Antrittsvorlesung des jüdischen Historikers des George-Kreises, Ernst Kantorowicz, der insbesondere mit seiner Biographie F. von Hohenstaufen berühmt geworden war, gehalten bei Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit am 14. November 1933 (Auszüge)
„Das Thema dieser Antrittsvorlesung soll heißen: Das geheime Deutschland. Manchen von Ihnen wird unbekannt sein, daß dieser Begriff ‚das geheime Deutschland‘ schon seine Geschichte hat. Von Lagarde geprägt, hat Langbehn, der ‚Rembrandt-Deutsche‘, den Begriff übernommen und ihn in dem Sinn angewandt, daß er von Rembrandt, Beethoven, Goethe als den ‚wahren Kaisern des geheimen Deutschland‘ sprach ... Mit dieser Zuversicht, mit dem Glauben an das Sein eines ‚geheimen Deutschland‘ verband sich, zunächst nur bei einigen wenigen, auch der Glaube an die Nation und ihre glänzende Wiedergeburt. In den Jahren der größten wirtschaftlichen Not Deutschlands nach dem Kriege, die manche sonst stumme Saite wieder spannte und leise anklingen ließ, fanden sich wohl einige mehr, die sich zu einem ‚geheimen Deutschland‘ bekannten. Doch sie weiteten den Begriff nur auf, suchten sich das schwer zu Erringende etwas billiger zu gestalten, es mit ganz anderen Wesenheiten: Tageszielen und Sonderbelangen, Grüppchen und Bündchen zu verquicken, bis schließlich der Dichter selbst der Gefahr einer Verwässerung entgegentrat: in dem Gedicht ‚Geheimes Deutschland‘ ward ein mythisches Bild gegeben und mit ihm das Mysterium des anderen Reiches geschaffen. Unter den Zeichen einzelner Begegnungen mit Menschen seines Freundeskreises hüllt der Dichter hier die fremdesten, seltsamsten der wirkenden Mächte des ‚geheimen Deutschland‘ ein in die Unhebbarkeit von Lebensbildern, welche jeder Zersetzung trotzen und der Zerredung entrückt sind …
Unnötig, Ihnen nach dem Angedeuteten noch ausdrücklich zu erklären, daß man das ‚geheime Deutschland‘ weder als einen verbotenen Geheimbund suche, der irgendwo, noch als ein utopisches Hirngebilde höhne, das nirgendwo zu treffen sei. Das ‚geheime Deutschland‘ ist gleich einem Jüngsten Gericht und Aufstand der Toten stets unmittelbar nahe, ja gegenwärtig … ist tödlich-faktisch und seiend. Es ist die geheime Gemeinschaft der Dichter und Weisen, der Helden und Heiligen, der Opferer und Opfer, welche Deutschland hervorgebracht hat und die Deutschland sich dargebracht haben ... die Gemeinschaft derer, die – obwohl bisweilen fremd erscheinend – dennoch allein das echte Antlitz der Deutschen erschufen. Es ist als Gemeinschaft ein Götterreich wie der Olymp, ist ein Geisterreich wie der mittelalterliche Heiligen- und Engelsstaat, ist ein Menschenreich wie Dantes als ‚Humana civiltas‘ erschaute Jenseitswelt der drei Bezirke … es ist die in Stufen und Ränge geordnete Heroenwelt des heutigen, des künftigen und des ewigen Deutschland. Von dem ‚geheimen Deutschland‘ – gebunden dies
mal an den tatsächlichen deutschen Raum, obwohl weit über ihn hinausgreifend – gelte daher das Nämliche wie von allen Mysterien, … ‚dieses hat sich nie zugetragen, hat sich niemals begeben, aber es ist immerwährend und ewig‘.
