Edgar Jung, den die Nationalsozialisten 1934 ermordeten, wirft als Exponent des Rechtskonservativismus zwischen den Weltkriegen nicht nur die Frage nach der historischen Gestalt dieser Bewegung auf, sondern auch die nach ihrer intellektuellen Potenz. In ihrem Glauben „an die Möglichkeit einer Position jenseits von rechts und links und an den Aufbau einer spezifisch deutschen Ordnung für das 20. Jahrhundert“1 hat die Ideenfamilie der Konservativen Revolution das ideologische Zeitklima der 1920er Jahre maßgeblich bestimmt.
Edgar Jung zählte zu den Jungkonservativen, die uns heute als intellektuell kreativste Gruppe dieses Milieus erscheinen. Ihnen zur Seite gestellt hat Armin Mohler die Gruppen der Bündischen, Völkischen, Nationalrevolutionäre und die Landvolk-Bewegung.2 Im Ganzen dokumentieren sie eindrucksvoll das intellektuelle Gewicht der Rechten dieser Periode. War sie es doch, die die Zeitlage unerschrocken analysiert hat: vom Kriegserlebnis und Versailles bis hin zur Weltwirtschaftskrise.
Das epochale Tohuwabohu provozierte völlig neue Lösungsideen. Deren schöpferische Energie signalisiert das Begriffsparadox Konservative Revolution. Es reflektiert den Bruch des 19. Jahrhunderts und der konservativen „Achsenzeit“ (Mohler). Galt für „konservativ“ seit den Aufklärungskritikern und in Burkes Revolutionskritik Bewahrung des Überlieferten, sachte Reform und Stärkung konkreter Lebensordnungen (vor unifizierender Rationalität), so haben die strukturellen Umwälzungen seitdem diesen Impuls zerstört und einen neuen status quo geschaffen. Der beendete die Kontinuität geschichtlicher Überlieferung.
War die „kleine“ Tradition vertan, blieb nur (noch) die „große“: Das säkulare Datum war zu durchbrechen und jene Tiefe (wieder)zugewinnen, die modern verschüttet war. Edgar Jung schrieb 1932: „Konservative Revolution nennen wir die Wiederinachtsetzung all jener Gesetze und Werte, ohne welche der Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre Ordnung aufbauen kann.“3 Der „revolutionär“ Konservative opfert deshalb „zeitliche Werte, um ewige zu retten“ (SdR 26). Er wird so zum „Politiker aus Weltanschauung“, der „eine neue Gläubigkeit im transzendentalen Sinne für die […] Vorbedingung jeder schöpferischen Politik“ hält.4
Somit sind all diese Schriften „weltanschaulich“. Sie versuchen, deutende Welterschließung mit persönlicher Daseinsorientierung zu verbinden. Erst Säkularisierung und Metaphysikzerfall, dann Sinnverlust der Wissenschaften – Rationalisierung und Berufsgesellschaft also –, produzieren das Bedürfnis nach Weltanschauung.
Das weltanschauliche Schrifttum argumentiert zeitanalytisch scharfsinnig. Dabei orientiert es sich an den intellektuellen Standards aktueller Sozialkunde und Philosophie. Doch geht der Ehrgeiz darüber hinaus. Er verlangt nach geschichtsphilosophischer Durchdringung der Fakten, sodann: nach Wiedergewinnung der verlorenen Einheit des Geistes. Es galt, sich nicht mit einzelnem zu begnügen, vielmehr zu wahren Synthesen vorzustoßen. Deshalb entwickelt sich solch ein Denken notwendig komplex5 – was dem heutigen Interpreten oft harte Nüsse aufgibt. Manch selbsternannter „Ideologiekritiker“ scheitert hier – sind doch mehrwertige Logik und vielschichtige Argumentation nicht durch simple Stereotypen einholbar.6
Politisch sind die konservativen Revolutionäre der NS-Bewegung nah gekommen – freiwillig, unfreiwillig. Was hängenblieb, ist der Faschismusverdacht, so auch in Jungs Fall. Diese Gefahr nun –, nämlich aufgesogen und von der Nachwelt diffamiert zu werden, hat Jung selbst erkannt. „Wenn unsere Volkstumsgedanken mit der Rassenlehre, dem biologischen Naturalismus, verwechselt werden, dann kann Hitler alles, was wir jungen Konservativen in den letzten Jahren geistig geschaffen haben, verfälschen und in das Gegenteil seiner ursprünglichen Bedeutung verkehren.“7 Genau so kam es: Im Diktum von der „terroristischen Machtphilosophie“8 verschmolzen Irrationalismusverdacht und politischer Schuldvorwurf zum antifaschistischen Verdikt. Umso mehr, als zugleich die große idealistische Traditionslinie zerbröselte, in der so viele Rechtsintellektuelle wurzelten.9
Damit ist unsere Voraussetzung benannt. Die Hoffnung auf eine umfassende Neudeutung von Mensch und Welt oder eine politische Umwälzung erscheint derzeit unrealistisch. Interpretatorisch ist angesichts der Konservativen Revolution deshalb zu achten auf: 1) eine faire, biographisch-historische Vergegenwärtigung und dann auf 2) die Identifizierung jener Motive, die aktuell adaptierbar sind; 3) aber gilt es, jene Prinzipien aufzuweisen, die, wenn auch keinen gesellschaftlichen Umbau, so doch eine geistige Regeneration in Aussicht stellen.
