Während der letzten Januarwoche und tief in den Februar hinein wuchs mein Ärger über die scharfe Kampagne gegen den von Obama designierten Verteidigungsminister Chuck Hagel. Nach der Verfassung muß ein vom Präsidenten bestimmter Minister vor seiner Amtsübernahme vom Senat bestätigt werden, und mit wenigen Ausnahmen gibt es dabei keine Hindernisse. Auch die Oppositionspartei gesteht es dem jeweiligen Präsidenten zu, die von ihm ausgewählten Kandidaten in die Regierungsämter einrücken zu lassen. Das trifft insbesondere für die Republikaner zu, die bestimmt nichts tun wollen, um die Stimmung der überwiegend demokratisch gesinnten Presseorgane gegen sich aufzubringen. In diesem Fall allerdings schossen sich die Republikaner auf den Kandidaten ein, voran die neokonservativen Medien.
Hagels Charakterisierung als „linksradikal“ in der republikanischen Presse widerspricht den Tatsachen. Als vielfach ausgezeichneter Offizier aus dem Vietnamkrieg und später fast durchgehend konservativer Senator aus dem Flächenstaat Nebraska ist der 66-jährige alles andere als ein Revoluzzer. Im Senat ging er mit der sozialen Linken hart um und stellte sich gegen jeden Antrag, Schwulenrechte zu erweitern und offene Homosexuelle im Militär dienen zu lassen.
Zum fünfundneunzigsten Geburtstag des ehemals für die Rassentrennung eintretenden Senators aus South Carolina, Strom Thurmond, hob Hagel die langjährige politische Leistung seines Parteifreundes rühmend hervor und bezeichnete ihn als „conservative and patriot“. Neben Anschuldigungen gegen den „linken“ Hagel regt sich die neokonservative Presse über sein fehlendes Verständnis gegenüber Homosexuellen und schwarzen Bürgerrechtlern auf. Dabei bemerken die selbsternannten „konservativen“ Republikaner keinen Widerspruch zwischen diesen beiden Vorwürfen gegen Hagel. Und noch weniger fragt sich der Durchschnittsbürger, wie ein rechtslastiger Politiker als „weit links“ zu bezeichnen sein soll. Unglücklicherweise steht die Basis der republikanischen Partei so stark im Bann ihrer Führer, daß sie diese Widersprüche gar nicht mehr erfassen kann. Sie nimmt die Spiegelfechtereien für bare Münze.
Hagels Ruf als Linksradikaler entstammt seinem gründlichen Umdenken in bezug auf die Außenpolitik. Anfangs war er ein Vertreter der liberal-internationalistischen Haltung, die seine Partei über die Einflußnahme der neokonservativen Medien entwickelt hat. Im Laufe der Jahre wandte sich Hagel von diesem Kurs ab. Während er den anfänglichen Budgetmitteln für den Irakkrieg zustimmte, gelangte er später zu einer gegensätzlichen Einstellung. Es beschäftigte Hagel stark, daß die Vernichtungswaffen, die Saddam angeblich irgendwo versteckt hatte, nicht aufzufinden waren, und was zutage trat, schien nicht derart schädlich zu sein, um den Angriff auf den Irak mit den darauffolgenden Verlusten zu legitimieren. In Folge dieser Bedenken gegen den irakischen Einsatz und seine Rechtfertigung neigte sich Hagel einer weniger interventionsbereiten Außenpolitik zu. Sanktionen gegen den Iran wollte er nicht mehr verhängen und beteuerte, daß feindliche Handlungen die Gefahr einer Eskalation bis hin zu einem neuen Krieg nach sich ziehen könnten.
Auf diesem Kurs der Nichteinmischung beharrte der Senator von Nebraska unbeirrt und stellte sich damit gegen seine republikanischen Kollegen. Als ein weiterer Antrag gestellt wurde, die Weiterführung der militärischen Aktionen im Irak zu finanzieren, lehnte Hagel den beantragten Zuschuß glatt ab. Auch als er dazu gedrängt wurde, einen verstärkten Vorstoß gegen den Widerstand im Irak zu bewilligen, der als „die Woge“ (engl. surge) bezeichnet wurde, verweigerte er seine Zustimmung. Hagel war überzeugt davon, daß weitere Versuche, den Irak zu bezwingen, zum Scheitern verurteilt waren. Zeitweilig erobertes oder zurückgewonnenes Terrain, so Hagel, würde nicht dazu führen, die amerikanische Position in dem zerstrittenen Land zu festigen. Bislang hat er seine Meinung nicht geändert.
