Archiv > Jahrgang 2002 > NO IV/2002 > Das ehemalige Deutsch-Südwestafrika 

Das ehemalige Deutsch-Südwestafrika

Von Achim Lang

Die „Schlacht am Waterberg“, nach der das aufständische Volk der Herero „in die Wüste getrieben“ wurde, gilt bis heute als der große schwarze Fleck in der Kolonialgeschichte des deutschen Reiches. 1998 versuchten Hereros eine finanzielle Entschädigung seitens der Bundesrepublik Deutschland für den an ihnen begangenen „Völkermord“ zu erhalten, was freilich sowohl von Bonn wie vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag abgewiesen wurde. Doch schon 1919 haben die Siegermächte des Ersten Weltkriegs mit der Begründung, die Deutschen seien nicht fähig, ihre Kolonien angemessen und menschlich zu verwalten, diese eingezogen. Ein Rückblick auf die deutsche Geschichte Namibias.

Die Ureinwohner Namibias sind keine „Schwarzen“. Die kleinwüchsigen Buschmänner und ihre größeren, ebenso eine mit Schnalzlauten durchsetzte Sprache sprechenden Verwandten, die Hottentotten (Namas) sind von gelblicher Hautfarbe und gehören nicht der negroiden Großrasse an. Erst vor einigen Jahrhunderten kamen die wohl aus dem Gebiet der großen Seen stammenden Bantu-Stämme der Ovambo, Kavango und Herero ins Land. Gerade beim kriegerischen Stamm der Hereros finden sich in Sprache, Kultur und Aussehen noch viele Ähnlichkeiten mit den ostafrikanischen Watussi. Während die als Jäger und Sammler lebenden Buschmänner von den Schwarzen wie Tiere gejagt und bald in unwirtliche Gegenden wie die Kalahari abgedrängt wurden, entspann sich zwischen den beiden als viehzüchtende Nomaden lebenden Völkern der Hottentotten und Hereros ein blutiger Kampf um Weideflächen und Wasserlöcher. Den Hereros gelang es, mit ihrer gefürchteten Waffe, den sogenannten Knopfkeulen, die Namas immer weiter nach Süden zu drängen, und ihnen einen Großteil des Landes zu entreißen. Noch ein weiterer schwarzafrikanischer Stamm lebte damals schon in Namibia: Die Damara, ein wohl aus dem Sudan stammendes Sklavenvolk, das die eigene Sprache und Kultur völlig verloren hatte und den Hottentotten untertan war. Dieses geriet nun unter die Herrschaft der Hereros.
Doch ab dem Jahr 1820 begannen die Hottentotten zurückzuschlagen. Im Kapland war es einem diesem Volke zugehörigen Stamm gelungen, von den Buren Feuerwaffen zu erwerben. Mit ihnen unterwarf Jonker Afrikaner die anderen Stämme und marschierte gegen die Herero. Bald hatte er das ganze Gebiet bis zur Etoscha-Pfanne unter seine Herrschaft gebracht und begründete eine neue Siedlung, die heutige Hauptstadt Windhoek. Auch die formelle Unterwerfung der Herero konnte das Morden nicht stoppen, Jonker Afrikaner rottete ganze Stämme aus. In der Zwischenzeit aber war mit Kamahero auch dem Gegner ein überragender Häuptling herangewachsen, der seinem Volk ebenfalls Gewehre beschaffen und den Gegenschlag einleiten konnte.
Schon damals lebten deutsche Priester der „Rheinischen Missions-Gesellschaft“ in Südwest, die 1868 den preußischen König baten, ihre Tätigkeit in dem herrenlosen Land durch preußische Waffen zu schützen. Doch Bismarck beschränkte sich darauf, die Bitte an Großbritannien, das die benachbarte Kap-Kolonie regierte, weiterzuleiten. Auch die immer noch schwer bedrängten Hereros hatten 1874 den Engländern ein Protektorat angetragen: Großbritannien zeigte sich aber am unwirtlichen Land desinteressiert und beschränkte sich auf die Besetzung der Walfisch-Bucht, des einzigen natürlichen Hafens Namibias.

