Die militärischen Operationen, die das Deutsche Reich und Italien, die „Achsenmächte“, während des Zweiten Weltkriegs im Bereich von Libyen, Ägypten und Tunesien durchführten, erstreckten sich auf den Zeitraum vom 9. September 1940 bis zum 13. Mai 1943. Ihnen bot sich hierbei mehrfach die Chance, in Nordafrika die Vorherrschaft zu erlangen, doch letztlich sollte sich dieses „Kriegstheater“ als ein Kriegsschauplatz der verpaßten Gelegenheiten erweisen.
Am Ende der dortigen Kämpfe in Nordafrika wurde es den Alliierten durch die Niederlage der Deutschen und Italiener ermöglicht, ihre Kontrolle über den Mittelmeerraum auszudehnen. Auch wurde es für die Alliierten so möglich, deutlich gefahrloser die Landung auf Sizilien durchzuführen. Sie fand am 10. Juli 1943 statt und eröffnete in Südeuropa eine zweite Front, die Hitler unbedingt hatte verhindern wollen. Als Konsequenz daraus ereignete sich nach nur wenigen Tagen der Sturz Mussolinis (25. Juli 1943), der wiederum einen Seitenwechsel Italiens im Gefolge hatte. Schon vor diesem Hintergrund besitzt der Feldzug in Nordafrika eine herausragende Bedeutung im Rahmen des Zweiten Weltkriegs.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs hatte sich Italien unter der Führung des „Duce“ zunächst als ein „nichtkriegführendes“ Land aus den Kampfhandlungen herausgehalten. Doch unter dem Eindruck der Erfolge seines deutschen Bündnispartners, die er nur sehr ungern sah, war Benito Mussolini aus seiner anfänglichen Zurückhaltung herausgetreten und hatte am 10. Juni 1940 Frankreich und England den Krieg erklärt, da er für sich noch schnell leichte Beute hatte ergattern wollen1. Italien hatte für seine Statistenrolle auf dem Schlachtfeld unbescheiden Nizza, Korsika, Tunesien und Dschibuti gefordert, dazu Stützpunkte in Algerien, eine italienische Besetzung Frankreichs bis zur Rhône, die Auslieferung der gesamten französischen Flotte sowie evtl. Malta und die Übertragung der englischen Rechte in Ägypten und im Sudan. Doch Hitler hatte dem „Duce“ deutlich gemacht, daßItaliens Ehrgeiz nur den Sieg über England verzögere. So fürchtete Hitler, die hochmoderne französische Flotte, die, seinem Zugriff entzogen, in verschiedenen Häfen Nordafrikas und Englands ankerte, könnte, durch überharte Bedingungen verärgert, zur Gegenseite übergehen oder gar den Kampf im Namen Frankreichs von den Kolonien aus fortsetzen. Frankreich mußte Italien in den Waffenstillstand einbeziehen, den es am 22. Juni 1940 mit Deutschland geschlossen hatte2. Von nun an befand sich Italien an der Seite des Reichs im Krieg mit dem britischen Empire. Und dies sollte sich schon bald auf die italienischen Kolonien in Libyen und in Ostafrika auswirken – nicht zur Freude der Italiener.
Für Großbritannien besaßen das Mittelmeer, Afrika sowie der Nahe Osten eine fundamentale Bedeutung. Das Empire wachte mit Argusaugen darüber, daß so wichtige Lebensadern wie der Suez-Kanal und die Meerenge von Gibraltar nicht unter die Kontrolle des Feindes gerieten. Angesichts einer jederzeit möglichen deutschen Invasion auf den Britischen Inseln, zu deren Abwehr britische Truppen an der Heimatfront gebunden waren, sahen sich die Briten zwecks Verteidigung ihrer Stellungen im Nahen Osten sehr stark darauf angewiesen, Hilfe von den Staaten des Commonwealth zu erhalten. Es handelte sich hierbei primär um die Streitkräfte von Australien, Neuseeland, Südafrika und Britisch-Indien. Neben britischen Truppen mußten sich die Achsenmächte mit diesen auseinandersetzen.
Mussolinis ehrgeizige Pläne waren durch sein spätes Platznehmen am Tisch des Siegers über Frankreich ganz und gar nicht zu seiner Zufriedenheit realisiert worden. Der Lehrmeister Hitlers hatte es darauf abgesehen, das „Imperio Romano“ durch territoriale Eroberungen in Afrika zu vergrößern. Im Jahre 1936 hatte Mussolini Abessinien annektiert, und 1940 standen dort rund 250.000 italienische Soldaten mit Stoßrichtung gegen die britischen Kolonialtruppen in Kenia, Britisch-Somaliland und im Sudan. 14 Divisionen unter Marschall Graziani hatten die Italiener in Libyen stationiert. Mit all diesen Streitkräften plante nun der „Duce“ einen Einmarsch in das offiziell mit Großbritannien verbündete Ägypten, wo nur schwache britische Streitkräfte standen und die Briten bei weiten Teilen des Volkes unbeliebt waren. Wegen des Suez-Kanals hatte das Land am Nil besondere strategische Bedeutung.
Nach einer Reihe kleinerer Gefechte an der Grenze zwischen Libyen und Ägypten griffen die Italiener am 13. September 1940 an. Sie machten in etwa 80 km Entfernung von der Grenze, bei Sidi Barrani, Halt und bezogen dort befestigte Stellungen, weil britische Flugzeuge und Kriegsschiffe ihre Nachschubwege zerstört hatten. Obgleich die Italiener fünfmal so stark waren wie die aus britischen und Commonwealth-Truppen gebildete Western Desert Force unter General O’Connor, machte diese in drei Tagen 40.000 italienische Gefangene und erbeutete 73 Panzer, 237 Geschütze sowie rund 1.000 Fahrzeuge3.
