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Unseliger Ungehorsam

Von Fred Duswald

Warum Franz Jägerstätter nicht seliggesprochen werden sollte

Die katholische Kirche soll mit einem neuen Seligen gesegnet werden. Zeitgeistliche Eiferer und geschichtsunkundige Laien drängen auf Beatifikation des Franz Jägerstätter, der einem irrenden Gewissen folgend lieber den Tod inkauf- als eine Waffe in die Hand nahm. Statt im Zweiten Weltkrieg bei der Verteidigung der Heimat zu helfen, hatte der Landwirt und Mesner aus St. Radegund im Landkreis Braunau am Inn den Wehrdienst verweigert.

Nicht seine – unbestrittene – tiefgläubige Frömmigkeit, sondern sein tödlicher Ungehorsam bewog die Diözese Linz, 1994 einen Seligsprechungsprozeß1 einzuleiten. Das bischöfliche Erhebungsverfahren wurde 2001 mit „politisch korrektem“ Ergebnis abgeschlossen. Die Akten befinden sich zur weiteren Beurteilung bei der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen in Rom, wo Historikerkonsultoren im Rahmen des Verfahrens die geschichtlichen Gesichtspunkte zu begutachten haben. In der Kongregation ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, damit die Causa zur Vorlage an den Papst gelangt. Wie immer man sein Verhalten auch bewerten mag – Jägerstätter ging für seine Überzeugung in den Tod. Wer mit dem Leben bezahlt hat, verdient, daß man ihn in Frieden ruhend der Auferstehung harren läßt. Ob Jägerstätter aber darüber hinaus auch noch seliggesprochen werden soll, ist freilich eine andere Frage. Hier geht es nicht nur um die subjektive Seite, sondern vor allem darum, ob der Diener Gottes im Lichte der katholischen Lehre recht daran getan hat, unter den gegebenen Umständen den Tod zu suchen, statt am Leben zu bleiben. Hat Jägerstätter geirrt, dann irrt die Kirche, wenn sie ihn seligspricht. Und führt diejenigen in die Irre, die sich am irrtümlich Seliggesprochenen ein Beispiel nehmen und sich an seiner irrigen Sicht der Dinge orientieren. Jägerstätters mögliche Seligsprechung läge auf der Linie der verlogenen Wehrmachtsausstellung und würde Millionen von Soldaten ins Unrecht setzen, die im Krieg unter Einsatz ihres Lebens in der deutschen Wehrmacht ihre Pflicht getan haben.
St. Radegund ist ein entlegenes Dorf im südwestlichen Winkel von Oberösterreich. Hier erblickte Franz Jägerstätter am 20. Mai 1907 das Licht der Welt. Sein Vater war 1915 im Ersten Weltkrieg gefallen. 1936 heiratete Jägerstätter und übernahm das elterliche Anwesen. Die Ehe mit der frommen Franziska geb. Schwaninger war mit drei Kindern gesegnet.2 In der Pfarrkirche versah der Landwirt das Amt des Mesners. „Am 17. Juni 1940“, so das Feldurteil des Reichskriegsgerichtes (RKG), „wurde er zum aktiven Wehrdienst nach Braunau am Inn eingezogen, auf den Führer und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht vereidigt, aber nach einigen Tagen wieder uk.-gestellt3 und entlassen. Am 5. Oktober 1940 wurde er erneut zur 4. Kraftfahr-Ersatzabteilung 17 nach Enns eingezogen und nach abgeschlossener Grundausbildung am 6. Dezember 1940 zur 100. ID4 versetzt. Am 9. April 1941 wurde er auf Grund eines Antrages seiner Heimatgemeinde wiederum als unabkömmlich zur Bewirtschaftung seines Gutes entlassen.“

