In einem sind sich die politischen Lager ziemlich einig: Das Thema Ökologie gehört nach links. Zwar steht es inzwischen bei allen Parteien weit oben auf der Agenda, weil denen gar nichts anderes übrigbleibt, als in Sachen Umweltschutz ständig nachzuziehen. Passiert jedoch ein Atomunfall wie in Fukushima, so schlägt sich das in einem erheblichen Stimmenzuwachs bei den Grünen nieder. Die anderen Parteien mögen ihr Programm noch so ökologisch erweitert haben, wenn es drauf ankommt, gelten immer noch die Grünen als Sachwalter für „Bio“.
Die Grünen aber sind ihrer Tradition und dem Selbstverständnis nach eine linke Partei. Weder die Sozialdemokraten noch die Konservativen oder die Liberalen haben jemals die linke Meinungsführerschaft beim Thema Umwelt in Frage gestellt oder gar selbst die Priorität auf diesem Gebiet beansprucht. Bei den Konservativen gibt es sogar eine Gruppierung, die alles Ökologische prinzipiell ablehnt und angreift. Die Ökologie ist nach dieser Auffassung nichts anderes als ein grünlackierter Marxismus mit dem Ziel, den freien Bürger zu terrorisieren und eine Öko-Diktatur vorzubereiten.
Nicht nur parteipolitisch, auch was den Lebensstil angeht, sind „Öko“ und „Bio“ von Anfang an in einem linken Umfeld aufgetreten. Das gilt bis heute. Zwar spricht man vom „Bionade-Bürgertum“, das sozial durchaus bei den „Besserverdienenden“ anzusiedeln ist, trotzdem herrscht dort die typisch egalitäre Einstellung und die Vorliebe für unterdrückte Minderheiten. Insofern ist die Tradition seit den 70er Jahren ungebrochen, als die ersten „Atomkraft – nein danke“-Anstecker und „Jute statt Plastik“-Taschen bei links engagierten Studenten auftauchten. Das Milieu hat sich ausgeweitet und etabliert, geändert hat es sich aber nicht. Zwar gibt es inzwischen durchaus Menschen, die aus rein ernährungsbedingten Gründen im Bio-Supermarkt einkaufen und damit keinerlei weltanschauliche Aussage verbinden. Wahrscheinlich sind es die, die früher die Reformhäuser frequentierten. Man duldet diese Neutralisten im grünen Biotop. Doch sobald jemand eine politische Ansicht äußern will, die über „Jute statt Plastik“ ein wenig hinausgeht, dann hat diese Ansicht antirassistisch, multikulturell und feministisch zu sein. Etwas anderes würde zum ökologischen Anspruch gar nicht passen, ja damit vollkommen unvereinbar sein. Schließlich muß es seinen Grund haben, daß Umweltschutz immer von links kommt.
Es gibt von dieser Regel nur ganz wenige Ausnahmen. Die Vierteljahresschrift „Umwelt & Aktiv“ erscheint seit einigen Jahren mit den Themen Naturschutz, Tierschutz und Heimatschutz. Der dritte Begriff deutet bereits auf eine nationale Ausrichtung hin. Obwohl die Mehrzahl der Beiträge keine politische Aussage enthalten und sich wenig populistisch an den Sachfragen orientieren, ist nicht zu leugnen, daß es sich bei „Umwelt & Aktiv“ um eine rechte Öko-Zeitschrift handelt. Diese skandalöse Tatsache blieb in den ersten Jahren weitgehend unentdeckt, seit 2012 hat sich das jedoch geändert. Im „Spiegel“ gleich zweimal, in der „Süddeutschen“, in der „taz“ und bei der Heinrich-Böll-Stiftung erregt das gemäßigte Blatt ein bemerkenswertes Aufsehen. Manch eine der unübersehbar vielen Publikationen am Kiosk mag sich eine derartige Aufmerksamkeit wünschen. Zuteil wird sie in der abgestumpften Medienwelt jedoch immer nur einem, nämlich dem rechten Gegner. Und diesmal handelt es sich um einen besonders gemeinen Anschlag auf unsere demokratische Kultur: die Verbindung von Rechtsextremismus und Naturschutz! Dies ist nichts anderes – die Heinrich Böll-Stiftung weist es in ihrer umfangreichen Broschüre nach – als die Reaktivierung des genuin nationalsozialistischen Konzepts von „Blut und Boden“ unter dem Deckmantel („Schafspelz“) der Ökologie.
