Vor 150 Jahren begann mit der Kriegserklärung der Türkei an Zar Nikolaus I. am 8. Oktober 1853 der Krimkrieg, der sich zwar fern der deutschen Lande abspielte, jedoch einen größeren Einfluß als allgemein angenommen auf unser Schicksal ausüben sollte. Neben vielen mittelbaren und unmittelbaren Einflüssen hatte dieser Krieg eine Schwächung Österreichs zur Folge in einer Zeit, als es in die letzte Runde um die Vorherrschaft in Deutschland und Europa ging. Der 24. Juni 1859 und der 3. Juli 1866 waren gewissermaßen Resultat des Krimkrieges. Grund genug, sich dieses Ringen etwas näher anzusehen.
Als der Krimkrieg ausbrach, hatte Rußland schon fünf Kriege gegen das Osmanische Reich binnen weniger als einhundert Jahren geführt. Bereits im ersten russisch-türkischen Krieg des Jahres 1768 hatte sich die turmhohe Überlegenheit Rußlands gezeigt. Die türkische Flotte war damals vollständig vernichtet worden, und dies, obwohl Rußland weder Zugang zum Schwarzen Meer, noch gar eine Schwarzmeerflotte besessen hatte. Die russische Ostseeflotte war nach der Umsegelung Europas der türkischen Flotte in den Rücken gefallen, um sie im Golf von Smyrna vollständig einzuäschern. Im Frieden von Kütschük-Kainartza konnte Rußland im Jahre 1774 nun Fuß an den Küsten des bisher völlig osmanisch dominierten Schwarzen Meeres fassen. Die Pforte mußte zudem der orthodoxen Religion auf dem Balkan Schutz zusichern sowie Rußland das Recht gewähren, eine Kirche in Istanbul zu bauen und zu unterhalten. Ein Interventionsrecht zugunsten kleinasiatischer Christen oder der Heiligen Stätten in Palästina war – wie später behauptet – in diesem Friedensschlusse jedoch nicht vorgesehen.
Bereits dieser erste russisch-türkische Krieg stand in einem engen Zusammenhang mit den deutschen Verhältnissen. Das gewaltig gestärkte Rußland übte einen schmerzhaft spürbaren Druck auf Österreichs Nordostflanke aus, und ein österreichisch-russischer Krieg schien unausweichlich. Durch diplomatische Verhandlungen in St. Petersburg gelang es, den Krieg auf Kosten des polnisch-litauischen Wahlkönigreiches zu vermeiden. In einer ersten polnischen Teilung erhielt die russische Kaiserin Katharina II. (die Große) alle Gebiete diesseits von Düna und Dnjepr, d.h. diejenigen Territorien, die als Ursprungsgebiet der „Rus“ seit dem 14. Jh. dem Großfürstentum Litauen angehörten. Österreich bekam den südlichen Teil Polens, „Kleinpolen“, sowie den Oberlauf des Dnjestr mit Rotreußen. Die bedeutendsten Städte dieser alsbald zu einem Königreich zusammengefaßten Territorien sind Tarnow, Przemysl, Lemberg, Zamosz, Brody und Tarnopol. Der Name des Königreiches „Galizien und Lodomerien“ leitete sich von Halitsch und Wladimir ab, altslawischen Fürstentümern in dieser Region. Preußen erhielt Westpreußen ohne Danzig und Thorn, das Ermland und den Netzedistrikt.
Es war vor allem Rußland, das ganz erheblichen strategischen Gewinn aus dieser und den folgenden polnischen Teilungen von 1793 und 1795 ziehen konnte. Die russischen Teilungsgebiete Weißrußland, Schwarzrußland, Kurland, Samogitien (Schamaiten), Litauen, Polesien, Wolhynien und Podolien waren etwa so groß wie ganz Deutschland. Man mag die pekuniäre Qualität dieser Erwerbungen gering schätzen, geostrategisch waren sie unbezahlbar. Rußland konnte seine Garnisonen vor den Toren Thorns, Tarnopols und Breslaus positionieren. Binnen 50 Jahren war die Ostgrenze des katholischen Europa um 1.000 km von Smolensk nach Gnesen verschoben worden. Vor den Teilungen stand Polen 300 km vor Moskau, nach den Teilungen stand das Zarenreich 300 km vor Wien und Berlin.