Edgar Julius Jung gehört zu den herausragenden Intellektuellen Weimars. Als Jungkonservativer wirkte er neben Autoren wie Oswald Spengler, Hans Blüher, Arthur Moeller van den Bruck, Carl Schmitt, Wilhelm Stapel, Paul Krannhals, Martin Spahn, den Brüdern Jünger oder Ernst Niekisch. Sein Hauptwerk nimmt einen prominenten Platz neben so kanonischen Titeln ein wie Spenglers „Untergang des Abendlandes“ (1918/22), Moellers „Drittes Reich“ (1923), Schmitts Parlamentarismusschrift (1923), Krannhals’ „Organischem Weltbild“ (1928) oder Stapels „Christlichem Staatsmann“ (1932). Anders als Gelehrte und Literaten jedoch sah sich Jung auch als Aktivist. So treten politische und weltanschauliche Komponenten seines Wesens in Spannung, die eine freilich epochentypische war. Auch Jung hat das Fronterlebnis tief geprägt; den Sinn erzeugt für heroische Werte und die Bereitschaft, beherzt einzugreifen. Der Schock der Niederlage und Versailles haben seinen nationalen Impuls verstärkt und zur Idee geistiger Erneuerung (nach dem Modell Preußens 1806) geführt. Von da aus erwiesen sich Verfassung und politische Praxis der 1920er Jahre als tief fragwürdig.
Diagnostisch zieht Jung hier gleich mit Köpfen wie Carl Schmitt. Doch steht er dessen Etatismus fremd gegenüber. Jungs Mentalität zeigt vielmehr einen durchgängigen Holismus, der ihn zu den Kategorien von Stand, Volk, Reich führt. Wiewohl Protestant, weisen seine Konzepte den katholischen Denkstil auf: eine universale Betrachtungsart, die nicht einzelne Funktionen fixiert, sondern die integrale Auffassung der Dinge, eine komplexe Synthese aus Erfahrung, Wissen und Wert anstrebt. Aus horizontal-vertikaler Verschränkung entsteht so die kunstvolle Begriffsarchitektur seines Weltbilds. Das erwies sich ebenso als katholisch wie „deutsch“, neigt doch die deutsche Erfahrung (der territorial-politisch-konfessionellen Zerklüftung) traditionell seit je zu ganzheitlich überwölbenden Begriffen und Bildern der Einheit. Das Reichsmodell bot sich hierfür an.10 Tatsächlich wurde das Reich auch in Jungs Werk Leitmotiv und Sinnrahmen. Das Reich konnte als politischer, geographischer, rechtlich-sozialer, aber auch epistemologischer Ordnungsbegriff fungieren. All diese Valenzen hat es auch bei Jung. So wird das Reich zu einer symbolischen Form, einem ganzheitlichen Strukturmodell von Welt, Mensch und Bewußtsein. Es erschließt komplexe Sachverhalte, deutet sie von höherer Warte aus und öffnet das Leben auf seine Tiefe hin. Diesen Durchstoß nennt Jung ausdrücklich „Transzendenz-Erlebnis“, durch das „der Mensch über die Enge seines begrenzten Selbst, über das sinnlich Wahrnehmbare und zeitlich Gebundene hinausgreift und eine übersinnliche Welt […] annimmt.“ (HdM 29) So zielt der Reichsimpuls auf ein umfassendes Substanzdenken, das modernem Funktionalismus widerstreitet und überall qualitative Größen setzt. Da sich diese Auffassung vom „Primat des Geistes“ zudem geschichtsphilosophisch auflädt, heißt es bei Jung, die „konservative Gegenrevolution des deutschen Volkes sei demnach zu messen an ihrer staatsschöpferischen Fähigkeit, den Reichsgedanken revolutionär wiederzubeleben“11.
