sprache der nationalen Minderheit bzw. der ethnischen Gruppe mindestens sieben Schüler pro Klasse in der Grundschule und im Gymnasium anmelden bzw. entsprechend 14 Schüler in einer nachgymnasialen Schule“. Wenn das nicht möglich ist, gibt die Verordnung das Recht, Gruppen von Schülern aus mehreren Klassen oder Abteilungen oder sogar aus verschiedenen Schulen zusammenzufassen.
Am Beispiel Oberschlesiens werden die Chancen und Defizite der verbliebenen Deutschen am deutlichsten. In der Wojewodschaft „Schlesien“ (im Kern handelt es sich dabei um das einstige Ost-Oberschlesien mit dem Zentrum Kattowitz) bekannten sich laut Volkszählung rund 31.900 Personen als Deutsche. In der Wojewodschaft Oppeln leben sogar noch 106.900 Menschen deutscher Nationalität. Letzteres entspricht bei einer Gesamtbevölkerung von 1,065 Millionen einem Anteil von zehn Prozent, was in etwa der Zustimmung zur Deutschen Liste bei den letzten Wahlen zum Bezirksparlament entspricht (diese Liste stellt zusammen mit den Postkommunisten die Oppelner Wojewodschaftsregierung). Es gibt zahllose DFKs, die sich in den Dachorganisationen „Soziokultureller Verband der deutschen Minderheit in Polen“ oder „Deutsche Gemeinschaft‚Vereinigung und Zukunft“ zusammengetan haben.
Die heutige Ausgangssituation ist also gar nicht einmal schlecht, zumal etliche Dörfer rund um Oppeln mehr als zwei Drittel deutsche Bewohner aufweisen. Man hat eigene Zeitungen, etwa das Schlesische Wochenblatt als Oppelner Verbandsorgan der Deutschen Freundschaftskreise und die in Kattowitz ebenfalls zweisprachig erscheinende Zeitschrift Hoffnung oder liest das ganz auf Deutsch gehaltene Blatt Unser Oberschlesien.
Die Caritas errichtete ab 1992 ein Netz mit deutschen Leihbüchereien – eine Errungenschaft, die gekrönt wird durch die mit Geldern der Deutsch-Polnischen Stiftung geschaffene „Joseph-von-Eichendorff-Zentralbibliothek“ in Oppeln sowie die in der gleichen Stadt entstandene „Österreichische Bibliothek“. In Lubowitz existiert ein „Eichendorff-Kultur- und Bíldungszentrum“. Ferner verfügen Angehörige der Minderheit über eigene Radiosendungen und sogar kleine TV-Magazine. In fast jedem Ort im Raum Oppeln sind seit dem Umbruch ein deutscher Chor, eine Blaskapelle oder ein Trachtenverein gegründet worden. Auch die katholische Kirche, ansonsten eine Repräsentantin des polnischen Nationalismus, spielt im Oppelner Schlesien nicht selten eine positive Rolle. Zwar werden nur in wenigen Kirchen deutschsprachige Messen angeboten, aber die Persönlichkeit des Oppelner Erzbischofs Nossol – eines bekennenden Deutschen – genießt unter seinen Landsleuten wie unter der polnischen Mehrheitsbevölkerung große Autorität.
In Gleiwitz wirkt ein zukunftsträchtiges „Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit“ und in Ratibor ein „Oberschlesisches Museum“ mit angeschlossener „Geschichtswerkstatt“. In der ganzen Region werden über zahllose Satellitenantennen bundesdeutsche Fernsehsender empfangen, die – trotz ihrer teils miserablen Programme – wohl die wirkungsvollsten Deutschlehrer sind.
Die Finanzhilfen seitens der Bundesrepublik Deutschland wurden unter der rot-grünen Regierung in Berlin zwar gekürzt (1992 lag die Förderung für die deutsche Minderheit in der Republik Polen noch bei rund 6 Millionen Mark, 2003 dann nur noch bei 2,8 Millionen Euro, also etwa 5,6 Millionen Mark), dennoch existiert heute eine beachtliche Infrastruktur, bestehend unter anderem aus den zahlreichen von Berlin geförderten Kulturhäusern (den sogenannten DFK-“Begegnungsstätten“).