Das will ich besagen: ein solches geheimes Reich, das niemals da war und doch ewig ist, erschließt sich uns so wenig wie die Mysterien einem jeden. Aber wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, der weiß, daß fast zu allen Zeiten, seit es ein ‚Deutsches‘ im emphatischen Sinne des Worts gab, bis zum heutigen Tag unabhängig von dem jeweiligen Zustand, der jeweiligen Verfassung des Reiches immer noch ein anderes Deutschland gewesen ist, welchem jenseits des öffentlich sichtbaren Reiches Wesen und Leben beschieden war. Es ist ein Seelenreich, in welchem immerdar die gleichen deutschesten Kaiser eigensten Ranges und eigenster Artung herrschen und thronen, unter deren Zepter sich zwar noch niemals die ganze Nation aus innerster Inbrunst gebeugt hat, deren Herrentum aber dennoch immerwährend und ewig ist und in tiefster Verborgenheit gegen das jeweilige Außen lebt und dadurch für das ewige Deutschland. ‚Das Beste ist (um hier Goethe, einen der Herrscher jenen geheimen Reiches, sprechen zu lassen) die tiefe Stille, in der ich gegen die Welt lebe und wachse und gewinne, was sie mir mit Feuer und Schwert nicht nehmen können.‘
… Suchen Sie also, wie dies Ihnen ansteht und zukommt, Ihren Götterhimmel und Ihre Richter? – nun gut: hier sind Ihre Götter, hier ihre Heiligen … hier ist das Forum, vor dem jedes Geschlecht, vor dem wir alle uns zu verantworten haben. Und von dieser Welt ein Etwas zu ahnen, geschweige zu fassen, ist keine Sache materialistischer Prädestination, sondern neben der selbstverständlichen Helle einzig und ausschließlich Sache der Ehrfurcht und Sache der Liebe! Das will sagen: Liebe zu der im ‚geheimen Deutschland‘ verkörperten Dreieinheit, die da heißt: Schönheit, Adel, Größe! Wer diese Liebe nicht aufbringt und nicht die Ehrfurcht, welche der Liebe entspringt und umgekehrt, oder wer glaubt, es besser zu wissen als jene Genien, der versuche sich ihnen niemals zu nahen: er erfaßt nichts als ein paar leere Redeformen ... das ‚geheime Deutschland‘ aber bleibt für ihn stumm wie jedes Reich der Mysterien und Mythen.
Denn ein solches Reich ist das ‚geheime Deutschland‘. Es ist ein Reich zugleich von dieser und nicht von dieser Welt … ein Reich zugleich da und nicht da … ein Reich zugleich der Toten und der Lebenden, das sich wandelt und dennoch ewig ist und unsterblich – gelenkt von seinen Kaisern und einem Adel, welcher sich nicht aus Zeugungsregeln, sondern durch die Zeugung geheimster Mächte erneuert und somit dem Wirken der Faten noch Raum läßt: Stammlos wachsen im gewühle / Seltne sprossen eignen ranges.
Lassen Sie mich von diesen Kaisern und von diesem Adel jetzt sprechen. Gewiß wäre es eine lockende Aufgabe, die Heldenschau dieses geheimen Reiches zu geben, die deutschen Hierarchien zu ordnen und ein genaueres Bild jener Heerscharen hervorzuzaubern. Aber wollte ich eine solche ‚Divina Commedia teutsch‘ schreiben, so reichte ein Leben nicht aus, und ich müßte ein Dante sein und nicht bloß ein Professor der Historik. Als solcher jedoch zunächst ein paar Worte über die Genealogie dieses Reiches und seine geschichtliche Stellung.
In diese Reihe der mythischen Politeien – hellenische Götterwelt, civitas Dei, humana civiltas – fügt sich das ‚geheime Deutschland‘ für alle kommende Zeit, die uns angeht, als das letzte Glied an. Wohl zeigt es als ein Menschenreich gewisse Verwandtschaft mit dem letztvorangegangenen Reich Dantes. Aber aus der universalen Christenheit war Europa geworden: nicht das christliche Denken blieb Maßstab der Werte im ‚geheimen Deutschland‘, und nicht die einheitliche Kultur der universalen Menschheitsgemeinde hat es zu wirken, sondern das ‚geheime Reich‘, wie es George zu sehen lehrte und in seinem Werk einfing, beschränkt sich auf den deutschen Raum, in dem es wurzelt und den es zu formen hat – gleichgültig wie weit der Dichter über die engeren Grenzen hinausgreifend das Unsterbliche der Genien andrer Rassen und Zeiten einbezog oder einzudeutschen versuchte, das heißt: der Substanz nach als deutsch begriff.
