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Die neuen Atheisten

Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker

Die Irrtümer von Dawkins & Co

Hubertus Minarek ist als ehemaliger katholischer Priester zum scharfen und auch polemischen Kirchenkritiker geworden. Den „Neuen Atheisten“ wie Richard Dawkins, Daniel Dennett, Sam Harris, Christopher Hitchens und Michel Onfray kann er dennoch nichts abgewinnen. Ihre Irrtümer und logischen Fehlschlüsse demaskiert er ebenso wie die argumentativen Lücken ihrer Beweisführung. Sein eigener Standpunkt ist dabei ein grundsätzlich spiritueller, der sich aber keiner spezifischen Religiosität verpflichtet weiß, und damit grundsätzliche Basis für Menschen unterschiedlicher Weltsicht zu sein vermag.

Den Hauptteil seines Buches „Die neuen Atheisten“ hat Hubertus Mynarek Richard Dawkins als ihrem auch in der Öffentlichkeit am meisten bekannten, wesentlichen Vordenker gewidmet.
Dawkins beruft sich für seinen Atheismus auf Einstein als einen seiner Kronzeugen. Doch Einstein war, wie Mynarek detailliert ausführt, gerade kein Atheist, sondern vielmehr ein „gläubiger Pantheist“, der in der Natur ein „unendlich geistiges Wesen“, eine „überlegene Vernunft, die sich in der erfahrbaren Welt offenbart“, wahrnahm und von einer „Manifestation tiefster Vernunft und leuchtendster Schönheit“ sprach, „die unserer Vernunft nur in ihren primitivsten Formen zugänglich sind“. Im Unterschied zu Einstein hält Mynarek diese Kraft aber nicht für moralneutral; er schreibt, daß der Mensch in der Dialektik von Positivem und Negativem, von Gut und Böse stehend, sich dieser Kraft im ethisch-aktiven Vollzug anschließen kann und dadurch einen Zugewinn von Motivation und Lebenskraft gewinnt. „Er erfährt, daß ein positives Energiefeld von kosmisch-universaler Weite vorhanden ist, in das er sich einfügen, an das er sich anschließen kann. Wenn er sich dieser Kraft anvertraut, ihr durch dick und dünn folgt, an ihr trotz aller Fehlschläge und Niederlagen festhält, wird er von ihr nach Phasen des Zweifels und der Einsamkeit immer wieder an die Hand genommen, vom Dunkel ins Licht geführt. Er spürt, daß es so etwas wie einen Lebensplan für ihn gibt.“
Mynarek ist davon überzeugt, daß sich in großen Zeiträumen letztlich das Gute durchsetzt, wenngleich dies „für das Maß unserer Geduld und die Struktur unserer Zeitigkeit oft zu lang, viel zu lange“ dauert und die langen Zeiträume des scheinbaren Triumphes des Bösen Hekatomben von Opfern fordert, wobei das Schicksal des einzelnen in diesem Weltenlauf keine Rolle zu spielen scheint. „Das war wohl auch für Einstein der Hauptgrund, weswegen er seinem ‚unendlichen in der Natur wirkenden Geist‘ die Moral absprach.“ Hier aber unterlief Einstein, nach Mynarek, wohl „doch ein kleiner Denkfehler. Denn wenn nach ihm ‚das Streben nach moralischem Handeln das wichtigste Streben des Menschen ist, sein inneres Gleichgewicht, ja, seine Existenz davon abhängen‘, wenn ‚moralisches Handel allein dem Leben Schönheit und Würde verleihen‘… dann kann doch der im Innersten eines jeden Seienden, also auch im Menschen wirkende pantheistische Gott oder das ‚unendliche geistige Wesen höherer Natur‘, wie es Einstein nennt, nicht ganz ohne Moral sein. Zumindest muß es an der Moral des Menschen und dessen Höherentwicklung essentiell interessiert sein, wenn dessen wichtigstes Fundament nach Einstein seine Moral ist.“

