Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker
Angela Merkel hat es geschafft. Die dramatischen Bilder sind weg. Das Migrationsthema ist unter die Schwelle der öffentlichen Wahrnehmung gesunken. Sie ist beliebt wie seit 2015 nicht mehr und wird die Wahlen im Herbst wohl gewinnen.
Doch haben „wir“ es auch „geschafft“? Sobald die Migranten mit „subsidiärem Schutz“ im nächsten Frühjahr Anspruch auf Familiennachzug haben, werden Millionen neuer Zuwanderer kommen, die in keiner Asylstatistik aufscheinen. Und weitere Millionen warten schon jetzt in Nordafrika und der Türkei auf die erste Gelegenheit, nach Europa vorzudringen. Nicht nur die NGOs, auch die angebliche Grenzschutzagentur der EU Frontex betreibt Schlepperdienste im Mittelmeer. Wer illegal einreisen will, wird so nur ermuntert. Der Sommer kann also noch heiß werden und das könnte Angela Merkel den Sieg kosten. Wenn nicht, dann sind die Bilder aus den Köpfen verschwunden und der Frosch gewöhnt sich an das heißer werdende Wasser und springt nicht hinaus. Die Wähler sind träge und glauben gern den Versprechen der lange gewohnten Machthaber, alles im Griff zu haben. Sie wollen keine „Risiken eingehen“, nichts Neues wagen. Die Wahlergebnisse in Westeuropa und den westlichen Bundesländern der BRD zeigen das. Wenn die Unzufriedenheit zu groß wird, wählt man wie in Frankreich allenfalls einen Kandidaten aus der Mitte der Etablierten, dessen Versprechen vor allem lautet: „alles so wie bisher, nur ganz anders“!
Viele patriotische Kräfte hoffen noch darauf, daß „das Volk aufwacht“. Doch wird das rechtzeitig geschehen? Parteien wie die AfD haben nicht mehr Jahrzehnte Zeit, die Wähler schrittweise von der Richtigkeit ihrer Positionen zu überzeugen und von Wahl zu Wahl ein paar Prozentpunkte dazuzugewinnen. Die Demographie spricht dagegen. Die entscheidenden Jahre sind genau jetzt.
Österreich scheint dagegen wieder einmal eine „Insel der Seligen“ zu sein. Die FPÖ erreichte bei den letzten Wahlen fast 50% der Stimmen und der Außenminister und jetzige ÖVP-Chef Kurz organisierte nicht nur die Schließung der Balkanroute, sondern fordert jetzt auch, die Mittelmeer-Route dicht zu machen, indem alle Migranten wieder in Auffanglager nach Tunesien zurückgebracht werden. Wie es aussieht, wird er mit diesem Kurs seine Partei zum Wahlsieg führen. Sogar in der SPÖ werden die vernünftigen Kräfte, etwa durch Heeresminister Doskozil repräsentiert, immer stärker, ganz im Gegensatz zur bundesdeutschen SPD.
Andere Länder sind uns aber dennoch einen Schritt voraus. In Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn hat sich das politische Spektrum innerhalb weniger Jahre ganz massiv nach rechts verschoben. Echte Linksparteien gibt es fast gar nicht mehr, und wo sie noch solche Namen benutzen, wie die Sozialdemokraten in Tschechien, vertreten sie ausgesprochen nationale Positionen. Diese so genannten „Visegrád-Staaten“ sind ein loser Zusammenschluss von Ländern, der letztlich erst in der Immigrationskrise der Jahre 2015/2016 politisch wirksam geworden ist. Sie opponieren gemeinsam einer weiteren Massenzuwanderung in die EU, sie wollen keinesfalls die zwangsweise Ansiedelung von angeblichen Flüchtlingen auf ihrem Territorium zulassen und sie kämpfen für eine grundsätzliche Kursänderung der europäischen Union.
Das klare Ziel der Visegrád-Länder ist, Einfluß auf die Politik der EU zu nehmen. Österreich und Slowenien sehen sie als natürliche Verbündete, die, wie eventuell andere Länder auch, dieser Vereinigung beitreten könnten. Niemand denkt zur Zeit daran, die EU zu verlassen.
Doch was ist, wenn sich die Entwicklung hin zu einer multiethnischen, multirassischen Gesellschaft, in der die autochthonen Europäer nur mehr eine Minderheit stellen und die Islamisierung droht, in Westeuropa nicht mehr aufhalten läßt, aber die osteuropäischen Staaten diese Entwicklung auf ihrem Territorium keinesfalls zulassen wollen? Die EU wird an dieser Frage vielleicht in zwei Hälften zerbrechen. Wohin sich Österreich dann orientieren sollte, ist leicht zu sagen. Was aber wird aus Deutschland?
Es mag der Tag kommen, wo die Bewahrung der deutschen Einheit und die Bewahrung der deutschen Identität zu Widersprüchen werden. Wer heute den Gedanken einer neuen deutschen Teilung auch nur in den Raum stellt, sieht sich sofort mit dem Vorwurf des „Landesverrats“ konfrontiert. So verständlich das sein mag, so einfach ist die Sache dennoch nicht. Was ist, wenn in den westlichen deutschen Ländern eine Entwicklung unaufhaltsam ist, der sich die östlichen Länder keinesfalls unterwerfen wollen? Auch in einem Krieg muß sich eine Streitmacht manchmal auf ein kleineres Territorium zurückziehen, wenn die Kräfte die Verteidigung des ganzen nicht erlauben.
Der Zerfall Europas hat noch eine zweite Komponente: Westeuropa und insbesondere die USA werden alles tun, eine solche Entwicklung zu verhindern. Ohne entsprechende geopolitische Rückendeckung werden die ostmitteleuropäischen Staaten einen eigenständigen Weg nicht gehen können. Nun gibt es freilich eine Macht im Osten, in deren Interesse eine Spaltung der EU wäre und die die geopolitischen Machtmittel hätte, diese abzusichern. Dagegen bestehen, etwa im Baltikum oder in Polen, historisch bedingt große Ängste vor einem Wiederaufleben russischer Dominanz. Dies ist verständlich, aber Tatsache ist auch, daß ein solcher Weg ohne Rußland nicht gangbar sein wird.