… Diese Erkorenen, welche dann bald die, bald jene abendländische Seinsart oder urmenschliche Kraft in deutscher Gestaltung verkörpern: sie sind die eigentlichen Träger, sind Kaiser und Adel des ‚geheimen Deutschland‘, und nur in ihnen enthüllt sich das deutsche Sein. Ihren Rang aber bestimmt das Maß ihres Teilhabens an jenen ‚Grundmächten der Tiefe‘ … Denken Sie überhaupt an die deutschen Kaiser des Mittelalters! Wirken sie denn nur fort als die Beginner einer glücklichen Ostpolitik, als die Leiter einer wenig glücklichen Innenpolitik und als die Erliegenden in Italien? Wahrhaftig, es wäre allzuviel nutzlos verschwendet, und enttäuscht könnte man fragen:
Tut so der Väter Berg sich auf? Gäbe es nicht die Antwort: als Träger eines großen tragischen Volksgeschicks, als die tieftragischen Figuren, die sie selbst gewesen, gehören diese Kaiser mit zu dem Erschütterndsten in der Weltgeschichte! Und als Gestalten einer heute fremden Welt wirken die Ottonen, Salier und Staufer fort im ‚geheimen Deutschland‘! Oder fragen Sie sich, ob nicht noch ein unbekannter Holbein ist: jener, dessen unzugänglich gläserne Klarheiten ihn im Zeitalter der gefeiertsten Seelenaufrührer – eines völkischen Luthers und faustischen Dürers – zum Wächter des anderen Reichs machten. Oder denken Sie an die unnennbare Einsamkeit, welche Friedrich dem Großen, die deutschen Urtiefen gebaren und welche – mehr vielleicht als mancher Waffensieg – ihn wie sein Land ‚überpreußisch‘ machte! Für sie alle und noch manch einen der wirklich Großen, welche man feiert und die volkstümlich scheinen, gelte das Gleiche wie für Goethe, von dem jeder weiß, daß er insgeheim noch unendlich viel Ungehobnes verschließt und … ‚daß an ihm dem strahlenden schon viel / Verblichen ist, was ihr noch ewig nennt!‘
Sind es hier noch unerschlossene Reichtümer der mehr volkstümlich Großen, so begegnet bei den anderen Herrschern des ‚geheimen Deutschland‘ immer wieder jene vermeintlich undeutsche Fremdheit, obwohl gerade sie die tiefsten Schächte erschürften. So ist es – um hier Beispiele zu nennen – bei dem ‚größten Friedrich‘, dem Stauferkaiser, dessen römische Artung noch heute die Geschichtsbücher klagen läßt; ‚aber er war kein Deutscher!‘ So ist es in späterem Jahrhundert mit dem seltsamen Spähsinn Hamanns und Herders, so mit Winckelmann, dessen Geheimes sich zwar Goethe erschloß, der jedoch dem großen Deutschland noch heute so fremd ist, wie er es dem nach-goethischen Zeitalter wurde. So ist es sogar mit Goethe selbst, dem sich Deutschland durch Feiern höchstens entfremdet, den man wohl Olympier nannte und ihn mit dieser Ehrung am ehrenvollsten Wesen fremd kennzeichnete, den man kaltherzig hieß und gar Feind unsres vaterlands, opfrer an falschem altar.
Niemals verzieh man ihm, daß er wie Hölderlin, wie Jean Paul, wie zeitweise auch Hegel in dem ‚Allgenannten‘, in Napoleon, den antikischen Heros der Zeit und die gleichgestimmte ‚Weltseele‘ erspürte. Diese Fremdheit galt auch für Hölderlin, den man als Griechenromantiker abtat, dessen Kritik an den Deutschen man gern überhörte, als ‚Entdeutschung‘ empfand … und der sich doch selber genannt hat: Gruft und Tempel, zu denen er die Künftigen mit Kränzen zu wallen lud. Und nicht weniger fremd blieben – ganz zu schweigen von einer Macht wie Jean Paul – unzählbare andre Deutsche … von den kleineren Sternen wie Platen, der in sonst nicht gekannter Reinheit dem Schönen Altäre errichtete, bis zu den größten Gestirnen, bis zu Nietzsche, der die Macht des ‚wahnsinnigen Gottes‘ erfuhr und der deutschen Umwelt fremd blieb, und bis zu George, den man wirklichkeitsfern und fremdländisch nannte, weil man ihn in die Bürgerwelt des öffentlichen Deutschland nicht einzureihen wußte. Immer galten die größten Genien als ‚undeutsch‘, weil sie einem billigen Einheitsschlag, den man jeweils ‚deutsch‘ hieß, gewiß nicht entsprachen … und dies bis in die Körperbildung und Gesten hinein. Denn so vergessen ist dem 20. Jahrhundert die wahrhaft königliche Haltung, daß der die echtesten Gestalten der Nation beschwörende Dichter den staufisch-fränkischen Königstyp des ‚Bamberger Reiters‘ ansprechen konnte als den ‚Fremdesten‘, dessen Wiederkunft er freilich verhieß: ‚Du Fremdester brichst noch als echter sproß / Zur guten kehr aus deines volkes flanke.‘
