„Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, // Schwankt sein Charakterbild in der Geschichte“. Mit diesem geflügelten Wort beschrieb Friedrich Schiller (1759–1805) treffend die heftig widerstreitenden Auffassungen, die um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zu der Person Wallensteins (1583–1634) existierten. An diesen gegensätzlichen Meinungen hat sich auch in unseren Tagen nicht allzu viel geändert. Doch träfe die zitierte Sentenz des großen Dichters und Historikers nur dann tatsächlich zu, wenn Wallensteins Charakterbild nicht schon lange vor seiner Ermordung heiß umstritten gewesen wäre und stärker geschwankt hätte, als es den Urteilsmechanismen simpler Naturen zuträglich ist. Für seine eigene Zeit wie für die nachfolgenden Epochen war der Herzog von Friedland niemals nur eine Person neben einer Handvoll anderer bedeutender Personen seines Zeitalters. Von dem Moment an, in dem er aus dem privaten in das öffentliche Leben trat, stellte er stets auch ein Problem dar.
Ein zweites Problem besteht darin: Wallenstein hat im 17. Jahrhundert zu den berühmtesten Menschen gehört. Auf der politischen Bühne und im „Kriegstheater“, wie man damals sagte, spielte er eine Hauptrolle. Trotzdem wären uns Wallensteins Leben und Ende bei weitem nicht so vertraut, hätte nicht Schiller den Ruhm des Herzogs dramatisch ausgemünzt und einen Theaterklassiker geschaffen, der jedem Intendanten feste Besucherzahlen und dem toten Feldherrn ein Abonnements-Gedächtnis garantiert, das aber nicht einmal holzschnittartig mit der historischen Realität übereinstimmt.
Weil die geschichtliche Wirklichkeit nirgends schwerer zu ermitteln ist als bei Ereignissen oder Personen, die angeblich jeder kennt, muß der Historiker mit zweierlei Schwierigkeiten kämpfen: Er muß auf der einen Seite darstellen, wie das Geschehen, wie die Persönlichkeit beschaffen war. Und er muß auf der anderen Seite diese Darstellung gegen ein von vornherein bestehendes Klischee antreten lassen. Was von Wallenstein auf uns gekommen ist, das ist ein Zerrbild. Wo immer man sein Leben berührt, hat man mit Widersprüchen fertig zu werden – Widersprüchen gegen die Zeit, Widersprüchen gegen die mitgebrachten Erwartungen, Widersprüchen gegen die sachliche Logik der Dinge. Das Glänzende und Verhängnisvolle seines Lebens, Hinfälligkeit und Macht, Größe und Verworfenheit, Sicherheit und Widerspruch, Maßlosigkeit und Trauer – das düstere Moment der Andeutung macht aus dem Herzog von Friedland diejenige Hieroglyphe unserer Vergangenheit, die um so geheimnisvoller ist, als sie jedermann zu verstehen meint.
Das Drama, das Wallensteins Ende darstellt, hat sowohl Zeitgenossen als auch nachfolgende Generationen ganz besonders in seinen Bann gezogen. Der abgrundtiefe Fall eines so hochgestellten, so mächtigen Mannes war und ist immer noch dazu angetan, die Gemüter zu bewegen und zu erregen. Sehr lange Zeit widerfuhr dem auf kaiserlichen Befehl hin ermordeten Generalissimus dabei keine Gerechtigkeit. Das geschah erst durch die Geschichtsschreibung der 1960er und 1970er Jahre, die sich von ihrer Wahrheitssuche nicht durch die Tatsache abbringen ließ, daß die Feinde Walleinsteins seine Geschichte geschrieben hatten. Auch um dem vielfach verleumdeten Herzog von Friedland eine späte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, befaßt sich dieser Beitrag mit seinen heftig umstrittenen letzten Jahren und seinem dramatischen, blutigen Ende.
Wallenstein, ein böhmischer Edelmann, hatte sich zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs (1618–1648) nicht dem Aufstand seiner protestantischen Landsleute gegen den katholischen Kaiser aus dem Haus Habsburg, der auch König von Böhmen war, angeschlossen. Vielmehr war er zum katholischen Glauben konvertiert und auf die habsburgische Seite übergetreten. Durch deren Sieg und die Niederlage der Böhmen war er zu einem finanziell wie territorial begüterten Fürsten avanciert und hatte auf eigene Kosten für Kaiser Ferdinand II. eine Armee aufgestellt. Mit dieser aus dem jeweils besetzten Land unterhaltenen Streitmacht hatte er bis 1630 für den Kaiser weite Teile des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation unterworfen, was aber nicht bedeutet, daß dort auch eine echte Rekatholisierung stattfand. Das kaiserliche Restitutionsedikt vom 6. März 1629 bildete allerdings für die Rückführung des von den Landesfürsten enteigneten Kirchenbesitzes die gesetzliche Grundlage.
