Fast täglich werden in der letzten Zeit in der slowenischen Presse Fragen der Minderheiten und Volksgruppen innerhalb des Landes, aber auch die Anliegen der slowenischen Volksgruppen außerhalb des eigenen Staates, in den Nachbarländern aufgegriffen. Die offiziellen staatlichen Stellen gehen mit diesem Thema wenig geradlinig um. Einerseits stellen sie sich immer unterstützend hinter die Forderungen der Auslandsslowenen, sind aber sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, dasselbe Ausmaß an Zugeständnissen gegenüber den nationalen Minderheiten in Slowenien zu gewähren. In den slowenischen Medien wird offen über diese Zusammenhänge diskutiert, und es kommen durchaus unterschiedliche Standpunkte zum Ausdruck – dies in wohltuendem Unterschied zur Medienpraxis in Österreich oder in Deutschland, wo die „veröffentlichte Meinung“ sehr oft in Widerspruch zur öffentlichen Meinung – nämlich der Bürger – steht.
In der slowenischen Verfassung, die nach der Loslösung von Jugoslawien in Kraft trat, sind nur zwei ethnische Minderheiten, nämlich Ungarn und Ital
iener, voll, eine weitere, die Zigeuner, teilweise geschützt. Alle anderen werden in der Verfassung nicht erwähnt. Schon allein bei einem Stärkevergleich stellt man fest, daß die betreffenden Bestimmungen in der Verfassung geradezu als willkürlich zu bezeichnen sind. Die ungarische Minderheit umfaßt rund 9.000, die italienische gerade 3.000 Menschen. Dagegen leben lt. Volkszählungsergebnissen rund 47.000 Serben im Land, weiters 53.000 Kroaten, 26.000 Bosnier, weiters Albaner usw.
Diesen Volksgruppen werden keinerlei kulturelle oder politische Rechte zuerkannt, da sie nicht als autochthone Volksgruppen definiert werden.
Einer weiteren Volksgruppe, der deutschen, wird ebenso der Status einer anerkannten – und daher zu schützenden – Volksgruppe aberkannt. Dabei kann ihr objektiv nicht abgesprochen werden, autochthon, also alteingesessen, zu sein, geht die deutsche Besiedlung in Krain, in der früheren Untersteiermark und in Gottschee zumindest 1.000 Jahre zurück. Ein zweites Kriterium für die Anerkennung als Volksgruppe, nämlich die geschlossene Siedlung, sei bei den Deutschen nicht gegeben, wird behauptet. Diese Haltung der slowenischen Seite ist energisch zurückzuweisen, ist dieser Zustand doch darauf zurückzuführen, daß die nach 1945 erfolgten Völkermordmaßnahmen mit Rechtloserklärung, Enteignung, Verschleppung in Todeslager, Vertreibung und der mit all dem zusammenhängenden Flucht von Teilen der Volksgruppe über die Grenze dazu geführt haben, daß heute nur mehr eine Rest-Volksgruppe der Deutschen im Lande lebt – und dies eben in nicht geschlossenen Siedlungen.
Die slowenischen Verfassungsbestimmungen sehen die Zuerkennung von Minderheitenrechten vor, unabhängig von der Zahl, die eine Minderheit erreicht. Von den im Lande lebenden Deutschen hat sich wegen der seit Jahrzehnten fortgesetzten Diskriminierungen bei Volkszählungen nur ein Teil als „Deutsche“ bzw. „Österreicher“ bekannt. Ein Teil von ihnen dürfte Zuflucht zu Kategorien genommen haben, die als Bekenntnis auch zugelassen sind / waren, z.B. „Marburger“, „Steirer“ usw. Auch wurde schon während der jugoslawischen Zeit erlaubt, sich nicht zuzuordnen. Davon machten bei der Volkszählung in Slowenien 1981 rund 10.000 Menschen Gebrauch, zehn Jahre später, im selbständig gewordenen Slowenien allerdings mehr als 60.000. In diesen Zahlen sind sicher auch Deutsche zu suchen, wenngleich es unstatthaft ist, alle, die sich auf diese Weise deklarierten, der deutschen Volksgruppe zuzuordnen. Der politische Druck auf die früheren Herren, also etwa auf Serben, könnte auch bei diesen Menschen Anlaß gewesen sein, sich besser nicht als solche, sondern als Undefinierte auszugeben. Zwei wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahre 1998 (Professor Stefan Karner / Univ. Graz und Prof. Dušan Necak / Univ. Laibach) kommen auf eine weitgehend übereinstimmende Anzahl bekennender Deutscher von rund 1.800, also einer Größenordnung, die derjenigen der italienischen Volksgruppe im Adria-Bereich sehr nahe kommt.