Die Gewinne aus der ersten polnischer Teilung und dem ersten türkischen Krieg hatten die Zarin nicht zufriedengestellt. Im Jahre 1787 brach der zweite russisch-türkische Krieg aus, der Rußland wiederum erhebliche Territorial- und Machtgewinne auf Kosten der Pforte bescherte. Rußland gewann die Krim sowie die Schwarzmeerküste bis zum Dnjestr und konnte Odessa gründen, das zum bedeutendsten Schwarzmeerhafen wurde. Zwei weitgehend bedeutungslose russisch-türkische Kriege spielten sich zwischen 1806 bis 1818 ab, sie wurden durch die Konkurrenz Frankreichs und Englands um Ägypten ausgelöst. Die Pforte hatte traditionell Schwierigkeiten, sich in Ägypten durchzusetzen, und versuchte diese Schwäche in Rußland zu kompensieren. Im Frieden von Bukarest verlor sie dann allerdings Bessarabien an Rußland, in den Donaufürstentümern Moldau und Walachei (aus denen später Rumänien hervorging) wurde sie erheblich geschwächt.
Die Neuorientierung der Mächte im Mittelmeerraum führte im Jahre 1821 zu dem von einem Geheimbund vorbereiteten griechischen Aufstand. Dieser Aufstand zog sich über fast ein Jahrzehnt hin und wurde in vielen europäischen, namentlich deutschen Staaten von einem künstlich entfachten „Philhelenismus“ begleitet. Die Aufstände waren durch ihre demokratische Motivation geeignet, die Freiheit und Sicherheit der Christenheit zu bedrohen und die „Heilige Allianz“ zwischen Österreich, Preußen und Rußland zu schwächen. Viele sonst gutwillige Kräfte wollten dies nicht sehen, sie schufen statt dessen „Griechenlieder“ – so der Dichter der Winterreise, der Anhaltiner Wilhelm Müller. Bismarck kommentierte solche Wallungen später mit dem ironischen Wort: „Die Leidenschaft für den Freiheitskampf feindlicher Völker ist eine Krankheit, die eigentümlicherweise nur Deutsche befällt.“ Der Aufstand mündete in den fünften russisch-türkischen Krieg, der durch den Frieden von Adrianopel im Jahre 1829 beendet wurde. In dem durch den preußischen General Müffling vermittelten Friedensschluß wurde das südliche Griechenland ohne Kreta und Thessalien unabhängig von der Pforte. Rußland hatte dem in die Defensive geratenden Österreich Kooperation und Herrschaft über Serbien, Bosnien und den ganzen Westbalkan angeboten. Im Friedensschluß begnügte sich der seit 1825 regierende Zar Nikolaus I. dann mit Teilen Armeniens und dem Donaudelta.
In den vier Jahre später vereinbarten Konventionen von Münchengrätz und Berlin wurde die Hl. Allianz nochmals bekräftigt und feste Zusammenarbeit bei allen im Zusammenhang mit der Pforte auftauchenden Problemen vereinbart. Der Druck Rußlands auf den Balkan und Kleinasien führte im Jahre 1841 zum Dardanellenvertrag, der nichttürkischen Schiffen die Durchfahrt durch die Meer
engen verbot. Dieser Vertrag war aber nicht geeignet, den russischen Druck einzudämmen.
Frankreich fühlte sich durch die anhaltenden russischen Aktivitäten herausgefordert und der schlaue Pseudo-Kaiser Napoleon III. sann auf Mittel und Wege, sowohl dem Zaren entgegenzutreten als auch den noch festgefügten Block der Heiligen Allianz zu sprengen. Was ihm am Rhein nicht gelingen konnte, das sollte in Bethlehem glücken.