Gegen den sich nun formierenden Widerstand der protestantischen Reichsfürsten benötigte Ferdinand II. unbedingt die Hilfe der 1609 gegründeten Katholischen Liga, deren Oberhaupt Kurfürst Maximilian von Bayern war. Dieser sah sich durch Wallensteins Militärmacht in den Hintergrund gedrängt und brachte schon seit Jahren im Namen der Liga am kaiserlichen Hof immer wieder Klagen über Wallenstein vor. Jetzt nutzte Maximilian die Zwangslage Ferdinands gnadenlos aus, um die Entlassung des ihm persönlich verhaßten Generalissimus und außerdem die Reduzierung der kaiserlichen Armee herbeizuführen. In einem Kraftakt erzwangen im Sommer 1630 auf dem Regensburger Kurfürstentag die Kurfürsten unter Androhung ihres Abfalls vom Kaiser die Absetzung des für die jüngsten Erfolge Habsburgs verantwortlichen Wallenstein. Wesentlichen Anteil daran hatte einer der französischen Gesandten bei der Regensburger Zusammenkunft, der in Kardinal Richelieus Auftrag agierende Père Joseph. Mit diesem Tag (13. August 1630) war die Dominanz Habsburgs in Europa ein für allemal gebrochen, was die Zeitgenossen in diesem Moment natürlich nicht ahnten, nicht ahnen konnten. Wallenstein hätte die kaiserliche Herrschaft über immer mehr Territorien ausdehnen, vielleicht sogar ein habsburgisches Ostseeimperium errichten können. Doch die Interessen des Kaisers und der Reichsfürsten (vor allem der evangelischen) lagen allzu weit auseinander. So siegten die persönlich-dynastischen Interessen der Reichsfürsten über großmachtpolitische Pläne, die eine erweiterte habsburgische Vormachtstellung in Europa verhießen. Hier zeigte sich deutlich die Ohnmacht des Kaisers den Reichsfürsten gegenüber. Als sie mit ihrem Abfall drohten, mußte er mit Wallenstein zugleich einen Großteil seiner gerade erst erreichten Macht wieder abgeben. Das kaiserliche Heer wurde auf Forderung der Kurfürsten um ein Drittel reduziert und das Oberkommando über die vereinigten kaiserlichen und ligistischen Truppen dem altbewährten General Tilly übertragen. Dieser war zwar unbestreitbar ein großer Feldherr, aber eben nicht auch noch ein Politiker wie Wallenstein. Tilly fungierte im Prinzip nur als Befehlsempfänger des bayerischen Kurfürsten. Mißgestimmt, aber machtlos mußte sich der Kaiser wieder in die Abhängigkeit von seinem bayerischen Vetter begeben, der von ihm 1623 die pfälzische Kurwürde und zudem deren dauerhaften Besitz für Bayern konzediert erhalten hatte. Um das Fiasko Ferdinands II. vollständig zu machen, weigerten sich die Kurfürsten ungeachtet aller kaiserlichen Konzessionen, die Nachfolge seines Sohnes Ferdinand (1608–1657, Kaiser 1637–1657) auf dem Kaiserthron zu bestätigen.
Die Hauptperson der ganzen Auseinandersetzung, Wallenstein, war in Regensburg gar nicht dabei gewesen, sondern hatte seine mit den Jahren immer heftiger werdende Gichterkrankung den Ärzten anvertraut. Völlig überraschend nahm er in Memmingen von den kaiserlichen Abgesandten die Botschaft von seiner Entlassung mit Ruhe und Gelassenheit entgegen, um sich danach ohne irgendein Zeichen von Widerstand auf seine Güter zurückzuziehen. Wie sehr er Ferdinand im Kampf gegen Gustav II. Adolf von Schweden fehlen sollte, der Anfang Juli 1630 mit seinem Heer bei Peenemünde gelandet war, sollte sich in Kürze zeigen. Der Kaiser aber kommentierte die Invasion des Schwedenkönigs in schönster Nonchalance: „Da ham mer halt ä Feindl mehr.“
Mit ihm trat aber ein Feldherr auf den Plan, der in seiner Gefährlichkeit alle vorigen Gegner der katholischen Sache in den Schatten stellte und das geschwächte römisch-deutsche Reich an den Rand der vollständigen Niederlage brachte. Nicht nur – wie er dies zwecks Legitimierung bemäntelte – zur Rettung des deutschen Protestantismus und der „teutschen Libertät“, sondern vor allem zur Wahrung und Erweiterung seines von Habsburgs Expansionsstreben bedrohten eigenen Machtbereichs führte er das höchst gewagte Unternehmen einer Invasion des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation durch. Damit wurde der von 1630 bis 1635 dauernde Schwedische Krieg als dritte Phase des Dreißigjährigen Krieges eingeläutet. Wahrscheinlich jedoch hätte Gustav Adolf niemals seine spätere Gefährlichkeit erreicht, wenn ihm die katholische Seite gleich zu Beginn seiner Invasion im Spätsommer 1630 mit allem Nachdruck entgegengetreten wäre. Umgekehrt bestand 1630 noch keine reale Möglichkeit zu einer kaiserlichen Invasion in Schweden. Dies war nur die Behauptung der schwedischen und protestantischen Propaganda. Ob die katholischen Reichsfürsten eine solche Invasion unterstützt hätten, bleibt fraglich, weil sie hiervon primär eine Stärkung der kaiserlichen Zentralgewalt befürchtet hätten. Schweden hatte sich aber schon 1626/27 in Polen und in Preußen, also in der Nähe des Reichs, engagiert. Gustav Adolfs „Gelüste“ waren daher am Kaiserhof nur allzu gut bekannt.
