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Konrad Lorenz und Bambi – Faschisten unter sich

Von Wolfgang Dvorak Stocker

Im Herbst letzten Jahres erschien ein Buch zweier Wiener Journalisten, die nachwiesen, wie sehr sich Lorenz für das nationalsozialistische Regime begeistert hatte, und behaupteten, seine ganze Forschungsarbeit sei von diesen politischen Ideen geprägt. Ja, die ganze heutige Verhaltensforschung sei keine seriöse Wissenschaft, weil Autoren wie Eibl-Eibesfeld und Antal Festetics Forschungsergebnisse von Konrad Lorenz zitierten, ohne auf dessen Sympathie für den NS hinzuweisen. Aber was haben politische Überzeugung, Konfession oder Rasse bei der Bewertung wissenschaftlicher Theorien verloren? Verhalten sich nazistische Graugänse anders als antifaschistische? Ist die Algebra fragwürdig geworden, weil Adam Riese an den Hexenverbrennungen nichts auszusetzen hatte? Und gab es solche Versuche, ganze Forschungsrichtungen mittels politischer Verfemung auszuschalten, nicht schon einmal, zu der Zeit nämlich, als man noch von „jüdischer Wissenschaft“ sprach?
Doch die Naturwissenschaften gehorchen eigenen Gesetzen. Theorien müssen nicht diskreditiert, sondern falsifiziert werden. So kann, wer will, die Forschungen eines Konrad Lorenz Stück für Stück überprüfen und revidieren bzw. neue Theorien entwickeln, die besser geeignet sind, den vorhandenen Wissensstand umfassend zu interpretieren. Dies geschieht auch laufend und Konrad Lorenz wäre der Letzte, der etwas dagegen einzuwenden gehabt hätte. Was aber sollen die Hinweise auf seine politische Haltung in den 30er Jahren? Weder sind sie dazu angetan, die naturwissenschaftliche Forschung weiterzubringen, noch schmälern sie in irgendeiner Weise die großen Verdienste, die sich Lorenz nach dem Krieg um Österreich erworben hat.Hinter dieser verqueren Argumentation steht aber etwas ganz anderes: Das Mißtrauen der „political correctness“ gegen die Naturwissenschaften. Kein Wunder, wenn die Genforschung schon jetzt alle Milieutheorien widerlegt hat, und zwar von der Entwicklung der Intelligenz bis hin zum Unterschied von Mann und Frau, der eben auch nicht bloß Resultat bürgerlicher Rollenbilder des 19. Jahrhunderts ist.Jüngst traf der Bannstrahl den jüdischen Schriftsteller Felix Salten, dessen 1923 erschienenes Kinderbuch „Bambi“ das faschistische Führerprinzip propagiere. Und tatsächlich herrschen im Rotwildrudel keineswegs demokratische Zustände, gilt im Reiche der Hirsche immer noch das Recht des Stärkeren und ist es mit der Emanzipation der weiblichen Tiere auch nicht gut bestellt. So etwas aber auch! Der Verdacht liegt nahe, daß es sich bei den meisten der uns umgebenden Tierarten um Faschisten handelt. Die „politische Korrektheit“ ist nichts als eine neue Religion, deren fundamentaler Glaubenssatz lautet, daß es keine wesensmäßigen Unterschiede zwischen Menschen oder Völkern gibt bzw. geben darf. Wer das leugnet wird verketzert und wer sich dem nicht beugt, der Unmenschlichkeit geziehen: Die Kirche, die Frauen nicht zu Priestern weiht und homosexuellen Pärchen das Sakrament der Ehe verweigert, der Staat, der Ausländern nicht die gleichen politischen Rechte wie Inländern zugesteht, ein Volk, das die kulturelle Identität seines Siedlungsraumes bewahren und deshalb Zuwanderung begrenzen möchte etc. Unterschiede zwischen Menschen soll es nur mehr auf folkloristischer Ebene geben, auf der des Lebensstils, den man sich frei wählt und jederzeit ändern kann.Die Naturwissenschaften widersprechen diesem Dogma, wenn sie belegen, daß die Unterschiede im Verhalten und in den Fähigkeiten der Menschen genetisch programmiert sind, und sie widersprechen diesem Dogma, wenn sie aufzeigen, daß das Bedürfnis nach Territorialität und Abrenzung, nach hierarchischen Strukturen mit Über- und Unterordnung, nach Unterschied also, ebenfalls zu den nicht wegzudiskutierenden Grundanlagen des Menschen zählt. Die Glaubenswächter des neuen Dogmas mögen dagegen die Faschismuskeule schwingen, helfen wird es ihnen auf die Dauer nichts.

 
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