Der größte Skandal in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik fand statt, als die Wiedervereinigung mit der DDR gelungen war. Für einen großen Teil ehemaliger DDR-Bürger wurde die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes außer Kraft gesetzt, und mit wahrheitswidrigen Behauptungen wurde die Rückgabe geraubten Eigentums, das zwischen 1945 und 1949 enteignet worden war, verweigert, um durch dessen Verkauf von Staats wegen die Folgen der Vereinigung zu bezahlen. Dadurch wurde eine Minderheit von etwa 1,7 Millionen Mitbürgern vom Schutz des Grundgesetzes gegenüber staatlicher Willkür ausgegrenzt, von der Justiz verhöhnt, von den Medien totgeschwiegen und von den Politikern bewußt nicht beachtet.
Die „Welt am Sonntag“ berichtete am 26. November 2000: „Die Bodenreform enteignete fast 3,3 Millionen Hektar land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche sowie 750.000 Fabriken, Wirtschafts- und Wohngebäude samt allem lebenden und toten Inventar. Nach der Wiedervereinigung hofften die Enteigneten, im Rechtsstaat Bundesrepublik ihr rechtmäßiges Eigentum zurückzuerhalten. Insgesamt 2,120.000 Menschen stellten Anträge auf Rückgabe vor und nach 1949 enteignetem Grundbesitz. In 400.000 Fällen wurde die Rückgabe angeordnet. 800.000 Anträge wurden abgelehnt. 220.000 Betroffene zogen ihre Anträge aus Angst vor den Kosten juristischer Verfahren zurück. Über 700.000 Anträge waren auch zehn Jahre nach der Einheit nicht entschieden.
Die Bundesregierung behauptete, die Sowjets hätten ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung davon abhängig gemacht, daß an den Resultaten der Bodenreform nicht gerüttelt werden dürfe, obgleich Gorbatschow das Gegenteil erklärte.
1991 urteilte das Bundesverfassungsgericht dann, daß die Rückgabe nicht ganz ohne Entschädigung und Ausgleich verweigert werden dürfe. Daraufhin verabschiedete der Bundestag ein Entschädigungs- und Ausgleichsgesetz. Die Finanzminister zahlten allerdings den Beraubten grundsätzlich weniger, als die Beute wert war – bis zu 80 Prozent.“
Helmut Kohl hatte am 30. Januar 1990 vor dem Deutschen Bundestag wahrheitswidrig erklärt: „Der Fortbestand der Maßnahmen zwischen 1945 und 1949 wurde von der Sowjetunion zu einer Bedingung für die Wiedervereinigung gemacht. Ich sage klar: Die Einheit Deutschlands durfte an dieser Frage nicht scheitern.“ Nichts davon war wahr!!!
Michael Gorbatschow sagte dazu: „Zu den Fragen der Restitution habe ich mich wiederholt geäußert. Sämtliche Verhandlungen, Vereinbarungen, Beschlüsse, offizielle Erklärungen, die mit der Wiedervereinigung Deutschlands verbunden sind, wurden veröffentlicht. Nur sie allein sind politisch und juristisch wirksam. Es gab und es gibt keine geheimen Abkommen und Vereinbarungen. Es gibt nicht einmal geheime Gentlemen’s Agreements in diesem Sinne. Von dem Moment an, als ich dem Bundeskanzler gegenüber erklärt hatte, daß die eigentlichen inneren Angelegenheiten im Rahmen des Wiedervereinigungsprozesses durch die Deutschen selbst zu entscheiden sind, hielt ich mich strikt daran. Das Thema Restitution des enteigneten Besitzes wurde auf der höchsten Führungsebene niemals angesprochen. Es ist absurd, wenn man mir unterstellt, ich hätte diese Forderung nach dem Verbot der Restitution als Vorbedingung für meine Zustimmung zur Wiedervereinigung gefordert“ (Zitiert nach „FAZ“ vom 17. März 1998).
Nur die Aussage Kohls lag dem 1. Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrunde. Aber selbst diese Aussage hätte nach Auffassung des Völkerrechtlers Theodor Schweisfurth nicht zu dem Urteil führen dürfen. Denn wenn die Vorgabe der sowjetischen Zuständigkeit richtig gewesen wäre, müßten die Maßstäbe des Völkerrechts beachtet werden, was Roman Herzog (damals Verfassungsrichter)und seine Kollegen nicht taten. Das Völkerrecht sagt völlig eindeutig, daß privates Eigentum nicht für Enteignungen durch Besatzungsmächte in Betracht kommt, und im Grundgesetz heißt es in Artikel 25 eindeutig: „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“ Somit verging sich die Bundesregierung gegen zwingendes Völkerrecht!