Gustav Adolf landete bereits vor Wallensteins Absetzung auf Rügen, das ja in Wallensteins Herrschaftsbereich lag. Aus welchen Gründen hatte sich Wallenstein 1628 das an der Küste gelegene Herzogtum Mecklenburg verleihen lassen? Wohl um von dort aus eine offensive maritime Politik betreiben und einem feindlichen Angriff von See her gleich an der Ostseeküste gebührend entgegentreten zu können. Trotz seiner großen militärischen Leistungen muß Wallenstein der Vorwurf gemacht werden, daß er bei der Evidenz der schwedischen Gefahr, die unmittelbar vor der Tür stand, sich nicht mit seiner ganzen Heeresmacht auf den Schwedenkönig warf. Mit seiner zu dieser Zeit auf mehr als 100.000 Mann angewachsenen Armee hätte er den mit damals 13.000 Soldaten numerisch weit unterlegenen schwedischen Streitkräften sicherlich eine vernichtende Niederlage beigebracht und so die schwedische Gefahr schon im Keim erstickt. Was zudem in den Jahren zuvor versäumt worden war, nämlich der Aufbau einer hinreichend starken kaiserlichen Flotte, ließ sich jetzt in kürzester Zeit und unter dem Druck einer feindlichen Invasion nicht mehr nachholen.
Die vom Standpunkt militärischer Vernunft aus völlig unnötige kaiserliche Einmischung in den Konflikt um Mantua, für die nicht Wallenstein verantwortlich gemacht werden kann, kam zum denkbar falschen Zeitpunkt. Diese Ansicht vertrat auch Wallenstein, indem er zu bedenken gab, der Kaiser dürfe sich nicht jetzt durch einen vermeidbaren Konflikt mit Frankreich militärisch schwächen. Doch Ferdinand II. entschloß sich, die Sukzession des französischen Protégés Karl von Gonzaga-Nevers als Herzog von Mantua mit Waffengewalt zu hintertreiben. So mußten von der kaiserlichen Armee Truppen für den Mantua-Krieg abgezweigt werden, und so wurde die kaiserliche Heeresmacht geschwächt. Indessen wurde das (auch durch Wallensteins Versäumnis) militärisch völlig unzureichend gesicherte Norddeutschland von Gustav Adolf bis zum Winter 1630 relativ mühelos besetzt. Es ist unbegreiflich, daß gerade diese von einer feindlichen Invasion betroffene Region von den Kaiserlichen nicht mit allen militärischen Mitteln geschützt wurde. Die schwedische Kriegsflamme hätte ausgetreten werden müssen, solange sie noch einigermaßen klein war. Doch auf kaiserlicher Seite wurde in aller Ruhe gewartet, bis sie sich zu einem Flächenbrand ausgeweitet hatte, der schließlich nicht mehr gelöscht werden konnte.
Nach der Zerstörung des ins protestantische Lager übergetretenen Magdeburg durch Tilly am 20. Mai 1631 fiel das hierüber empörte Kursachsen vom Kaiser ab. Es schloß sich, wie schon zuvor Kurbrandenburg, Gustav Adolf an – allerdings zu Sonderkonditionen. Die im Anschluß daran vereinigte schwedisch-kursächsische Armee schlug am 17. September 1631 bei Breitenfeld das von Tilly kommandierte kaiserlich-ligistische Heer vernichtend. Die Konsequenzen für die Kaiserlichen waren katastrophal: Gustav Adolf okkupierte Mitteldeutschland und bezog in Mainz Winterquartiere. Am 15. April 1632 erzwang der Schwedenkönig bei Rain am Lech den Flußübergang gegen Tilly, der tödlich verwundet wurde. Die Kriegsfurie suchte nun das bislang verschont gebliebene Kurfürstentum Bayern heim, das Zeiten schlimmster Plünderungen und Verwüstungen erlebte. Kurfürst Maximilian floh aus München, in das bald darauf der strahlende Sieger Gustav Adolf einzog.
Gustav Adolfs siegreiches Vordringen hatte Kaiser Ferdinand auf schmerzhafte Weise von der Notwendigkeit überzeugt, Wallenstein wieder an die Spitze des Heeres zu stellen. Der frühere Generalissimus, der durch Gustav Adolfs Siegeszug Mecklenburg rasch wieder eingebüßt hatte, lehnte eine Einladung an den kaiserlichen Hof ab. Erst im Dezember 1631 ließ er sich durch den Fürsten Eggenberg (1568–1634), der am Wiener Kaiserhof zu seinen zuverlässigsten Freunden gehörte, zur Aufstellung eines neuen Heeres überreden. Allerdings betonte der Herzog von Friedland ausdrücklich, daß er diese Aufgabe nicht um Ferdinands willen übernehme, sondern nur aus Freundschaft zu Eggenberg. Schon in den ersten Tagen des April 1632 war das neue Heer aufgestellt. Doch erst als der Kaiser in der sogenannten Kapitulation von Göllersdorf (13. April 1632) erneut Zugeständnisse gemacht hatte, übernahm Wallenstein den Oberbefehl dauerhaft. Ferdinand hatte versprochen, daß Wallenstein künftig keine geistlichen oder höfischen Einflüsse in den Weg treten würden; daß ein Friedensschluß im Reich durch die Zurücknahme des Restitutionsedikts gefördert würde; daß Wallenstein bis zum Frieden „oberster Generalissimus des Reichs, Österreichs und Spaniens sein“ und „keinen unabhängigen Heerführer neben sich haben“ würde; daß er bei Verlust des Herzogtums Mecklenburg ein anderes Reichsfürstentum (zunächst pfandweise das schlesische Fürstentum Glogau) erhalten solle; daß er in den von ihm eroberten Gebieten die höchsten kaiserlichen Vorrechte der Konfiskation und Begnadigung ausüben dürfe.