Napoleon III. überredete den Sultan dazu, den französischen „Lateinern“, römisch-katholischen Mönchen, im Jahre 1852 den Schlüssel zur Geburtskirche in Bethlehem auszuhändigen. Der Zar, der sich als Schutzherr der Heiligen Stätten fühlte, sah sich herausgefordert, und dies nicht nur wegen der Schlüsselübergabe. Die Pforte plante nämlich auch den Abbau der mittelalterlichen Schutzgemeinschaften, der Millets, und versuchte unter dem Einfluß verderblicher Egalitätsvorstellungen eine „Gleichheit“ der Bürger vor dem Recht durchzusetzen. Dieses französisch inspirierte Unternehmen war in der Tat geeignet, die Christen im Machtbereich der Pforte in große Gefahr zu bringen. Gewährte ihnen doch vor allem die Schutzgemeinschaft der Millets unter der Obhut der Pforte Existenz- und Selbstbestimmungsrecht. Die Zukunft sollte zeigen, wie dringend nötig sie diesen Schutz hatten.
Der Zar leitete aus dem Frieden von Kütschük-Kainartza ein Schutz- und Interventionsrecht nicht nur für die Heiligen Stätten Palästinas, sondern auch für alle Christen im Reiche der Pforte her. Im Februar 1853 verlangte der Zar durch seinen Gesandten Fürst Menschikow die Rückgabe der Kirchenschlüssel und die Beibehaltung der Privilegien für die Millets. Der Sultan war zu einem Kompromiß bezüglich der Heiligen Stätten bereit, jedoch nicht dazu, die russischen Wünsche bezüglich der inneren Verfaßtheit des Osmanischen Reiches zu akzeptieren und den Zaren als Schutzherren aller orthodoxen Christen des Osmanischen Reiches anzuerkennen. Obwohl der Zar dem Sultan Hilfe gegen westliche Übergriffe anbot, kam es Ende Mai 1853 zum diplomatischen Bruch. Am 30. Mai 1853 kündigte Nikolaus in einem Brief die Besetzung der Donaufürstentümer Moldau und Walachei als Faustpfand an und bat Kaiser Franz Joseph, Serbien und Montenegro zu besetzen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, daß Nikolaus I. zu keinem Zeitpunkt und niemandem gegenüber je die volle Herrschaft über den Balkan verlangt hatte, sondern Österreich stets eine Teilung desselben vorschlug. Aus seiner ganzen Politik und aus vielen Äußerungen ist deutlich zu erkennen, daß er von einer Interessenharmonie der Allianzstaaten völlig selbstverständlich ausging. In einem Gespräch mit Lord Seymour, dem britischen Gesandten in St. Petersburg, fragte ihn dieser, warum er nie von Österreich redete. Die Antwort des Zaren war: „Wenn ich von Rußland rede, rede ich von Österreich, denn unsere Interessen sind vollkommen identisch.“
Der Zar baute auf Unterstützung der britischen Regierung unter George Hamilton-Gordon. Tatsächlich hatten sich die Briten jedoch längst entschieden, in der aktuellen Auseinandersetzung dem Sultan den Rücken zu stärken. Am 14. Juni 1853 kreuzte deshalb eine englisch-französische Flotte am Eingang der Dardanellen zwischen den heute noch türkischen Inseln Imroz und Tenedos (Boczada) auf und ging dort vor Anker. Zwei Wochen später überschritt Fürst Gortschakow auf Befehl des Zaren mit zwei Heeresabteilungen den Pruth, seit 1812 Grenze zwischen Rußland und dem Fürstentum Moldau. Gortschakow blieb aus Rücksicht auf Österreich und Preußen an der Donau stehen.
Unter der orthodoxen Bevölkerung des Balkan wurde alsbald eine rege Propaganda entfacht, daß das Vorgehen des Zaren dem Schutze des Glaubens diene. Diese konnte allerdings die nichtorthodoxe Bevölkerung der Donaufürstentümer und Bulgariens kaum beeindrucken, da die zaristische Religionspolitik keinen guten Ruf genoß. In den drei polnischen Teilungen und dann auf dem Wiener Kongreß hatte der Zar nicht nur die meisten griechisch-katholischen Diözesen, sondern auch riesige römisch-katholische Anteile Litauens und Polens erworben. Er ging bald zu einer Anpassung der kirchlichen Einrichtungen seiner westlichen Territorien an die russisch-orthodoxe Kirchenorganisation über. Ganze Diözesen wurden Rom entfremdet und den Patriarchen unterstellt, die Rechte der romtreuen polnischen Kirche empfindlich eingeschränkt.