Lüderitz

Doch nun kam ein Kaufmann ins Land. 1883 erwarben Abgesandte des Bremer Kaufherrn Adolf Lüderitz für 600 Britische Pfund und 260 Gewehre einen etwa 200 km langen Wüstenküstenstreifen von dem ortsansässigen Hottentotten-Häuptling. Der Kaufpreis war so gering nicht – er entsprach etwa dem Siebenfachen eines guten britischen Jahreseinkommens und bezog sich – entgegen manchen Darstellungen heutiger Journalisten – auf einen nur winzigen Teil des heutigen Namibia. Das erworbene Gebiet war eine reine Steinwüste, für die Besiedlung völlig ungeeignet, und auch der Versuch, Bergbau zu treiben, schlug fehl. Lüderitz, der über eine halbe Million Mark in das Unternehmen gesteckt hatte, war mit seinen Finanzen bald am Ende und mußte sein Gebiet weiterverkaufen. Den richtigen „Riecher“ aber hat er wohl gehabt – später wurden in seinem ehemaligen Gebiet reiche Diamant-Vorkommen entdeckt. Unterdessen hatte jedoch das deutsche Reich das ganze Land zwischen der portugiesischen Kolonie im Norden und dem britischen Gebiet im Süden unter seinen Schutz gestellt, um den mittlerweile erwachten englischen Begehrlichkeiten entgegenzutreten.
1888 traf der erste Reichskommissar, Dr. Heinrich Göring, in Deutsch-Südwestafrika ein. Als erstes besuchte er das Hauptquartier Kamaheros, um mit ihm einen Schutzvertrag abzuschließen. Während seiner Anwesenheit wurde das Lager von den Hottentotten angegriffen, wobei Göring im Kugelhagel die verwundeten Hereros pflegte und ihre Schußverletzungen versorgte. Kamaherero war davon so beeindruckt, daß er sich unter deutschen Schutz stellte. Dazu waren nun freilich Soldaten nötig. Bismarck jedoch lehnte die Entsendung deutscher Soldaten ab und Göring konnte über die Kolonialgesellschaft nur eine Polizeitruppe aus 20 eingeborenen Soldaten mit 7 weißen Offizieren und Unteroffizieren aufstellen. Damit war an eine effiziente Befriedung des Landes nicht zu denken. Mindestens 150 Mann, so schrieb Göring an Bismarck, seien dazu nötig, doch nicht einmal diese verhältnismäßig kleine Truppe wurde entsandt. Vergeblich versuchte er, den Führer der Hottentotten, Henrik Witbooi – einen von Missionaren erzogenen tiefgläubigen Christen – mit friedlichen Mitteln, sprich in Briefen, dazu zu bringen, von seinem Vernichtungskrieg Abstand zu nehmen. Doch der hochintelligente Witbooi fand keine Veranlassung dazu – sein Volk war von den Hereros, denen man einen Hang zur Grausamkeit nicht absprechen konnte, fast ausgerotten worden. Nun sah er eine Möglichkeit, den Krieg zu seinen Gunsten zu entscheiden, und dieser Krieg, zwischen Nomadenvölkern um Wasserlöcher und Weidegebiete geführt, war tatsächlich ein Überlebenskampf. Die Hereros hatten sich freilich unter Schutz etwas anderes vorgestellt. Schließlich wandten auch sie sich gegen Göring, dem nichts anderes übrigblieb, als sich nahezu fluchtartig in das britische Gebiet rund um die Walfischbucht zurückzuziehen.
Später wurde das ehrliche Bemühen des ersten deutschen Gouverneurs um Frieden mehr gewürdigt, und die Göring-Straße Swapokmunds behielt auch unter der stark links orientierten Regierung des neuen Namibia mehr als 10 Jahre lang ihren Namen – sehr zum Erstauen vieler Touristen, die nicht wußten, daß sie nach dem Vater des späteren Reichsmarschalls benannt worden war.