Aber auch seine Anhänger von beiden Seiten des Spektrums haben ein fragwürdiges Bild von Hagel, das eher verwirrt als erhellt. Von links wird der ehemalige Senator als getreuer Anhänger Obamas bejubelt, der im letzten Jahr die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten erwartungsgemäß unterstützte. Außerdem hat er sich während der letzten Jahre seiner Amtszeit im Senat, die 2009 auslief, mit den Demokraten verbündet und einen stufenweisen Abzug der im Irak aufgestellten amerikanischen Soldaten gefordert. Wieder mit den Demokraten ging er 2008, als sie für die Amnestierung der gesetzwidrig in den USA ansässigen, meist aus Lateinamerika eingewanderten „Illegals“ eintraten. Hagels Kooperation bei einer überwiegend demokratischen Initiative, die schließlich fehlschlug, dürfte darauf gezielt haben, sich dort eine entsprechende Anhängerschaft zu verschaffen. Die Amnestie hätte gegebenenfalls den Republikanern kaum zu einem Stimmengewinn verholfen, da die Amnestierten zur überwältigenden Mehrheit aus Wählern der Demokraten bestanden hätten. Es ist durchaus denkbar, daß Hagel schon lange vor seinem Rücktritt im Jahre 2009 auf ein außenpolitisches Einverständnis mit Obama spekulierte und dies ausweiten wollte, um schließlich in sein Kabinett aufgenommen zu werden. Beabsichtigt oder nicht, hat es sich zu seinen Gunsten so entwickelt.
Was seine linken Anhänger jedoch ausblenden, ist die andere Seite von Hagels Position, die dem Jubelchor kaum passen wird. Hagel kommt aus einer katholischen deutschstämmigen Familie in einem abgelegenen Dorf im amerikanischen Kernland und scheint der Mentalität nach überhaupt nicht zu seinen neuesten Verbündeten zu passen. Im Senat, wo er zwölf Jahre saß, stimmte er innenpolitisch meist mit dem konservativen Flügel seiner Partei überein. Auch zeigte er sich (anders, als seine Kritiker meinen) nicht dadurch als Linker, daß er sich mit den republikanischen Falken anlegte. Bis zum Aufstieg der neokonservativen Führung bestand bei den Republikanern generationenübergreifend eine isolationistische Haltung. Ohne behaupten zu wollen, daß Hagel diese zurückgedrängte Gruppierung gestärkt hat, kann man doch sagen, daß er in dieselbe Kerbe schlug wie die ältere Generation der interventionsfeindlichen Republikaner. Fakt ist auch, daß die betreffenden Parteimitglieder überwiegend aus ähnlichen Regionen kamen wie er und gegen die Ostküstenrepublikaner als die „Konservativen“ auftraten. Hagels fortwährende Demontage, woran die neokonservativen Medien ihre ganzen Kräfte setzen, ist eine Riesenaufgabe. Es geht darum, einen ganzen Abschnitt der Geschichte der Republikaner zu leugnen oder holzschnittartig zu verfälschen.
Dabei ist es keine Kunst zu erkennen, daß Hagel erst dann nach links steuerte, als deutlich wurde, daß er seine außenpolitische Zielsetzung nur in Zusammenarbeit mit den Demokraten erreichen konnte. Zu dieser Überzeugung gelangte er nicht nur, weil die Demokraten generell weniger kriegslustig sind, sondern auch und vor allem, weil er sich mit der zionistischen Lobby heftig überwarf. Die Zionisten griffen seine Nichteinmischungspolitik am deutlichsten an, da Hagel eine enge Zusammenarbeit mit Israel gegen feindliche islamische Mächte in Frage stellte.
Vorrangig wollten die Israelis die amerikanische Regierung dazu bringen, die atomaren Forschungsanlagen der israelfeindlichen Iraner zu zerstören. Doch Hagel weigerte sich zuzustimmen. Er zauderte mit sichtlichem Unbehagen, über den Iran Sanktionen zu verhängen, damit die USA nicht in eine etwaige kriegerische Aktion hereinschlittern würden. Immer wieder hat er die einflußreiche Israel-Lobby und ihre neokonservativen Hilfskräfte deswegen kritisiert. Schon am Ende seiner Amtszeit im Senat wurde von einem weitgespannten Kreis der vernetzten zionistischen und neokonservativen Organisationen das Gerücht in Umlauf gesetzt und eifrig bekräftigt, daß Hagel ein Judenhasser sei.