Der Entschluß

Schon bei der Entlassung faßte der unabkömmlich Gestellte, der den Krieg für ungerecht und die Wehrmacht für einen „furchtbaren Verein“ hielt,5 den fatalen Vorsatz, im Falle einer neuerlichen Einberufung den Wehrdienst zu verweigern. Als es am 25. Februar 1943 soweit war, leistete er dem Gestellungsbefehl zunächst keine Folge. Auf Drängen seiner Familienangehörigen und Zureden seines Ortspfarrers meldete er sich schließlich am 1. März 1943 verspätet bei der Stammkompanie in Enns, erklärte aber sofort, daß er den Wehrdienst verweigere. Auf dieser Haltung beharrte er auch vor dem RKG. Sie hätten keine andere Wahl, als ihn zum Tod zu verurteilen, wenn er auf seiner Weigerung beharre, warnten die Richter. Sein Gewissen gestatte ihm nicht, einer Obrigkeit zu dienen, die seine Kirche verfolge, entgegnete Jägerstätter. Es sei ein Unterschied, ein gegebenes Regime zu unterstützen oder das Vaterland zu verteidigen, führten ihm die Offiziere vor Augen. Der einzelne, der nur teilweise informiert sei, könne gar kein kompetentes Urteil über so komplizierte Streitfragen abgeben, betonten sie.6
In der Verhandlung gingen die Richter so weit, daß sie den Angeklagten geradezu anflehten, er möge sie doch nicht zur Fällung eines Todesurteils zwingen. Dieser aber ließ von seinem Standpunkt nicht ab. Wenn er früheren Einberufungsbefehlen Folge geleistet habe, so habe er es getan, weil er es damals für Sünde angesehen habe, den Befehlen des Staates nicht zu gehorchen; jetzt habe Gott ihm den Gedanken gegeben, daß es keine Sünde sei, den Dienst mit der Waffe zu verweigern; es gebe Dinge, wo man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen.7 „Jägerstätter mußte daraufhin zum Tode verurteilt werden“, bedauerte Verteidiger Feldmann. „Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es muß vielmehr durch den Gerichtsherrn noch bestätigt werden. Jägerstätter ist nur noch zu retten, wenn er seine doch völlig unvernünftige Haltung aufgibt und sich bereit erklärt, Wehrdienst zu leisten. Dann könnte unter Umständen ein Wiederaufnahmeverfahren anhängig gemacht werden.“8
Vom guten Zuspruch der Ehefrau Franziska und des Pfarrvikars Ferdinand Fürthauer erhofften Verteidiger und Justiz, der Verurteilte werde seine Weigerung widerrufen und im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens sein Leben retten. Zum Leidwesen des Geistlichen ließ sich der Gefangene aber nicht erweichen, zog der Familie das Fallbeil vor und brachte es hartnäckig übers Herz, seine ihm in innigster Liebe ergebene Gattin zu verwitwen und vier Kinder vaterlos zu machen. Nach der Fülle vergeblicher Bemühungen wurde das Todesurteil am 14. Juli bestätigt und am 9. August 1943 in der Strafanstalt Brandenburg an der Havel vollstreckt. Nach Kriegsende von der Ordensschwester Balda geborgen, wurde die Urne mit der Asche nach Oberösterreich gebracht9 und auf dem Friedhof von St. Radegund feierlich beigesetzt.

War Jägerstätter Märtyrer im Sinne der Kirche?