Leutweins Friedenspolitik

Als neuer Reichskommissar kam Curt von François ins Land, gemeinsam mit der beeindruckenden Streitmacht von gerade 21 Mann, die allerdings binnen drei Jahren auf 212 Soldaten anwuchsen. Nun war der Zeitpunkt gekommen, gegen Henrik Witbooi vorzugehen, der zwar mittlerweile mit den Hereros Frieden geschlossen hatte, aber die Herrschaft der  zahlreich nach Südwest strömenden Weißen nicht akzeptieren wollte. Ein langwieriger Guerillakrieg begann, bei dem die Deutschen von den mittlerweile ins Land gewanderten Rehobot-Basters – kapholländische Mischlinge zwischen Weißen und Hottentotten, die bis heute in Namibia ein Eigenleben führen – unterstützt wurden. 1893 wurde François, der mit seiner ungenügenden Truppenstärke dem Krieg kein Ende bereiten konnte, durch Major Leutwein abgelöst. Diesem gelang es, mit einer weiter verstärkten Schutztruppe Witbooi in einer Entscheidungsschlacht unter schweren Verlusten (27 von 100 Soldaten fielen) zu besiegen. Die Friedensbedingungen waren überaus milde und führten zu heftiger Kritik an Leutwein, der Witbooi und seinen Männern sogar die Waffen beließ. Doch damit war bis zum großen Herero-Aufstand, also für fast zehn Jahre, der Friede hergestellt. Leutwein, der Einvernehmen mit den afrikanischen Stämmen als Voraussetzung seiner Politik betrachtete, sah sich allerdings zunehmend großen Schwierigkeiten gegenüber.
Südwestafrika war als Siedlungsgebiet vorgesehen, doch der dazu nötige Raum mußte erst von den nomadisierenden Stämmen erworben, also angekauft werden. Dabei ging es nicht immer mit rechten Dingen zu, auch benahmen sich viele Siedler gegenüber der einheimischen Bevölkerung alles andere als angemessen. Die „Rheinische Mission“ intervenierte mehrfach, um solche Praktiken zu unterbinden und versuchte schließlich, für die Einheimischen die Schaffung von reservierten Stammesgebieten zu erlangen, in denen kein Landerwerb durch Weiße mehr möglich war, ein Gedanke, dem auch Leutwein zuneigte. Andererseits muß festgehalten werden, daß die neue Form der Farmwirtschaft, die die Weißen ins Land brachte, ungleich mehr Menschen auf der gleichen Bodenfläche ernähren konnte, als die traditionelle, nomadisierende Viehwirtschaft der afrikanischen Stämme.
Insbesondere der neue Oberhäuptling der Hereros, Maharero, verkaufte viel Land. Durch seinen Alkoholismus und auch sonst auffälligen Lebensstil hatte er großen Geldbedarf. Da ihm als Oberhäuptling de jure alles Land gehörte, das er an die einzelnen Häuptlinge weiterzuverteilen hatte, verkaufte er ohne Skrupel, was er zur Finanzierung seines aufwändigen Lebensunterhaltes nötig hatte. Den eigenen Stammesbrüdern gegenüber stellte er es allerdings so dar, als sei er von den Weißen zu den Verkäufen genötigt worden und versprach ihnen, alles wieder zurückzuholen.
Eine weitere Verschärfung der Situation trat durch umherziehende Händler ein, die den Eingeborenen Waren zu oft überhöhten Preisen auf Kredit verkauften, wodurch sich die Situation der schwarzen Bevölkerung stetig verschlechterte. Leutwein versuchte, dies zu unterbinden, indem er den Handel zwischen Weißen und Eingeborenen nur gegen Barzahlung gestatten wollte. Als sich eine Durchsetzung dieses Gebots aufgrund einer Interventation der Kolonialbehörde, an die sich die Betroffenen gewandt hatten, als nicht möglich erwies, verordnete er stattdessen, daß alle Kredite eine nur mehr einjährige Laufzeit haben würden. Damit wären Ende 1904 alle vor diesem Jahre gestellten Kredite fällig geworden. Dies schuf die Ausgangslage zum folgenden Aufstand.