Trotz dieser Rückschläge eröffneten die Italiener durch ihren über Albanien auf Griechenland vorgetragenen Angriff am 28. Oktober 1940 einen weiteren Kriegsschauplatz, auf dem sie durch die heftige Gegenwehr der Griechen dann auch nicht vorankamen. Ihr Verbündeter Hitler, der ob dieser Eigenmächtigkeit des „Duce“ erzürnt war, mußte Mussolini beispringen, dessen Prahlereien sich als reine Seifenblasen erwiesen hatten. Zuerst wollte Hitler nur Einheiten der Luftwaffe zum Mittelmeer entsenden, um ein völliges Debakel der Italiener zu verhindern. Dies hätte nämlich auf Deutschlands eigene Kriegführung höchst negative Auswirkungen gehabt. Schließlich mußte Hitler einsehen, daß ein bloßer Sperrverband nicht ausreichen würde, um die italienischen Territorien in Nordafrika halten zu können. Es bedurfte schon eines größeren Truppeneinsatzes4.
Weitere schwere Schläge trafen den stolzen Mussolini, denn seine Italiener wurden im Januar 1941 entlang der nordafrikanischen Küste verfolgt. Überdies nahmen die Engländer die italienischen Festungen Bardia, Tobruk und Derda. Im Anschluß führte O´Connor seine motorisierten Truppen quer durch die östlich von Bengasi gelegene Cyrenaika. Bei Beda Fomm, nahe der Großen Syrte, kam es dazu, daß O´Connor den Italienern den Fluchtweg nach Süden abschnitt. Dies hatte am 7. Februar 1941 die Kapitulation der gesamten italienischen 10. Armee zur Folge. Damit waren nicht bloß zehn italienische Divisionen vernichtet, sondern auch 130.000 italienische Soldaten in die Gefangenschaft der Briten geraten. Dazu hatten Hitlers so wenig effiziente Alliierte 500 Panzer sowie 800 Geschütze eingebüßt. Die Briten, die nur an die 1.000 Mann verloren hatten, besetzten am 8. Februar das nahe der Grenze zwischen der Cyrenaika und Tripolitanien gelegene El Agheila, wo sie ihre Verfolgung der Italiener einstellten. Denn in London hatte das Kabinett inzwischen beschlossen, sich in Griechenland zu engagieren. Die Truppen dafür konnten nur aus Nordafrika kommen5.
Hitler hatte lange gezögert, dem bedrängten und nun offen um Hilfe bittenden Mussolini in militärisch bedeutendem Umfang beizuspringen – wollte er doch „seinen“ Feldzug, den Krieg gegen die UdSSR, nicht beeinträchtigen. Doch als der „Duce“ bei einem Treffen in Berchtesgaden Hitlers Hilfe annahm (Weisung Nr. 22 vom 11. Januar 1941), beschleunigte sich bereits Italiens Zusammenbruch in Libyen. Am 22. Februar ergab sich Tobruk den Briten. Diese eroberten am 7. April zudem die abessinische Hauptstadt Addis Abeba, so daß Ende Juni 1941 das ostafrikanische Reich des „Duce“ zu bestehen aufhörte6.
Jetzt ging es nur noch um Nordafrika. General Erwin Rommel, der sich schon beim Feldzug in Frankreich 1940 glänzend hervorgetan hatte, wurde damit beauftragt, die Italiener mit dem Deutschen Afrikakorps (DAK) zu unterstützen. Der nominell dem italienischen Oberbefehlshaber in Libyen, Italo Gariboldi, unterstellte7 Erwin Rommel traf am 12. Februar 1941 in Tripolis ein. Einen Tag vorher waren die ersten Einheiten der im Rahmen des Unternehmens „Sonnenblume“ entsandten deutschen Truppen dort angekommen. Zu Anfang waren lediglich motorisierte und gepanzerte Verbände der Wehrmacht für den Wüstenkrieg ausgewählt worden. Es handelte sich dabei um die 5. leichte Division (die spätere 21. Panzerdivision), die 15. Panzerdivision und die 90. leichte Afrika-Division8.
Daß Hitler dies tat, um die Verdrängung der Italiener aus ganz Afrika vermeiden zu können, zeigt eindeutig, wie sehr der Krieg in Nordafrika für den „Führer“ auch ein Prestigekrieg war. Doch eine größere strategische Bedeutung maß Hitler dem Schauplatz Afrika nicht bei, sondern suchte die Entscheidung vielmehr im Osten Europas. Er hing nur sporadisch der Vorstellung an, die Rommel für lange Zeit, OKW und OKH lediglich für kurze Zeit leitete –, daß das Deutsche Reich nach dem großen „Orientplan“ einen ambitionierten Feldzug führen und sogar mit einem Triumph beenden könnte. Die Wehrmacht würde dabei durch Ägypten und die Wüste Syriens bis nach Persien vordringen und dann von dort aus den Briten den Zugang zu den Ölquellen im Mittleren Osten versperren. Diese Visionen erinnern zum Teil stark an das Vorhaben Napoleons I., der im Zusammenwirken mit dem zaristischen Rusßland das britische Weltreich im Orient entscheidend zu treffen plante. Doch dieser „Orientplan“ schwebte nicht nur den Deutschen vor; er spukte ebenso – jedoch als Albtraum – in den Köpfen vieler britischer Militärs. Sie befürchteten, eine deutsche Armee, die im Kaukasus gegen die Russen Erfolg hätte, könnte nach Persien vordringen, um hierbei Großbritannien in den Rücken zu fallen und diesem die Versorgung mit Erdöl unmöglich zu machen9. Indem Hitler diese Option nicht zumindest stärker ins Auge faßte und den Kriegsschauplatz Nordafrika zugunsten des Kriegs im Osten vernachlässigte, verschenkte er eine gute Gelegenheit, die Briten und ihr Empire entscheidend zu treffen, ohne sie im Zentrum ihrer Macht heimzusuchen. Speziell in dieser Hinsicht war Nordafrika ein Kriegsschauplatz der verpaßten Gelegenheiten.
