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Kunst und Politik

Von Wolfgang Dvorak-Stocker

Die Otto Mühl-Ausstellung im Museumsquartier sorgt für große Aufregung. Der Skandal ist aber nicht, daß hier die Bilder eines Künstlers ausgestellt werden, der eine Haftstrafe wegen Kindesmißbrauch abgesessen hat, denn im Unterschied zur Linken mit ihrem ewigen Geschrei über „Nazi-Künstler“ müssen wir daran festhalten, daß das Leben eines Künstlers kein Maßstab zur Beurteilung seiner Kunst ist – niemand läßt sich schließlich die Freude an einer Komödie von Oscar Wilde durch die Tatsache vermiesen, daß der Autor der Knabenliebe frönte. Aufregen muß vielmehr, daß ein so peinlich banales Gemale wie jenes von Mühl eine aus Steuermitteln finanzierte Ausstellung „wert“ ist.
Dieser Maßstab muß allgemein gelten. Rechte im weitesten, nicht parteipolitischen Sinn, egal, ob Christlich- oder National-Konservative verfechten den klassischen Kunst-Begriff (siehe NO 3/03). Die absolute Differenz über das, was Kunst ausmacht und ihre Aufgabe ist, bildet den Urgrund ihres Konfliktes mit vielen zeitgenössischen „Künstlern“ wie Elfriede Jelinek. Nicht, daß diese gegen die „Rechten“ wettert ist ausschlaggebend, sondern daß sie (auch nach dem Bekunden eines Günther Nenning) im Unterschied zu Thomas Bernhard den Sprung vom bloßen Schimpfen zur Dichtung nicht schafft. Elfriede Jelinek muß sich durch diese Kritik in ihrem Selbstverständnis als Dichterin getroffen fühlen – was der Auseinandersetzung mit ihr und vielen anderen modernen Kunstschaffenden die ganze Schärfe verleiht (vgl. auch S. 3).
Doch bei weitem nicht mit allen zeitgenössischen Künstlern verläuft der Konflikt auf dieser Ebene, bei vielen ist er ein rein politischer. Erika Pluhar beispielsweise ist – kein Rechter wird’s bestreiten – eine wunderbare Schauspielerin und feinsinnige Autorin (von der ich selten eine Lesung auslasse, weil sie eine Stimme hat, in die man sich nur verlieben kann). Politisch aber ist sie bewußt ein „Ignorant“, also jemand, der nicht wissen will, der es nie gewagt hat, sich jenseits der eigenen Vorurteilsmauern in Diskussionen einzulassen.
Oder André Heller: Ob mit seinen Liedern, seinen zauberischen Gartenträumen und der „Trilogie der möglichen Wunder“, ob mit all den grandiosen Zirkuskünstlern, die er hierher gebracht hat oder seinen vielen anderen Projekten: Heller hat künstlerisch so Vielfältiges in Österreich bewirkt wie kaum ein anderer in unseren Tagen, sein Lebenswerk ist so ganz und gar der Poesie verpflichtet, wie man es sich als Rechter nur wünschen kann.
Politisch aber verfolgt er die „Rechten“ wie Erika Pluhar über alle Maßen des Verständlichen hinaus. So verstieg er sich jüngst in einem Interview dazu, die FPÖ als „zutiefst unmoralisch“ zu bezeichnen. Was für ein Unsinn! Jahrzehntelang hören wir nun, daß es einen Wertepluralismus geben muß, daß nicht ein Wertesystem – etwa das der katholischen Kirche – mit Zwang für alle verbindlich gemacht werden kann. Und jetzt, plötzlich, sollen die Multikulti-Werte der 68er allgemein verbindlich sein und jeder, der sie nicht teilt, sofort „unmoralisch“? Ist es so schwer, dem politischen Gegner zuzugestehen, ebenfalls Werte, nur andere halt, zu haben? Ein Beispiel: Der eine will indigene Völker rund um die Welt im Kampf um die Bewahrung ihrer Traditionen unterstützen, der andere sieht die eigene Kultur schon gefährdet und möchte gegensteuern. Finden könnten beide sich sogar in einem gemeinsamen Meta-Wert, dem Grundsatz nämlich, daß die kulturelle Selbstbestimmung keines Volkes und keiner Minderheit durch überlegene politische oder ökonomische Mächte beeinträchtigt werden darf. Einen Grundsatz, zu dem man sich rational auch bekennen kann, wenn die Herzen nach wie vor für unterschiedliche Belangen schlagen. Davon ausgehend könnte man jene brandmarken, die einzelne Völker und Kulturen herabwürdigen – und Heller würde aufgehen, daß kein „Rechter“ in den letzten Jahrzehnten je so verächtlich von der Kultur irgendeines Volkes gesprochen hat wie Otto Mühl über die österreichische (vgl. S. 4).
Natürlich ist es leicht, für Heller und die anderen SOS-Mitmenschen, die Asylpolitik der Regierung angesichts vieler Immigrantenschicksale als unmenschlich zu brandmarken. Doch ist er auch in der Lage, eine nicht nur emotional wünschenswerte, sondern auf lange Sicht auch rational richtige und praktisch umsetzbare Asylpolitik zu formulieren, angesichts der immensen sozialen und wirtschaftlichen Probleme etwa Afrikas, wo für Millionen Menschen Auswanderung der einzige Ausweg zu sein scheint? Und wie beurteilt er wohl die Politik seiner Gesinnungsgenossen in Deutschland, die rußlanddeutsche Kinder mit der einzigen Begründung mangelnder Deutschkenntnisse nach Kasachstan abschieben, während den Eltern zynischerweise Aufenthaltsgenehmigung erteilt wird (S. 16)? Doch mit diesen Fragen sind wir bereits wieder auf dem Felde der Politik. Als Rechte sollten wir daran festhalten, Künstler als Künstler ernstzunehmen – und sonst als normale Menschen zu behandeln. Was die Kunst als solches betrifft, werden wir mit vielen zeitgenössischen Künstlern, ob Helmut Lohner, Otto Schenk oder Michael Heltau, ob Erika Pluhar oder André Heller ohne allzugroße Probleme Einigkeit herstellen können – in allen anderen Bereichen mögen Differenzen herrschen. Am „Kleinod der Unterscheidung“ festzuhalten und daher Kunst nach ihren eigenen Maßstäben, unabhängig von den politischen Überzeugungen ihres Schöpfers zu würdigen, sollte das rechte Prinzip bleiben – auch dann, wenn viele zeitgenössische Kunstschaffende lieber die eigenen Vorurteile düngen als das Gespräch mit den bösen „Rechten“ zu pflegen.

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com