Seit Jahren wird nun in ganzseitigen Anzeigen in der überregionalen Presse auf diese Unwahrheit hingewiesen Dabei werden Kohl, Wolfgang Schäuble und andere CDU/CSU-Politiker als Lügner, Diebe, Hehler, Heuchler, Betrüger und Kriminelle bezeichnet, die Prozeßbetrug begangen, den Rechtsstaat beschädigt und den Amtseid gebrochen haben. Es wurde ihnen vorgeworfen, Akten verfälscht, Halbwahrheiten lanciert und wichtige Dokumente unterschlagen zu haben. – Und keiner von ihnen klagte.
Nachdem die CDU/CSU/FDP-Bundesregierung 1998 abgelöst wurde, hieß es in einem offenen Brief am 7. Januar 1999 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ an den neuen Bundeskanzler Schröder: „Herr Bundeskanzler Schröder, geben Sie dem Land die Gerechtigkeit zurück, die ihr Vorgänger so schlimm geschädigt hat. Die Gerechtigkeit, die Sie bei Regierungsantritt dem deutschen Volk versprochen haben.“ – Eine falsche Hoffnung, denn am 14. August 2000 berichtete dieselbe Zeitung:
„Die jüngste Verwerflichkeit, nun von der Regierung Schröder und der rot-grünen Koalition ins Werk gesetzt, ist das kurz vor der Sommerpause durchgebrachte Vermögensrechts-Ergänzungsgesetz, das auch CDU und FDP im Bundesrat klaglos passieren ließen. Es streicht den im Einigungsvertrag festgeschriebenen vorrangigen Rechtsanspruch auf ein Ersatzgrundstück, es verschenkt von Opfern beanspruchtes Land an den Naturschutz und nimmt ihnen obendrein den zugesicherten Sonderrabatt, falls sie es überhaupt durchbekommen, ihr Eigentum wenigstens zurückkaufen zu dürfen.“
Auch der damalige Bundespräsident, Roman Herzog, wurde in einem ganzseitigen offenen Brief am 10. Juni 1999 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gefragt:
„Herr Bundespräsident, Sie haben gesagt:
‚Die wichtigste Erfahrung aber war für mich immer, wie der Weg zum gegenseiti
gen Verständnis erst durch rückhaltlose Offenheit and Wahrhaftigkeit geöffnet wurde, auf beiden Seiten.‘
Die Opfer der grausamen Enteignungen fragen:
Welche Wahrhaftigkeit ist die wichtigste Erfahrung?
Die Wahrhaftigkeit, mit der Sie Helmut Kohl als sein ehemaliger Justizminister in Rheinland-Pfalz, sein Duz-Freund and schließlich Präsident am Verfassungsgericht geholfen haben, dieses schreiende Unrecht zu zementieren?“
In einem Brief an die ‚Süddeutsche Zeitung‘ vom 20. März 1998 schrieb ein empörter Bundesrichter:
‚In der juristischen Fachliteratur ist nachzulesen, daß der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Roman Herzog, die Volkskammer der DDR beraten hat, den Rechtsbestand der Konfiskationen in der Sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1949 im Grundgesetz abzusichern, obwohl er wußte, daß er über die von ihm damit herbeigeführte verfassungsrechtliche Frage wenig später als Senatsvorsitzender mit zu entscheiden haben würde. Seine daraus folgende Befangenheit hat er den anderen Senatsmitgliedern verschwiegen.
Darüber hinaus terminierte er die Sache als Vorsitzender so kurzfristig, daß es den Betroffenen bis zur mündlichen Verhandlung unmöglich war, die Unwahrheit der von der Bundesregierung vorgetragenen Legende nachzuweisen, obwohl sie sich schon damals aufdrängte. Wußte er, daß es sich um eine Legende handelt?‘
Mit dieser, Ihrer ‚Wahrhaftigkeit’, haben Sie nicht nur der Gerechtigkeit in unserem Lande Schaden zugefügt, sondern auch der Demokratie. Das enteignete Bürgertum der DDR hat auf den Rechtsstaat, der mit der Wende kommen sollte, vertraut.“
Keiner der so beschuldigten Politiker setzte sich gegen diese Anschuldigungen zur Wehr, weil sie wußten, daß sie zu Recht bestanden.