Bei den Italienern, die durch ihre Niederlagen in moralischer Hinsicht bereits angeschlagen waren, hielt General Gariboldi eine defensive Kriegführung für angebracht. Auch die deutsche Seite plante ursprünglich für das DAK ein defensives Vorgehen. Doch dies widersprach General Rommels Offensivgeist, der einen selbstbewußten Angriff gegen die britischen Truppen für unverzichtbar hielt. Aufgrund seiner Sonderrechte setzte sich der „Wüstenfuchs“, der am 19. März 1941 in Berlin mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz ausgezeichnet wurde, über die Vorstellungen des italienischen Comando Supremo hinweg. Zwar wußte weder er selbst noch das OKH Näheres über die Truppenschwäche der Briten, doch ganz intuitiv glaubte Rommel, er könnte sie durch einen mit starken Kräften ausgeführten Schlag in die Knie zwingen. Daß seine Vorgesetzten dies anders sahen, störte ihn nicht10.
So ließ Rommel am 31. März seine 5. leichte Division gegen Marsa el Brega, wohin sich die Briten zurückgezogen hatten, vorrücken. Schon bald fand er eine Gelegenheit, die britische Stellung zu umgehen, und am Abend desselben Tages hatte er die Schlacht von Marsa el Brega gewonnen. In der Folge warf der draufgängerische Rommel mit seiner Taktik des mobilen Wüstenkriegs die Briten unter ihrem Oberbefehlshaber im Mittleren Osten, General Archibald Wavell, über Bengasi und Derna rund 800 km weit zurück. Auf britischer Seite war man darüber schockiert, auf italienischer hingegen überrascht über diese Erfolge Rommels. Und Hitler selbst? Der befahl, daß Rommel die erreichten Stellungen sichern und nach Möglichkeit starke britische Kräfte binden sollte. Auf keinen Fall durften des „Führers“ minutiöse Planungen für das Eingreifen auf dem Balkan und in Rußland in Unordnung gebracht werden. Dennoch nahm Hitler es gerne zur Kenntnis, daßRommel mit seinem Vorstoß die Briten aus der Cyrenaika vertrieben hatte und sich nun zur Einnahme von Tobruk anschickte11.
Wie aber hatten diese Erfolge Rommels zustande kommen können, wo doch die Briten mittels „Ultra“ den mit „Enigma“ verschlüsselten Funkverkehr Rommels mit dem OKW komplett abgehört hatten? Einfach aus dem Grund, daß der General sich oft nicht an die Befehle hielt, welche die Briten im Funk mithörten! So kannten sie etwa im April 1941 nur die Order, daß er bei Bengasi verharren sollte, und rechneten niemals mit seinem Weitermarsch. Als Folge davon brach ihre Verteidigung der Cyrenaika-Halbinsel bei Rommels Angriff zusammen12.
Doch mittlerweile hatte Churchill in London befohlen, Tobruk um jeden Preis zu halten13. Zu diesem Zweck besetzten jetzt die australischen Hilfstruppen die noch von den Italienern angelegten Befestigungen. Aber Rommel erkannte dies nicht, und so kam östlich von Tobruk bei der ägyptischen Grenzstadt und Festung Sollum der deutsche Vormarsch zum Stehen. Nach erfolglosen Angriffen mit schweren Verlusten mußte Rommel, der nicht mit der Hartnäckigkeit der Verteidiger gerechnet hatte, die Eroberung der eminent wichtigen Hafenstadt Tobruk zurückstellen. Ihm fehlten Kräfte wie z. B. diejenigen, die in Griechenland engagiert waren und deren Fehlen in Nordafrika er jetzt beklagte. Viel besser hätte er es gefunden, eben hier stärkere Kräfte zu konzentrieren und so den Briten den Zugang zum Mittelmeer zu versperren, statt auf dem Balkan die Kräfte zu verzetteln. Später schrieb Rommel, die Deutschen hätten anstelle von Kreta, wo sie im Mai 1941 landeten, besser Malta, von wo aus die Briten den Schiffsverkehr zwischen Italien und Afrika stören konnten, angegriffen. Unbedingt wollte er es vermeiden, daß sich seine mobilen Kräfte im Stellungskrieg um Tobruk verbluteten, hatten sie doch bereits ganz gewaltig unter Versorgungsproblemen zu leiden. Deswegen forderte Rommel vom Comando Supremo zwei zusätzliche italienische Divisionen an14.
