Vojislav Šešelj, der Führer der antikommunistischen „Radikalen Partei Serbiens“, saß wegen des Vorwurfs von Kriegsverbrechen zwölf Jahre im Gefängnis des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, dem er sich selbst freiwillig gestellt hatte. In diesen zwölf Jahren ist es zu keiner Verurteilung gekommen. Jahrelang brauchten die Ankläger, um überhaupt ihre Anklage vorzubereiten; der Prozeß endete 2010, die Urteilsverkündung steht bis heute aus.
Ob Šešelj nun direkt oder indirekt für Massaker an Kroaten und Bosniaken verantwortlich ist, soll hier nicht diskutiert werden. Eine derartige Prozeßdauer spricht aber jedem rechtsstaatlichen Verständnis Hohn. Auch der Strafgerichtshof in Den Haag müßte für Anklageerhebung, Prozeßführung und Urteilsverkündung deutlich kürzere Fristen einhalten. Einen Menschen bloß auf Verdacht zwölf Jahre hinter Gitter zu sperren, ist keinesfalls Ausdruck rechtsstaatlicher Gesinnung.
Aus gesundheitlichen Gründen im November 2014 vorläufig freigelassen, wurde Šešelj in seiner Heimat von 10.000 Anhängern begeistert empfangen. Nun fordert Den Haag seine Rückkehr, doch dies lehnt Šešelj ab: Schon 2003 habe er sich nicht im Kriegsverbrechertribunal gestellt, weil er sich einer Schuld bewußt gewesen sei, sondern um die Interessen Serbiens zu verteidigen.
Seine Radikale Partei, die sich in der Tradition der königstreuen Tschetnik-Partisanen des Zweiten Weltkriegs sieht, war bei den letzten Wahlen erstmals unter der 5-Prozent-Schwelle geblieben; nun versucht Šešelj seine Partei wieder, wie in den Jahren 2000 und 2007, zur stärksten Kraft im Lande zu machen.