Dawkins Denkfehler

Dawkins behauptet in seinem Buch, daß gerade unter den führenden Wissenschaftlern viel mehr, als allgemein angenommen wird, Atheisten wären. Demgegenüber führt Mynarek das von Professor Hans-Peter Dürr, dem ehemaligen Direktor des Werner-Heisenberg-Instituts für Physik am Max-Planck-Institut in München, herausgegebene Werk „Physik und Transzendenz“ an, in dem die zwölf größten Physiker des 20. Jahrhunderts ihren je eigenen Erkenntnisweg hin zu Agnostikern oder religiösen Pantheisten schildern, keiner von ihnen aber den zum Atheisten.
Während Dawkins die Agnostiker, die bekennen, keine letztgültige Aussage über die Existenz oder die Nichtexistenz Gottes treffen zu können, als „sentimentale, verweichlichte, warmduschende, bläßliche, ihr-Fähnchen-nach-dem-Wind-Hänger“ abtut, kann Mynarek aufzeigen, daß nur ein solcher Agnostizismus logisch begründbar sein kann, ein echter und stringenter Atheismus wie ihn Dawkins verficht, also die klare Behauptung der Nichtexistenz Gottes, jedoch nicht. Ja, Mynarek vermag sogar deutlich zu machen, daß Dawkins selbst an entscheidenden Stellen seines Buches auf den von ihm so geschmähten Agnostizismus zurückfällt und den von ihm selbst propagierten Atheismus argumentativ nicht durchzuhalten vermag.
Dawkins möchte anhand der Evolutionstheorie beweisen, daß Gott als „sehender Uhrmacher“ für die Entstehung und Höherentwicklung der Arten nicht nötig ist, sondern diese durch die Prinzipien der blinden Mutation und selektiven Selektion als „blinden Uhrmacher“ ebenso gut beweisbar ist. Doch die Evolution setzt die Entstehung des Lebens voraus, also die Existenz einer DNS-Replikationsmaschine, deren Entstehung selbst jedoch nicht durch das Prinzip von Mutation und Selektion erklärt werden kann. Sie muß „spontan“ entstanden sein, und Dawkins ist ehrlich genug, zuzugeben, daß die Entstehung eines so komplizierten Mechanismus nach dem Prinzip der mathematischen Wahrscheinlichkeit als nichts anderes denn als „Wunder“ bezeichnet werden muß: Auch wenn man in Milliarden von Jahren rechnet und eine riesige Anzahl von potentiellen, für das Leben geeigneten Planeten im Universum voraussetzt, ist die Entstehung eines solchen Mechanismus dennoch mathematisch überaus unwahrscheinlich. Damit überhaupt eine sich selbst reproduzierende, auf Aminosäuren basierende Struktur entstand, ist ein „Ein-Schritt-Zufallsereignis“ notwendig gewesen, da alles Leben auf linksdrehende Aminosäuren beruht und sich diese noch dazu in geeigneter Form kombinieren müssen. Doch alle Modellversuche von Chemikern mit jener „Ursuppe“ verschiedener Elemente, in der ursprünglich Leben entstanden sein soll, haben nur die gleichzeitige Entstehung von links- und rechtsdrehenden Aminosäuren erbracht, und damit keinen Beweis für die möglicherweise spontane Entstehung von Leben in einer solchen „Ursuppe“.
Doch dabei bleibt es nicht. Sogar Dawkins muß zugeben, daß es bei der Evolution noch zwei weitere ungelöste Probleme gibt, nämlich das der Entstehung der Eukaryonten, (nämlich der Zellen mit Zellkern und verschiedenen anderen Einzelteilen wie Mitochondrien, die etwa bei Bakterien nicht vorhanden sind) und schließlich das der Entstehung des Bewußtseins. Und mehr noch: Insbesondere neuere Erkenntnisse in der Genforschung und mathematische Simulationsmodelle bringen die Annahme, die Evolution auf Erden wäre durch viele kleine, nicht zielgerichtete Mutationen und eine daran ansetzende Selektion entstanden, ins Wanken. Schon ein einfaches Bakterium wie Esterichia coli hat eine Informationsfülle gespeichert, die 100 Millionen Buchseiten entspricht. Die Wahrscheinlichkeit für die zufällige Entstehung eines solchen Organismus ist 1:1078436 – bereits bei einer Wahrscheinlichkeit bei 1:1050 hält die Statistik die Entstehung eines Phänomens für unmöglich. Daher ist der Darwinismus unter Fachwissenschaftlern heute bereits mehr als umstritten.
Auch die neuen elektronenmikroskopischen Forschungsmethoden zeigen die ungeheure Komplexität der Abläufe im Zellkern. Daß rein zufällige Mutationen zu grundlegenden Veränderungen und Verbesserungen des neuen Organismus führen, ist, wie statistische Berechnungen ergeben haben, extrem unwahrscheinlich, und solche extremen Zufälle müßten im Laufe der Evolution nicht nur einmal, sondern vielfach, nämlich immer bei der Entstehung neuer Stämme und Klassen, aufgetreten sein.
Die Paläontologie hat bereits bewiesen, daß es lange Zeiträume in der Erdgeschichte gibt, in denen sich die Fossilien fast überhaupt nicht verändern, und dann Abschnitte, in denen in kürzester Zeit zahlreiche völlig neue Lebensformen auftreten – im Kambrium etwa erscheinen plötzlich zahllose Weichtiere, Krebse, Schwämme und Quallen, also die ersten Mehrzeller, ohne daß irgendwelche Zwischen- oder Vorstufen gefunden werden konnten, die eine langsame Evolution von einfachen Mikroorganismen bis zu diesen bereits hochentwickelten Lebewesen belegen würden.
Aus all dem ergibt sich, daß die Evolutionstheorie gerade nicht dazu geeignet ist, jedes Eingreifen Gottes in der Natur von vornherein auszuschließen.
Natürlich widmet sich Mynarek auch den Ausführungen Dawkins zum Thema Religion, in der dieser nur eine ausschließlich negative Kraft in der Geschichte zu erkennen vermag. Um dies zu beweisen, führt er u. a. zahllose im Namen der Religion begangene Kriege und Menschenverfolgungen an, verschweigt aber die riesigen Opferzahlen atheistischer Ideologien, etwa im 20. Jahrhundert. Dawkins übersieht, daß jeder Mensch in irgendeiner Weise gläubig ist – nicht nur Religionen haben ihre Gläubigen, sondern auch Ideologien, ja selbst der Atheismus ist ein Glaube, nämlich der Glaube an die Nichtexistenz Gottes. Gläubig sind letztlich alle Menschen: Jeder, der danach strebt, zu einem Letzturteil über die kosmische und menschliche Gesamtwirklichkeit und ihren Sinn oder ihre Sinnlosigkeit zu kommen, zu einer universalen Gesamtdeutung des Daseins, die nie rein rational über das experimentell oder empirisch-wissenschaftlich Nachprüfbare erreichbar ist. Für Mynarek ist der Glaube die unausweichliche Daseinsweise reflexiv erkennender Lebewesen, wobei er unter „Glaube“ jedoch etwas völlig anderes als einen Glauben an Dogmen versteht: „Es ist der Glaube als Zutrauen zum Sein, als Vertrauen, daß die Wirklichkeit trotz aller Widersprüche, aller Enttäuschungen und Widerstände dennoch das Feld für die Verwirklichung positiver Werte bleibt, daß sie positiven Sinngebungen durch den Menschen auf die Dauer trotz aller Negativität nicht absolut abhold ist.“ Es ist ein Urvertrauen zur Wirklichkeit. Dogmenglauben hingegen, der sich über den Glauben eines anderen erhebt, ist nach Mynarek gefährlich.