Edgar Julius Jung wurde am 6. 3. 1894 im pfälzischen Ludwigshafen als Sohn eines Lehrers geboren. Er begann mit dem Studium der Rechte 1913/14 in Lausanne und war dort Schüler Vilfredo Paretos. Nach den ersten beiden Semestern meldete er sich bei Kriegsausbruch freiwillig zur Front. Er machte im Westen die großen Schlachten mit, wurde Leutnant und kämpfte zum Schluß bei der Luftwaffe. Noch im Winter 1918/19 nahm er sein Studium wieder auf, zunächst in Würzburg, dann in Heidelberg, wo er auch philosophisch von Heinrich Rickert und germanistisch bei Friedrich Gundolf ausgebildet wurde. Schon 1920 promovierte er und absolvierte 1922 seine 2. Staatsprüfung; er begann seine Anwaltstätigkeit in Zweibrücken und führte sie nach 1923 in München fort.
Neben der wissenschaftlichen Qualifikation, seiner beruflichen Tätigkeit und seinem Eintritt ins parteipolitische Leben bei der nationalliberalen DVP, wurde er in den Bürgerkrieg der Nachkriegsjahre gezogen. Mit dem Freikorps Epp bekämpfte er die Münchner Räterepublik und stand dem Bund Oberland wie der Organisation Consul des Kapitän Erhardt nah. In der französisch besetzten Pfalz schuf er eine Geheimorganisation, den „Rheinisch-Pfälzischen Kampfbund“. Ihretwegen wurde er April 1923 von den Franzosen ausgewiesen. Sein Engagement gipfelte in einem Attentat (9. Jänner 1924) auf den dortigen Separatistenführer Heinz-Orbis.
Seit 1924 in München, vernetzte der initiativfreudige Jung sich nach vielen Seiten. So in der Klubbewegung. Die rechte Intelligenz schuf ein dichtes Netz von Zirkeln und Medien, die Möglichkeit zum Austausch boten. Politik, Publizistik und Wirtschaft begegneten sich hier. Engen Kontakt hielt Jung zur „Berliner Gruppe“ um Baron Gleichen und Moeller van den Bruck (Juni-Klub), Rudolf Pechel (Deutsche Rundschau), Martin Spahn (Politisches Kolleg), Max Hildebert Boehm (Deutscher Schutzbund), Karl von Loesch (Volksdeutscher Klub) und zur Dortmunder „Nationalpolitischen Vereinigung“. Er publizierte in den prominenten Blättern Deutsche Rundschau, Gewissen, Münchner Neueste Nachrichten und den Süddeutschen Monatsheften Nikolaus Cossmanns. 1925 initiierte er die „Deutsch-Österreichische Arbeitsgemeinschaft“ (DÖAG) und gründete 1926 den „Jungakademischen Klub“ (JAC) in München, den er aufrief, „mit den Waffen der Wissenschaft und mit der Rüstung einer neuen Ethik, die geistigen Vorbedingungen einer deutschen Widergeburt zu schaffen“.12
Von 1925 datiert Jungs Bekanntschaft mit dem Wiener Philosophen Othmar Spann und dessen universalistischer Lehre, die sein Denken nachhaltig beeinflußte. Klar zeigt das sein Hauptwerk, das in einer ersten Fassung 1927, dann (völlig neu) 1929 herauskam. Jung publizierte in diesen Jahren viel und sprach bei zahllosen Gelegenheiten. Er war Teilnehmer an den legendären Sondertagungen in Maria Laach, wo Abt Ildefons Herwegen vor dem Hintergrund der Liturgischen Bewegung im Zeichen der abendländischen Idee13 und einer gesellschaftlichen Neubesinnung Wissenschaftler, Politiker und Theologen zusammenführte.