Seit Juni 2012 geht es auch gegen etwaige braune Bio-Bauern, die sich Gerüchten zufolge hauptsächlich in Süddeutschland angesiedelt haben und versuchen, ihre Produkte ganz unauffällig an eine ahnungslose Kundschaft zu verkaufen. Dagegen verwahrt sich der BÖLW, in dem die namhaften Bio-Verbände organisiert sind, mit einer Resolution unter dem Titel „Bio-Branche gegen Rechtsradikalismus“. Darin verurteilt man insbesondere den „Mißbrauch des Öko-Prinzips“ und fordert den Ausschluß von „Rechtsradikalen“ aus den größten Verbänden Bioland, Demeter und Naturland.
Die Frage ist, wie auf solche Vorwürfe am besten zu reagieren wäre. Der Nachweis, daß man mit „Blut und Boden“ nicht das geringste zu tun hat, ist schwierig, denn immerhin besteht die Natur aus Pflanzen und Tieren, von denen die einen aus dem Boden wachsen und die anderen ihre Nährstoffe über das Blut transportieren. Es ist sogar so, daß man die Forderung nach Rassentrennung mit ökologischen Argumenten am besten begründen könnte. Wie bei den vielen aussterbenden Arten ist auch die Funktion unterschiedlicher Menschenrassen für das vielzitierte „ökologische Gleichgewicht“ noch gar nicht bekannt. Man muß also fürchten, daß das Aussterben beispielsweise der Weißen zu ungeahnten Katastrophen führen könnte. Hinzu kommt die Freude an der „Biodiversität“ und die Trauer um verlorengegangene Naturschätze. Wenn wir uns für die natürliche Vielfalt bei den Käfern und Schnecken einsetzen sollen, was wäre dann so entsetzlich am Einsatz für die natürliche Vielfalt bei den Menschen?
Die Antwort liegt auf der Hand: Der Mensch verfügt über das Recht auf Selbstbestimmung. Die Natur hingegen wird vom Menschen fremdbestimmt, und das gilt für die Zerstörung genauso wie für eine beabsichtigte „Rettung“. Wir verfügen über Schnecken, die in einem geeigneten Biotop angesiedelt werden, weil es „ökologisch sinnvoll“ ist. Mit einem Indianerstamm am Amazonas zum Beispiel könnten wir das nicht machen. Diesen Menschen muß man die Freiheit lassen, ihre eigene Kultur zu zerstören und sich in kürzester Zeit zu amerikanisieren, wenn sie das wollen. Und es geht noch weiter mit der menschlichen Selbstbestimmung, auch „Freiheit“ genannt: Wenn nämlich der Schutz von Wäldern, Meeren oder der erwähnten Artenvielfalt dem menschlichen Wollen – sei es von hungrigen Schwarzen oder von profitgierigen Weißen – entgegensteht, dann setzt sich trotz aller ökologischen Bekenntnisse immer noch das menschliche Interesse durch. Denn der Anspruch des Menschen gilt absolut, die Ansprüche der „Umwelt“ müssen bei aller Dringlichkeit dahinter zurückstehen. Aus diesem Grunde ist das ökologische Wirtschaften ein so mühsames Geschäft – „Geschäft“ im wörtlichen Sinne, denn alle menschlichen Ansprüche, die dem ökologischen Vorhaben im Wege stehen, müssen den selbstbestimmten Subjekten in irgendeiner Weise durch Subventionen, Entschädigungen oder notfalls durch Bußgelder abgekauft werden. Die Ökologie ist ein Prinzip, das durch den Vorrang des Menschen rigoros beschränkt wird, obwohl „Ökologie“ gerade auf die Gesamtheit der Beziehungen aller Naturvorgänge und ihre gegenseitige Abhängigkeit zielt. Der einzige Vorrang, den es dabei geben dürfte, ist das Funktionieren des Ganzen – die vielgerühmte „Ganzheitlichkeit“ und „Nachhaltigkeit“.
Nimmt man also das ökologische Denken ernst, so ergeben sich Konsequenzen, neben denen die Schreckgespenster von Rassismus und Nationalismus geradezu verblassen. Jeder Anspruch und jedes Eigeninteresse wäre demnach dem inneren Gesetz des Kosmos unterzuordnen, wie es vor dem Erscheinen des Menschen selbstverständlich der Fall gewesen war. Es gibt keine Instanz, bei der ein dürstender Elefant sein Recht auf Leben oder persönliches Wohlbefinden einklagen könnte. Wenn kein Wasser da ist, muß er verdursten und der sympathische Nachwuchs gleich mit. Ein Mensch erträgt solche Bilder nicht einmal auf dem Fernsehschirm. Und doch hat sich diese Methode seit vielen Millionen Jahren bewährt, um dafür zu sorgen, daß keine Tierart sich in der beunruhigenden Weise vermehrt hat wie der Mensch.
