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Die Juden, die wahren Antisemiten und ich

 

Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker

Vor vielen Jahren erschien im Leopold Stocker Verlag ein Buch des österreichischen Generals Jordis-Lohausen unter dem Titel „Reiten für Rußland“. In ihm schildert dieser, der selbst als Offizier am Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatte, die fiktiven Gespräche junger Offiziere während des Vormarschs in Rußland. Diese sind sich einig darin, daß dieser Krieg nur gerechtfertigt ist, wenn er sich als Befreiungsfeldzug für die vom Sowjetkommunismus unterjochten Völker versteht. Daß es dazu in Wirklichkeit gerade nicht kam, bildet den tragischen Hintergrund des Buches, das auch als Kritik an den ideologischen Verirrungen des Dritten Reiches gelesen werden muß. Vielerlei historische und politische Fragen berühren die fiktiven Gespräche, darunter die nach einer gerechten Wirtschaftsordnung. In ihrer Kapitalismuskritik sind sich die Gesprächspartner der Erzählung einig. Das Geld, das internationale Großkapital, so befindet einer, bilde eine Macht im Hintergrund, die die Herrschaft über die ganze Welt anstrebe. Und er zitiert den deutschen General Hindenburg, wonach dieser gesagt habe, er habe den Ersten Weltkrieg nicht gegen die alliierten Generäle verloren, sondern gegen Mister Baruch, den Vorsitzenden des amerikanischen Rates für Kriegsindustrie.

Diesen Text hat die Grazer Antifa dahingehend verändert, unser Autor habe behauptet, eine Macht im Hintergrund wolle die ganze Welt beherrschen, und er habe diese Macht „Mr. Baruch“ genannt. Das sei antisemitische Hetze. Und damit diese Lüge noch glaubhafter wird, wurde aus dem General des österreichischen Bundesheeres (und Militärattaché in Rom, Paris, London…) flugs ein „Wehrmachtsgeneral“. Dagegen habe ich geklagt. Ich konnte nicht glauben, daß es erlaubt ist, ein Zitat sinnverfälschend zu kürzen, sodaß aus dem „Geld“ als Macht im Hintergrund ein „Mr. Baruch“ als Macht im Hintergrund wird. Vom „Geld“ war im Zitat der Antifa gar keine Rede mehr und auch nicht mehr davon, daß es sich bei Mr. Baruch um eine historische Persönlichkeit und bei dem ganzen um ein Hindenburg-Zitat gehandelt hat. Das haben österreichische Gerichte bis hinauf zum OGH anders gesehen. Wird damit nicht im Dienste einer angeblichen „Meinungsfreiheit“ jede Lüge, jede noch so böswillig sinnentstellende Zitatenkürzung erlaubt – zumindest solange es gegen „rechts“ geht? Denn in anderen Fällen hat der OGH ganz anders geurteilt. Mir fällt dazu nur mehr Bert Brecht ein: „Unsere Richter sind ganz und gar unbestechlich: mit keiner Geldsumme können sie bestochen werden, Recht zu sprechen.“ Außerdem hat der OGH mit seinem Entscheid den essentiellen Unterschied zwischen echten, primitiven „Hetzschriften“ und Publikationen, in denen auf hohem geistigen Niveau Fragen differenziert diskutiert werden, aufgehoben. Wenn Alles Hetze genannt werden kann, dann ist letztlich gar nichts mehr Hetze.

Nun kann dieses Buch, in dem das Wort „Jude“ nicht einmal vorkommt, also als antisemitisch bezeichnet werden. Bin ich vielleicht gar selbst ein Antisemit? Moderner Antisemitismus funktioniert ja, so heißt es, ohne Juden. Die meisten Deutschen und Österreicher, die laut Umfragen antisemitische Vorurteile hegen, kennen persönlich gar keine Juden. Bei mir ist das aufgrund unserer weitverzweigten Familie etwas anders. Immerhin haben eine Nichte, ein Cousin – und nicht zuletzt mein Vater in erster Ehe einen jüdischen Partner geheiratet. Mein Vater war schon als Schüler des Wiener Theresianums in ein jüdisches Mädchen verliebt gewesen. 1938 verließ er Österreich nicht nur weil er Monarchist und Anhänger des Ständestaates war, sondern auch ihretwegen. Otto von Habsburg beschaffte ihm eine Stelle als Hauslehrer für Deutsch und Englisch beim Baron C., der hochrangiger Beamter des französischen Außenministeriums war und auf dessen nahe bei Paris gelegenem Schloß auch englische Diplomaten bis hin zum Botschafter zu Gast waren, um sich in privater Atmosphäre mit französischen Spitzenbeamten und Ministern austauschen zu können. Der Tenor dieser zwanglosen Gespräche an den wochenendlichen Gesellschaftsabenden brachte meinen Vater rasch zur Überzeugung, daß es der englischen und französischen Politik nicht darum ging, dem Nationalsozialismus aus weltanschaulichen Gründen gegenüberzutreten, der Juden, der Demokratie, eines unabhängigen Österreichs willen, sondern daß alles auf einen Krieg gegen Deutschland zusteuerte, schlicht weil das Reich den Westmächten politisch und wirtschaftlich zu stark geworden war. Daher kehrte er im Frühjahr 1939 in die Heimat zurück, um, noch immer Anhänger eines unabhängigen Österreichs, dennoch als Offizier in die Deutsche Wehrnacht einzutreten. Nach dem Kriege aber holte er seine Jugendliebe aus dem – mittlerweile – New Yorker Exil zurück, um sie zu heiraten. Die Ehe hielt nur kurz.

