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Unser Weg in einen neuen Kollektivismus

Von Max Eichenhain

Es geht um den Kollektivismus der Verführung, der angepasste, führungsgläubige Menschen erzeugt. Wie in Huxleys Zukunftsroman „Schöne Neue Welt“, wo die Menschen von Geburt an gezielt für bestimmte Berufe erzogen und mit Sex, Konsum und Spielen zufriedengestellt werden. Auch heute sind die meisten zufrieden, dank reichlichem Konsum, Multimedia und gefühlter Freiheit von Zwängen und Bindungen.

Professor Meinhard Miegel ist überzeugt, daß der Individualismus zwangsläufig mit Kinderarmut einhergehen muß. Meine These ist, daß die Ursache unserer Dekadenz, also unseres Abstieges, nicht der Individualismus, sondern ganz im Gegenteil, der neue Kollektivismus ist: Heute ist der Staat für die Absicherung unserer Zukunft zuständig. Das ist der neue Kollektivismus. Er wird uns früher oder später brutal einholen – wenn wir nicht bald etwas ändern: Seit 1970 werden pro Generation um etwa 40 % zu wenig deutschstämmige Kinder geboren, um die Bevölkerung konstant zu halten. Nach vier Generationen schrumpft dann die Zahl der Geburten auf 13 %, also bis 2090, ein Jahr, das fast alle heute Geborenen noch erleben werden.
Der Individualismus unserer abendländischen Kultur ist untrennbar verbunden mit persönlicher Verantwortung für uns, für unsere Kinder, für unsere Familie und für unser Land. Nur ein freier Mensch kann persönliche Verantwortung für sich selbst und für andere übernehmen, ein Abhängiger kann das nicht. Deshalb sind persönliche Freiheit und Verantwortung untrennbar miteinander verbunden, es sind siamesische Zwillinge! Verantwortlich zu sein heißt, die Folgen für sein Tun – oder auch für sein Nichtstun – selbst zu übernehmen.
Wenn wir die Verantwortung für die Schulbildung unserer Kinder, für die Absicherung von Arbeitslosigkeit, Krankheit und Rente alleine dem Staat, konkret der Bürokratie, übergeben, haben wir zusammen mit der Verantwortung ganz wesentliche Elemente unserer Freiheit aufgegeben.
Umfragen zeigen, wie gründlich wir schon umerzogen wurden: Rund 90 Prozent der Bevölkerung wollen in Deutschland dem Staat ihre Absicherung im Alter und bei Arbeitslosigkeit anvertrauen, 75 Prozent die Versorgung im Krankheitsfall. Etwa 65 Prozent erwarten vom Staat die Bereitstellung von Arbeitsplätzen und Wohnraum. Das hat seinen Preis: Gehorsam liefern wir unser halbes Einkommen dem Staat, den Bürokraten ab, sogar siebzig Prozent von jedem zusätzlich verdienten Euro. Davon leben Millionen Bürokraten gut. Dem riesigen bürokratischen Apparat stehen Politiker vor, die nur kurzfristig Verantwortung übernehmen. Nach ihrer Abwahl können sie in keiner Weise zur Verantwortung gezogen werden. Deshalb ist völlig klar, daß sich niemand für langfristige Trends wie Kinderarmut und Masseneinwanderung verantwortlich fühlt. Das wird in einer vernichtenden Katastrophe enden – wenn wir uns weiter entmündigen lassen.
Die individuelle Leistungsbereitschaft hat in der Nachkriegszeit fantastische Erfolge erbracht. Der Staat hatte schlicht kein Geld zu verteilen. Es war notwendig, selbst für sich und die eigene Familie zu sorgen, auch unter sehr großen Mühen und Entbehrungen.
Auf unserem Weg in den neuen Kollektivismus spielt der Neid eine entscheidende Rolle. Er wird zur Triebkraft egalitärer Ideologien. Zum Thema Neid gibt es eine wissenschaftliche Studie des Mediziners Bernd Weber in Bonn. Er untersuchte gleichzeitig bei zwei Personen in Kernspintomographen die Schwankungen der Durchblutung in verschiedenen Zonen des Gehirns. Beide mußten parallel die Zahl großer Punktemengen abschätzen. Bei guter Annäherung bekamen sie Geld als Belohnung, je besser, desto mehr. Das Ergebnis: Das Glücksempfinden einer Testperson war dann besonders stark, wenn sie einen höheren Lohn bekam als die andere. Bekam die andere aber mehr Lohn, so nahm das Glücksgefühl trotz eigener Belohnung sogar ab. Der Neid tritt auch zur Freiheit in Konkurrenz! Bei einer Umfrage sagte jeder dritte Westdeutsche, daß ihm die Gleichheit wichtiger als die Freiheit sei, von den Ostdeutschen sogar jeder zweite!