Trotz allem sehen die Perspektiven keineswegs rosig aus. Daß fast die gesamte geistige Elite Oberschlesiens vertrieben wurde, hat ebenso tiefe Spuren hinterlassen wie die jahrzehntelange Polonisierungspolitik. Diese führte zu einer Art zweiter Vertreibung, nämlich aus der angestammten Identität. Die Tage der noch durch die Erinnerung an die reichsdeutsche Zeit geprägten alten Oberschlesier vom Schlag eines Blasius Hanczuch (langjähriger DFK-Bezirksvorsitzender in der Wojewodschaft Schlesien) oder des Pfarrers Wolfgang Globisch, die nach der Wende mit großer Energie die Deutschen Freundschaftskreise aufbauten, sind gezählt. Das Polnische ist zumindest für die jüngere und mittlere Generation de facto zur Muttersprache geworden.
Daß im Bezirk Oppeln etwa 150.000 Personen neben dem polnischen Paß einen deutschen in Händen halten, hat vor allen Dingen wirtschaftliche Folgen. Zehntausende Doppelstaatler gehen regelmäßig in der Bundesrepublik einer Saisonarbeit nach, um dann wieder nach Hause zurückzukehren. Sie bringen zwar eine Menge Geld ins Land, aber auch viel Unruhe. Deutsche Sprachkenntnisse erscheinen in ihren Reihen häufig als ökonomischer Vorteil, immer weniger aber als Ausdruck nationalen Bekenntnisses. Die Möglichkeit, jenseits der Grenze gut zu verdienen, motiviert nicht unbedingt dazu, sich mit aller Kraft an der Verbesserung der schlechten wirtschaflichen Lage Oberschlesiens zu beteiligen. Die Krise im Kohlebergbau und die allgemeine Strukturschwäche der Region sind darüber hinaus unattraktiv für mögliche Rückkehrer, die es unter den ins Bundesgebiet ausgesiedelten Oberschlesiern sehr wohl gibt.
Insgesamt sieht es für die Präsenz deutscher Kultur in Oberschlesien also nicht gut aus, obwohl hier bis heute nominell eine große Zahl von Deutschen zu Hause ist.
In Niederschlesien ist die Zahl der Deutschen mit 2.600 (Volkszählung 2002) erheblich geringer, trotzdem gibt es gerade dort Zeichen der Hoffnung. Der polnische Mythos von den „wiedergewonnenen Westgebieten“ findet mittlerweile in diesem von der Vertreibung fast völlig entvölkerten Land kaum noch Gläubige. Statt dessen haben sich sehr viele, insbesondere jüngere Nachkommen der polnischen Zuwanderer auf die Suche nach der regionalen Identität begeben – und stoßen dabei zwangsläufig auf das deutsche Erbe Schlesiens.
Bedeutende Bauwerke, die vom deutschen Gesicht des Landes zeugen, werden, sofern es die begrenzten finanziellen Möglichkeiten erlauben, originalgetreu instandgesetzt. Zweisprachige Gedenktafeln erinnern an Eichendorff, den „Turnvater“ Jahn oder die Gebrüder Hauptmann. Der Blick auf die Geschichte gewinnt an Objektivität, und polnische Wissenschafter bilden längst die Mehrzahl der ernstzunehmenden Schlesien-Forscher, während aus den bundesdeutschen Universitäten nur wenig nachkommt. Gerade jüngere Polen zeigen sich gegenüber den ostdeutschen Vertriebenen aufgeschlossen und interessiert. Man fühlt sich vor allem als „Niederschlesier“ und erst danach als Pole. Abgesehen von der benachbarten Wojewodschaft „Lebuser Land“ (das ist im wesentlichen die brandenburgische Neumark sowie ein kleiner Teil Niederschlesiens) weist der Bezirk Niederschlesien mit 49,4 Prozent landesweit die beste Versorgung der Schulen mit Deutschunterricht auf. Die Abneigung gegen den „Warschauer Zentralismus“ ist sehr weit verbreitet.