Diese Politik war von den katholischen Herrschern und vom Papst zunächst weitgehend ignoriert worden. Da jedoch die Gewaltakte und die Rechtlosigkeit nicht hatten enden wollen, verurteilte der Hl. Vater diese Maßnahmen in einer Ansprache am 22. Juli 1842. Dies zeitigte Wirkung, da der Zar gerade wegen seiner Interessen am Balkan nicht im schlechten Licht dastehen wollte. Im Dezember 1845 kam es zu einem persönlichen Treffen zwischen Nikolaus I. und Papst Gregor XVI., und am 3. August 1847 wurde ein Konkordat zwischen dem Zaren und dem Hl. Stuhl abgeschlossen. Trotzdem besserten sich die Zustände nicht wirklich, schon gar nicht, wenn man sie an katholischen Maßstäben und dem Freiheitsgrade mißt, der in Österreich herrschte und allen Fremdgläubigen gewährt wurde. Der Zar ließ sich nicht einmal dazu herbei, eine Nuntiatur in St. Petersburg zu genehmigen. Statt dessen versuchte er den Unions-Spieß umzudrehen und die unierten Diözesen von Rom zu trennen. Dabei hatte er jedoch ebenso wenig Erfolg wie ein Jahrhundert zuvor der Preußenkönig Friedrich II. in Schlesien.
Die Klagen über diese Zustände, geschickt mit chauvinistischer Propaganda vermengt, hatten Rußland einen sehr schlechten Ruf eingebracht. Für die antirussischen Fraktionen in Wien, Berlin und Frankfurt ergab sich ein reiches Argumentationsmaterial, mit dem die deutschen Fürsten beständig konfrontiert wurden. Nikolaus reiste persönlich nach Olmütz, um für Unterstützung zu werben. Er traf die Herrscher Österreichs und Preußens, konnte aber bei ihnen nicht viel erreichen. Um sich die Neutralität Österreichs und Preußens zu erhalten, versprach der Zar immerhin, die Donau nicht zu überschreiten.
Der Sultan drohte am 4. Oktober 1853, nachdem er den Christen des Osmanischen Reiches feierlich die Wahrung aller ihrer Rechte erklärt hatte, dem Zaren mit Krieg, falls dieser die Donaufürstentümer nicht sofort wieder räume. Da der Zar dieses Ansinnen umgehend abwies, erklärte die Pforte am 8. Oktober den Krieg. Omer Pascha überschritt die Donau, bereits damals die Nordgrenze des der Pforte locker angehörigen Bulgarien.
Admiral Nachimow fuhr nun über das Schwarze Meer und vernichtete am 30. November die im Hafen von Sinope liegende türkische Flotte. Es zeigte sich, daß eine noch so gute Flotte aus hölzernen Schiffen einem Beschuß mit modernen Kanonen nicht standhalten kann. Rußland, vor wenigen Jahrzehnten nicht einmal im Besitze eines Ufers, wurde mit diesem Sieg zur Beherrscherin des Schwarzen Meeres, wenn auch nicht der Meerengen. Durch den Erfolg fühlten sich England und Frankreich als Seemächte endgültig herausgefordert. Ihre Flotten durchquerten im Januar 1854 die Dardanellen, das Marmarameer und den Bosporus und erschienen im Schwarzen Meer. In einem von Österreich und Preußen unterstützten Ultimatum forderten England und Frankreich die Räumung der Donaufürstentümer binnen zwei Monaten.