Interessant ist ein Gespräch, das zu einem viel späteren Zeitpunkt (im September 1942) der neuseeländische Brigadier Clifton nach seiner Gefangennahme mit deutschen Offizieren führte. Darin sagte er, die Deutschen hätten noch vor wenigen Wochen Kairo und Alexandria erreichen können und damit eine große Gelegenheit verpaßt – einmal mehr. Auch hätte die deutsche Seite durchaus Nutzen daraus ziehen können, daß zumindest am Anfang des Wüstenkriegs der deutsche Abhördienst dem britischen überlegen war (so wechselten die Briten ihre Codes nicht häufig genug oder benutzten so ungeschickt Kennwörter, daß der Gegner schnell deren Bedeutung erkannte). Aber als die Abteilung Ic von Rommel am 14. Mai das Codewort „Fritz“ auffing, rechneten die Deutschen für den 15. Mai mit einem britischen Angriff. Der sollte dann in der Tat erfolgen und die Briten vorübergehend in den Besitz des Halfaya-Passes bringen, doch Rommel brachte ihn mit einem Gegenangriff am 27. Mai von neuem in deutschen Besitz. Trotz dieses Erfolgs rechnete Rommel bald wieder mit einem britischen Angriff. Doch er hielt seine Bodentruppen für zu schwach, um diese neuerliche Attacke abwehren zu können. Nichtsdestotrotz blieb er in einer weiteren Schlacht vom 16. bis 18. Juni 1941 erneut Sieger und brachte so das britische Unternehmen „Battleaxe“ zum Scheitern. Erwin Rommel hoffte, daß sein Triumph seine Vorgesetzten und speziell das italienische Comando Supremo von den Möglichkeiten des Kriegsschauplatzes Nordafrika überzeugen und dazu bringen werde, ihn und seine Truppen dort in größerem Maße als bisher zu unterstützen15.
Rommel mußte erneut mit einer britischen Offensive rechnen. Denn nach dem Fehlschlag von „Battleaxe“ war Wavell nach Indien versetzt und als Oberbefehlshaber im Mittleren Osten durch den General Auchinleck ersetzt worden. Oberkommandierender der britischen 8. Armee war der General Cunningham. Nach völliger Funkstille am Tag zuvor traten im Morgengrauen des 18. November 1941 die Briten mit ihrem Angriff über die ägyptische Grenze zum Unternehmen „Crusader“ an. Mit diesem Vorstoß beendeten sie die Pattsituation rund um das von den Deutschen belagerte Tobruk, das von den Briten bisher nicht hatte entsetzt werden können. Die britische Besatzung der Stadt konnte ausbrechen, und das DAK mußte bis Ende 1941 ungefähr auf seine Ausgangsstellungen in der Cyrenaika zurück. Allzu lange hatte Rommel sich geweigert, an den Beginn einer umfassenden britischen Offensive zu glauben. Dazu kam, daß die Briten durch „Ultra“ genauestens über seine Intentionen und Zeitpläne in Kenntnis gesetzt waren. Und die Luftüberlegenheit, welche die RAF während der gesamten Kämpfe hatte, tat ein Übriges16.
General Rommel hatte in den ersten Tagen von „Crusader“ allzu viele Entscheidungen seinen Untergebenen überlassen und nachher, als er fast überall persönlich eingriff, nicht immer gewußt, wo er Prioritäten setzen sollte. So endete das Jahr 1941 für ihn mit einem schweren Rückschlag. Dennoch konnte dieser nicht den Mythos zerstören, der sich um ihn bei Freund und Feind gebildet hatte17.
Der „Wüstenfuchs“ blieb trotz seiner Niederlage zuversichtlich, da er auch weiterhin Hitlers Vertrauen besaß und zudem Ende Dezember 1941 über Bengasi wertvolle neue Panzer erhielt. Außerdem bekam Rommel über „die gute Quelle“, den US-Militärattaché in Kairo, Major Fellers, genaue Informationen aus dem Lager des Feindes. Fellers, der gute Beziehungen zur britischen Armee in Ägypten und zum britischen Oberkommando unterhielt, plauderte, ohne dieses zu ahnen, einen Großteil der Details der Bereitstellung der britischen Truppen sowie der britischen Pläne und Lagebeurteilungen aus: Denn die Italiener hatten im Spätsommer 1941 den diplomatischen US-Code („Black Code“) geknackt, wovon nun auch die Deutschen profitieren konnten. Leider versiegte „die gute Quelle“ schon Ende Juli 1942 wieder. Doch da hatte Rommel die Briten, bei denen Auchinleck Cunningham durch General Ritchie ersetzt hatte, schon aus Libyen verjagt18.
Anfang Januar 1942 über Tripolis mit weiteren neuen Panzern und Panzerspähwagen versorgt und durch die von Albert Kesselring geleitete Luftflotte 2, die wichtige britische Stützpunkte wie etwa Malta angriff, unterstützt, erlangte Rommel wieder die Initiative. Die Hilfe aus der Luft führte nämlich dazu, daß britische U-Boote nicht wie bis dato die deutschen und italienischen Nachschublieferungen anzugreifen vermochten. Das Resultat von Rommels kühnen Panzervorstößen, die er zum Teil völlig gegen den Willen seiner italienischen Waffengefährten unternahm, bestand darin, daß die Briten bis Ende Januar/Anfang Februar 1942 die Cyrenaika wieder geräumt und sich auf die so genannte Gazala-Stellung (an der ägyptischen Grenze) zurückgezogen hatten. Rommel hatte innerhalb von acht Tagen das von ihm im März 1941 besetzt gehaltene Gebiet zurückerobert und eine neue britische Offensive wenigstens für eine Zeitlang abgewendet. Am 16. Februar über Rom nach Deutschland geflogen, wo ihm Hitler persönlich die Schwerter zum Ritterkreuz verlieh und er seinen verdienten Urlaub machte, kehrte Rommel erst am 19. März nach Nordafrika zurück19.
Hitler und Rommel lagen in ihren visionären Plänen kaum auseinander. Tatsächlich existierte ein „großer Plan“, ein „Orientplan“. Diesem zufolge waren die Briten im Nahen Osten auszuschalten und mittels einer weit ausholenden Umfassungsbewegung ihre wichtigsten Ölquellen zu besetzen. Bei all dem hatte Rommels Panzerarmee Afrika den südlichen Flügel zu bilden. Und auch den Briten ging solches – allerdings als Albtraum – im Kopf herum. Rommel war sich sicher, daß er die Briten bei genügender Unterstützung aus Ägypten vertreiben könnte. Er glaubte jedoch auch an den „großen Plan“ und daran, daß sich nach dem Zusammenbruch der britischen Stellung im Mittelmeerraum eine Basis für ein später erfolgendes deutsches Vordringen nach Persien sowie in den Irak schaffen ließe. Von da aus hätte die Wehrmacht Rußlands Ölfelder auch von Süden her bedrohen können20.