Dennoch waren Juden kein fremdes Element meiner Kindheit und Jugend.

Da waren bei Familientreffen die Schwiegereltern meines Prager Cousins mit ihren eintätowierten Theresienstädter Lagernummern.

Da waren die Schwestern W, bezaubernde Damen aus der New Yorker Emigration, die ohne ihre jährliche Dosis Österreich einfach nicht sein konnten und bis ins hohe Alter im Sommer angeflogen kamen und meist mit uns ein, zwei Wochen in den Bergen verbrachten.

Da waren die anderen jüdischen Freunde meines Vaters aus Jugendtagen, etwa der Rechtsanwalt Viktor P., der, soweit ich mich erinnere, als Privatsekretär der adeligen Wienerin H. K. den Krieg in der Heimat überlebte, deren Sohn (ein anderer Freund meines Vaters) ausgerechnet Waffen-SS-Offizier war. Besagter Viktor, genannt Vipi, war übrigens sintemalen Seniorpartner des linksradikalen Anwalts Georg Zanger und wurde später von einem Wiener Richter erschossen. Trotz aller weltanschaulichen Gegensätze haben mein Vater, Vipi P. und besagter Waffen-SS-Offizier Zeit ihres Lebens ihre Freundschaft bewahren können.

So sollte es auch sein. Politik darf nie stärker als die persönliche Bindung werden, sonst ist verderblicher Fanatismus gegeben. Das zumindest habe ich von meiner Mutter gelernt, deren Elternhaus national, zeitweise auch nationalsozialistisch orientiert war. Und wo persönliche Bindung wie Freundschaft aufgrund von Vorurteilen nicht mehr möglich wird, da ist das gegeben, was als „Rassismus“ oder „Antisemitismus“ verurteilt wird.

Bloße Kritik an Israel, an einzelner Juden, bzw. jüdischen Organisationen hat hingegen nichts mit Antisemitismus zu tun. Die politische Agenda eines George Soros oder David Rockefeller, die parteipolitische Einflussnahme seitens der israelitischen Kultusgemeinde in Österreich oder des Zentralrates der Juden in Deutschland müssen kritisiert und bekämpft werden können. Die Scharfmacher in den letztgenannten Organisationen sind übrigens teils garkeine echten Juden, sondern Konvertiten, worauf mich mein halbjüdischer Prager Neffe aufmerksam machte. Während seiner Studienzeit verdiente er sich sein Geld als Fremdenführer. Auch meinen Kindern hat er Prag gezeigt. Nur in die jüdischen Einrichtungen, den Friedhof, die Synagogen, mußten wir alleine gehen. Auf die Frage warum, meinte er, wer dort als Fremdenführer arbeiten wolle, müsse einen extra Kurs absolvieren. Und dort sei ein so einseitiges Geschichtsbild vermittelt worden – da die Bösen, die Täter, dort die Guten, die Opfer – daß er den Kurs nicht beendet habe. „Ich liebe meine Mutti“, sagte er, „nur das habe ich nicht ausgehalten“.

Wir haben auch im Ares Verlag zwei wichtige jüdische Autoren. Mit Univ.Prof. Gottfried stehe ich schon so lange in Kontakt und er schrieb schon so oft in der NO, daß ich es wage, unser Verhältnis als freundschaftlich zu bezeichnen. Paul Gottfrieds Eltern waren jüdische Österreicher, die vor der Bedrohung durch den NS in die Staaten flohen. Ihr Sohn wurde erst dort geboren, doch noch mit deutscher Muttersprache aufgezogen, so innig war ihre Beziehung zur Heimat. Gottfried ist Politologe, als „Paläokonservativer“ kritisierte er die neokonservative Interventionspolitik der Regierung Bush. Wenn er für uns nicht gerade die amerikanische Politik analysiert, kämpft er publizistisch für die Ehrenrettung des Wilhelminischen Deutschen Reiches und Kaiser Wilhelm II, ja für die der Deutschen während des Dritten Reichs. So sehr er den NS verurteilt, sowenig läßt er auf die Deutschen als Volk kommen. Österreich, unsere alte Monarchie, liegt ihm freilich noch viel näher, schrieb er mir, doch auch dem wilhelminischen Kaiserreich würde er vor unserer Zeit den Vorzug geben - je länger er darüber nachdenke, desto mehr. Da kann ich ihm nur zustimmen, und zwar aus denselben Gründen: Weil Kultur und Lebensart damals höher standen und der politische Fanatismus nicht dieselbe Rolle wie heute spielen konnte. Gottfried sieht dabei, wie er in der NO mehrfach ausführte, starke Parallelen zwischen der heutigen Antifa und der SA von damals.