Zurück auf dem „Kriegstheater“, säuberte Wallenstein zunächst einmal das Königreich Böhmen von den dort eingedrungenen Sachsen, errichtete die kaiserliche Herrschaft wieder und zog nach Vereinigung mit den Resten des bayerischen Heeres Gustav Adolf bei Nürnberg entgegen. Gustav Adolf, dessen Heer mit ca. 20.000 Mann der Armee Wallensteins und Maximilians, die ca. 50.000 Mann zählte, deutlich unterlegen war, verschanzte sich in Nürnberg. Da Wallenstein ihn nicht einschloß, konnte er sich in den folgenden Wochen auf 45.000 Mann verstärken. Am 4. September 1632 schritt der Schwedenkönig zum Sturm auf das feste Heereslager Wallensteins, wurde jedoch unter schweren Verlusten von dessen Armee zurückgeschlagen und erlitt erstmals seit Jahren wieder eine Niederlage in einem von ihm persönlich geführten Gefecht. Trotzdem muß Wallenstein der Vorwurf gemacht werden, daß er der geschlagenen Armee Gustav Adolfs nicht nachsetzte und sie in offener Feldschlacht vernichtete, was ihm gegen ein geschlagenes und sich zurückziehendes Heer wahrscheinlich gelungen wäre.
Wallenstein jedoch zog mit seinen Streitkräften nach Sachsen – allerdings ohne Maximilian, der mit einer Anzahl Truppen in sein schwer heimgesuchtes Bayern zurückkehrte (Truppen, die Wallenstein später fehlen sollten) –, um Kurfürst Johann Georg zum Abfall von Schweden zu veranlassen. Gustav Adolf, erstmals seit seiner Landung in Deutschland aus dem Konzept gebracht und auf einmal nicht mehr der dominierende, sondern der dominierte Teil, zog hinter Wallenstein her. Wieder war der kaiserliche Generalissimus Gustav Adolf an Truppenstärke deutlich überlegen (35.000 gegen 19.000 Soldaten). Doch mitten in der Entscheidungsphase dieses Feldzugs löste Wallenstein die Konzentration seiner Streitkräfte unverständlicherweise auf, indem er ca. 20.000 Mann zur Terrainsicherung auf die Umgebung verteilte, die er erst in ein bis zwei Tagen wieder zusammenziehen konnte. Er glaubte, sich damit hinreichend gesichert zu haben, falls er von einem Heranrücken Gustav Adolfs erführe. Dachte er gar nicht daran, daß er vom Schwedenkönig überrascht werden konnte, bevor er seine verstreuten Truppenteile wieder zusammengezogen hätte? Jetzt, ausgerechnet in dem wichtigsten Moment seiner Feldherrnlaufbahn, verließen den großen Strategen seine sonst so treffliche Urteilskraft und Übersicht.
Und tatsächlich trat der Extremfall ein: Gustav Adolf, der von Wallensteins selbstverschuldeter Schwächung Nachricht erhalten und sich sofort zur Ausnutzung dieses unverhofften Vorteils entschlossen hatte, griff am Morgen des 16. November 1632 in der Hoffnung an, seinen Gegner vernichtend schlagen zu können. Der aber hatte vom Heranrücken der Schweden Meldung erhalten, die ihm noch verbliebenen Truppen zur Schlacht aufgestellt und die augenblickliche Rückkehr der in die Umgebung entsandten Regimenter nach Lützen angeordnet, von denen allerdings nur einige noch während der Schlacht eintrafen. Nur unter schweren Verlusten konnte Wallenstein eine Niederlage vermeiden. Die Einbußen auf dem rechten Flügel, seiner Schlüsselstellung, waren unbestreitbar groß. Doch konnte er gegen Ende der Schlacht, als sich die Schweden nach kaiserlichen Gegenangriffen zurückzogen, seine Anfangspositionen wieder einnehmen. Somit behielten die Schweden den Sieg auf dem rechten kaiserlichen Flügel nicht. Genau das aber wird in den meisten Darstellungen der Schlacht von Lützen ebenso übersehen wie der Sieg der Kaiserlichen auf dem linken Flügel. Nach objektiver Bewertung der Gesamtsituation kann auf keinen Fall ein Sieg der Schweden konstatiert werden, wie eine weitestgehend von Sympathie für die protestantische Sache geleitete Geschichtsschreibung den Ausgang der Schlacht meist darzustellen pflegt. Vielmehr muß von einem unentschiedenen Schlachtausgang gesprochen werden. Es ist Wallenstein trotz seiner vorausgegangenen schweren Fehler als großes Verdienst anzurechnen, daß er gegen den heftigen Ansturm der anfangs zahlenmäßig überlegenen schwedischen Armee bei insgesamt höchst ungünstiger Ausgangslage das Schlachtfeld zu halten vermochte und keine Niederlage erlitt.