Der Hererokrieg

Als im Süden des Landes in einem kleinen Stamm der Hottentotten ein Aufstand ausbrach, verbreitete sich rasch das Gerücht, der dorthin geeilte Leutwein sei gefallen. Damit war die Stunde Mahareros gekommen. Die anderen Häuptlinge der Hereros und auch er selbst fühlten sich nicht mehr an ihre Versprechungen gebunden. Nach ihrem Denken waren sie Leutwein persönlich verpflichtet, nicht aber einem abstrakten Gebilde wie dem deutschen Reiche. Am 12. Januar 1904 schlugen die Hereros los und ermordeten im Gebiet von Okahandia alle deutschen Männer, deren sie habhaft werden konnten. Missionare, Frauen, Kinder und nichtdeutsche Männer blieben aber – und dies ist der Kriegsführung der Hereros durchaus anzurechnen – in der Regel verschont. Da die Häuptlinge in anderen Gebieten erst später losschlugen und die örtliche Bevölkerung gewarnt werden konnte, blieben die Verluste der deutschen Zivilbevölkerung in Grenzen. Als disziplinierte, kampfgewohnte und mit modernen Hinterladergewehren bewaffnete Truppe waren die Hereros aber eine echte Herausforderung für die deutsche Kolonialherrschaft. Leutwein konnte dieser mit seinen begrenzten Mitteln nicht Herr werden. Nun entsandte das Reich eine bald auf Divisionsstärke anwachsende Truppe unter dem Kommando von Generalleutnant Lothar von Trotha, durch den sich Leutwein bald entmachtet sah. Die Herero versammelten sich mit Frauen und Kindern am Waterberg und stellten sich dort dem Gegner. Nach einem mehrtägigen Gefecht zog sich der von drei Seiten eingeschlossene Stamm nach Osten in das wasserlose Sandfeld der Omaheke zurück. In niederschlagsreicheren Jahren wäre es ihnen fraglos möglich gewesen, ohne allzugroße Verluste die sicheren Grenzen der britischen Kolonie Betschuanaland (Botswana) zu erreichen und gerade diese strategische Rückzugsmöglichkeit war auch der Grund für die Wahl des Kampfplatzes gewesen. Neue Forschungen haben aufgrund der Aktenlage der britischen Kolonialbehörden nämlich nachweisen können, daß die Führer der Herero sich bereits des Wohlverhaltens der Briten im Falle eines solchen Rückzuges versichert hatten! Doch 1904 war ein Trockenjahr und Trotha wollte von der Verfolgung des zerschlagenen Stammes nicht ablassen, obwohl dies seine eigenen Leute vor fast unlösbare Probleme im Hinblick auf die eigene Wasserversorgung stellte. In einer Proklamation vom 2. Oktober 1904 erklärte er die Hereros aufgrund ihrer Mordtaten an deutschen Farmern für friedlos und drohte, auf jeden, ob Mann, Frau oder Kind, ob bewaffnet oder nicht, das Feuer eröffnen zu lassen. In einem Befehl an die Truppe vom selben Tage präzisierte er, daß bei Frauen und Kindern allerdings über deren Köpfe hinweg in die Luft geschossen werden sollte, um sie zur Flucht zu veranlassen. Sein Ziel war es, die Hereros ganz aus Südwest zu vertreiben.
Das Vorgehen von Trothas ist wegen seiner Grausamkeit auf harte Kritik gestoßen. Die verzweifelte Lage dieses Volkes schilderten deutsche Soldaten, die bei der Verfolgung in der Omaheke auf Wasserstellen stießen, in deren Umkreis hunderte, teils 40 Meter tiefe Löcher von den verzweifelten Hereros gegraben worden waren. Verwesende Leiber verdursteter Kühe und Ziegen verpesteten die Luft und rings um die ausgetrockneten Wasserstellen saßen tot oder halbtot alte Frauen und Kinder, die zu schwach waren, weiter nach Osten zu fliehen. Trotz des Befehles von Trothas wurden rasch 8.889 Hereros gefangengenommen bzw. schlicht „aufgelesen“ und von den deutschen Soldaten vor dem Verdursten bewahrt. Heutige Schriften sprechen von 65.000, ja 86.000 gefallenen und verdursteten Hereros. Vier Fünftel des Volkes seien damals ausgelöscht worden. Doch sowohl nach seriösen Schätzungen aus der damaligen Zeit wie nach den neuesten Forschungsergebnissen müssen diese Zahlen als stark übertrieben angesehen werden. Insgesamt dürfte das Volk der Hereros 1904 nicht viel mehr als 35.000 Menschen umfaßt haben. Außer den fast 9.000 Gefangenen kehrten in den Jahren nach dem Aufstand über 12.000 Hereros freiwillig zurück, etliche tausend verblieben auch in Betschuanaland, sodaß man als gesichert annehmen kann, daß nicht mehr als ein Drittel, schlimm genug, im Zuge des Aufstandes zugrunde gegangen ist.
Schon am 8. Dezember, also gerade zwei Monate nach dem Schießbefehl Trothas, wurde dieser vom Kaiser widerrufen, auch im Reichstag hatten die Vorgänge zu heftigster Kritik geführt. Nun sollte den Hereros eine Kapitulation leicht gemacht werden, wobei die letztlich in großer Zahl Zurückkehrenden freilich Ihres Landes für verlustig erklärt worden waren und auch zu Zwangsarbeit eingesetzt wurden. Heute leben wohl mehr als 100.000 Hereros in Namibia, es ist damit das drittstärkste Volk.