Die Verharmloser dieses Rechtsbruchs weisen gerne darauf hin, daß angeblich nur „Junkergut“ nicht zurückgegeben wurde. Auf die Frage aber, über wieviele Immobilien der Staat aus den Enteignungen verfügt, antwortete einer der Initiatoren dieser Protestbewegung, der Hamburger Heiko Peters, in einem Interview mit der „Welt“ vom 3. Januar 2000 wie folgt: „Bei der Treuhandanstalt wurden aus der gesamten Zeit der kommunistischen Herrschaft Rückgabeanträge für 2,2 Millionen Grundstücke gestellt. Davon stammen ca. ein Drittel, also 750.000 Immobilien, aus der Zeit von 1945–1949. Besonders betroffen von den Enteignungen war damals das wohlhabende Bürgertum mit seinen vielen Unternehmerfamilien aus Handwerkern, Klein- und Großindustriellen und Landwirten. Hätten diese Familien nach der Wiedervereinigung ihren früheren Besitz zurückerhalten, wären in den neuen Bundesländern rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze entstanden. Die fehlen heute.“
Nur ein geringer Teil dieser Immobilien war in den Händen der vielleicht 1.500 Großgrundbesitzer gewesen. Aber selbst wenn es nur um diese eineinhalb Tausend Betroffenen ginge, wäre es in einem Rechtsstaat völlig unzulässig, Bürgern ihr Recht vorzuenthalten und sie zu diskriminieren, weil sie viel Land besessen haben. Doch wie bereits ausgeführt, war die Frage des Großgrundbesitzes nur die vorgeschobene Begründung für die Verweigerung der Rückgabe. Vielen Klein- und Kleinstbesitzern der ehemaligen DDR wurde mit der Behauptung Angst eingejagt, die „Junker“ würden sie nach einer Restitution aus ihren Häusern und Häuschen jagen. Dabei wurde jedoch zweierlei unterschlagen: Einerseits hatten die Alteigentümer bereits akzeptiert, daß neu entstandene Eigentumsrechte nicht angerührt werden sollten und von vorn herein auf die Rückgabe von an Siedler verteilten Landes verzichtet. Zum Zweiten ist der Umfang dieser neu entstandenen Eigentumsverhältnisse am gesamten enteigneten Besitz äußerst gering. Die weitaus überwiegende Anzahl der Liegenschaften war den damals staatlichen „volkseigenen“ Betrieben zugeschlagen worden, den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG’s) etwa, die durch Rechtsnachfolge weiterhin im Besitz des Staates blieben bzw. in die Hände der ehemaligen kommunistischen Kader übergegangen sind. Keinem der Alteigentümer ging es also darum Menschen, die zu DDR-Zeiten legal Eigentum erworben hatten, dieses nun wegzunehmen, sondern lediglich um jene Grundstücke, die nach 1990 in den Staatsbesitz der Bundesrepublik Deutschland gelangt sind. Doch die – immerhin konservative! – Regierung verweigerte die Rückgabe dieses Besitzes und bereicherte sich damit als Dieb und Hehler am kommunistischen Beutegut. Geschädigt wurden nicht nur die „Junker“ und „Großgrundbesitzer“ sondern auch die im Zuge von Zwangskollektivierungen enteigneten Kleinbauern, der bürgerliche Mittelstand sowie die aus der DDR Geflohenen, deren Besitz eingezogen worden war. Das wirtschaftliche Engagement dieser Menschen fehlt in mitteldeutschen Ländern bis heute.
Diese Sicht der Dinge wurde vom Sprecher der CDU in den „Neuen Ländern“, Michael Luther, bestätigt:
„Peters hat recht. Wir müßten zurückgeben, und zwar im Interesse des Landes Wir müßten zurückgeben im Interesse der Rechtsstaatlichkeit. Wir müßten zurückgeben, weil wir uns einfach die hohen Subventionen, weil wir uns die Arbeitslosigkeit nicht mehr leisten können“ (nach einem Bericht der „Jungen Freiheit“ vom 25. Februar 2000).