Mit Aufkommen des Jägerstätter-Kultes begann auch die Auseinandersetzung darüber, ob der Angebetete richtig gehandelt habe: „Ich kenne Jägerstätter persönlich, da er vor seinem Einrücken über eine Stunde bei mir war“, lehnte der damalige Linzer Oberhirte Joseph Calasanz Fließer 1946 die Veröffentlichung eines Jubelartikels in der Kirchenzeitung ab. „Ich habe umsonst ihm die Grundsätze der Moral über den Grad der Verantwortlichkeit des Bürgers und Privatmanns für die Taten der Obrigkeit auseinandergesetzt und ihn an seine viel höhere Verantwortung für seinen privaten Lebenskreis, besonders für seine Familie, erinnert.“10 Noch heute stehen Katholiken, denen es um das Evangelium geht, auf dem Standpunkt, daß auch unter Hitler die sittliche Pflicht bestand, das Land zu verteidigen und die Heimat vor feindlicher Gewalt zu schützen. Für seine Verehrer dagegen verkörpert Jägerstätter den christlichen Widerstand gegen das unchristliche NS-Regime.
Heute machen Geistliche und Laien, die oft unzutreffende Vorstellungen von der Vergangenheit haben,11 aus seinem Martyrium einen Mythos.
War Jägerstätter Märtyrer im Sinne der Kirche? „Ich sah, daß der Mann nach dem Martyrium und nach dem Sühneleiden dürstet“, überliefert Bischof Fließer.12 Doch nicht auf den Durst allein kommt es an, sondern auch darauf, ob das Leiden geeignet war, ihn zu löschen. Martyrer im Sinne der Kirche ist derjenige, der sein Zeugnis für Christus mit dem Tode besiegelt.13 Jägerstätter starb jedoch keineswegs, weil er dem katholischen Glauben anhing und diesen hätte verleugnen müssen. Verurteilt wurde er ausschließlich deshalb, weil er entgegen einer gesetzlichen Verpflichtung14 den Wehrdienst verweigerte und auf Zersetzung der Wehrkraft im Krieg die Todesstrafe stand.15 Katholisches Bekenntnis und Ablehnung des Nationalsozialismus waren für Jägerstätters Tod in keiner Weise kausal. Auch wenn er kein Katholik, ja selbst, wenn er ein um die Sache des Nationalsozialismus noch so verdienter „alter Kämpfer“ gewesen wäre, hätte er bei der gegebenen Rechts- und Sachlage zum Tode verurteilt werden müssen und wäre es auch worden.16

Verurteilte die Kirche den Krieg?

Zur Beurteilung seines Falles muß man auch berücksichtigen, daß Jägerstätter ja nicht etwa einen dem christlichen Sittengesetz widersprechenden Befehl verweigert hat und deswegen justifiziert wurde, sondern glaubte, ein Gesamturteil über die Politik des Dritten Reiches abgeben zu können, aufgrund dessen er den Wehrdienst verweigerte. Zu einem solchen Urteil konnte der oberösterreichische Bauer aber zum damaligen Zeitpunkt gar nicht kommen, zudem stand das Deutsche Reich auch mit der Sowjetunion im Krieg, die die Kirchen in einem in Deutschland völlig undenkbaren Maße verfolgte. Auch insgesamt hat die katholische Kirche diesen Krieg nicht verurteilt. Im Gegenteil, Kardinal Clemens August Graf von Galen, der durchaus regimegegnerische Bischof von Münster, schrieb am 14. September 1939 an den Klerus seiner Diözese: „Der Krieg, der 1919 durch einen erzwungenen Gewaltfrieden äußerlich beendet wurde, ist aufs Neue ausgebrochen und hat unser Volk und Vaterland in seinen Bann gezogen. Wiederum sind unsere Männer und Jungmänner zum großen Teil zu den Waffen gerufen und stehen im blutigen Kampf oder in ernster Entschlossenheit an den Grenzen auf der Wacht, um das Vaterland zu schirmen und unter Einsatz ihres Lebens einen Frieden der Freiheit und Gerechtigkeit für unser Volk zu erkämpfen.“17

Ein Unrechtsurteil?