Es ist fraglich, ob sich eine derartige strategische Offensive jemals hätte durchführen lassen. So verlockend die Vorstellung auch erscheinen mochte, den Briten den Nahen Osten zu verschließen und ganz Südeuropa gegen amphibische Unternehmungen abzuschotten – ganz zu schweigen von den Folgen für die britischen Verkehrswege in Richtung Asien –, waren allzu viele Voraussetzungen nötig, um diese exorbitanten Planungen Realität werden zu lassen. So hätten Deutsche und Italiener hierfür nicht nur die völlige militärische Überlegenheit im Mittelmeerraum gebraucht – und zwar nicht nur durch die Inbesitznahme Maltas; sie hätten überdies so starke Seestreitkräfte gebraucht, daß sie jeden Versuch der Anglo-Amerikaner, ihnen diese Dominanz streitig zu machen, abwehren konnten. Im Jahr 1942 entwickelte sich die Lage so weiter, daß an eine Umsetzung solcher Ideen nicht zu denken war. Nicht zuletzt hätte es dazu auch den Kriegseintritt von Francos Spanien gebraucht. Deutschland hätte nicht bloß die Briten ausschalten und einen Hafen im östlichen Mittelmeer – Alexandria oder einen Hafen in Palästina – besetzen müssen; es hätte von diesem Hafen aus auch einen Nachschubweg über mehr als 1.500 km durch Wüsten und Gebirge sichern müssen. Wie aber hätte das alles bewerkstelligt werden können (logistische Voraussetzungen, Anforderungen an die Seestreitkräfte)? Dazu hätte die Wehrmacht im Süden Rußlands unbedingt siegen müssen, doch nach anfänglichen Erfolgen stand sie 1942 schon vor einer schweren Niederlage21.
Rommel nutzte den durch die Luftunterstützung entstandenen operativen Vorteil und die neu herangeführten Verstärkungen für seinen Angriff, von dessen Bevorstehen die Briten durch „Ultra“ zwar Kenntnis hatten, von dem sie jedoch nicht wußten, wo er stattfinden würde. Am 26. Mai 1942 begann Rommel mit seiner Offensive, bei der ihn die neu aufgestellte 1. Fallschirmjägerbrigade unter General Hermann Ramcke unterstützte. Zunächst für das (dann abgesagte) Unternehmen „Herkules“ zur Einnahme Maltas vorgesehen, wurde die Brigade als reguläre Infanterie in Nordafrika eingesetzt. Rommel vollbrachte in der nachher so bezeichneten Gazala-Schlacht seine bedeutendste militärische Leistung. Denn diese endete mit der Niederlage eines Feindes, der in materieller Beziehung eindeutig überlegen war und der Zeit und Hilfsmittel genug gehabt hatte, sich auf den Kampf vorzubereiten. Der Gipfelpunkt der Gazala-Schlacht war die Einnahme von Tobruk (21. Juni 1942), die Rommel schon so lange angestrebt hatte. Am Ende brachte dieser große Erfolg Rommel nicht nur deren Hafen, Vorräte und die dringend benötigten Fahrzeuge sowie 32.000 britische Gefangene ein, sondern auch den Rang eines Generalfeldmarschalls22. Doch bescheiden und gerecht würdigte der „Wüstenfuchs“ den Anteil, den seine Soldaten am Sieg hatten: „Es ist nicht die Führung, die solche Siege ermöglicht. Man kann sie nur mit einer Truppe erringen, der man alles aufbürden kann an Last, an Entbehrung, an Kampf und Not und auch an Sterben. Meinen Soldaten verdanke ich alles!“23
Ägypten war schon lange das große strategische Ziel Rommels gewesen, und jetzt glaubte er erst recht an die Realisierbarkeit des „großen Plans“, des „Orientplans“: Die deutsche Armee würde den gesamten Nahen Osten mit seinen Ölfeldern beherrschen. Im Juni und Juli 1942 ließ sich noch mit einiger Berechtigung an derartige Träume glauben, und Hitler schrieb in diesem Sinne an Mussolini. Beide hielten es für erforderlich, die Feinde an der Peripherie eines weiten Gebietes zu binden – in Nordafrika, am Atlantik und in Rußland24.
Rommel, der nun also wieder an der Grenze zu Ägypten stand, wußte, daß bei den Briten Auchinleck inzwischen Ritchie als Oberbefehlshaber abgelöst und selbst das Kommando übernommen hatte. Er wußte wohl, daß die Zeit für die Briten arbeitete, die sich rascher als er würden verstärken können. Wenn er noch siegen wollte, mußte es jetzt geschehen. Am 1. Juli 1942 führte Rommel den ersten Angriff gegen die britischen Stellungen südlich von El Alamein, einer etwa 100 km westlich von Alexandria gelegenen Bahnstation an der Bahnstrecke von da nach Marsa Matruh. Dieser Angriff scheiterte auch wegen Rommels allzu schwacher Infanteriekräfte vollständig. Am 13. Juli schlug eine weitere Attacke gegen die Briten fehl. Stattdessen ging die Gegenseite zum Angriff über, drang aber auch nicht durch. Diese Kämpfe des Monats Juli 1942, die dann als „Erste Schlacht von El Alamein“ Bekanntheit erlangten, brachten beiden Seiten etwa gleich hohe Verluste. Aber für Rommel, der nicht durchbrechen konnte, waren sie weit schwerer auszugleichen als für Auchinleck. Das Blatt hatte sich zuungunsten der Deutschen gewendet, als eine Kampfpause eintrat. Zuletzt hatte sich auch noch die britische RAF als der deutschen Luftwaffe überlegen gezeigt, was sich auf Rommels Nachschub in besorgniserregender Weise auswirkte. Nach der Gazala-Schlacht hatte Rommel wirklich eine Chance gehabt, einen geschlagenen Gegner zu vernichten, doch Auchinleck hatte dies verhindert25.