Für jeden, der die geltenden Werte von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten bejaht und unterstützt, ergibt sich ein ernsthaftes Problem mit der Umsetzung ökologischer Einsichten. Und daraus hat sich inzwischen ein politisches und gesellschaftliches Problem mit der Ökologie ergeben, das Riesensummen verschlingt und Gesetzeslawinen in Gang setzt. Kein Ende ist abzusehen, denn dieser Konflikt geht an die Substanz unserer Legitimation, ja unseres Glaubens.
Der erste Schritt zu einer Lösung würde freilich darin bestehen, das Problem zu benennen. Um sich davor drücken und weiterhin selbst belügen zu können, hat die grüne Klientel zu dem allseits bekannten Mittel gegriffen: zum „Kampf gegen rechts“. Für das Öko-Establishment gibt es keinen Wertekonflikt, keine Unvereinbarkeiten und keine Gefahr (oder Chance), daß das herrschende Gesellschaftssystem an der ökologischen Herausforderung zerbrechen könnte. Der Historiker Joachim Radkau („Die Ära der Ökologie“) erklärt immerhin, daß der einzig wirksame Einwand gegen die Globalisierung heute vom Naturschutz kommen könnte. Und in der „Zeit“ vom Januar heißt es nur scheinbar zuversichtlich: „Die Klimakatastrophe läßt sich abwenden, ohne die Demokratie zu opfern.“ Es geht also tatsächlich um die Frage, wie viel von unseren liberalen Auffassungen zu „opfern“ ist, um die Lebensgrundlagen zu retten.
Doch die Öko-Szene stellt sich dieser Diskussion nicht. Sie zieht sich auf den bequemen Standpunkt zurück, daß „undemokratische“ und überhaupt „gefährliche“ Tendenzen nur von den Rechtsextremen in die Ökologie hineingetragen werden. So kritisiert Nils Franke, Verfasser der Broschüre „Naturschutz gegen Rechtsextremismus“: „Sie meinen, daß die Natur einen direkten Einfluß auf das Wesen der Menschen hat.“ Durch diesen „Mythos“ begründen die Rechtsextremen auch die Heimatgebundenheit. – Bei solchen Aussagen stellt sich grundsätzlich die Frage, was die dominierende Linke eigentlich unter Ökologie und was sie überhaupt unter Natur versteht. Wenn diese keinen „direkten Einfluß auf das Wesen des Menschen“ haben soll und schon gar keinen speziellen Einfluß auf die Wesensart in bestimmten Regionen, dann erscheint die Natur nur als Reservoir, aus dem sich der Mensch nach Wunsch bedienen kann – und das erst dann einer gewissen Schonung unterliegt, wenn es zur Neige zu gehen droht. Die Menschen stehen von vornherein außerhalb der Naturgesetze und folgen jenen utopischen Hoffnungen, die für linke Politik immer schon typisch waren. Und woran die grüne Metamorphose nicht das Geringste geändert hat.
Plötzlich wundert man sich, wie es überhaupt dazu kommen konnte, daß sich ausgerechnet diejenigen auf die Seite der Natur schlagen, die deren Zurückdrängung unter dem Namen Fortschritt noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eifrig betrieben haben. Und wieso umgekehrt die Konservativen dieses Thema so leichtfertig aufgegeben und an ihre Gegner abgetreten haben. Die Entwicklung begann nach der 68er-Revolte und deren baldigem Stocken. Die erhoffte Revolution blieb aus, und die Linken kamen bei der Bevölkerung nicht an. Sie blieben im Ghetto der K-Gruppen stecken. Sehr anschaulich schildert Christian Schmidt diese Ausgangssituation der „Grünen“ in seinem Buch über Joschka Fischer und seine Frankfurter Gang. „Nun setzte Cohn-Bendit, da sich Joschkas Guerillaprogramm als ziemlicher Schlag ins Wasser entpuppt hatte, alles auf die alternative Karte“, heißt es da. „Bald befanden sich auch alle anderen alten Kämpfer auf dem mit Umweltfarben neu lackierten alternativen Dampfer.“ Wo aber kam der grüne Impuls, den findige Ex-Revoluzzer wie Cohn-Bendit und Joschka Fischer, Mitte der 70er Jahre aufgriffen, ursprünglich und authentisch her? Er kam aus der Erfahrung großstädtischer Vereinzelung, synthetischen Massenkonsums und der Angst vor unbeherrschbaren Technologien. Mit anderen Worten: es war an der Zeit, die Fortschrittsskepsis von einzelnen, wie etwa Martin Heidegger oder Friedrich Georg Jünger oder dem Heidegger-Schüler Hans Jonas, auf breiter Front politisch wirksam zu machen. Und diesen Zeitpunkt erkannten und ergriffen die bereits gut organisierten und vernetzten Linken und grenzten einzelne Konservative, wie Herbert Gruhl oder Baldur Springmann, sehr bald aus. So geht es bis heute. Allerdings könnte das Modell von „Umwelt & Aktiv“ in eine neue Richtung weisen. Deren Klientel ist selbst radikal und „alternativ“ und läßt sich von ideologischen Angriffen vielleicht nicht so leicht ins Bockshorn jagen.