Trotz seiner „paläokonservativen“, anti-interventionistischen Haltung befürwortet Gottfried ein militärisches Vorgehen gegen die Atompläne des Iran. Die Gründe dafür benannte er ausgerechnet im Interview mit der NPD-Zeitschrift „Hier&Jetzt“. Berührungsängste sind ihm ebenso fremd wie Ausgrenzungsstrategien. Er ist bereit, mit jedem zu reden, der seine Argumente hören will.

Mit seiner Meinung bezüglich des Iran steht er freilich in Widerspruch zu seinem Freund Martin van Creveld, dem weltweit bekanntesten israelischen Militärhistoriker. Creveld, dessen Familie viele Angehörige durch die NS-Judenverfolgung verloren hat, ist nichtsdestotrotz Verfasser eines der besten und objektivsten Bücher, die je über die Deutsche Wehrmacht geschrieben wurden. Wir haben die Freude gehabt, dieses sehr erfolgreiche Werk in deutscher Übersetzung herauszubringen, ähnlich wie Crevelds jüngstes Werk über die Kultur des Krieges (vgl S.19-26). Creveld, mit dem ich schon einige angeregte Stunden verbracht habe, ist auch einer unserer wichtigsten Stamm-Autoren. Und gerade als israelischer Patriot, der er glühenderweise ist, hält er nicht einmal eine eventuelle iranische Atombombe für eine Bedrohung des Friedens oder Israels, und spricht sich daher strikt gegen einen Angriff auf Persien aus.

Dann ist da noch Rabbi Friedmann, den ich – nach zahlreichen langen Gesprächen – durchaus als Freund bezeichnen kann. Er steht für das ultraorthodoxe Schulchan-Aruch-Judentum der Gruppe Neturai Karta, das den Staat Israel ablehnt, weil die Juden bis zum Kommen des Messias in der Diaspora bleiben müssen. Die 613 strengen religiösen Gebote, an die sich das glaubenstreue Judentum halten muß, erklärt er damit, daß es sich bei diesem um ein Volk von Gottesmännern, ein Priestervolk, handle, das beispielgebend für alle anderen Völker in der Welt leben müsse. Daher sei ihm auch jede Form der politischen Machtausübung verboten. Seine Kritik am Staat Israel und der Israelitischen Kultusgemeinde ist von einer Schärfe, wie sie ein Nichtjude in dieser Form gar nicht äußern könnte. In Repräsentanten dieser Gruppe wie Rabbi Aaron Cohen aus London habe ich jedenfalls Menschen kennengelernt, die ihr ganzes Leben in geradezu „heiligmäßiger“ Weise unter das Gesetz ihres Glaubens stellten.

Diese drei Männer sind es jedenfalls – neben meinen familiären Erfahrungen –, die mir pauschale Urteile über „die“ Juden so unsinnig scheinen lassen, wie ich sie schon aus prinzipiellem Vorbehalt gegen alle Pauschalurteile ablehne. Wer aber Kritik an Israel, einzelnen Juden bzw. jüd. Organisationen wiederum pauschal als Antisemitismus aburteilt, der spielt in Wahrheit das Spiel der Antisemiten. Denn es war gerade das Ziel des Zionismus, daß Juden wieder als Volk unter Völkern leben können, in keiner Weise, weder negativ noch positiv hervorgehoben: nur darin liegt ihre Zukunft, so sie nicht den religiösen Weg des Rabbi Friedmann beschreiten können. Es ist tragisch, daß viele, von der Geschichte traumatisierte Juden gar nicht sehen, wie sehr sie von Linksextremisten benutzt werden, die ihre demokratiefeindliche Agenda geschickt hintern dem Kampf gegen angeblichen „Antisemitismus“ verbergen – ob in der Hetze gegen den Wiener Akademikerball oder in der Agitation gegen uns als einen der letzten österreichischen Privatverlage, der verbrecherischerweise auch nichtlinken Publizisten ein Forum bietet.

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com