Doch das Fremdsein dieser Heroen des ‚geheimen Deutschland‘ fällt nicht ihnen zur Last. Sie sind so wenig undeutsch wie die Landschaft, die sie gehegt. Wenn jener römische Kaiser beim Eintritt in das Arkadien der Bergstraße ausrufen konnte: ‚Wo bin ich? Bin ich in Italien?‘ … wenn manchen Tag das Neckartal an Toskana erinnern kann … Münchens klare alpengekühlte Luft an die Klarheit südlicher Städte, wenn schwäbische Striche bisweilen an Frankreichs Zartheit gemahnen oder wenn gar ein Leuchten über den Uferhügeln des Rheins andere Visionen hervorrief Und nicht mehr neiden ließ den alt-ersehnten / Den Glanz des göttlichen des Inselmeers, wenn also die deutsche Landschaft schließlich Bilder des ganzen Europa hervorzaubern kann und dennoch nicht fremd und nicht undeutsch wird – sofern man nicht bloß nützliche Rübenäcker als die deutsche Landschaft anspricht –: dann darf man auch nicht die Menschen, die solcher Landschaft entsprechen, als fremd oder undeutsch empfinden. Nur das eine trifft zu: daß ‚alles in seiner Art Vollkommene über seine Art hinausgeht‘ ... daß also die Genien wie die Landschaft des ‚geheimen Deutschland‘, weil sie über ihre Art hinausgehen und überdeutsch scheinen, in Wahrheit nur das Vollkommen-Deutsche herausstellten. So ging das vollkommene Preußentum Friedrichs des Großen über Preußisches hinaus und griff schon ins Deutsche hinüber ... und so gilt immer wieder das Wort Goethes: ‚es müsse der vollkommene Deutsche stets mehr sein als deutsch‘, das heißt über-deutsch. Und so – im Sinne des Über-Deutschen – ist dann auch das so gefährlich scheinende Paradox Nietzsches zu verstehen: ‚um deutscher zu werden müsse man sich eindeutschen!‘
Indessen: kein Irrtum wäre größer als der, daß unsre Anbetung jener ewig-deutschen und über-deutschen Heroen des geheimen Reiches irgend etwas gemein hätte mit ästhetisch Blassem oder unverbindlich Allgemein-Menschlichem oder gar mit den Wünschen derer, die einem all-europäischen Einheits-Mischmasch das Wort reden wie jene modernen Literaten, deren unsaubere Hand an das Mysterium des ‚geheimen Deutschland‘ rührt, um sich somit den Verpflichtungen gegen die Nation zu entziehen und sich ‚europäisch-weltbürgerlich‘ zu heißen. Das ‚geheime Deutschland‘ darf nicht als Schutzschild dienen, hinter dem sich undeutsches und die Nation auflösendes Wesen bequem breit machen kann … sondern im Gegenteil: im ‚geheimen Deutschland‘ ist der innerste wesenhafte Kern der Nation selbst geborgen, und wer ihn einmal erschaut, ist auf ihn auch verpflichtet wie der Soldat auf die Fahne.
... Kein deutscher Shakespeare ohne Herder und Goethe … kein deutscher Dante ohne die Großen der katholischen Kirche, ohne Stefan George … kein deutsches Caesarbild ohne Karolinger, Ottonen, Salier und insbesondere die Staufer. Und vor allem: die geheime Verbundenheit des Deutschen mit Hellas – wo wäre sie sichtbar geworden, wenn nicht durch Winckelmann, wenn nicht durch Hölderlin, wenn nicht – um von anderen zu schweigen – durch Nietzsche und George? … So gehören hierher jene ‚Opferbereiten, die sterben für einen Traum‘. An den dritten Ottonen, das ‚Wunder der Welt‘, sei hier erinnert und an Konradin, die beiden letzten Sprosse der machtvollen Herrscherhäuser ... Knaben, in denen der deutsche Herrschertraum mit solcher Dichte zur Tat rief, daß es fast schien, Kinder könnten ihm Wirklichkeit geben. Und hierher gehören auch die Bewohner des ‚geheimen Deutschland‘, welche durch Anmut geadelt sind – seltsam verwandt den Opferbereiten, welche einem breiten Glück entsagend früh entrückt werden. Wer wollte unter ihnen einen Manfred, der um des sizilischen Reichstraumes willen bei Benevent das Leben ließ, wer wollte unter den Anmutigen einen Mozart missen, dessen Werk seine zarten Kräfte verzehrte. Immer ist Anmut einem inneren Adel verbunden und vom Opfer untrennbar: Was dient, sei sie auch mehr als frommer wahn, / Gleichheit von allen und ihr breites glück! / Wenn uns die anmut stirbt!