Wie gelang es trotz Aufklärung, trotz hohem Bildungsstand, Schritt für Schritt einen neuen, diesmal demokratischen Kollektivismus zu schaffen?
Vorweg ein Zitat: „Es gibt in Wirklichkeit nur zwei politische Ideen, die miteinander konkurrieren – und sie werden es tun, solange es Menschen gibt: den Individualismus und den Kollektivismus oder politisch ausgedrückt: Liberalismus und Sozialismus.“ Vereinfacht ausgedrückt: Der Liberalismus will eine optimale, also marktwirtschaftliche Produktion. Weil alle etwas davon haben, versteht er sich als sozial. Der Sozialismus will umverteilen, was erarbeitet wurde und definiert das als sozial.
Der Marktwirtschaftler Ludwig Erhard argumentierte: Je wohlhabender wir werden, desto weniger brauchen wir den Sozialstaat. Durchgesetzt haben sich die Umverteiler, die umso mehr Sozialstaat schufen, je reicher wir wurden. Dadurch wurden immer mehr Menschen vom Staat abhängig. Einschließlich der Angestellten im öffentlichen Dienst bilden sie inzwischen eine Mehrheit an den Wahlurnen.
Den nachhaltigsten Einfluß auf die Etablierung eines neuen Kollektivismus hatten die Marxisten und deren geistige Nachfolger, die Neomarxisten der sogenannten „Frankfurter Schule“ mit Max Horkheimer, Theodor Adorno und Herbert Marcuse. Der Weg zurück ins Paradies steht für diese Ideologen natürlich fest: Zerstörung des Kapitalismus und der ihn tragenden bürgerlichen Gesellschaft und die Heranbildung des „neuen Menschen“ in einer „neuen Gesellschaft“. Entscheidend war, die Institutionen der Meinungsbildung zu erobern, nämlich Schulen, Universitäten und Medien. Der kommunistische Denker Antonio Gramsci formulierte dieses Konzept: Die Vormachtstellung in der Kultur ist entscheidend, also die Deutungshoheit, nicht die politische Macht, die folgt dann automatisch. Der Weg geht über die Besetzung der Grundbegriffe der Sprache, die umgedeutet werden muß, bis alle, auch die politischen Gegner, die Denkweise ändern.
Das ist ihnen hervorragend gelungen, wie eine Allensbacher-Umfrage von 2003 belegt: Die Deutschen verbanden mit „rechts“: radikal, gewalttätig, Bedrohung, Dummheit, kalt; während sie mit „links“ jung, Reformen, Gerechtigkeit, sozial, modern in Verbindung brachten. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Gewalt und Randale wurden als „rechts“ definiert, obwohl diese weder „links“ noch „rechts“, sondern einfach „primitiv“ sind.
Der wichtigste Schritt der linken Strategen war das Schleifen der in Jahrhunderten gewachsenen Institutionen. Das gilt für die „großen Institutionen“ wie Ehe, Familie und Kirche. Die Kollektivisten wollen sie bewusst zerstören. Das gilt aber auch für die „kleinen Institutionen“, wie Sitte und Tradition, Umgangsformen, Höflichkeit, Anstand und Manieren, was sich schickt, was anständig ist – die sogenannte soziale Kontrolle –; diese ungeschriebenen Gesetze, die Haltegriffe in der Steilwand der Zivilisation, die uns vor dem Absturz in die Barbarei bewahren.
Besonders aktiv waren sie in Richtung sexuelle Revolution. Sie wollten einfach ungehemmten Sex und gleichzeitig die Familienbindungen schwächen – wie schön, wenn man das Ausleben seiner Instinkte mit strategischen Zielen rechtfertigen kann! Erhellend der Spruch: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“ Das hatte nichts mit der propagierten Emanzipation der Frauen zu tun, das war verächtlich und primitiv. Beschränkung der persönlichen Freiheit durch ewige Wahrheiten wollten sie nicht hinnehmen.
Interessant ist, daß diese „Aufklärer“ heute vor dem Islam kuschen. Feige ignorieren sie die Unterdrückung der Frauen, der Religionsfreiheit, der Homosexuellen.
Die Familie ist das Zwischenglied zwischen Individuum und Staat. Der Staat kann sie niemals ersetzen, aber er drängt sich hinein, wo immer er kann, neuerdings verstärkt durch staatliche Kinderkrippen für Kleinstkinder. Schon das Kommunistische Manifest hatte gefordert, die häusliche Erziehung durch die gesellschaftliche zu ersetzen, um den „neuen Menschen“ heranzuziehen. Die herkömmliche bürgerliche Familie ist die einzige reale, konservativ-bewahrende Gegenmacht gegen den Wohlfahrtsstaat mit seiner krakenhaft umarmenden Volksbeglückung – für die Kollektivisten ein Dorn im fortschrittlichen Auge.