Trotz alledem dachte Rommel nicht daran, sein großes strategisches Ziel (nämlich den Abzug der Briten) aufzugeben. Warum sollte es mit etwas mehr Anstrengung und Phantasie nicht erreichbar sein können? Für den 30. August 1942 setzte Erwin Rommel einen neuen Großangriff gegen die stark verminten und gut befestigten Stellungen der Briten an. Bei deren 8. Armee war erst am 15. August General Montgomery neuer Oberbefehlshaber geworden. Diesmal hatte Rommel vor, den Briten den Rückzugsweg abzuschneiden, die Küste zu erreichen und danach mit seinen schnellen Divisionen so schnell wie möglich in das Nildelta nach Alexandria und Kairo vorzustoßen. Dort würde er sich in den Besitz der schier unerschöpflichen britischen Kraftstoff- und Fahrzeugreserven setzen. Und dieses wäre dann der Beginn des großen „Orientplans“ mit seinem südlichen Zangenarm. Aber bereits nach drei Tagen zeigte sich, daß Rommels Operation gescheitert war. Er hatte seinen ehrgeizigen Zeitplan nicht einhalten können; die RAF hatte mit ihrer Luftüberlegenheit verheerende Schäden bei Rommels Truppen und Nachschubkolonnen angerichtet; vor Tobruk hatten die Briten einen Tanker mit 8.000 Tonnen Treibstoff versenkt; „Ultra“ hatte auch diesmal wieder die Briten von Rommels Absichten im Voraus unterrichtet, so daß er sie diesmal weniger denn je überraschen konnte. Der „Wüstenfuchs“ hatte die Initiative an Montgomery verloren. Zwar nutzte dieser seinen Defensiverfolg nicht in der operativen Verfolgung aus, doch der deutsche „Orientplan“ mit seinem südlichen Zangenarm war nun definitiv tot. Aus der Traum von Kairo, von den Pyramiden und vom Suez-Kanal26. In der Hauptstadt Ägyptens, wo die unbeliebten Briten noch vor kurzem den Ausnahmezustand verhängt hatten, prahlte Montgomery vor Gästen: „Ägypten ist gerettet. Jetzt kann man sich ausrechnen, wann ich Rommel endgültig vernichten werde.“27
Nachdem „die gute Quelle“ in Person von US-Major Fellers versiegt war, hatte Rommel keine Chance mehr, sich über die Lage beim Feind genauer zu informieren. Er konnte nur Kriegsgefangene befragen und war sozusagen blind, während Montgomery wie ein Kartenspieler in einem Spiegel im Rücken seines Gegners dessen Karten sehen konnte. Rommels Stimmung war schlecht, sein Schwung war dahin. Er ahnte, daß die nächste Schlacht ein Abwehrkampf gegen einen massierten Angriff der Briten sein würde. Nachdem er alle Vorkehrungen getroffen und das Kommando in Nordafrika an den General der Panzertruppe Georg Stumme übergeben hatte (22. September), trat Rommel seinen längst fälligen Erholungsurlaub in Deutschland an. Dort empfing ihn Hitler trotz der letzten Mißerfolge und überreichte ihm den Marschallstab. Überdies sicherte er Rommel künftig eine bessere Versorgung der Panzerarmee Afrika zu28.
Obwohl die deutsche Aufklärung jederzeit mit einem Großangriff der Briten rechnete, wurde die Panzerarmee Afrika überrascht – im Hinblick auf den Schwerpunkt der britischen Offensive. Denn als am Abend des 23. Oktober 1942 der Feind das Artilleriefeuer eröffnete und seinen Angriff startete, befand sich die deutsche Aufklärung nicht darüber im Bilde, daß die Hauptstoßrichtung im Westen und Nordwesten der Stadt El Alamein lag. Der eigene Kraftstoffmangel und die Luftüberlegenheit der Briten, die den Luftraum über dem Schlachtfeld dominierten, machten den Kampf für die Deutschen von Anfang an noch schwerer, als dieser ohnehin schon war. Hinzu kam, daß Rommels Stellvertreter, Georg Stumme, am 24. Oktober infolge eines Herzinfarkts verstarb und vorübergehend durch Siegfried Westphal ersetzt werden mußte. Die Lage gestaltete sich weit ernster, als Rommel es vorhergesehen hatte, so daß dieser eilends zurück an die Front mußte29.
Den mehr als 1.100 Panzern von Montgomery konnten die Achsenmächte nur ungefähr die Hälfte entgegenstellen. So blieb Rommel letztlich nichts anderes übrig, als den Rückzug einzuleiten30. Doch eben jetzt, da wieder ein Tankschiff mit lebensnotwendigem Treibstoff versenkt worden war, ordnete Hitler an, keinen Schritt zu weichen: „Ihrer Truppe aber können Sie keinen anderen Weg zeigen als den zum Siege oder zum Tode.“31 Westphal kommentierte dies gegenüber Rommel mit den Worten: „Das ist der Untergang der Armee“32, doch der Generalfeldmarschall entschloss sich trotz all seiner Skepsis, für ein paar unwiederbringliche und verlustreiche Stunden den Befehl seines „Führers“ zu befolgen – wie später Paulus bei Stalingrad. Aber Rommel hielt nicht bis zum bitteren Ende an dem irreal gewordenen Führerbefehl fest. Er wußte, daß angesichts seiner nur dünnen Panzerabwehrlinie bei einem Fortgang von Montgomerys Angriff in westlicher Richtung das Ende für die Deutschen da sein würde. So ließ Erwin Rommel in der Nacht vom 2. auf den 3. November 1942 die deutsche und die italienische Infanterie den Rückzug nach Westen antreten. In seinem DAK verfügte er gerade noch über ca. 30 Panzer. Die von ihm erwartete Materialschlacht hatte der an Kräften deutlich überlegene Feind letztlich – wenn auch nicht zwangsläufig – gewonnen33.