Der erst 23 Jahre alte Kaiser von Österreich wurde beraten von seinem Außenminister Buol-Schauenstein. Dieser war kein liberaler Westler, wie gelegentlich unterstellt wurde, er dachte österreichisch, und sein Ziel war eine Stärkung der österreichischen Macht. Um dieses Ziel zu erreichen, schwebte ihm eine Germanisierung der Konflikte vor mit dem Hintergedanken, Österreich zu stärken und Preußen zu schwächen. Bereits auf dem Wiener Kongreß und vielfach seither hatte es eine bedenkliche Tendenz gegeben, Österreich aus Deutschland abzudrängen und gleichzeitig Preußen zur einzigen deutschen Führungsmacht zu erheben. Buols Ziel war es, verbündet mit den Westmächten, Preußen in einem europäischen Kriege auf die russische Seite zu drängen, um es zu besiegen und massiv zu schwächen. Ein derartiger Sieg hätte eine Neugestaltung Deutschlands und Europas ermöglicht. Sachsen hätte seine angestammten Gebiete in der Niederlausitz und zwischen Elbe und Saale zurückbekommen, Österreich Schlesien und Polen gewinnen und Rußland auf seine "natürlichen" Grenzen zurückgeführt werden können, d. h. auf die Grenzen vor der zweiten polnischen Teilung.Dieser Plan hätte allerdings nur dann realisiert werden können, wenn Österreich und mit ihm Staaten des Deutschen Bundes auf Seiten des Westens in den Krieg eingetreten wären. Daran war jedoch nicht zu denken. Im Gegenteil, Preußen nutzte die Kriegsgefahr geschickt aus und scharte das verängstigte "dritte Deutschland" um sich. Es verharrte in Neutralität, verdiente gut als Kriegslieferant für Rußland und gewann in dem Konflikt mehr als alle anderen Mächte. Österreichs Position hingegen war eine Neutralität "ohne Raffinesse" (Pethö). Es tat viel zu wenig um den Westen zu gewinnen, verprellte hingegen den Zaren zutiefst. Die Senioren und Militärs, allen voran Feldmarschall Radetzky, sowie der ganze Hof waren einmütig der Meinung, daß die Ehre und die Interessen Österreichs die Aufrechterhaltung guter Beziehungen mit Rußland erforderten, das 1849 dem Kaiser geholfen hatte, das aufständische Ungarn zu besiegen. Die Liberalen, die Linken und das Kapital hingegen warnten vor einem angeblich zu starken und bedrohlichen Rußland und plädierten für einen Kriegseintritt auf Seiten des Westens. Metternich fürchtete ein zu starkes Rußland, für einen Kriegseintritt wollte er allerdings nicht plädieren, da er die großen Gefahren sah, die eine Feindschaft Rußlands mit sich bringen konnte.Im März lief das alliierte Ultimatum ab, doch die Russen überquerten die Donau und besetzten die Dobrudscha, das heißt das Gebiet zwischen Donau, Donaudelta und Schwarzem Meer. Damit hatten sie auch ihre Abmachungen mit Österreich und Preußen gebrochen. Am 28. März 1854 erklärten England und Frankreich Rußland den Krieg. Paschkiewitsch erhielt den russischen Oberbefehl und stieß gegen Bulgarien vor. Die Alliierten beschossen Odessa und landeten an der später von DDR-Urlaubern so außerordentlich geschätzten Küste der Dobrudscha bei Warna. Bereits jetzt grassierten unter ihren Truppen Krankheiten und Seuchen wie die Cholera. Im Mai 1854 betrugen die alliierten Verluste bereits etwa 15.000 Mann. Frankreich und England stellten ein erneutes Ultimatum, das nicht erfüllt wurde. Auch Österreich drohte am 3. Juni in einem Ultimatum mit Kriegseintritt, wenn der Zar sich nicht aus den Donaufürstentümern zurückzöge. Zwei Wochen später gestatte die Pforte Österreich, die Fürstentümer nach Abzug der Russen zu besetzen. Im Juli 1854 räumte Rußland dann die Donaufürstentümer auf den gemeinsamen österreichisch-preußischen Druck hin. Am 20. April hatten