Der in der Schlacht von Lützen erfolgte Tod des Schwedenkönigs Gustav Adolf ließ seinen Gegenspieler Wallenstein im ersten Augenblick als Sieger erscheinen, weil die Schweden und die ganze protestantische Sache mit dem „Löwen aus Mitternacht“ ihren heldenmütigen Anführer verloren hatten. Dieser war eindeutig die Triebfeder des Kriegs gegen die Katholiken gewesen und hatte unter Aufopferung seiner eigenen Person seine Soldaten zu größtem Einsatz inspirieren können. Doch es konnte nicht Wallensteins alleiniges Ziel gewesen sein, diesen einen Menschen aus der Welt zu schaffen. Ein halber Sieg, wohl doch mehr ein Unentschieden, bedeutete für Wallenstein vom strategischen und militärischen Standpunkt aus eine Niederlage. Denn nur eine Vernichtung und Auflösung der schwedischen Armee nach dem Schicksal Tillys auf gleichem Boden ein Jahr zuvor hätte einen Sieg der kaiserlichen Sache bedeutet. So konnte der Generalissimus keine Winterquartiere im Reich beziehen, sondern mußte dafür erneut die schon arg gebeutelten habsburgischen Erblande in Anspruch nehmen. Im Februar 1633 ließ er beim sogenannten „Prager Blutgericht“ mit rücksichtsloser Strenge hohe Offiziere, denen er die Schuld für den entgangenen Sieg in der Schlacht von Lützen gab, hinrichten oder degradieren, um so unter seinen Truppen Disziplin und militärisches Pflichtgefühl wiederherzustellen. Dieses rigorose Vorgehen belegt aber auch, wie tief enttäuscht der Herzog von Friedland darüber war, die schwedische Armee nicht vernichtet zu haben. Es war ihm schmerzlich bewußt geworden, daß er den Schweden und ihren Verbündeten den Frieden nicht mehr würde diktieren können.
Am Wiener Hof war man zwar über des Schwedenkönigs Ableben hocherfreut. Aber da Wallenstein keinen vollständigen Sieg errungen hatte, setzte zwischen ihm und dem Kaiser eine wachsende Entfremdung ein. Im Frühjahr 1633 rückte Wallenstein nach Schlesien vor. Dort waren sächsische, brandenburgische und schwedische Truppen eingedrungen und hatten sich fast aller festen Plätze bemächtigt. Obwohl seine Truppen an Stärke erneut überlegen waren, beschränkte sich Wallenstein auf militärisch relativ unbedeutende Unternehmungen und begann mit Wissen des kaiserlichen Hofs, Friedensverhandlungen mit den feindlichen Befehlshabern zu führen, vor allem mit seinem früheren Untergebenen, dem sächsischen General Arnim. Diese Verhandlungen blieben allerdings erfolglos, weil der Kaiser zu wenig Entgegenkommen an den Tag legte. Auch mit Frankreich trat Wallenstein in „geheime Verbindung“, ging jedoch auf den Plan, ihn zum König von Böhmen zu erheben, nicht ein.
Im Herbst ergriff der kaiserliche Oberbefehlshaber plötzlich wieder die Initiative. Zunächst drängte er die Sachsen und dann die Brandenburger in ihr Land zurück. Hierauf nahm er durch meisterliches Manövrieren am 12. Oktober 1633 ein schwedisches Korps von fast 6.000 Mann und 60 Geschützen bei Steinau an der Oder gefangen. Sogleich entsandte er ein Korps nach Brandenburg, während er selbst mit seiner Hauptmacht in die Lausitz marschierte, wodurch er den Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg zu einem Waffenstillstand nötigte sowie Görlitz und Bautzen einnahm. Außerdem befreite er den größten Teil Schlesiens vom Feind. Unter dem Eindruck dieser neuen militärischen Erfolge versuchte Wallenstein noch einmal Friedensgespräche mit den Kurfürsten von Brandenburg und von Sachsen, die aber auch jetzt scheiterten.
Zu dieser Zeit trat der spanische König Philipp IV., der Wallenstein übrigens persönliche Hochachtung entgegenbrachte, mit folgendem Ansinnen an ihn heran: Um die Verbindung zwischen dem zu Spanien gehörigen Mailand und den Spanischen Niederlanden nicht durch Schweden und Franzosen abschneiden zu lassen, sollte der Kardinal-Infant Ferdinand (1609–1641) mit einem veritablen Heer von Mailand durch Graubünden und dann am Rhein entlang in die Niederlande ziehen, begleitet von dem Herzog von Feria, dem damaligen spanischen Gouverneur von Mailand. Kaum hatte Wallenstein dem zugestimmt, da erweiterte der Hof von Madrid den Plan: Philipp IV. wollte nun ein autonomes Heer unter dem Befehl Ferias im Elsaß und im Reich aufstellen, wobei der spanische Herzog den Schutz des Elsaß, Schwabens, Burgunds, Frankens, Bayerns und Kölns übernehmen sollte. Da die spanischen Truppen hierfür nicht ausreichten, sollte Wallenstein seine sämtlichen Truppen in Süddeutschland dem Kommando Ferias unterstellen. Erzürnt über diese dreiste Unterminierung seiner absoluten Befehlsgewalt, lehnte Wallenstein die Zumutungen rundheraus ab. Zudem fürchtete er, daß durch ein solches Engagement der im Reich verhaßten Spanier Frankreich aus seinem jetzt noch verdeckt geführten Krieg gegen Habsburg herausgedrängt werden und offen die Waffen ergreifen würde. Jedenfalls datierte seit dieser Antwort Wallensteins der tödliche Haß der Spanier. Der spanische Gesandte in Wien, Oñate († 1658), erwies sich in der Folge als sein bösartigster, verschlagenster Feind und begann nun, den Kampf gegen ihn zu systematisieren.