„Im Wohlfahrtsstaat werden nicht die Produktionsmittel verstaatlicht, sondern die Menschen“, schrieb Roland Baader, „nicht das Produktivkapital, sondern das Humankapital wird sozialisiert – indem der Staat die Früchte der Arbeit umverteilt.“ Die gut dotierten Sozialstaatspriester versprechen eine Gesellschaft, in der Ausbeutung, Arbeitslosigkeit und Armut nicht mehr auftreten können. Das ist rücksichtslos kalkulierte Machtpolitik mit der Angst der Menschen. Was damit erzeugt werden soll, ist das vollständige Vertrauen in den Staat, also in die allwissende, sorgende Bürokratie und damit die vollständige Abhängigkeit des einzelnen von „der Gesellschaft“, vom neuen Gott namens Gesellschaft. Damit entspricht der neue Mensch dem Wunschbild der linken Rattenfänger, der Kollektivisten: Er wird abhängig, lenkbar und führungsgläubig. Da der Mensch ein Gruppenwesen ist, das geführt werden will, wird unsere Entmündigung erleichtert.
Für die Sinnerfüllung und Würde des menschlichen Lebens ist es sogar wichtig, freiwillig ins persönliche Unglück laufen zu dürfen, statt ein befohlenes kollektives Glück genießen zu müssen. Bezeichnend der Leitspruch des bolschewistischen Straflagers auf den Solowetzkij-Inseln im Eismeer: „Mit unserer eisernen Hand werden wir die Menschheit zu ihrem Glück zwingen.“
Die Strategen des neuen Kollektivismus der Verführung mißbrauchen die Tugenden des Christentums, um ihre Ziele zu erreichen: Die Nächstenliebe wird umgedeutet zu „Solidarität“, „Gemeinsinn“ und „sozialer Gerechtigkeit“. Das sind die Schlagworte für einen unablässigen, maulwurfartigen Feldzug um Schritt für Schritt, Gesetz für Gesetz aus dem eigenverantwortlichen Bürger einen rundum versorgten Untertanen zu machen. Dieser „neue Mensch“, der nichts wagen, nichts opfern und nichts entscheiden will, sondern Selbstverwirklichung im Genießen und Konsumieren erlebt, ist leicht verführbar, er ist ein idealer Untertan.
Die vielen, allzuvielen Umverteiler schließen von Ungleichheit auf Benachteiligung, von Benachteiligung auf soziale Ursachen, und dann schreiten sie moralisch überlegen als professionelle Retter zur Tat – auf Kosten anderer natürlich. Nicht Chancengleichheit, sondern Ergebnisgleichheit für ganze Gruppen ist das Ziel. Hilft die Förderung der Minderheit nicht, werden aus Ackergäulen keine Rennpferde, so werden Quoten gefordert, oder das Los soll entscheiden statt Leistung.
Die absurdeste Ausgeburt dieses Gleichheitswahnes ist die Ideologie des „Gender Mainstreaming“. Laut Wikipedia bezeichnet Gender das „soziale“ oder „psychologische“ Geschlecht im Unterschied zum biologischen Geschlecht. Was hinter diesem absichtlich schwammigen Ausdruck steckt, ist kaum zu fassen: Männer und Frauen seien gleich, die äußeren Geschlechtsmerkmale der einzige Unterschied, alles andere sei anerzogen, gehöre durch Umerziehung beseitigt. Daß sich die Geschlechter durch Chromosome, Hormone wie Östrogen und Testeron und letztlich durch ihre naturgegebenen Aufgaben als Mütter und Väter unterscheiden, wird ignoriert. Wissenschaftliche Untersuchungen, die diese Unterschiede vielfach belegen, werden ignoriert oder umgedeutet.
Wem nützt es? Das ist immer die erste Frage! Neben fanatischen Feministinnen sind es Schwule und Lesben, die damit ihre Normalität beweisen wollen. Aber die treibenden Kräfte sind wie immer diejenigen, die mehr Einfluß und Pfründe wittern. Das ist ihnen hervorragend gelungen! Im öffentlichen Dienst gibt es inzwischen Hunderte von Stellen und Ausgaben in Millionenhöhe für Gleichheitsbeauftragte – und es werden immer mehr.

Aus: 2034. Der Abschied vom Abendland, 2. erw. Aufl. Große Teile stammen aus den Büchern von Roland Baader. www.2034-Abschied.de

 
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