1930 gewann er Kontakt zu den rheinischen Industriellen und wurde mäzenatisch unterstützt von der Ruhrlade. 1929 und 1932 reiste er nach Italien, um den Faschismus zu studieren. Mehrfach besuchte er Mussolini und diskutierte mit diesem ausführlich. Bei kritischem Vorbehalt sah er dessen Projekt wohlwollend, lehnte es als Modell für Deutschland jedoch ab.
Von den Liberalen enttäuscht, wandte sich Jung 1930 der „Volkskonservativen Vereinigung“ zu, einer Abspaltung der DNVP. Die Kanzlerschaft Brünings (April 1930–Mai 1932), nach dem Sturz der letzten großen Koalition Hermann Müller, begriffen er und seine Freunde als Wende; vollends den Weg in die kommissarische Diktatur unter Papen (Juni–November 1932) und Schleicher. Papens „Preußenschlag“ vom 20. Juli kommentierte er positiv als Beginn einer föderalistischen Umgestaltung.14 Seit Oktober 1932 mit Papen persönlich bekannt, erwogen er und dessen Berater Staatsstreichpläne, die der greise Reichspräsident Hindenburg jedoch ablehnte. Nach dem Scheitern General Schleichers im Januar 1933 und dem neuen Kabinett unter Hitler und Papen, schrieb Jung dem Vizekanzler sämtliche Reden für die Märzwahlen und bestärkte dessen Flügelbildung. In einer „zweiten Phase“, so Karlheinz Weißmann15, sollte die nationale Revolution in eine konservative umgebildet werden. Doch überwog in den nächsten Monaten das Gefühl des Scheiterns. Erst zum Ende des Jahres schöpfte Jung wieder Mut. Er und Herbert von Bose suchten nun aus der Vizekanzlei eine Zelle des Widerstands zu machen. Man beabsichtigte, Hitler zu stürzen und den Ständestaat zu etablieren. Derweil eskalierten die Spannungen zwischen Hitler, SA und Reichswehr. Als Jung, der seinen Chef mit Leopold Ziegler Ostern 1934 zusammengebracht hatte, diesen an Pfingsten aufsuchte, war er zum Attentat bereit. Politischer Ehrgeiz allein verhinderte indes die geplante Tat: Jung sah sich selbst an der Spitze einer künftigen Reichsregierung; es widerstrebte ihm, sich als Tyrannenmörder einzuführen.
So änderte man den Plan. Jung schrieb Papen nun eine diplomatische, im Kern freilich systemkritische Rede für dessen Besuch bei der Marburger Studentenschaft am 17. Juni. Sie sollte das Signal zum Widerstand geben, die Reichswehr dann das Regime beseitigen. Das mißlang. Hitler unterdrückte die Marburger Rede sofort; der sterbende Reichspräsident aber war nicht mehr handlungsfähig. So wurden Jung (am 25. Juni), Bose und andere im Zuge des sog. „Röhmputsches“ verhaftet, Jung 5 Tage später in Oranienburg erschossen.
Jungs Hauptwerk ist „Die Herrschaft der Minderwertigen. Ihr Zerfall und ihre Ablösung“, das er 1927 publizierte, 1929 dann in 2. Auflage; diesmal lautete der Untertitel: „Ihr Zerfall und ihre Ablösung durch ein Neues Reich“. 1931 kam „Föderalismus als Weltanschauung“ heraus und 1933 die „Sinndeutung der deutschen Revolution“. Im selben Jahr brachte der Stalling Verlag auch Jungs, für Papen geschriebene Reden: „Appell an das deutsche Gewissen. Reden zur nationalen Revolution“.16 Daneben existiert eine Fülle von Aufsätzen, von denen eine Vielzahl jetzt wieder greifbar ist. Der Leipziger Superbia Verlag hat 2007 eine Schriftenreihe zur Konservativen Revolution mit der sehr brauchbaren Sammlung: „Sinndeutung der deutschen Revolution und andere Schriften“ eröffnet. Der Band umfaßt neben dem genannten Text die legendäre Marburger Rede und 14 weitere Aufsätze Jungs samt kluger Einleitung und Bibliographie. 2009 nun legte der Verlag einen Neudruck der Föderalismusschrift vor.