Atheismus als Glaube

Atheismus muß, konsequent gedacht, notwendigerweise in den Nihilismus münden – dessen totale und endlose Negation hebt aber wiederum den Atheismus auf, denn auch über das Nichts, über die totale Sinnlosigkeit, kann keine Gewißheit bestehen. Alles wird fraglich. Es bleibt also nur ein Agnostizismus, der sich „mit einem satt-zufriedenen ‚Ich weiß nicht‘ abfindet“, oder ein eben selbst zur Religion, zum Glauben gewordener Atheismus/Nihilismus, für den das Nichts, die Sinnlosigkeit, eine Art Ersatz-Gott ist.
Gibt es dann noch nichtreligiöse Menschen? Ja, den „transzendenzlosen Nomaden“, der so an der Oberfläche der Dinge haftet, derart in die profane Realität eingebunden bleibt, daß ihm jeder Sinn für etwas darüber Hinausreichendes verkümmert. Auch Angehörige von Religionsgemeinschaften, die ihrer religiösen Überlieferung gedankenlos folgen, sind nach Mynareks Definition nicht eigentlich religiös. Gläubig ist, wer seine Option für ein transzendentes Sein (ob personal oder nichtpersonal) aufgrund eigenen grenzüberschreitenden Nachdenkens und aus einer als existentiell empfundenen Problematik heraus trifft und sich auf dieser Option nicht ein für alle Mal ausruht, sondern sie zu einem ständig hinterfragten Prozeß macht. Mynarek kritisiert hier sehr stark die monotheistischen Religionen, die diese Fragen totalitär verwalteten und letztlich nur sinnentleerte, transzendenzlose „Gläubige“ hervorbrächten.