In dieser Situation erreichte den Herzog von Friedland der Befehl Ferdinands II., sofort durch Böhmen in die Oberpfalz zu marschieren, um dem von den Schweden hart bedrängten bayerischen Kurfürsten zu Hilfe zu kommen. Die Schweden hatten unter Führung des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar am 14. November 1633 mit Regensburg den Sitz des Reichstags erobert – ein gewaltiger Prestigeverlust für die katholische Sache. Prompt nahm Maximilian von Bayern seine Intrigen gegen den kaiserlichen Generalissimus wieder auf und forderte von Ferdinand ein zweites Mal die Ablösung Wallensteins. Obwohl sich dessen gesundheitliche Verfassung verschlechterte und der Winter hereinbrach, rückte Wallenstein im November bis Cham nordöstlich von Regensburg vor. Aber Anfang Dezember kehrte er unverrichteter Dinge nach Böhmen zurück, wo er die erschöpften Truppen Winterquartiere beziehen ließ: Ein Winterfeldzug an der Donau und die Wiedereroberung Regensburgs zu dieser Jahreszeit schienen ihm nicht erfolgversprechend zu sein. Diese Vorgänge wurden von der Wallenstein feindlichen Partei am Wiener Hof, an deren Spitze der spätere Kaiser, Ferdinand III., der spanische Gesandte Oñate und der Hofkriegsratspräsident Heinrich Graf von Schlick standen, dazu benutzt, Wallenstein der Unbotmäßigkeit, ja des Verrats anzuklagen. Auch dem Kaiser war der eigenwillige Feldherr nach der Beseitigung Gustav Adolfs längst unbequem geworden. Die Verpflichtung, ihn für Mecklenburg zu entschädigen, war ihm inzwischen ebenfalls unangenehm, zumal dieses auf Kosten des Reichs nicht möglich war. Denn Wallenstein hatte ja keine entscheidenden Siege erfochten und keine gravierenden Eroberungen gemacht. Äußerlich nahm Ferdinand II. zwar Wallensteins Weigerung, den Krieg mitten im Winter weiterzuführen, hin. Doch von nun an war er endgültig entschlossen, sich von seinem Oberfeldherrn zu trennen.
Ferdinand II. bezog die Argumente gegen Wallenstein von dessen Feinden. Welcher „Verschwörung“ sich dieser bis zum 20. Februar 1634 schuldig gemacht haben soll, ist bis heute rätselhaft geblieben. Sehr wohl aber existierte in Wien eine Verschwörung mit dem unbedingten Ziel der Beseitigung des Generalissimus. Der offene Kampf zwischen ihm und dem Kaiser spielte sich als ein persönlicher Machtkampf ab und ging von Ferdinand II. aus, nicht von Wallenstein. Hinzu kam die planmäßige Unterhöhlung von dessen Position durch Offiziere aus seiner nächsten Umgebung, vor allem durch Octavio Piccolomini, den er ganz besonders schätzte und dem er auch uneingeschränkt vertraute. Dieser General der Kavallerie, der seinen raschen Aufstieg ausschließlich Wallenstein verdankte, sollte ein Hauptdrahtzieher der im Namen des Kaisers gesponnenen Intrige werden, die den Feldherrn innerhalb seiner Armee isolieren und letztlich zu Fall bringen sollte.
Nach dem Zusammenstoß mit Ferdinand traf Wallenstein Mitte Dezember 1633 noch einmal mit Graf Trauttmansdorff, einem Minister des Kaisers, zusammen. Doch führte diese Unterredung ebenso wenig zu einem Ausgleich zwischen dem Feldherrn und seinem Kaiser wie der Besuch des spanischen Paters Quiroga, des Beichtvaters der Gemahlin Ferdinands III., bei Wallenstein Anfang Januar 1634. Als dann Wallenstein in seinem Hauptquartier in Pilsen den Generälen und Obersten seine Absicht kundgab, wegen der Machenschaften seiner Feinde das Kommando über die Armee niederzulegen, drängten ihn dieselben, seine Abdankung aufzuschieben, und 49 von ihnen unterzeichneten bei einem Bankett am 12. Januar 1634 einen „Revers“. Diese Erklärung verpflichtete sie zum Ausharren bei ihrem Generalissimus auch für den Fall seiner Entlassung durch den Kaiser. Zugleich nahm Wallenstein die Friedensverhandlungen mit Sachsen wieder auf und war entschlossen, mit Sachsen im Bunde auch gegen den Kaiser den Frieden im Reich herzustellen. Er wollte am Ende deshalb gemeinsam mit Sachsen auch gegen den Kaiser einen solchen Frieden erzwingen, weil er vorhersah, daß eine Fortsetzung des Krieges letztlich zu einer Verwüstung des Reichs führen würde, wie sie letztlich ja auch eintrat. Stellte dies eine „Verschwörung“ dar, so hatten Ferdinand II. und seine Einbläser den Herzog von Friedland in nicht unbedeutendem Maße in diese hineingetrieben.