Darauf erwiderte der Senator, daß er sich von der „jüdischen Lobby“ nicht schikanieren lassen würde. Mit diesen Kampfworten hätte Hagel normalerweise beruflichen Selbstmord begangen in Anbetracht der Tatsache, daß die zionistische Lobby, mit der er sich kühn messen wollte, tiefere Wurzeln bei den republikanischen Parteiführern hat als bei denjenigen der Demokraten. Wegen der Vielzahl der republikanisch ausgerichteten christlichen Zionisten und der neokonservativen Dominanz der republikanischen Medien steht die Partei solidarisch zu den fanatischen jüdischen Nationalisten. Dieser Haltung steht die Tatsache nur scheinbar entgegen, daß die meisten amerikanischen Juden zum linken Flügel der demokratischen Partei gehören. Was für diese Juden das Zünglein an der Waage bildet, ist die antichristliche Richtung der Sozialpolitik bei den Demokraten, die darauf angelegt ist, überkommene religiöse Bestände in Staat und Gesellschaft zurückzudrängen und nach Möglichkeit aufzulösen. Genauso anziehend für jüdische Wähler ist die zunehmende Identifizierung der Demokraten mit nicht-weißen Minoritäten und die Entschlossenheit der jüdischen und nichtjüdischen Demokraten, eine Lockerung der Einwanderungsbestimmungen mit Lateinamerika und der restlichen Dritten Welt einzuleiten.
Ohne jedes Frohlocken muß man zugeben, daß Ernst Nolte in seinen „Späten Reflexionen“ das Wesen der im Westen beheimateten jüdischen Minorität punktgenau beschreibt. Mit dem Partikularismus in bezug auf das Eigene verbinden sie nämlich den hartnäckigen Wunsch nach Aufweichung der Grundsätze einer bereits geschwächten einheimischen Bevölkerung. Zu der mutigen Äußerung des hochbetagten Nolte muß allerdings ergänzt werden, daß diese Haltung nicht nur für die Juden gilt, sondern auch für die anderen egoistischen ethnischen Minderheiten in den USA. Sie alle versuchen, die eigene Gemeinschaft zu bewahren, und bemühen sich gleichzeitig, das, was als „WASP“ gilt, rücksichtslos zu bekämpfen. Um die schädlichen Folgen dieser vermeintlichen Selbstbehauptung, die ihre Förderer und Unterstützer auch nicht schonen wird, kümmern sich die Minoritäten nicht im geringsten. Die Absicht, eine einst diskriminierende Mehrheit zu bestrafen, führt dazu, die moralischen Pfeiler der gesamten Gesellschaft zu unterminieren.
Beim Anhörungsverfahren im Senat bemühte sich Hagel, die gezielten Fragen zu seiner Abweichung von der republikanischen Außenpolitik zu unterlaufen; und als er zu seinen Aussagen über die „Jewish Lobby“ befragt wurde, tat er so, als ob er an Gedächtnisschwund litte. Mit diesem Herumdrucksen und Auf-der-Stelle-Treten wirkte Hagel nicht gerade eindrucksvoll. Jedoch ist anzunehmen, daß er die Ratschläge der Obama-Berater ernst nahm und in die Praxis umsetzen wollte. Auf wütende republikanische Senatoren wie John McCain und Lindsay Graham starrte er beinahe dumpf, als diese ihn als „Antisemiten“ und Dilettanten hinstellten. Weitaus besser wäre es gewesen, wenn man ihm den Maulkorb abgenommen und ihm die Möglichkeit gegeben hätte, seine beachtenswerten Ansichten zu verteidigen. Trotz seiner militärischen Kenntnisse vermittelte Hagel den Eindruck, nicht ganz bei sich zu sein.