Religiöser Pantheismus statt Dogmenglauben

In dieser Hinsicht bietet Mynareks Buch viel Nachdenkenswertes, selbst wenn er sich zu der unhaltbaren Äußerung versteigt, daß Jesu Geburt von einer Jungfrau, seine Auferstehung und Himmelfahrt, die Auferweckung des Lazarus etc. „kein ernstzunehmender“ (katholischer!) Theologe mehr annähme! Der Glaube der „Vatikankirche“ bleibt Mynarek durch die Tragik seines eigenen Lebensweges Feindbild schlechthin. Bezüglich der protestantischen Kirchen zumindest Deutschlands kann er aber festhalten, daß nur mehr 21 % der Pfarrer in Christus überhaupt ein Vorbild sehen und nur mehr 8 % ihre Gottesbeziehung als glückhaft erfahren. Um die 17 % der evangelischen Pastoren erwarten noch, daß wir nach dem Tod in den Himmel kommen. Mynarek meint, daß es bei den katholischen Geistlichen nicht sehr viel anders aussähe. Doch hier sitzt er mit Sicherheit einem Irrtum seiner durch die Folgen des Zweiten Vatikanums und die 68er-Bewegung geschädigten Generation auf: Die in vielen ihrer Forderungen mit dem katholischen Lehramt nicht vereinbare „Pfarrerinitiative“ Österreichs ist in erster Linie von dieser knapp vor bzw. nach der Pensionsreife stehenden Generation getragen – der Glaube der jungen Priester sieht da in der Regel ganz anders aus, und nicht zuletzt deshalb haben „konservative“ Seminare und Institutionen einen solchen Zulauf, ob es die Zisterzienser des Stiftes Heiligenkreuz bei Wien sind, die noch niemals in ihrer Geschichte so viele, fast ausschließlich junge Mitglieder hatten, oder die noch „schärferen“ Institute der Piusbruderschaft.
Nicht zu leugnen ist aus christlicher Sicht allerdings auch der extrem brutale, rachsüchtige und menschenverachtende Charakter des alttestamentarischen Gottes, den Mynarek mit einer Reihe von biblischen Textstellen belegt. Auch wenn dieser Gott in der christlichen Leseordnung der katholischen Messe keine Rolle spielt, bleibt er doch eine Herausforderung für das Gottesverständnis des Christen im Sinne der von Mynarek propagierten lebenslangen eigenen Auseinandersetzung mit dem Transzendenten.
Seine eigene Antwort auf diese Frage ist die des „Pantheismus“, wobei er zwischen „Pantheisten“ wie Häckel, die mit „Gott“ tatsächlich nur die Summe der Naturgesetze meinten, und „gläubigen Pantheisten“ unterscheidet, die unter „Gott“ eine zwar nur in den Gesetzen der Natur wahrnehmbare, diese aber letztlich doch nur übersteigende Kraft verstanden, Gott als Seinsgrund alles Seienden und seiner vielfältigen Erscheinungen also.