Ein Musterbeispiel für die von Polen vorangetriebene Wiederentdeckung schlesisch-deutscher Kultur sind die Hauptstadt Breslau sowie das Hirschberger Tal. Im noch immer (bzw. wieder) schönen Breslau gibt es inzwischen eine funktionierende lutherische deutsche Gemeinde, die heimatverbliebene alte Schlesier und aus dem Bundesgebiet zugezogene deutsche Neubürger (auch die gibt es!) vereint. Die vielen in der Stadt lebenden Nachfahren von Vertriebenen aus dem einstigen Ostpolen, speziell aus Lemberg, haben ein offenes Herz für die jahrhundertelange Historie dieser einst reichen Handelsstadt und deren bauliche Zeugnisse. Sie identifizieren sich mit den deutschen Spuren, pflegen diese nicht selten liebevoll und verstehen sie als Baustein einer neuartigen schlesischen Identität, getragen von hier aufgewachsenen Polen.
In Breslau wird dem bundesdeutschen Besucher mehr als an jedem anderen Ort der früheren Ostprovinzen klar, daß eine Anknüpfung an die nach 1945 über Dekaden hinweg verschwiegenen bzw. getilgten Traditionen nicht vom deutschen Reststaat ausgehen kann. Die Vertriebenen selbst sind heute in ihrer großen Mehrheit zu alt und geistig zu unbeweglich, um sich noch auf das Abenteuer eines Neubeginns in der alten Heimat einzulassen. Ihre Kinder und Kindeskinder haben leider in der Regel keinen tieferen Bezug zu den Herkunftsorten der Vorfahren. Nur wenige Heimatkreisgemeinschaften leisten eine zukunftsträchtige Arbeit vor Ort; allein die Landsmannschaft Ostpreußen betreibt eine großangelegte Zusammenarbeit mit polnischen Kommunalpolitikern.
Man bedenke außerdem, daß es der Bundesrepublik Deutschland an bevölkerungspolitischer Dynamik, Wirtschaftskraft und von Nationalstolz getragenem Optimismus zu sehr fehlt, um kraftvoll nach Osten auszustrahlen. So bleibt nur eine Hoffnung, wie das ostdeutsche Erbe für die Zukunft lebendig erhalten werden kann (eine Zukunft, die dann vielleicht auch im deutschen Staatsgebiet ein breites Interesse an der eigenen Geschichte in ihrer Gesamtheit hervorbringt): das Entstehen eines ausgeprägten Regionalismus unter den heute vor Ort wohnenden Polen, geprägt durch die Sympathie für das deutsche Erbe und die Deutschen.
In Niederschlesien sind die ersten Schritte auf diesem Weg bereits zurückgelegt. Der bundesdeutsche „Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur e. V.“ unterstützt die Entwicklung im kulturellen Bereich (Restaurierung alter Bausubstanz, regelmäßige Seminare und Kulturreisen, Sprachschulungen usw.). Vor allem im Hirschberger Tal hat der VSK wesentlich dazu beigetragen, dieser landschaftlich überaus reizvollen und mit sehenswerten Schlössern geschmückten Gegend einen Teil ihrer Vergangenheit zurückzugeben. Als vorbildlich arbeitende Organisationen sind des weiteren die „AGMO e. V. – Gesellschaft zur Unterstützung der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen“ sowie der „Arbeitskreis Schlesien“ in der IGFM (Internationale Gesellschaft für Menschenrechte) hervorzuheben. Beide sind im kulturellen Bereich ebenso tätig wie auf dem sozial-humanitären Feld.