Nach dem Durchbruch der Briten bei El Alamein geriet der stellvertretende Kommandierende General des Afrikakorps, General Ritter von Thoma, in britische Gefangenschaft. Nicht genug damit, am 8. November 1942 landeten im Zuge der Operation „Torch“ rund 100.000 britische und amerikanische Soldaten beiderseits von Algier an der Küste Französisch-Nordafrikas. Rommel wußte sogleich, daß dies das Ende für seine Truppen in Afrika bedeutete. Der Zweifrontenkrieg war eröffnet, und hiermit war das geschwächte DAK überfordert. 70.000 deutsche und italienische Soldaten befanden sich auf einem quälenden Rückzug über rund 3.000 km. Tobruk mußten sie aufgeben, und am 13. November 1942 fiel die Stadt erneut in die Hände der Briten34.
Obwohl die Panzerarmee stark geschwächt war, führte Rommel den Rückzug mit der gleichen Tatkraft wie sonst seine Angriffsoperationen. Trotz der unausgesetzten britischen Luftangriffe gelang es ihm, die ihm verbliebenen Streitkräfte vom Feind zu lösen. Montgomery in seiner Vorsicht nutzte die Chance nicht, den geschlagenen Gegner zu vernichten35. Angesichts der kritischen Situation an der Ostfront (deutscher Rückzug aus dem Kaukasus, Näherrücken der Stalingrad-Katastrophe) konnte das OKW via Südfrankreich Rommel nur unzureichende Verstärkungen schicken. Dennoch schaffte er es, sich im südlichen Tunesien mit den frischen Truppen zu vereinigen. Mussolini: „Ihr Rückzug war ein Meisterwerk, Feldmarschall“36.
Doch das alles konnte nach Rommels Auffassung nur eine Zwischenlösung darstellen. Es kam jetzt primär auf Zeitgewinn an, um letztlich mit der Panzerarmee den Kriegsschauplatz Nordafrika zu räumen und nach Europa überzusetzen. Denn was für einen Sinn sollte ein nordafrikanischer Feldzug nun noch haben? Der große „Orientplan“ – die Eroberung des Nahen Ostens vom Kaukasus und von Ägypten her – hatte bei El Alamein und in dem Moment begraben werden müssen, als die Alliierten in Französisch-Nordafrika gelandet waren und US-Truppen aktiv in die Kämpfe eingriffen. Angesichts der Gefahr, die von der Ostfront her drohte, war es nur eine unnütze Zersplitterung der Kräfte, wenn versucht wurde, an der südlichen Front noch ein Stück Afrika zu halten37.
Trotzdem hielt Hitler in seinem wachsenden Realitätsverlust am „Orientplan“ fest, wie sich in einem Telefongespräch mit Generalfeldmarschall von Manstein am 29. November 1942 zeigte: „Herr Feldmarschall, ich muß Sie an etwas erinnern, was ich Ihnen schon wiederholt gesagt habe. Wir werden im kommenden Frühjahr den Kaukasus überschreiten […] Dann werden Sie sich in Palästina mit der Armee des Feldmarschalls Rommel vereinigen, die Ihnen von Ägypten her entgegenkommen wird. Und dann werden wir mit den dort vereinigten Kräften nach Indien marschieren und den endgültigen Sieg über England besiegeln.“38
Doch die Realität sah anders aus. Im Januar 1943 sahen sich die Truppen der Achsenmächte etwa einer halben Million Mann alliierter Soldaten und somit einer doppelten Übermacht gegenüber. Auch verfügten die Alliierten über die vierfache Anzahl von Panzern sowie über die uneingeschränkte Luftüberlegenheit. Rommel blieb nichts anderes übrig, als am 22. Januar Tripolis zu räumen und das dort lagernde Material herausschaffen zu lassen. Tags darauf rückten die Briten ein. Am 26. Januar mußte Rommel den Oberbefehl an einen italienischen General übergeben. Aus der offiziell so bezeichneten „Deutsch-italienischen Panzerarmee“ sollte jetzt die 1. italienische Armee gebildet werden, der dann auch Rommels Truppen unterstellt sein sollten. Am 12. Februar 1943 räumten die Achsenstreitkräfte endgültig Tripolitanien, und Rommel bedauerte angesichts seines schlechten Gesundheitszustands gar nicht einmal, bald abgelöst zu werden39.