Inzwischen begann der Kaiser, der von Spanien und Bayern durch übertriebene, unwahre Berichte aufgestachelt wurde, die Armee Wallenstein abtrünnig zu machen. Matthias Graf Gallas, Johann Graf von Aldringen und der schon erwähnte Octavio Piccolomini wurden für dieses Ziel gewonnen. Am 24. Januar unterzeichnete der Kaiser ein Patent. Durch dieses wurde der Herzog von Friedland geächtet, des Kommandos enthoben und wurden die Obersten, denen man – mit Ausnahme von Christian von Ilow und Adam Erdmann Graf Trčka – Amnestie versprach, angewiesen, von nun an Gallas zu gehorchen. Einen Angriff auf Pilsen, um Wallenstein gefangenzunehmen, wagten Aldringen und Piccolomini jedoch nicht.
Dennoch gewann der Kaiser in Wallensteins Heer eine immer größere Gefolgschaft. Bei einer zweiten Versammlung der Obersten in Pilsen (19. Februar 1634) erlangte Wallenstein das erneute Versprechen ihres Gehorsams nur noch von 30 von ihnen und auch nur für die Zeit, in der er in kaiserlichem Dienst stehen würde. Als daher Wallenstein nach dem Erlaß eines zweiten kaiserlichen Patents vom 20. Februar, das ihn des Verrats beschuldigte und die Offiziere aus jeder Verpflichtung gegen ihn entließ, Ernst machte und Ferdinand II. die Gefolgschaft aufkündigte, verweigerte ihm zuerst die Garnison von Prag offen den Gehorsam. Schlagartig fiel nun fast die gesamte Armee von ihm ab. Ihrer hatte er sich allzu sicher gefühlt.
Wallenstein zog daraufhin am 22. Februar nach Eger, um sich hier mit den Sachsen und den Schweden zu vereinigen. Auf dem Weg dorthin schloß sich ihm Oberst Walter Butler mit seinem Dragonerregiment an, der entschlossen war, Wallenstein lebend oder tot in des Kaisers Gewalt zu liefern. Am 24. Februar langte Wallenstein in Eger an. Butler gewann die Befehlshaber in Eger, die protestantischen Schotten John Gordon und Walter Leslie, für sich und veranstaltete am 25. Februar 1634, dem Faschingssamstag, abends ein Gastmahl auf der Kaiserburg. Bei diesem wurden zuerst die Anhänger des Herzogs, Ilow, Trčka und Wilhelm Graf Kinsky sowie der Rittmeister Heinrich Neumann, getötet. Von hier zog der irische Hauptmann Walter Deveroux mit den Dragonern in die Wohnung Wallensteins in einem Privathaus am Markt (Pachhelbelsches Haus). Wallenstein, der gerade zu Bett gehen wollte, hörte das Waffengeräusch und ging zum Fenster, um die Wache zu rufen. In diesem Moment drang Deveroux in das Zimmer ein und stieß ihm die Partisane in die Brust. Wallenstein war sofort tot. Damit hatte sich die Voraussage aus Johannes Keplers zweitem (1626 erstelltem) Horoskop für Wallenstein ziemlich genau erfüllt: Kepler hatte dem Herzog von Friedland prophezeit, wegen einer ungewöhnlichen Kreuzstellung der Planeten werde der März 1634 für ihn großes Unheil bringen.
Der Leichnam Wallensteins wurde am Aschermittwoch aus Eger fortgeschafft und zunächst in Mies im dortigen Franziskanerkloster begraben, 1636 jedoch in die Kartause Walditz überführt und an der Seite seiner ersten Frau Lukretia beigesetzt. Seine letzte Ruhestätte fand der Generalissimus im Jahre 1785 in der Kapuzinerkapelle von Münchengrätz, auf friedländischem Gebiet zwischen Turnau und Jungbunzlau.