Die in Görlitz (also in jenem kleinen zum Bundesgebiet gehörenden Zipfel Schlesiens) herausgegebene Zeitschrift Schlesien heute begleitet die Fortschritte publizistisch. Sie wird bezeichnenderweise auch jenseits der Grenze stark wahrgenommen. Leider gibt es eine qualitativ annähernd vergleichbare Heimatzeitschrift in deutscher Sprache weder für Hinterpommern noch für Ost-Brandenburg und ebenso wenig für West- und Ostpreußen.
Im polnisch beherrschten Teil Pommerns gehen allenfalls von Stettin Impulse für eine gewisse Wiederbelebung deutscher Kultur aus. Für die insgesamt bloß 1.200 bekennenden Deutschen der Region ist die Gebietshauptstadt der wichtigste geistig-organisatorische Bezugspunkt. Bedeutsamer dürfte jedoch die Grenzlage und die Nähe zur Millionenstadt Berlin sein – dorthin sind es ganze 130 Autobahnkilometer –, die zunehmend bundesdeutsche Unternehmen und mit diesen die deutsche Sprache nach Stettin bringt.
Die starke Zerstreuung der verbliebenen wenigen Tausend Deutschen in Pommerellen (nördliches Westpreußen), in westpreußischen Städten wie Bromberg, Graudenz, Thorn und Danzig, in Posen oder auch in Zentralpolen trägt dazu bei, daß regionale Minderheitenorganisationen wie der „Bund der deutschen Minderheit in Danzig“ weit weniger politisches Eigengewicht besitzen als ihre selbstbewußter auftretenden oberschlesischen Pendants. Entsprechend vorsichtiger verhalten sich die Verbandsführungen gegenüber den polnischen Behörden und offiziellen wie inoffiziellen bundesdeutschen Stellen.
Ähnliches gilt für die deutsche Bevölkerungsgruppe im südlichen Ostpreußen, wobei diese mit gezählten 4.500 Personen vergleichsweise groß ist (als Deutschsprachige bezeichneten sich bei der Volkszählung 2002 sogar 6.400 Personen). Nach den Ukrainern stellt man die zweitgrößte regionale Minderheit. Es gibt etwa zwei Dutzend kleine Vereine, die sich im „Verband der Deutschen Gesellschaften im ehemaligen Ostpreußen“ zusammengeschlossen haben. Alles in allem sind hierin über 20.000 Mitglieder repräsentiert. Das „Kopernikushaus“ in Allenstein ist so etwas wie das geistig-kulturelle Zentrum der Volksgruppe, die mit der Masurischen Storchenpost eine eigene kleine Zeitschrift besitzt.
Die verbliebenen Deutschen im südlichen Teil Ostpreußens dürften neben ihren Landsleuten im Oppelner Schlesien noch die besten Chancen besitzen, die eigene nationale Identität auf Dauer zu erhalten. Trotz ihrer geringen Zahl sind sie für das Ermland und Masuren mehr als ein ethnischer Farbtupfer, sondern eben die angestammten Bewohner jenes „Atlantis des Nordens“, wie der polnische Schriftsteller Kazimierz Brakoniecki die alten ostdeutschen Gebiete mythologisierend genannt hat. Atlantis deshalb, weil dieses Land „untergegangen und nicht untergegangen ist, vergangen und nicht vergangen“.
Verband der deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaften in der Republik Polen (VdG), ul. 1 Krupnicza 15, PL-45-013 Opole (Oppeln); der VdG verfügt über eine lesenswerte Internet-Seite: www.vdg.pl
Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur e. V. (VSK), Brüderstr. 13, D-02826 Görlitz bzw. Palac Lomnica, ul. Karpnicka 3,
PL-58-508 Jelenia Góra 14 (Hirschberg)
AGMO e. V. – Gesellschaft zur Unterstützung der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen, Budapester Str. 19, D-53111 Bonn
Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM, „Arbeitskreis Schlesien“, Borsigallee 16, D-60388 Frankfurt/Main
„Schlesien heute“, Theisen Verlag, Brüderstr. 13, D-02826 Görlitz