Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker
In der letzten NO hat Hans-Dietrich Sander in seiner Kolumne anklingen lassen, daß es sich beim Tagebuch der Anne Frank um eine Fälschung handelt. Daran haben sich einige Leser mit dem Hinweis auf ihr schreckliches Schicksal gestoßen. Natürlich hat Sander recht, daß das Tagebuch nie in originaler Form, sondern immer in einer auf mehr Öffentlichkeitswirksamkeit hin redigierten Fassung veröffentlicht wurde. Der Einwand der Leser zielte auch weniger auf diese Ebene, sondern auf eine tieferliegende Frage ab. Andreas Molau, lange Jahre als rechter Publizist, zeitweise auch in der Führung der NDP tätig und im letzten Sommer „ausgestiegen“, hat in einem der wenigen Interviews, die er danach gegeben hat, den kritischen Punkt angesprochen: den Mangel an Empathie, der bei manchen bzw. vielen im weiteren Sinne „Rechten“ herrscht, wenn von Opfern des NS die Rede ist.
Woher rührt dieser Mangel? Die Hauptursache spricht Sander in seiner aktuellen Kolumne an: Die Überlebenden des NS-Systems wurden „von der sogenannten Vergangenheitsbewältigung in eine Trotzhaltung gepeitscht“. Die verlogene Einseitigkeit, die die Verbrechen der Alliierten, vom strategischen Bombenkrieg bis hin zur Vertreibung kleinredete und zynisch rechtfertigte, während bei der Schilderung deutscher Verbrechen nicht einmal vor grotesken Lügen und Übertreibungen zurückgeschreckt wurde, die letztlich das Schicksal der einen weltweit zum Schreckensthema machte und für das der anderen nicht eine Träne übrig hatte, ja es gezielt sogar aus dem Bewußtsein der Deutschen verdrängte, führt bis heute bei Nationalen dazu, sich den öffentlich geforderten Betroffenheitsritualen zu verweigern. Lassen wir zuerst die Frage der politischen Instrumentalisierung außen vor und fragen uns grundsätzlich, wie man als nationaler Mensch mit dieser Thematik prinzipiell umgehen müßte. Darauf kann es nur eine Antwort geben: Wenn man sich mit seinem Volk, seiner Kultur und Geschichte identifiziert und einen dessen große Leistungen mit Stolz erfüllen, dann gehören die dunklen Seiten dieser Geschichte ebenso dazu und können nicht abgeschieden werden. Dann muß mich mit Scham erfüllen, wenn im Namen des deutschen Volkes Verbrechen begangen wurden, dann müssen diese meine Seele in gleicher Weise rühren, wie es die schönen, großen und positiven Dinge tun.
Nun neigen Menschen dazu, ihre Vorfahren in grundsätzlich hellem Licht zu sehen, und eine solche positive Identifizierung mit der Vergangenheit ist wichtig für das seelische Gleichgewicht eines Volkes. Wenn sich Nationale dagegen wehren, daß jede positive Identifikation durch das heute verbreitete, einseitige Geschichtsbild verunmöglicht wird, haben sie dabei natürlich das Überlebensrecht ihres Volkes auf ihrer Seite. Auf der anderen Seite werfen wir Polen, Tschechen oder Serben vor, daß sie sich mit der dunklen Seite ihrer Geschichte, den Vertreibungsverbrechen an den Deutschen, bis heute nicht im nötigen Maß auseinandergesetzt haben. Und wir freuen uns, wenn Angehörige dieser Völker (wie jetzt etwa in Tschechien, siehe Knapp & Klar!) von sich aus diese Thematik aufgreifen. Keinem Nationalen hierzulande würde einfallen, sie deswegen „Nestbeschmutzer“ zu heißen, wie das entsprechende Schimpfwort hierzulande jahrzehntelang lautete – oft genug angewandt auf Menschen, die keinesfalls das eigene Nest beschmutzten, sondern nur auf bereits vorhandenen Dreck, historischen nämlich, hinwiesen. Merken wir an diesem Beispiel, wie leicht wir selbst mit zweierlei Maß messen?
Freilich: Die Frage der politischen Instrumentalisierung ist dabei noch nicht gestellt. Mit ihr zu allererst haben wir heute zu kämpfen. Und zwar nicht wir Deutsche allein. Paul Gottfried, der brillante paleokonservative Politologe Amerikas mit österreichisch-jüdischen Wurzeln, hat in seinem gleichnamigen Buch die „Politik der Schuld“ aufgezeigt, wie interessierte Kräfte die Geschichte der Sklaverei und der Indianer-Ausrottung in den USA gleicherweise wie die der Judenverfolgung in Deutschland gezielt benutzen, um ihre linke und „multikulturelle“ politische Agenda voranzutreiben. In diesen Kontext gehört auch, daß den Opfern des Kommunismus ein echtes Gedenken bis heute mehr oder minder verweigert wird und sie im Bewußtsein der Weltöffentlichkeit keine Rolle spielen. Diese zynische Instrumentalisierung bestimmter Opfergruppen bei gleichzeitigem Verschweigen der Existenz anderer muß bewußt gemacht und so durchbrochen werden. Rücken die Millionen Opfer des Kommunismus wieder ins öffentliche Bewußtsein, entsteht von selbst ein ausgewogeneres Bild des grauenvollen Weltbürgerkriegs im 20. Jahrhundert. In diesem müssen auch die deutschen Opfer ohne falsche Relativierungen ihren gleichberechtigten Platz haben. Für dieses Ziel werden wir Verständnis und Unterstützung nur dann finden, wenn wir den Opfern deutscher Verbrechen, die weltweit im Bewußtsein der Menschen bereits tief verankert sind, den Respekt und die Empathie, das Mitgefühl nicht verweigern – und zwar nicht nur aus politischer Klugheit, sondern auch aus einem ehrlichen, zu Ende gedachten nationalen Weltbild heraus.