Die Güter Wallensteins wurden nach einem kaiserlichen Urteilsspruch konfisziert und an die Mörder sowie die von Wallenstein abgefallenen Generäle und Obersten verteilt. Zugleich bemühte sich der Wiener Hof angestrengt, ein ganzes Gebirge von Gründen zusammentragen, um den Verhaftungs- und Hinrichtungsbefehl zu rechtfertigen. Es hat aber nicht ausgereicht. Das Haus Habsburg konnte nicht einmal darüber hinweg täuschen, daß der Herzog von Friedland gar nicht verhaftet und hingerichtet worden war, sondern schlicht und einfach niedergestochen wie ein Stück Vieh. Sogar Richelieu, ein Muster an Skrupellosigkeit, meinte dazu: „Es gibt keinen Ausdruck, der abscheulich genug wäre, eine solche Tat zu charakterisieren, und keine Strafe in diesem Leben, die entsetzlich genug wäre, eine solche Tat zu sühnen.“ Was also ist der größte Vorwurf, den man Wallenstein machen kann? Sein Fehler war, daß es seinen Gegnern gelungen ist, ihn zu ermorden. Daher auch der grenzenlos bittere Geschmack bei seinem Ende. Friedrich Schiller, aus dessen Drama über Wallenstein bereits am Anfang zitiert worden ist, hat es geradezu genial formuliert: „Wenn endlich Not und Verzweiflung ihn antrieben, das Urteil wirklich zu verdienen, das gegen den Unschuldigen gefällt war, so kann dieses Urteil nicht zur Rechtfertigung gereichen; so fiel Wallenstein nicht, weil er Rebell war, sondern er rebellierte, weil er fiel.“
Für die Kaiserlichen brachen indessen noch einmal zwei Jahre trügerischen Glücks an. Nach ihrem triumphalen Sieg über die schwedisch-sächsische Armee vor den Toren von Nördlingen (6. September 1634) gingen unter dem Eindruck dieses großen kaiserlichen Waffenerfolgs die meisten Mitglieder des 1633 gegründeten Heilbronner Bundes – die wichtigsten darunter waren Kursachsen und Kurbrandenburg – ins kaiserliche Lager über. In dem 1635 geschlossenen Frieden von Prag wurde bestimmt, daß das Restitutionsedikt von 1629 aufgehoben werden sollte. Einzig die gegen den geächteten Pfalzgrafen (der sich von den Aufständischen Böhmens einst zum „Winterkönig“ hatte machen lassen) erlassenen Bestimmungen blieben in Kraft. Um diesen Preis kehrte nahezu das gesamte evangelische Lager zum Kaiser zurück. Eine Reichsarmee sollte die nun zu gemeinsamen Feinden erklärten Fremdmächte aus dem Reich vertreiben. Jetzt, nachdem Kaiser und Reichsfürsten ihre Streitigkeiten untereinander beigelegt hatten, hätte der 1618 ausgebrochene Krieg eigentlich beendet sein können. Die Schweden schienen geschlagen und keiner mehr in der Lage, das Banner des Protestantismus hochzuhalten – da ließ das katholische Frankreich, das hinter allen protestantischen Koalitionen gegen seinen Erzfeind Habsburg gestanden hatte, seine Maske fallen. Am 19. Mai 1635 erklärte König Ludwig XIII. von Frankreich Kaiser Ferdinand II. förmlich den Krieg und eröffnete somit den bis zum Friedensschluß von 1648 andauernden Französisch-Schwedischen Krieg, die längste und auch bei weitem grausamste und wüsteste Phase des Dreißigjährigen Kriegs. Habsburg büßte also den Triumph von Nördlingen vierzehn Jahre lang, bis zum bitteren Ende des grausigen Ringens.
Mit Wallenstein hatte die Sache des Kaisers ihre letzte große Kraft im Dreißigjährigen Krieg verloren. Mit ihm war der letzte Staatsmann Habsburgs und des Reichs verschwunden. Nach ihm kamen nur noch Soldaten und Generäle, an die Stelle der Staatsführer traten die Geschützführer. Wallenstein hatte im Prinzip alles Grauen vorhergesehen, von dem das Reich nach 1634 heimgesucht wurde. Nicht zuletzt war er zutiefst davon durchdrungen, daß der Weg, auf dem Katholiken und Protestanten lernen mußten, miteinander zu leben, auf gar keinen Fall darin bestand, sich zunächst einmal viele Jahre gegenseitig umzubringen. Falls Wallenstein sich hätte durchsetzen können, wäre ohne Zweifel der Grundzug seiner großen Idee verwirklicht worden, daß die Einheit des Reichs über den einzelnen Fürsten zu stehen hatte, daß ohne innere Konsolidierung keine äußere Stabilität zu erreichen war. Bis 1625 war Wallenstein der konsequenteste Diener Habsburgs. Der Wallenstein des Zeitraums 1625 bis 1630 stellte die Verkörperung der kaiserlichen Reichspolitik dar. Und erst das Scheitern dieser Politik häufte das militärische, politische, persönliche Dynamit der nächsten Jahre an.
Wallenstein akzeptierte das Scheitern seiner Politik und derjenigen des Kaisers nicht. Er nahm es nicht hin, daß die Realität Habsburgs seine Pläne desavouierte. Den Irrtum, den Ferdinand II. 1630 mit seiner Entlassung beging, konnte Wallenstein nicht mehr korrigieren. Dieses ist die Anklage der faktischen Geschichte gegen ihn, doch es ist auch seine Rechtfertigung durch eine weniger den bloßen Fakten verhaftete Instanz, vor der die Niederlagen der Historie genauso zählen wie die erfolgreichen Versehen der Geschichte. Der Herzog von Friedland war ein rationaler Geist. In seinen Plänen drückte sich eine politische Weitsicht von großen Dimensionen aus. Diese überstiegen alles Normale, da ihm seine Vernunft sagte, daß das Normale nicht einmal für normale Zeiten genügt. Keiner außer ihm erkannte so messerscharf die Widersprüchlichkeit seiner Zeit. Und genau dieses intellektuelle Abwägen, das Abwarten, ja selbst das Ratlose sind untrügliche Indizien für die überlegene Klugheit eines Menschen. Wenn an dem Generalissimus überhaupt etwas rätselhaft und unerklärlich war, so ist es hier zu finden. Es bleibt demnach ein Rest. Er muß zwangsläufig bleiben, denn an Wallensteins Schicksal reflektiert sich exemplarisch der Gegensatz zwischen menschlicher Größe und irdischer Hinfälligkeit.