Es streift ans Komische, wie Senator Graham, der vorwiegend von protestantischen Kleinbürgern aus dem Süden gewählt und mehrmals wiedergewählt wurde, die Zuhörer daran erinnerte, daß er entgegen der allgemeinen Ansicht nicht den Staat Israel im Senat vertrete. Man hätte das Gegenteil annehmen können, nachdem Graham unterstellt hatte, daß der Anwärter auf das Kabinett antisemitische Tendenzen aufweise. Wenn Graham und Gleichgesinnte so stark übertreiben, dann nicht etwa im Interesse einer festen jüdischen Wählerschaft. Ihre Zielgruppe setzt sich aus christlichen Zionisten und Neokonservativen zusammen. Die Juden, denen er den Hof macht, würden Graham für viel zu „conservative“ halten, wenn er in einem von ihnen bewohnten Staat zur Wahl stünde.
Vor diesem Hintergrund ist es möglich, die Windungen von Hagels Karriere nachzuvollziehen. Als er seine außenpolitische Kehrtwendung machte, war es für ihn nicht mehr sinnvoll, als Republikaner aufzutreten. Und ohne die vorgeschriebene neokonservative Grundhaltung hätte er keineswegs auf eine mediale und bundesweite finanzielle Unterstützung rechnen können. Jedenfalls hatte er auf eine glänzende Zukunft in seiner Partei keine Aussicht mehr, nachdem er seine Wende vollzogen hatte.
Im Augenblick steht er besser da und ist weitaus handlungsfähiger, als es der Fall gewesen wäre, wenn er versucht hätte, sich als Republikaner zu behaupten. Ohne die Parteimitgliedschaft wechseln zu müssen, bekommt Hagel nun die wunderbare Gelegenheit, in einer medial abgefederten und allseits gelobten demokratischen Regierung eine Glanzrolle zu spielen. Ebenso nützt es Obama, einen Verteidigungsminister aus der gegnerischen Partei zu ernennen und dadurch (dem Anschein nach) der Opposition die Hand zu reichen. Dabei ist es selbstverständlich, daß die Wahl auf Hagel fällt, weil er und der Präsident sich darüber einig sind, trotz des republikanischen Widerstands weniger für das Militär aufzuwenden. Sie vertreten auch den gleichen Standpunkt beim rücksichtsvollen Umgang mit internationalen Spannungsfeldern. Da Hagel an seiner Parteibindung festhält, verfügt er weiterhin über die Möglichkeit, sich den Republikanern wieder anzuschließen, falls das Unerwartete geschieht und die Parteiführer sich von ihrer neokonservativen Abhängigkeit lösen. Bis dahin dient er seinen demokratischen Gönnern und genießt Vorteile, die Republikaner sonst nicht genießen.
Dazu zählt vor allem ein gewisser Schutz vor seinen jüdischen Kontrahenten, die über seine gespannten Beziehungen zur umtriebigen „Jewish lobby“ verärgert sind. Dabei sind zwei Dinge zu berücksichtigen. Die meisten Juden, einschließlich der zionistisch engagierten, gehören den Demokraten an; und die jüdischen Politiker, denen sie ihre Stimmen geben, sind mit wenigen Ausnahmen parteilich gebundene Demokraten. Hinzu kommt, daß die jüdischen Mitglieder im Senat unzweifelhaft für Hagel stimmen werden, da der Befehl dazu aus dem Weißen Haus kommt. Diese Verpflichtung verbindet alle jüdischstämmigen demokratischen Senatoren, die ihre Position durch jüdische Anhänger erlangt haben , wie Carl Levin aus dem Bundesstaat Michigan, den derben, linkslastigen Charles Schumer aus New York City und die kaum zu unterscheidenden Feministinnen aus Kalifornien, Barbara Boxer und Dianne Feinstein. Schumer protestierte während der Anhörung von Hagel nur zum Schein, dann sprach er von seiner schweren Entscheidung, trotz allem seine Parteiloyalität zu wahren und für Hagel zu stimmen.
Am liebsten möchten die überwiegend links ausgerichteten jüdischen Wähler das eine tun, ohne das andere zu lassen. Doch wenn der entscheidende Moment kommt, kann man ihnen zutrauen, sich für eine wählbare Linke und nicht für die zionistische Sache zu entscheiden. So ging es schon zweimal mit Obama. Trotz seines angespannten Verhältnisses zur derzeitigen israelischen Regierung, ein Faktor, der an der Bereitwilligkeit der Führung der Likud-Partei zu erkennen ist, ihre Sympathie für Obamas republikanischen Gegner unverblümt auszusprechen, geben fast 70 Prozent der jüdischen Wahler dem eher pro-palästinensischen Obama ihre Stimme. Wenn der jüdische Nationalismus für diese Wähler an erster Stelle rangieren würde, dann hätten sie sich mit Begeisterung Romney und in der vorausgegangen Wahl McCain zugewandt. Die republikanischen Kandidaten haben sich dicht mit neokonservativen Beratern umgeben, und aus ihren außenpolitischen Stellungnahmen ging immer wieder der unverbrüchliche Bund mit Israel als „einzigem demokratischen Staat“ in Nahost und „treuestem Verbündeten der amerikanischen Nation“ hervor. Bis zum Überdruß pochen die Republikaner auf diese „hervorragende Freundschaft“, ohne dadurch die jüdische Wählerschaft, wie knapp auch immer, für sich zu gewinnen. Unwillkürlich fällt einem der Ausdruck vom Hund ein, der sich „nicht hinter dem Ofen hervorlocken“ läßt.