Die für das Jahr 2001 vorgesehene Volkszählung ist kurzfristig verschoben worden. Das Statistische Amt wollte entgegen der früheren Praxis darauf verzichten, nach der nationalen Zugehörigkeit zu fragen. Außerdem war vorgesehen, auch keine Fragen nach dem religiösen Bekenntnis zuzulassen, was die Religionsgemeinschaften auf den Plan rief. Nachdem keine Einigung erzielt werden konnte, wurde auf die Abhaltung der Volkszählung in diesem Jahr verzichtet. Die Zeitung „Mladina“, die vor der politischen Wende Ende der 90er Jahre als kritische Studentenzeitung schon viel journalistischen Mut gegen die Zentralstellen in Belgrad bewies, hat in der Ausgabe vom 26. Februar 2001 sehr offen zu den Fragen der Minderheitenpolitik Sloweniens Stellung bezogen. Slowenien mache sich wichtig mit seinen zwei Volksgruppen, es habe die Europäische Konvention über Minderheitenrechte unterschrieben, beziehe diese jedoch nur auf die Italiener und Ungarn, während es die 300.000 Nichtslowenen, die es sonst noch in Slowenien gibt, ignoriere. „Mladina“ rechnet vor, daß Österreich fünf Minderheiten anerkenne, Kroatien sogar zweiundzwanzig, Slowenien begnüge sich mit seinen zwei im Verfassungsrang festgeschriebenen Minderheiten.
Es sei die Frage, wielange es noch „möglich sein wird, auf dem rigiden und langfristig unhaltbaren Konzept zweier auserwählter und geschützter Minderheiten zu beharren. Wie es aussieht, stört das niemanden in der Politik. In der slowenischen Presse und in wissenschaftlichen Kreisen ist das Bestehen der autochthonen, jedoch nicht anerkannten Volksgruppen beinahe nicht wahrzunehmen.“ Gemeint sind die Serben, Kroaten, Deutschen usw. „Mladina“ deutet an, daß Serben, Albaner, Kroaten während der Jugoslawienzeit erst ins Land zugewandert seien, und schreibt: „Im Gegensatz zur kroatischen Minderheit haben die Slowenien-Deutschen keine Schwierigkeiten mit der Autochthonität, haben aber Schwierigkeit wegen der kleinen Zahl, jedoch ist die geringe Zahl der Minderheit im Einklang mit internationalen Dokumenten kein Hindernis für die Geltendmachung der Minderheitenrechte... Es würde doch niemandem die Krone vom Kopf fallen, wenn es an der slowenisch-kroatischen Grenze und anderswo einen Minderheitenschutz geben würde und einige Büroschalter aufmachen würden für die Administration in kroatischer, serbischer, deutscher und bosnischer Sprache und einige Lehrer für den Zusatzunterricht der Sprache bezahlt würden.“
Für die ungarische Minderheit im Nordosten Sloweniens („Übermurgebiet“) gibt es lt. „Mladina“ 11 Kindergärten, sechs Volksschulen und eine Mittelschule, für Kroaten und Serben keine einzige derartige Einrichtung.
„Mladina“ bezeichnet es als Naivität und Betrug, wenn Slowenien dann, wenn es mit Restjugoslawien seine Wirtschaftsbeziehungen wieder aufbauen will, von den in Slowenien lebenden Serben als „Brücken“ spricht, denen in Wirklichkeit aber keinerlei Rechte zugestanden werden.