Die genannten Schriften zeichnen Jungs Weg zwischen 1925–1934 nach. Ins Auge springt zunächst die Umarbeitung seines Hauptwerks von der 1. zur 2. Auflage. Die Erstpublikation steht ganz im Zeichen des Neuen Nationalismus, während in den Ausgaben von 1929 und 1930 der Reichsbegriff dominiert. Der Umfang war jetzt verdoppelt und weite Teile wie Wirtschaft oder Bevölkerungspolitik umgestaltet. In erster Linie jedoch hat Jung den 1. Teil („Die geistigen Grundlagen der Politik“) konzeptionell vertieft in Kapiteln wie: „Die metaphysische Wurzel der Weltanschauung“, „Religion und Gemeinschaft“, „Die Umkehr“ oder „Von der Wiedergeburt der deutschen Seele“. Die Föderalismusschrift exponiert Jungs Reichsbegriff und erörtert im zweiten Teil Fragen der Reichsverfassung. Von besonderem Interesse sind die Spätschriften der Jahre 1933/34. Von den Papenreden über die „Sinndeutung“ bis hin zur Marburger Rede läßt sich der Gesinnungswandel verfolgen: erst wohlwollend, dann reserviert, zuletzt massiver Widerstand.
Es gilt in Jungs Denken zu unterscheiden zwischen a) historischem Schutt, b) analytischen Aspekten und c) universellen Grundintuitionen, die nach der Wurzel der Dinge streben. Tatsächlich existiert eine echte Prinzipienlehre Jungs. Sie übergreift die konkreten Inhalte, orientiert Zeit auf Ewigkeit, den Begriff auf die Idee sowie Erfahrung auf ihre innere Form.
Wem das als „Abschweifung“ gilt, dem hält Jung vor: „Unter Politik versteht man in Deutschland trügerische Sachlichkeit, jenes gewissenhafte Steckenbleiben in „Maßnahmen“, welches kennzeichnend war für die Vorkriegswahlreden. Man sieht nicht, daß dies gar keine Politik im höheren Sinne ist, keine Gestaltung des menschlichen Lebens, sondern ein Streit um praktische Maßnahmen einer verwaltenden Regierungstätigkeit. Zeiten, in denen die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung unbestritten sind, können sich diese Art Sachlichkeit erlauben. Zeiten aber, in denen die Welt in ihren Grundfesten bebt, verlangen eine platonische Auffassung vom Wesen der Gemeinschaft, verlangen die totale Schau und die totale Revision.“ (SdR 214)
Aus dem Gegenwartschaos baut er sein „Weltanschauungsgebäude“ auf. Diesem eignen eine universale Anschauung und der Wille zum System. Jahnke resümiert „Die Herrschaft“ so: „Sein Anspruch an das Buch war riesig. Es sollte seine komplette Gedankenwelt wiedergeben, als Nachschlagewerk für alle Interessierten gelten, und nicht zuletzt konkrete Handlungsanweisungen enthalten.“ (Jahnke 136)
Jungs epische Darstellung verdeutlicht den Pluralismus rechtskonservativen Denkens. Während etwa Nationalrevolutionäre als Nihilisten in Nietzsches Nachfolge das Leben irrational verherrlichen und den Willen zur Macht predigen, wird hier die glaubenslose Zeit gegeißelt und das Sein kosmologisch rekonstruiert. Den „Nominalisten“ tritt so ein spiritueller Substanzdenker gegenüber. Literarisch stellt sich Jungs Werk als gleichsam (scholastische) „Summe“ dar, die aus Wissen eine ganze Welt aufbaut. Das macht die Darstellung zähflüssig und sperrig – im Kontrast zur leichten, pointierten Schreibweise und fragmentarischen Methode von Nietzsche, Schmitt, Adorno oder Dávila. Wie dem auch sei: Gibt es ein metaphysisches Potential der Konservativen Revolution, so ergreift es Jung und wagt den systematischen Zuschnitt. Dabei lehnt er sich direkt an einige Denker an. Unsere Deutung hat ihren Anteil ins Auge zu fassen. Hier sind - neben dem klassischen Vorbild Platon – vor allem drei zu nennen: Othmar Spann, Nikolai Berdjajew und Leopold Ziegler. Spann wirkte modellhaft für Ontologie und Systembau. Überhaupt hat sich Jung dessen universalistischer Lehre angeschlossen und als Hauptfeind das liberale und individualistische Prinzip bestimmt. Berdjajew wurde wichtig als Geschichtsphilosoph und eschatologischer Visionär in Erwartung eines „neuen Mittelalters“.17 Der Wille zum Unbedingten sollte die Dekadenz beenden und Gott ins Leben zurückholen, ja als transzendentales Prinzip in Denken und Gesellschaftsbau verankern: Mensch und Ding sollen auch strukturell „re-zentriert“ werden. Seine Geschichtsphilosophie verkündet aus mystischer Intuition die innere Einheit der Geschichte und ihren ewigen Gehalt als Urtradition. Erst eine solche Geschichtsbetrachtung entfaltet das menschliche Wesen wirklich.