Zu Unrecht unterstellt die Strafkam mer 17 des Landgerichtes Berlin, die auf Antrag der Staatsanwaltschaft und auf die Anträge der Hinterbliebenen18 mit Beschluß vom 7. Mai 1997 – 517 AR 2/97 – 2 P Aufh. 1/97 – das Todesurteil aufgehoben hat,19 dem erkennenden RKG politische Motive. Die im Aufhebungsbeschluß enthaltene Behauptung, Jägerstätter sei dem Feldurteil zufolge „aus politischen und religiösen Gründen verurteilt“ worden, ist zwar politisch korrekt, rechtlich und sachlich aber nicht haltbar. Die im aufgehobenen Feldurteil enthaltenen Feststellungen, wonach der Angeklagte der NSDAP nicht angehört, sondern den Nationalsozialismus ablehnt habe, seien nicht entscheidungsrelevant gewesen. Der Straftatbestand der Wehrkraftzersetzung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 KSSVO war eindeutig verwirklicht, die Todesstrafe hierfür in der Verordnung vorgegeben. Die von Jägerstätter vor Gericht ausdrücklich aufrechterhaltene Verweigerung ließ eine Einstufung als „minder schweren Fall“ mit dem geringerem Strafmaß gemäß Abs. 2 nicht zu.
Die Strafkammer erblickt die politische Motivation auch darin, daß sich das RKG nicht mit den Gründen befaßte, die Jägerstätter für seine Weigerung, mit der Waffe Dienst zu tun, anführte, sondern diese Gründe unter Heranziehung des § 48 MStGB für unbeachtlich erklärte: „Dabei drängte sich in diesem Fall eine nähere Prüfung geradezu auf, da der Betroffene den Wehrdienst nicht schlechthin ablehnte, wie seiner Bereitschaft, als Sanitätssoldat zu dienen, zu entnehmen war. Eine Wehrdienstverweigerung lag bereits tatbestandlich nicht vor. Dies folgt zumindest aus heutigen Rechtsmaßstäben, die der Beurteilung dieser Frage zugrunde zu legen sind…“
Unjuristischer geht es wohl nicht mehr! „Rechts- oder Unrechtsgehalt einer Handlung kann nur daran gemessen werden, ob sie sich in der Zeit ihrer Begehung als strafbares Unrecht darstellt, nicht aber kann sie am Zeitgeist späterer Jahre gemessen werden“, mahnt Samper. „Andernfalls müßte man zum Beispiel einen Hexenrichter, der auf Grund eines biologischen Wunders noch lebt, wegen Mordes vor Gericht stellen.“20
Das zeitgenössische RKG war an die Bestimmung des § 48 MStGB gebunden, wonach die Strafbarkeit einer Handlung oder Unterlassung nicht dadurch ausgeschlossen ist, „daß der Täter nach seinem Gewissen oder den Vorschriften seiner Religion sein Verhalten für geboten erachtet hat.“21 Irrelevant war somit, aus welchen Gründen sich Jägerstätter der Wehrdienstleistung widersetzte. Im übrigen hat Jägerstätter in den Tagen vor der Fahrt zur Kaserne ein Anerbieten des Gendarmen seines Heimatortes abgelehnt. Dieser wollte ein offizielles Gesuch an die Militärbehörde richten mit der Bitte, man möge Jägerstätter den Dienst ohne Waffe gestatten. Als sich Jägerstätter jedoch am 1. März 1943 in der Kaserne meldete, verweigerte er pauschal den Wehrdienst, was tags darauf zu seiner Festnahme führte. Wohl ventilierte er im Linzer Untersuchungsgefängnis die Möglichkeit einer Meldung zum Sanitätsdienst, verwarf aber den Gedanken wieder mit der Begründung, die Annahme eines beschränkten Dienstes bedeute doch nur, „daß dann ein anderer für ihn die Mordarbeit tun müsse.“22