Der Hottentotten-Aufstand

Während des Herero-Aufstandes hatten noch einige Verbände Henrik Witboois an der Seite der Deutschen gekämpft. Als jedoch Leutwein de facto durch von Trotha abgelöst worden war und Witbooi erkannte, daß nun ein neuer Wind wehte, fühlte er sich zur Einhaltung der alten Abkommen nicht mehr verpflichtet. Auch in Namaland brach nun ein Aufstand los, 35 deutsche Farmer und Gendarmen wurden ermordet und der sich in der Folge hinziehende Guerillakrieg sollte mehr deutsche Gefallene fordern als der Aufstand der Hereros. Witbooi selbst fiel in den Kämpfen. Gouverneur Leutwein hat ihn in seinen Erinnerungen wie folgt beschrieben: „In die Geschichte des südwestafrikanischen Schutzgebietes hat jedoch der kleine Kapitain seinen Namen für immer eingetragen. Sein hartnäckiger Widerstand gegen das mächtige deutsche Reich an der Spitze einer kleinen, kriegsgewandten, aber ebenso zerlumpten wie bettelhaften Schar, dann sein zehnjähriges treues Festhalten an unserer Sache und endlich das Wagnis eines abermaligen Widerstandes gegen uns, haben seinen Namen im Guten wie im Bösen mit der Geschichte des Schutzgebietes untrennbar verbunden. So steht er noch vor mir, der kleine Kapitain, der mir zehn Jahr zur Seite gestanden hat. Bescheiden und doch selbstbewußt, anhänglich, aber politisch doch nicht ohne Hintergedanken, niemals von dem abweichend, was er für Pflicht und Recht gehalten hat, voll Verständnis für die höhere Kultur der Weißen, ihr nachstrebend, aber deren Träger doch nicht immer liebend. Ein geborener Führer und Herrscher, dies war Witbooi, der gewiß auch in der allgemeinen Weltgeschichte unsterblich geworden sein würde, hätte ihn das Schicksal nicht nur auf einen kleinen afrikanischen Thron geboren werden lassen. Er war der letzte Nationalheros einer dem Untergang geweihten Rasse.“
Mahareros Charakterbild fiel demgegenüber bei weitem nicht so positiv aus. Der notorische Trinker verstarb erst 1923 in Betschuanaland. Beigesetzt wurde er von den Hereros allerdings im mittlerweile britisch bzw. südafrikanisch gewordenen Namibia und dabei dominierten  schwarz-weiß-rote Fahnen und die Klänge deutscher Militärmärsche! Noch heute tragen die Hereros bei Zusammenkünften gerne an die deutsche Zeit erinnernde Uniformen in der Art unserer Traditionsregimenter.