Hagel hat es wohl erkannt. Wenn man vorankommen will, dann sollte man im Wind einer Erfolgspartei wie der Demokraten segeln. Da unser „vielfältiges“ Land politisch und sozial unaufhaltsam nach links driftet, gereicht es (de paribus ceteris – wobei die übrigen Dinge gleich bleiben) dem Klugen zum Vorteil, sich mit der im Aufwind befindlichen multikulturellen Partei zu verbünden. Die entgegengesetzte Partei wird dann unter allgemeinem Hohn versuchen, „mäßiger“ aufzutreten, um die Schwulen, Feministinnen und farbigen Minderheiten zu sich hinüberzuziehen, ohne ihre weiße protestantische Basis zu verlieren. Außenpolitisch sehen die Republikaner noch erbärmlicher aus, da sie einen radikalen Zionismus demonstrieren, den die jüdischen Wähler offenbar gar nicht wünschen.
Zeichen der Kraftlosigkeit jener Partei, der sich Hagel entfremdet hat, ist auch, daß der deutlich geschlagene Präsidentenkandidat John McCain im Jahre 2008 mit falschen Schlachtrufen durch das ganze Land gezogen ist. Ihm ginge es darum, so McCain, sich der Schwarzen als diskriminierter Minderheit besonders anzunehmen. Dazu versprach er den Latinos, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um ihnen die Legalität zu verschaffen. Und bestimmt legte McCain Nachdruck auf seine Absicht, die ewige Freundschaft zwischen den zwei vorbildlich demokratischen Ländern, Israel und Amerika, noch weiter zu vertiefen und zu festigen. Das ist allerdings verlorene Liebesmüh‘. Aus dem Wahlergebnis ging nämlich hervor, daß McCain bei den besonders umworbenen Zielgruppen kläglich verlor. Bei den Juden errang er nur 18 Prozent der Stimmen, bei den Latinos 31 Prozent und bei den Schwarzen gerade drei Prozent. Vier Jahre später konnte sein glückloser Nachfolger Romney die Zustimmung bei den Schwarzen lediglich um ein einziges Prozent und bei den Latinos mit Mühe auf 25 Prozent heben. Gleichzeitig verloren die Kandidaten einen zunehmenden Teil ihrer verhältnismäßig konservativen protestantischen Basis, die aus Verdrossenheit zur Stimmenthaltung griff. Wer kann Hagel vorwerfen, das havarierte republikanische Schiff verlassen zu haben? Die Altkonservativen bezeichnen die Republikaner inzwischen als die „dumme Partei“ und die anderen als „die niederträchtige Partei“. Wenn man in einem Zweiparteien-System den Dümmeren verläßt, dann oft auch dann, wenn dem Suchenden eine akzeptable Alternative fehlt.
Postskriptum: Nach einer zweiwöchigen Verschiebung, als versucht wurde, Obama zum Zurückziehen der Kandidatur zu bewegen, bestätigt der Senat am 26. Februar die Ernennung des stark umstrittenen Chuck Hagel zum Verteidigungsminister. Dank einer überwältigenden demokratischen Mehrheit wurde er mit einigem Abstand (mit 58 gegen 41 Stimmen) gewählt, und so gelang es ihm, dem republikanischen Ansturm zu trotzen. Nach den Auftritten von Hagels verbissenen Gegnern kann man sich leicht vorstellen, daß auch die republikanische Basis „Schluß damit!“ ausgerufen haben dürfte. Es bleibt die Frage, welchen Gewinn die Republikaner aus ihrem Geschrei gezogen haben. In der Popularität sacken sie dadurch nur weiter ab.