Wäre Jägerstätter wirklich am Sanitätsdienst interessiert gewesen, dann hätte er gleich in der Kaserne den Dienst beginnen und ein Gesuch um Versetzung stellen müssen. Eine bewaffnete Macht, die sich im totalen Krieg gegen eine feindliche Übermacht befindet, kann sich nicht darauf einlassen, daß ihr von Wehrpflichtigen einschränkende Bedingungen diktiert werden. Ein derartiges Verhalten würde alle militärischen Dispositionsmöglichkeiten illusorisch machen. Als Jägerstätter am 6. Juli 1943 vor dem RKG stand, war der Verweigerungstatbestand längst gegeben. Trotzdem aber wäre sein Leben noch immer nicht verloren gewesen.
Daß die Militärgerichtsbarkeit stets bestrebt war, Angeklagte vor der Todesstrafe zu bewahren, geht aus zeitgeschichtlichen Untersuchungen von Seidler hervor: „Wenn der Verweigerer sich bis zur Hauptverhandlung überzeugen ließ, den Wehrdienst bedingungslos zu leisten, lag ein minder schwerer Fall gemäß § 5 Abs. 2 KSSVO vor, der mit Gefängnisstrafe zwischen einem und drei Jahren gesühnt werden konnte. Widerrief ein verurteilter Kriegsdienstverweigerer vor der Bestätigung des Todesurteils seine Entscheidung […], so konnte nach Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Täters das Urteil aufgehoben werden. Auch dann lautete das Strafmaß auf Gefängnis zwischen einem und drei Jahren. War ein ausgesprochenes Todesurteil […] schon bestätigt, so mußte der Verurteilte einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellen, wenn er sich angesichts des Todes zum Widerruf seiner Verweigerung bereiterklärte. War der Angeklagte in einer neuen Hauptverhandlung zum bedingungslosen Wehrdienst bereit, dann lautete das Strafmaß gleichfalls auf ein bis drei Jahre Gefängnis. Während des Krieges war die Strafe in der Regel in Strafeinheiten an der Front abzudienen. Die Möglichkeiten, in einen waffenlosen Dienst, z.B. den Sanitätsdienst, auszuweichen, gab es in der Wehrmacht nicht.“23
Die von Seidler rekonstruierte Praxis zeigt, daß sich die Militärgerichtsbarkeit nicht als Instrument politischer Verfolgung verstand. Den Richtern ging es nicht darum, Opfer auf das Schafott zu schaffen, sondern darum, die Normunterworfenen zur Erfüllung der Wehrpflicht zu bewegen. Zu den Pflichten eines jeden Staates, auch eines solchen mit einer kirchenfeindlichen Regierung, zählt der Schutz der Bürger vor äußerer Bedrohung. Dieser Aufgabe der Gefahrenabwehr aber kann der Staat im Kriegsfall nur dann nachkommen, wenn die Wehrfähigen den Dienst mit der Waffe nicht verweigern. Um sicherzustellen, daß die Bürger ihre Wehrpflicht erfüllen, muß Wehrdienstverweigerung bestraft werden. Jeglicher Wehrgerechtigkeit würde es jedoch Hohn sprechen, wenn der Staat von den Wehrdienstleistenden den Einsatz des Lebens verlangt, den Wehrdienstverweigerer aber durch eine faktische Überlebensgarantie bevorzugt. Hinzu kommt, daß der Verweigerer den Feind begünstigt, weil er dem eigenen Land Wehrkraft entzieht (vgl. „Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich“, Matth. 12,30). Somit scheint es zur Todesstrafe für Wehrdienstverweigerer im Krieg keine angemessene Alternative zu geben, die dem berechtigten Interesse des Staates an der allgemeinen Wehrpflicht Rechnung trägt.
Zum Märtyrer nach christlichem Verständnis gehört, daß dieser sein Leben für den Glauben opfert, ohne daß er dieses Opfer leichtfertig riskiert oder gar sehnsüchtig danach strebt.24 Da Jägerstätter den Tod nicht gefunden, sondern gesucht hat, erfüllt er auch nicht die Merkmale eines Märtyrers im Sinne der katholischen Kirche.