Die Innovationskraft der 1,7 Millionen Enteigneten könnten die „Neuen Länder“ dringend gebrauchen. Der steckengebliebene „Aufbau Ost“, die hohen Arbeitslosenzahlen und die wirtschaftlich triste Situation, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, belegen dies überdeutlich. In diesem Zusammenhang hat Heiko Peters im „Ostpreußenblatt“vom 17. August 2002 einen interessanten und praktikablen Vorschlag gemacht: Den Enteigneten, denen bisher die Restitution verweigert wurde, soll als Entschädigung von der Bundesrepublik Deutschland eine auch übertragbare und freie handelbare Steuergutschrift, je nach dem Wert des enteigneten Besitzes, zugeschrieben werden, die nur dann vollständig angerechnet werden kann, wenn ein gleich hoher Betrag im Laufe der nächsten Jahre auf dem Boden der Ex-DDR investiert wird. Mit dieser Konstruktion würden viele ehemalige Mittelstandsfamilien ermutigt, sich doch noch in der ehemaligen DDR zu engagieren. Andererseits würde das Interesse von wohlhabenden Firmen und Bürgern – die ja letztlich Steuergutschriften gut gebrauchen können – auf Investitionsmöglichkeiten in Mitteldeutschland gelenkt, sodaß auch diese zum Aufschwung vor Ort beitragen könnten.
Bislang ist aber die Situation so: Das von Stalin geschaffene Unrecht wurde 1990 zum Recht der Bundesrepublik Deutschland. Selbst Überlebende des 20. Juli 1944 und ihre Angehörigen bekommen ihr Eigentum nicht zurück. Betroffen waren u.a. Hans Albrecht von Boddin, Philipp Freiherr von Boeselager, Axel Freiherr von dem Busche und Albrecht von Maltzahn, der in einem Leserbrief resigniert, aber zutreffend schrieb: „Staatsklugheit gebietet es, nur diejenigen auszuplündern, die für den eigenen Machterhalt nicht nötig sind. Nichts Neues unter der Sonne.“ Hans Albrecht von Boddin schrieb am 12. Juni 1996 an die Stiftung 20. Juli 1944: „Meine Teilnahme am diesjährigen Gedenktag in Berlin sage ich ab. Als einer der wenigen am Leben gebliebenen und heute noch lebenden aktiven Teilnehmern des 20. Juli 1944 empfinde ich es als unerträgliche Mißachtung unseres Widerstandes gegen Nazigewalt und -unrecht, daß die derzeitige Regierung sich anmaßt, den aus dem deutschen Osten stammenden Widerständlern als besonderen Dank für selbstlosen Einsatz Familienbesitz, die geliebte Heimat mit Haus und Boden zu rauben und zu verscherbeln.“
Als die Glaubwürdigkeit Kohls durch die Spendenaffäre und ein fragwürdiges Ehrenwort nachhaltig erschüttert war und die SPD dazu einen Untersuchungsausschuß forderte, wurde wiederum in einer ganzseitigen Anzeige am 22. November 1999 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ die Frage gestellt, warum für den „größten Skandal in der deutschen Nachkriegsgeschichte des Deutschen Bundestages“ kein Untersuchungsausschuß gefordert werde. „Alle Abgeordneten wissen es und schweigen“, hieß es. Ein trostloser Zustand in einem „Rechtsstaat“ – doch ist die BRD noch einer?
Nach den Urteilen von 1991 und 1996 hatte das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, ob diese nach den vorliegenden Erkenntnissen noch Bestand haben können, und entschied am 22. November 2000 erneut gegen die Betroffenen. Auf einen Nenner gebracht, lautet das Urteil: Diejenigen, die insbesondere von den kommunistischen Machthabern auf dem Boden der ehemaligen DDR ihres Eigentums beraubt wurden und ihr Vermögen nicht in Natura zurückerhalten, müssen sich mit sogenannten Ausgleichsleistungen zufriedengeben, die in der Regel fünf Prozent des heutigen Verkehrswertes nicht übersteigen.
Nachdem nunmehr alle Instanzen in Deutschland entschieden haben, können die Betroffenen nun ihr Recht vor dem Europäischen Gerichtshof einklagen. Ein Richter dieses Gerichtes hat nach einem Bericht des „Ostpreußenblattes“ vom 9. Dezember 2000 bereits geäußert:
„Nachdem in Deutschland der Instanzenweg ausgeschöpft ist, haben wir nun endlich die Möglichkeit, den deutschen Rechtsstaat wieder auf die Füße zu stellen.“