Die slowenische Marburger Tageszeitung „Vecer“ vom 2. März 2001 berichtet unter dem Titel „Ansporn für die weniger Mutigen?“ über die Erlassung des Schutzgesetzes für die slowenische Minderheit in Italien und knüpft daran die Hoffnung, daß man in der slowenischen Hauptstadt Laibach umzudenken beginnt. Für die geschätzten rund 10.000 Slowenen im Umland von Triest und Görz wurden Volksgruppenrechte verankert. Was bisher an Rechten bestand, wurde ausgeweitet und gesetzlich fundiert. Die Regelungen betreffen eigene Schulen, die Sprache vor Gericht und Ämtern, Kindergärten, zweisprachige Aufschriften und die Verwendung von nationalen Symbolen. Es ist mit diesen gesetzlichen Bestimmungen eine Anhebung des Standards des Volksgruppenschutzes – etwa an die Verhältnisse der Slowenen in Kärnten – erreicht worden. „Vecer“ spannt den Bogen zur deutschen Minderheit im eigenen Land und schreibt: „Vielleicht könnte das römische Beispiel auch für Laibach lehrreich sein, denn es wurde wissenschaftlich bewiesen, daß die deutsche Minderheit da ist. Was wird aber die Volkszählung im April (diese wurde inzwischen verschoben; Anm.d.R.) zeigen? Vielleicht werden doch diejenigen recht behalten, welche behaupten, daß es die Deutschen in Slowenien nicht mehr gibt. Bei der jetzigen Stimmung (in Slowenien; Anm. d. R.), die gegen die Deutschen gerichtet ist, muß man viel Mut haben zu sagen, daß man deutsch ist. Besonders ist das für den slowenischen Teil der Steiermark maßgebend, wo die deutsche Gemeinschaft seit je am zahlreichsten in Slowenien war und wo jetzt die größte Arbeitslosigkeit herrscht – damit aber auch das höchste Risiko für den Verlust der Arbeit bzw. der Möglichkeit für eine Beschäftigung. Oder wird das römische Beispiel dennoch auch die weniger Mutigen anspornen?“ Die Tageszeitung „Vecer“ läßt in ihrem Beitrag den politischen und wirtschaftlich-sozialen Druck auf bekennende Deutsche anklingen, es ist aber immerhin ein erfreuliches Anzeichen, daß diesen gewissermaßen Mut gemacht wird.
Am 6. März traf sich der slowenische Außenminister Dimitri Rupelj in Wien mit der österreichischen Außenministerin Benita Ferrero-Waldner. Dabei kam es lt. Presseberichten zu einem „Durchbruch“ bei dem gemeinsamen slowenisch-österreichischen Kulturabkommen, das seit Jahren von slowenischer Seite verschleppt wurde. Jetzt erklärte Rupelj, daß Slowenien in diesem Vertragswerk die „deutschsprachige Gruppe“ anerkenne, die nach Artikel 61 der slowenischen Verfassung den Schutz des Staates genieße. Damit sei aber keine Gleichstellung der „deutschsprachigen Gruppe“ mit anderen, etwa der italienischen, gegeben. Artikel 61 sieht lediglich vor, daß jeder Bürger des Landes die allgemeinen Menschenrechte zuerkannt bekommt, in ihm sind keinerlei gruppenmäßigen Rechte oder Zugeständnisse enthalten. Wenn nun dieser allgemeine Paragraph offiziell anerkannt wird, bedeutet dies für die deutsche Volksgruppe zwar keinen Fortschritt, es ist aber zumindest festgehalten, daß diese allgemeinen Menschenrechte auch für Deutsche gelten. Dies ist auch die Haltung der beiden Nationalratsabgeordneten der Freiheitlichen Partei im Wiener Nationalrat, Dr. Gerhard Kurzmann und Dr. Martin Graf. Sie meinen, daß dieses Kulturabkommen nur der erste Schritt sein könne auf dem Weg zur Gleichstellung mit der italienischen und ungarischen Volksgruppe.
Scharf widersprach Graf der Formulierung Rupeljs in bezug auf die Enteignungs- und Vertreibungsbeschlüsse des „Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens“ aus dem Jahre 1943 (AVNOJ). Rupelj äußerte: „Die AVNOJ-Beschlüsse sind juristisch korrekt.“ Slowenien lehne eine Annullierung ab. Die Zeitung „Vecer“ überschrieb ihren Bericht über den Rupelj-Besuch in Wien mit der Schlagzeile: „Rupeljs ‚österreichfeindliche Attacken‘“ und zitiert Graf: „Vorschriften, die zur Enteignung, Vertreibung und zum Tod von Menschen führten, nur aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit, können nie korrekt sein, das kann man drehen und wenden, wie man will. Die AVNOJ-Dekrete müssen ohne Wenn und Aber außer Kraft gesetzt werden, noch vor dem EU-Beitritt Sloweniens. Alles andere würde ein Schlag ins Gesicht der Vertriebenen sein.“