Die anderen neuen Atheisten

 Im Vergleich zu Dawkins behandelt Mynarek die Argumentation der anderen „neuen Atheisten“ verhältnismäßig kurz. Daniel Dennett ist ein Philosoph, der anders als sein Freund Dawkins durchaus anerkennt, daß Religion „das Beste in einem Menschen zum Vorschein bringen“ kann und diese ausschließlich unter dem utilitaristischen Gesichtspunkt, dem Nützlichkeitsaspekt, bewertet. Warum es heute einen evolutionären Vorteil bringt, jede Religion zu überwinden, müßte Dennett denn auch ausführlich begründen, doch darüber berichtet Mynarek in seinem Buch nichts.
Dafür argumentiert er gegen die rein utilitaristische Interpretation der Religion und kommt dann wieder auf neue naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse zu sprechen: Die darwinistische Evolutionstheorie nimmt an, daß das Gehirn des Menschen im Wesentlichen im Pleistozän, also in der Phase vor 1,8 Millionen bis 10.000 Jahren vor unserer Zeit, geformt worden wäre und sich seither – in einem evolutionsbiologisch extrem kurzen Zeitraum – nicht weiter anpassen konnte. Wir würden also trotz aller technischen Errungenschaften nach wie vor mit dem Gehirn eines Steinzeitmenschen herumlaufen. Doch neue Befunde aus dem Genlabor belegen, daß sich das menschliche Genom in den letzten 10.000 Jahren hundertmal schneller verändert hat, als jemals zuvor in der Geschichte der Menschwerdung – über 300 Stellen in ihm seien erst vor relativ kurzer Zeit verändert worden. Das Phänomen „Geist des Menschen“ erweise sich immer wieder als zu groß für die hilflos anmutenden Erklärungsversuche der Evolutionsbiologen, die überall nur nach dem „reproduktiven Nutzen“, nach der evolutionären „Fitness“ fragten. Und wieder, diesmal im Rekurs auf Komplexitätsforscher, weist Mynarek auf, daß das darwinistische Konzept blinder Mutationen und zielgerichteter Selektion keine hinreichende Erklärung für die Entfaltung des ungeheuren Reichtums der irdischen Biosphäre ist: Ohne die Selbstorganisation des Lebens, die Kreativität des Universums wäre sie nicht erklärbar – wiederum ein Verweis auf eine zumindest pantheistisch zu verstehende Göttlichkeit. Somit müsse die Evolution selbst als geistiger Prozeß verstanden werden, der Dualismus zwischen Geist und Materie sei aufgehoben.
Sam Harris sieht in Religionen schlicht Wahnsysteme, Geistesstörungen, die prinzipiell gefährlich sind. Anderseits anerkennt er schrankenlos, daß menschliches Dasein über eine nicht-weltliche Dimension verfügt, und meint, daß an dieser mit Meditationstechniken, aber auch unter Zuhilfenahme psychedelischer Drogen zu arbeiten sei. Gegen die von Harris angestrebte Auslöschung des „Ich“ führt Mynarek ins Treffen, daß nach C. G. Jung dann immer noch das „Selbst“ bliebe, welches als höhere Form des „Ich“ auch nach dessen Untergang fortbestehe.
Christopher Hitchens ist ein amerikanischer Journalist mit englisch-jüdischen Wurzeln, der den typischen Weg von der radikalen Linken zur neokonservativen Rechten zurücklegte. Er versteht sich als leidenschaftlicher Moralist, für den das Neue Testament das Alte sogar mit seiner „Bösartigkeit in den Schatten“ stelle. Nicht einmal Mutter Theresa fand vor seinen Augen Gnade – der Vatikan lud ihn denn auch als Advocatus Diaboli zu ihrem Seligsprechungsprozeß. Mynarek weist darauf hin, daß Hitchens als „Moralist“ durchaus einäugig ist – so hebt er bei der Beschreibung der politischen Linken eine Reihe von „Lichtgestalten“ wie Orwell und sogar Trotzki hervor, die er in der religiösen Welt partout nicht erkennen will.
Der Franzose Michel Onfray letztlich strebt, wie Mynarek schreibt, „nach uferloser Lust, nach grenzenlosem Genuß“, der Hedonismus ist sein Lebensmotto, er unterscheidet nicht einmal zwischen Sexus, Eros und Liebe, sondern setzt alles der Lust gleich – und damit müssen ihm auch alle höheren Regungen der menschlichen Psyche entgehen.
Die philosophische und intellektuelle Dürftigkeit der „Neuen Atheisten“ aufzudecken, ist das Hauptanliegen von Mynareks ganzem Werk – bei Onfrays geistig tatsächlich dürftigen Hervorbringungen tritt es in den Vordergrund. Gott ist, wie er abschließend feststellt, eben doch „der unentbehrliche Seins- und Sinngrund der Welt und des Menschen“ – das gilt auch für einen so kirchenkritischen und freien Geist wie Mynarek.

Literaturhinweis: Sehr lesenswert ist das hier besprochene Werk von Hubertus Mynarek, Die Neuen Atheisten. Thesen auf dem Prüfstand. 348 Seiten, broschiert, Verlag Die Blaue Eule, 2010, € 39,10

 
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