Das Ende der deutschen Zeit

Deutsch-Südwest war im ersten Weltkrieg von der britischen Kronkolonie Südafrika eingenommen worden. Zwar hatten sich etliche burische Armeegenerale geweigert, auf Deutsche zu schießen, ja es war sogar zu einer Militärrevolte gekommen. Erst nach einigen Monaten gelang es Luis Botha, Premierminister einer Koalition aus englandfreundlichen Buren und Engländern in Südafrika, der Lage Herr zu werden. Es kam zu regelrechten Gefechten mit den Aufständischen und standrechtlichen Erschießungen. So setzten die südafrikanischen Tuppen erst Ende 1914 zum großen Vorstoß an. Im Unterschied zu Ostafrika gelang es der Schutztruppe – keine 5.000 Mann – nicht, zu einer auf Dauer erfolgreichen Verteidigungsstrategie gegenüber der gegnerischen Übermacht zu kommen. Am 9. Juli 1915, nach dem Verlust von rund 1.000 Mann an Toten, Verwundeten und Gefangenen, kapitulierte die deutsche Kolonie. Nach dem Krieg wurde sie vom Völkerbund als Mandat-C-Gebiet der südafrikanischen Kronkolonie zugesprochen, was bedeutete, daß diese das Land direkt unter ihre Verwaltung nehmen konnte. Zwar kam es in Südwest nicht wie in den anderen ehemals deutschen Kolonien Afrikas zu Vorstößen der einheimischen Bevölkerung, wieder unter deutsche Verwaltung zu kommen – anderswo hatte es sogar Petitionen an den Völkerbund gegeben, da man mit den neuen britischen bzw. französischen Herren nicht allzu glücklich war – doch blieben die deutschen Farmer und Siedler unbehelligt, wodurch es auch nach dem Ersten Weltkrieg einen gewissen Zustrom von Auswanderern aus Deutschland gab.
Die Leistungen der deutschen „Schutzherrschaft“ für das Land waren so schlecht nicht gewesen. Fast 15 Jahre lang, bis 1908, steckte die Kolonialverwaltung weit höhere Summen in das Land als dort erwirtschaftet werden konnten. Die tragfähige Infrastruktur Namibias – Straßen, Eisenbahnlinien, Schulen und Krankenhäuser – gehen zu großen Teilen auf die deutsche Zeit zurück. Eine den örtlichen Gegebenheiten angepaßte, leistungsfähige und – gegenüber der Nomadenwirtschaft – naturschonende Landwirtschaft wurde eingeführt. 
Erst nach 1908 begann die Kolonie, bedingt durch die Diamantenfunde, positiv zu bilanzieren. Heute gilt Namibia als eines der rohstoffreichsten Länder Afrikas mit einer im Verhältnis überaus geringen Bevölkerung. Der Lebensstandard der Schwarzen  steht dazu allerdings in keinem Verhältnis. War das Nationaleinkommen pro Kopf 1978, also zur Zeit der „Apartheid“ noch mehr als doppelt so hoch wie das des Kongos oder Sambias bzw. acht- bis zehnmal so hoch wie jenes von Niger, Tschad und Äthiopien gewesen, hat sich die wirtschaftliche Lage seit der „Befreiung“ für die schwarze Bevölkerung verhältnismäßig entgegen den Erwartungen nicht verbessert.
Bewertet man die deutsche Kolonialverwaltung aus heutiger Sicht, darf auch nicht vergessen werden, daß sie den mörderischen Vernichtungskrieg zwischen Namas und Hereros beendete und dem Sklavenvolk der Damara die Freiheit schenkte. Wenn der heutige Herero-Chief Kuaima Riruako Entschädigungszahlungen seitens Deutschland fordert, sollte er nicht vergessen, daß die Hottentotten ohne Eingreifen einer europäischen Macht nicht so weit davon entfernt gewesen waren, die Hereros zur Gänze aus Südwest zu verdrängen bzw. auszulöschen.
Auch denken die Hereros nicht daran, sich bei Buschmännern und Damara für ihre Verbrechen zu entschuldigen. Riruako ist erst der dritte Herero-Chief nach Maharero. Seine beiden Vorgänger, Clemens Kapuuo und Hosea Kutako hatten den Vorwurf eines deutschen Genozids an den Hereros noch als „Unsinn“ abgetan. Kapuuo erklärte gegenüber einem deutschen Journalisten: „Wir sind zwei Kämpfervölker, die besten hier in Südwest. Wir haben damals gegeneinander gekämpft, ihr seid die Stärkeren gewesen. Gewiß, viele von uns starben auf der Flucht durch die Wüste – aber was soll das? Man sollte vermeiden, in alten Gräbern zu wühlen, da kommt nie eine Zukunft heraus. Sehen Sie sich die Herero an: Sie ziehen sich noch heute sonntags alte deutsche Uniformen an, haben Dienstränge wie „Leutnanti“ oder „Majora“. Im Grunde haben wir einen tiefen Respekt vor den Deutschen. Um unser Land aufzubauen, sind die Deutschen die geeignetsten Partner.“ Clemens Kapuuo wurde zu Ostern 1978 von der kommunistischen Swapo ermordet.

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com