Österreich und Preußen eine Neutralitätsallianz abgeschlossen. Bei der friedlichen Besetzung der Walachei konnte sich Österreich auf preußische Rückendeckung stützen. Mit der österreichischen Besetzung der Fürstentümer war der Plan der Westmächte, am Schwarzen Meer entlang gegen Odessa vorzustoßen, hinfällig geworden. Sie beschlossen statt dessen, ihre Operationen in Richtung Sewastopol zu führen. Sewastopol, am Südwestzipfel der Krim gelegen, war der bedeutendste Seekriegshafen Rußlands, von hier aus war Nachimow gegen Sinope vorgestoßen.Im September 1854 landeten die Alliierten unter St. Arnaud mit 27.000 Engländern, 25.000 Franzosen und 7.000 Türken bei Eupatoria auf der Krim. Es gelang ihnen, die Russen unter Fürst Menschikow, den zuvorigen Botschafter, an der Alma zurückzuwerfen. Sie versäumten die sofortige Einnahme von Sewastopol, nahmen allerdings den Hafen Balaklawa ein, der ihnen fortan als Brückenkopf und Nachschubhafen diente. Die russische Kriegführung war vor allem durch Nachschubwege von geringer Qualität behindert. So gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Eisenbahnen auf der Krim. Rußland besaß lediglich die Eisenbahnlinie Moskau-St. Petersburg, immerhin die längste der Welt, und Warschau-Wien. Die Verbindung Warschau-Moskau war damals gerade erst im Bau. Trotzdem gelang es Menschikow Sewastopol durch den baltendeutschen Artillerieoffizier Todtleben in fast uneinnehmbarer Form ausbauen zu lassen. Sein Werk wurde durch die Tatsache begünstigt, daß auch der alliierte Nachschub über See nur sehr problematisch funktionierte. Viele herangeschaffte Güter versanken im Schwarzen Meer, andere verrotteten in mangelhaften Lagerstätten. Die Alliierten mußten zur Belagerung schreiten, einer Belagerung, die erstmals die Formen des modernen Stellungskrieges annahm.Inzwischen war auch Arnaud an der Cholera gestorben. Ihn löste Canrobert ab. Er befahl den am 17. Oktober erfolgenden ersten Angriff auf die Festung, der zurückgeschlagen wurde. Am 5. November erfolgte der als "Schlacht bei Inkermann" bekannte zweite Angriff, der den Alliierten geringe Gewinne bescherte. Eine Woche nach der Schlacht bei Inkermann kam ein Sturm auf, Regen und Kälte ließen England den Feldzug fast beenden. Weggeschwemmte Versorgungsstraßen vom Hafen, Krankheit und Erschöpfung machten die Alliierten mehrere Monate lang kampfuntauglich. Aber auch auf russischer Seite sah es nicht besser aus. Es fehlten Ersatztruppen, es gab keine Spitäler, überall wurden Tote und Verletzte gelagert. Das Verhältnis Arzt:Patient betrug 1:500, die Sterberate mindestens 50%. Auch der aufopferungsvolle Einsatz des Chirurgen Pirogow auf russischer Seite und der übrigens stark katholisch motivierten Krankenschwester Florence Nightingale auf britischer Seite schuf nur leichte Linderung.Österreich trat im Dezember 1854 dem westlichen Bündnis bei und stellte bedrohliche Streitmächte in der Moldau und in Galizien auf. Es wurde beantragt, das deutsche Bundesheer zu mobilisieren. Damit drang Österreich jedoch nicht durch, da Bismarck geschickt die Kriegsfurcht des Bundes schürte. Prinz Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser, war für den Krieg, sein Bruder, König Friedrich Wilhelm IV., lehnte den Kriegseintritt ab mit den Worten: „Nie werde ich als Alliierter des Islam das Schwert gegen eine christliche Macht ziehen.“ In die Kämpfe selbst griff Österreich nicht ein. Doch wurden zwei Drittel der überhaupt in Rußland verfügbaren Kräfte durch den österreichischen Aufmarsch an den gemeinsamen Grenzen gebunden. Diese Tatsache war ohne Zweifel kriegsentscheidend.