Weshalb aber hat sich die deutsche Rechte, pauschal gesagt, nicht rechtzeitig für das Thema Umweltschutz stark gemacht und ihre weltanschauliche Kompetenz eingesetzt? Zwar behauptet Jutta Ditfurth in ihrem Abgesang „Das waren die Grünen“, daß anfangs schlimme Unterwanderungsversuche von Seiten der „Neonazis“ stattgefunden hätten, die man nur mit Mühe abwehren konnte. Doch die Wahrheit ist, daß sich Nationale bis heute weit mehr für Geschichte interessieren als für irgendeine Art von Naturwissenschaft. Diese Abneigung ist nicht zuletzt von der Furcht diktiert, mit dem Vorwurf des „Biologismus“ belegt zu werden, der direkt zum Nationalsozialismus hinzuführen scheint. Solange man sich auf den Bereich der Kultur beschränkt und keine biologischen Aussagen trifft, so hatten sich die Rechten nach 1945 gesagt, solange halten wir sicheren Abstand zum verbotenen Gefilde. Das mag stimmen, aber damit hatte man sich unversehens auch jenen Bereich abgeschnitten, der inzwischen ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung gerückt ist.
So steckt in der Verbindung zwischen linksalternativem Milieu und ökologischer Thematik vielleicht doch eine gewisse Logik. Eine Gruppierung, die nach dem Krieg erstmals wieder die Biologie – und Ökologie ist ein Teilgebiet der Biologie – zur Grundlage der politischen Argumentation machen wollte, konnte aus zeithistorischen Gründen nicht national sein, sie mußte links und antideutsch sein, um keinen tödlichen Verdacht aufkommen zu lassen. Dabei stellt auch Joachim Radkau in seinem Buch deutlich heraus, daß der Naturschutz in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert eine besondere Tradition hat und über die Reformbewegung der 20er Jahre in den Nationalsozialismus eingegangen ist. Diese Traditionslinie mußte man durchschneiden, um das ökologische Motiv 30 Jahre nach dem Krieg wieder aufnehmen zu können.
Inzwischen gelten die Deutschen in Sachen Umweltschutz wieder als besonders eifrig, ja fanatisch. Das Anliegen kann seine Affinität zum Volkscharakter nicht verleugnen. Etwas „rein“ zu erhalten, was ihnen als „heilig“ gilt, ist für die Deutschen der Inbegriff einer „sinnvollen“ Tätigkeit. Und wer sie dabei stört, der „Schmutzfink“ und gedankenlose Egoist, wird unbarmherzig gestraft.
So wäre die Ökologie ein wunderbares Mittel, nationale Werte wiederzubeleben und sie missionarisch in alle Welt zu exportieren. Endlich wäre es möglich, mit Freuden deutsch zu sein und sich um die anderen weniger einsichtigen Völker nachhaltig verdient zu machen. Wenn nur nicht die lästige Verpflichtung wäre, sich dabei ständig von der eigenen Herkunft zu distanzieren, diejenigen auszugrenzen, die sich an der Distanzierung nicht beteiligen und parallel zu den ökologischen Anliegen ein multikulturelles-schwullesbisches Projekt zu betreiben, das jede Verbindung mit „Blut und Boden“ blickdicht und diskret überdeckt. Sonst müßte man das grüne Politikfeld ja den „Braunen“ überlassen, und dazu ist es viel zu ergiebig.