... So wird das Mythenreich des ‚geheimen Deutschland‘, welches zugleich da und nicht da, zugleich zeitlich und ewig ist, immer die Besten des heranwachsenden Deutschland in seinem Sinn formen. Wenn Jean Paul einmal sagt: ‚Ein Genius wie Caesar, Friedrich, Napoleon wirbt nur Menschen an, um sie als Helden abzudanken …‘, so wird das ‚geheime Deutschland‘, in welchem neben den Helden auch die Dichter und Weisen thronen, die jungen Deutschen zum Kult von Adel, Schönheit, Größe erziehen und sie dann vielleicht als Kalokagathoi entlassen, auf daß sie in Staat und Volk wirken. Nur in jenem geheimen Reich sind ja auch die ewigen Wahrheiten des Volkes geborgen. Darum sprechen Sie nicht mit jenem Politiker der Nachkriegszeit: ‚Wer sich für die ewigen Wahrheiten interessieren will, der bleibe bei seinen Büchern und möge nicht auf den Kampfplatz der Gegenwartsprobleme treten‘ (Max Weber). Denn dem sei entgegengehalten: ‚Wer von den ewigen Wahrheiten nichts weiß, kann auch auf dem Kampfplatz der Gegenwartsprobleme nichts erreichen.‘ Auch der Politiker muß – um mit Dante zu sprechen – zumindest – ‚von der heiligen Stadt die Türme sehen ...‘
Sie aber, die Sie Historiker sind oder werden wollen und sich aus ihrem Berufe heraus genötigt wissen, auch über die Vergangenheit zwar nicht zu richten, wohl aber zu urteilen und sie zu beurteilen: wie wollen Sie Ihrer Aufgabe gerecht werden, wenn Sie Ihr Urteil nur aus Ihrem kleinen Lebensraum, aus stiller Studierstube und aufgepeitschter Gasse allein schöpfen wollen? Keiner kann als Deutscher ein Historiker sein, der von dem ‚geheimen Deutschland‘ nichts weiß. Denn ‚Urteil erfordert Rang‘ ... den Rang aber kann keiner von sich aus ermessen, sondern kann ihn nur ablesen aus dem ‚Anderen‘, das außerhalb seiner ist und dennoch deutsch, eben: den unsterblichen Genien des ‚geheimen Deutschland‘. Nur auf diesem Hintergrunde betrachtet, gewinnt die Geschichte Leben und die ‚jeweils rechte‘ Beziehung, bis dereinst ‚geheimes Deutschland‘ und das sichtbare Reich miteinander eins werden, ineinander übergehen und einander nur widerspiegeln. So wie Dante das Mysterium der Menschwerdung Gottes erschaute, als er in dem göttlichen Licht – umrissen mit der eigenen Farbe des Lichts – die Züge schimmern sah ‚della nostra effigie‘, so mag – wenn sich die Verheißungen erfüllen – das wirkliche Deutschland in dem ‚geheimen Reich‘ mit den ihm gleichen Farben sich abzeichnen. Dann aber gibt es kein ‚geheimes Deutschland‘ der damaligen Zeit, das man ‚römisch‘ nennen mag, von den Staufern zum offiziellen Deutschland erhoben wurde und das im Berg nur auf seine Erweckung wartet. Bis dahin ist aber noch ein weiter Weg ... bis dahin hat noch über die verborgnen Kräfte das ‚geheime Deutschland‘ zu wachen, dessen Herrscher selbst unangreifbar und ewig dem jeweiligen Feinde innen und außen zurufen:
Hemmt uns! Untilgbar ist das wort das blüht.
Hört uns! Nehmt an! Trotz eurer gunst: es blüht –
Übt an uns mord und reicher blüht was blüht!