Am 17. Februar 1855 scheiterte ein russischer Angriff bei Eupatoria. Bald darauf wurden 15.000 Mann aus Piemont-Sardinien unter Lamarmora auf die Krim geschafft und bei Inkermann und an der Tschermaja als Kanonenfutter eingesetzt. König Viktor Emanuel II. von Piemont-Sardinien ging es lediglich um ein Mitspracherecht bei der Friedenskonferenz und um eine günstige Ausgangsposition für weitere gegen Österreich geplante Kriege. Der 18. Juni 1855 wurde zum Wendepunkt. Menschikow schien die Evakuierung Sewastopols der einzige Ausweg, nicht wissend, daß auf seiten der Alliierten ebenso große Verzweiflung herrschte. Da ein ehrenhafter Rückzug nicht möglich war, sollte ein alles entscheidender Großangriff gegen die sehr starken Stellungen der Alliierten am Tschernajfluß geführt werden. Dieser zunächst hoffnungslose Angriff wurde zurückgeschlagen, und die Alliierten konnten sich von da an ganz auf die Einnahme Sewastopols konzentrieren. Das letzte Bombardement von Sewastopol begann am 18. August und dauerte fast drei Wochen. Die Alliierten konnten dabei modernere Waffen einsetzen. Bei dem anschließenden Sturm erlitten sie schwerste Verluste, konnten jedoch die strategisch entscheidende Kornilow-Bastion einnehmen. Dies war die Entscheidung. Die Russen ließen nun den Rest der Festung sprengen und zogen sich zurück. Der Rückzug wurde über eine schwimmende Holzbrücke abgewickelt, eine logistische Meisterleistung Menschikows und seiner deutschbaltischen Offiziere. 349 Tage hatte Sewastopol standgehalten, nun war Rußland fast am Ende seiner Kräfte. Murawiew eroberte noch die türkische Festung Karst und nahm deren Kapitulation entgegen. Doch konnte dieser Sieg nicht über die tiefe russische Erschöpfung hinwegtäuschen. Eine Woche später trat überraschenderweise Schweden, das sich seit Poltawa (1709) von Auseinandersetzungen mit Rußland ferngehalten hatte, dem Bündnis des Westens bei.
Das Schwarze Meer war nicht der einzige Kriegsschauplatz des Krimkrieges. Die Alliierten wurden auch in der Ostsee tätig und eroberten im Jahre 1853 die russische Festung Bomarsund auf den Ålandinseln. Hier wurden, ähnlich wie in Galizien, starke russische Kräfte gebunden. Zu Kampfhandlungen kam es auch in Kola und Kamtschatka. Lediglich die Traditionen des Kabinettkrieges verhinderten eine Ausweitung zum Weltkrieg.
Am 28. Dezember 1855 erfolgte ein erneutes österreichisches Ultimatum an den Zaren. Dieser gab am 4. Januar 1856 nach und erklärte sich bereit, Frieden zu schließen. Am 25. Februar 1856 begann der Pariser Friedenskongreß. Walewski, Sohn von Napoleon I. und Maria Walewska, welche seinerzeit Napoleon I. nach Elba gefolgt war, leitete die Verhandlungen. Am 30. März 1856 wurde der Friedensvertrag unterzeichnet. Das Osmanische Reich blieb im wesentlichen unbeeinträchtigt. Lediglich Serbien, Bulgarien, Moldau und die Walachei wurden von nun an statt unter die Suzeränität der Pforte nun unter eine gemeinsame Suzeränität der Vertragsmächte gestellt. Die Christen im Osmanischen Reich wurden dem Schutze des Zaren entzogen und unter den höchst zweifelhaften Schutz der Vertragsmächte gestellt, die Donauschiffahrt wurde erleichtert.
Die Entmilitarisierung des Schwarzen Meeres konnte kaum als Fortschritt angesehen werden. Immerhin wurde Rußland zurückgedrängt. Es trat seinen Anteil der Donaumündung sowie einen Teil Bessarabiens, einen etwa 50 km tiefen Streifen jenseits von Pruth und Donau, an das Fürstentum Moldau ab.
Zar Nikolaus I. war tief enttäuscht am 2. März 1855 in Sankt Petersburg gestorben. Die Bilder Franz Josephs und die vielen Andenken an Österreich hatte er längst aus seinem Arbeitszimmer und den Gemächern verbannt.
Seine Enttäuschung über Österreichs Haltung faßte er in die Worte: „Eher will ich Polen die Freiheit schenken, als daß ich diesen Verrat vergesse.“ Sein ganzes Herrscherleben hatte sich Nikolaus erfolgreich der Bekämpfung von Liberalismus und Revolution gewidmet und dabei weder Mühe noch solidarische Anstrengung zugunsten der Allianzmächte gescheut.
Die letzten Worte des Zaren auf dem Totenbett galten dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV., den er bat, die gemeinsamen Interessen nicht zu vergessen.