Anmerkungen

1 Wilfried Schulz: Das neue Selig- und Heiligsprechungsverfahren, Paderborn 1988; mit den Texten aller einschlägigen apostolischen Normen im Anhang.
2 Rosalia, * 1937; Maria, * 1938; Aloisia, * 1940. Außerehelich: Hildegard Auer, * 1933.
3 uk = Abk. für „unabkömmlich“; uk. und damit vom Wehrdienst freigestellt waren während des Zweiten Weltkriegs „in kriegswichtigen Stellungen tätig“ gewesene Personen (Der Große Brockhaus XI, 7. Aufl. 1957, S. 728).
4 Abk. f. Infanteriedivision.
5 Jägerstätter an Pfarrer Josef Karobath vom 23. Februar 1943, Text bei Erna Putz: Gefängnisbriefe und Aufzeichnungen. Franz Jägerstätter verweigert 1943 den Wehrdienst, Linz; Passau 1987. S. 24.
6 Gordon C. Zahn: Er folgte seinem Gewissen. Das einsame Zeugnis des Franz Jägerstätter, Graz; Wien; Köln 1967, S. 103 f.
7 Feldurteil des 2. Senats des Reichskriegsgerichtes vom 6. Juli 1943 – StPL (HLS) II 53/43 – StPL (RKA) I 98/43; Ausfertigung im Kriegsgeschichtlichen Archiv in Prag; Faksimile bei: Erna Putz: Franz Jägerstätter, „besser die Hände als der Wille gefesselt…“, 3. Aufl. Grünbach 1997, nach S. 290; Alfons Riedl; Josef Schwabeneder (Hg.): Franz Jägerstätter. Christlicher Glaube und politisches Gewissen; Thaur, Wien, München 1997, S. 331–333; Franz Jägerstätter. Zur Erinnerung seines Zeugnisses. Eine Handreichung, hg. Pax Christi Oberösterreich, erw. Neuaufl. Linz/Donau 2000 (Schriftenreihe der Abt. Gerechtigkeit – Friede – Schöpfung, Pastoralamt der Diözese Linz; 1), S. 20–22.
8 Vgl. Franz W. Seidler: Fahnenflucht. Der Soldat zwischen Eid und Gewissen, München; Berlin 1993, S. 130.
9 „Heiliger in der Einkaufstasche“, Sonntags-Rundschau, Linz/Donau, Nr. 44 A, 3. November 2002, S. 5.
10 Schreiben vom 27. Februar 1946 betreffend die Ablehnung der von Pfarrer Leopold Arthofer gewünschten Veröffentlichung über Jägerstätter, zit. bei Erna Putz: Franz Jägerstätter, S. 171.
11 Hilfreich zur Vergegenwärtigung der damaligen Zeitumstände: Fritz Süllwold: Deutsche Normalbürger 1933–1945. Erfahrungen, Einstellungen, Reaktionen. Eine geschichtspsychologische Untersuchung, München 2001.
12 Gordon C. Zahn: Er folgte seinem Gewissen, S. 191; Erna Putz: Franz Jägerstätter, S. 171.
13 Art. „Martyrer“, in: Wendelin Rauch, Jakob Hommes (Hg.): Lexikon des katholischen Lebens, Freiburg i. Breisgau 1952, Sp. 751.
14 Wehrgesetz vom 21. Mai 1935 (RGBl. I S. 609), in Österreich eingeführt mit VO vom 15. Juni 1938 (RGBl. I S. 631 = GBlÖ. Nr. 184).
15 § 5 Abs. 1 Nr. 3 der VO über das Sonderstrafrecht im Kriege und bei besonderem Einsatz (Kriegssonderstrafrechtsverordnung; KSSVO) vom 17. August 1938 (RGBl. 1939, Teil I, S. 1455).
16 Nach § 3 des Gesetzes zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1. Dezember 1933 (RGBl. I S. 1016) hatten Parteigenossen sogar erhöhte Pflichten auch gegenüber Volk und Reich und damit eine entsprechend „erhöhte strafrechtliche Verantwortlichkeit“ (Carl Haidn; Ludwig Fischer; Hans Frank: Das Recht der NSDAP, 2. Aufl. München 1937, S. 60–64). NSDAP-Mitgliedschaft wirkte daher rundsätzlich strafverschärfend und nicht strafmildernd.
17 In: Bischof Clemens August Graf von Galen, Akten, Briefe und Predigten, 1933–1946, Bd. II, Mainz 1988 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte; A42), Dok. 290
18 Witwe Franziska Jägerstätter und Töchter Rosalia Siegl, Maria Dammer und Aloisia Maier.
19 In Anwendung des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts auf dem Gebiet des Strafrechts – NS-StrWG – vom 5. Jänner 1951 (Verordnungsblatt für Berlin I Nr. 2, S. 31).
20 Rudolf Samper: Vergessene Wahrheiten. Ein Deutscher erinnert sich, Berg 1998, S. 74.
20 Die Bestimmung entstammt dem kaiserlichen Militärstrafgesetzbuch (MStGB) vom 20. Juni 1872 (RGBl. S. 174), wurde im unveränderten Wortlaut in die Novelle vom 10. 10. 1940 (RGBl. I S. 1348) übernommen und kann daher nicht als spezifisch „nationalsozialistisch“ abgetan werden.
22 Gordon C. Zahn: Er folgte seinem Gewissen, S. 77 f.
23 Franz W. Seidler: Fahnenflucht. Der Soldat zwischen Eid und Gewissen, München; Berlin 1993, S. 128.
24 Hans Maier: „Politische Martyrer? Erweiterung des Martyrerbegriffs in der Gegenwart“; in: Stimmen der Zeit 222 (2003/04), S. 291-305, hier: 292.



 
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