In der Schlacht am Kasserine-Pass (19.–21. Februar 1943) errang der „Wüstenfuchs“ seinen letzten Sieg auf afrikanischem Boden, den er jedoch angesichts des sich versteifenden Widerstands der anglo-amerikanischen Truppen nicht durch Verfolgung ausnutzte40. Zwar noch am 23. Februar 1943 zum Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Afrika ernannt, blieb Rommel gerade zwei Wochen in dieser Funktion. Nach dem Scheitern des Unternehmens „Capri“ am 6. März übergab Erwin Rommel am 9. März 1943 das Kommando an den gleichfalls skeptisch gestimmten Generaloberst Hans-Jürgen von Arnim und flog nach Rom. Afrika sollte Rommel niemals wieder betreten41. Vergeblich waren seine anschließend in Deutschland mit Hitler geführten Gespräche: Dieser überreichte zwar Rommel am 11. März die Brillanten zum Ritterkreuz, verweigerte aber starrsinnig dem DAK einen Rückzug auf das europäische Festland, denn er glaubte immer noch an den „Orientplan“. Das Ende vom Lied war, daß das DAK unter Rommels Nachfolger von Arnim am 13. Mai 1943 bei Tunis kapitulieren mußte. Es gingen insgesamt 238.000 deutsche und italienische Soldaten in Kriegsgefangenschaft. Der Feldzug in Nordafrika, der für das Deutsche Reich in der Tat ein Feldzug der verpaßten Gelegenheiten gewesen war, hatte sein Ende gefunden42.
1 Erdmann, Karl Dietrich: Der Zweite Weltkrieg. In: Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte. Band 4: Die Zeit der Weltkriege. 8., völlig neubearbeitete Auflage. Stuttgart 1959, dritter verbesserter Nachdruck 1963, S. 250–
339, hier: S. 267.
2 Fest, Joachim C.: Hitler. Eine Biographie. Frankfurt am Main / Berlin / Wien 1973, S. 866.
3 Fraser, David: Rommel. Die Biographie. Aus dem Englischen von Hans-Jürgen von Koskull. Vollständige Taschenbuchausgabe. Berlin 2000, S.216f.
4 Irving, David: Rommel. Eine Biographie. Aus dem Englischen von Richard Giese. Hamburg 1978, S. 84f.
5 D. Fraser, Rommel, S. 217.
6 Ebda.; D. Irving, Rommel, S. 87.
7 Rommel besaß ausdrücklich das Recht, sich die Entscheidungen Gariboldis vom „Führer“ in Berlin bestätigen zu lassen. Somit konnte Rommel oft genug eigenmächtige Entscheidungen treffen, ohne daß der Italiener in seiner Funktion als Oberbefehlshaber etwas dagegen auszurichten vermochte. Denn sein Chef Mussolini hatte ja wiederum Rücksicht auf seinen mächtigen Partner Hitler zu nehmen.
8 D. Fraser, Rommel, S. 218f., 222; D. Irving, Rommel, S. 86ff.
9 D. Fraser, Rommel, S. 221f.
10 Ebda., S. 229; Carell, Paul: Die Wüstenfüchse. Mit Rommel in Afrika. Sonderausgabe. München 2003, S. 14f.
11 D. Fraser, Rommel, S. 230–236; D. Irving, Rommel, S. 96–106.
12 D. Irving, Rommel, S. 106f.
13 Churchill an Wavell, London, 7. April 1941: „So erscheint mir Tobruk als ein Fort, das ohne Gedanken an Rückzug bis zum letzten Mann zu halten ist.“ Zitiert nach P. Carell, Die Wüstenfüchse, S. 21.
14 Ebda., S. 107; D. Fraser, Rommel, S. 242–245, 248–250.
15 D. Fraser, Rommel, S. 252f., 250, 254f., 260–263; P. Carell, Wüstenfüchse, S. 48–54.
16 D. Fraser, Rommel, S. 276f., 280, 283, 285, 290f., 294f.; D. Irving, Rommel, S. 164, 189f.
17 D. Fraser, Rommel, S. 296, 300.
18 Ebda., S. 300ff.; D. Irving, Rommel, S. 191, 196f.
19 D. Fraser, Rommel, S. 304ff.; D. Irving, Rommel, S. 197f., 201f., 205f.
20 D. Fraser, Rommel, S. 308.
21 Ebda., S. 308f.
22 Ebda., S. 320–323, 344f.; D. Irving, Rommel, S. 234, 236, 241, 257f.
23 Zitiert nach D. Fraser, Rommel, S. 345.
24 Ebda., S. 348f.
25 Ebda., S. 350–354, 357, 425; D. Irving, Rommel, S. 246–249, 251f., 255–257.
26 D. Fraser, Rommel, S. 356, 358, 362–366; D. Irving, Rommel, S. 269ff.
27 Zitiert nach D. Irving, Rommel, S. 270.
28 D. Fraser, Rommel, S. 367–370, 372; D. Irving, Rommel, S. 270ff.
29 D. Fraser, Rommel, S. 373, 375–378; D. Irving, Rommel, S. 282f.
30 D. Fraser, Rommel, S. 384f.; D. Irving, Rommel, S. 288, 290.
31 Zitiert nach P. Carell, Wüstenfüchse, S. 334.
32 Zitiert nach ebda., S. 335.
33 Ebda., S. 338; D. Fraser, Rommel, S. 248, 386–390; D. Irving, Rommel, S. 292, 295, 335.
34 D. Fraser, Rommel, S. 390ff., 394; D. Irving, Rommel, S. 334f.
35 D. Fraser, Rommel, S. 392ff.; D. Irving, Rommel, S. 335.
36 Zitiert nach D. Irving, Rommel, S. 335.
37 Ebda.; D. Fraser, Rommel, S. 395f.
38 Zitiert nach D. Fraser, Rommel, S. 404.
39 Ebda., S. 406, 408f.; D. Irving, Rommel, S. 374f.
40 D. Fraser, Rommel, S. 414–417; D. Irving, Rommel, S. 381–385; Kurowski, Franz: Endkampf in Afrika. Der Opfergang der Heeresgruppe Rommel in Tunesien 1942/43. Leoni am Starnberger See o. J., S. 191ff., 195.
41 D. Fraser, Rommel, S. 418–422; D. Irving, Rommel, S. 391–395.
42 D. Fraser, Rommel, S. 423, 425f.; F. Kurowski, Endkampf, S. 300f.