Zieglers späte religionsphilosophische Werke konnte Jung nicht kennen. Große Bedeutung indes hatte für ihn dessen Schrift „Der europäische Geist“18. Ihr Befund einer „Entgöttlichung der Welt“ und die Rede vom „neuen Mittelalter“ koinzidieren mit Berdjajew. Daneben hat seine Verfallsthese der „Verwissenschaftlichung“ als Reduktion des Geistes stark auf Jung gewirkt. Die Polarität von (teleologischer) Wertvernunft und (instrumenteller) kausaler Rationalität durchzieht seine „Herrschaft der Minderwertigen“.19
Wahre Philosophie unterscheidet also bedingten Verstand und universale Vernunft. Echte Erkenntnis bedeutet Komplexitätssteigerung; ihr Organ ist ein System gestufter Begriffe, welche konstruktiv erst den Aufbau einer ganzheitlichen Weltsicht erlauben.
„Entstammt die Vernunft – das ‚Vernehmen der metaphysischen Stimme‘ – dem Reiche des Übersinnlichen, so ist der Verstand von dieser Welt. Gegenstand seiner Erkenntnis ist nur, was die sinnliche Wahrnehmung ihm bietet. […] Während also der Verstand gewissermaßen nur Bausteine liefert, schafft die Vernunft die Ganzheit des ordnungsbeherrschten Baues. Der Verstand gehört zur Welt des Stofflichen, ist diesseitig gerichtet. Vernunft ist Denken, Verstand nur Erkennen. Denken aber ist mehr als Erkennen. Der Erkennende erforscht den Stoff, der Denkende wertet, ordnet und formt. Philosophie ist […] wertende Stellungnahme zur Welt.“ (HdM 30)
Verstandeskritik und positiver Entwurf erschöpfen sich nicht intellektuell: Sie führen zur Erfahrung des Heiligen zurück. (84) Das Absolute meint ja den Kern der Dinge. Wird es veräußerlicht: empirisch, vereinzelt, mechanisch, erfaßt uns die „schlechte Unendlichkeit“. So im modernen Fortschrittsdogma. Also hängen für Jung die Prinzipien moderner Erkenntnis und Wissenschaft, des Gesellschaftssystems und der politischen Verfassung mit der Theologie zusammen: logisch, wesentlich und historisch.
Die moderne Misere wurzelt für ihn im Individualismus, Liberalismus und im Gleichheitsdogma; ihnen stellt er die ganzheitliche Denkart entgegen. Erst das Prinzip der Einzelheit (das komplexe Einheiten analytisch zerlegt) und das Prinzip universeller Gleichheit erzeugen logisch und normativ jene Matrix, aus deren Elementen sich die Moderne rekombiniert: Partialisierung, Massengesellschaft, Anarchie, Diktatur. Sie zerstört lebendige Einheiten, „konkrete Totalitäten“, verarmt die Menschen und entfernt sie von Gott.
Diese Aspekte steuern Jungs Kritik in allen Themenfeldern und Disziplinen. Denn: genereller Autonomisierung, die nach funktionellen Kriterien trennt, produziert, kombiniert – also: dezentriert! –, stellt er eine zentrierende Theonomie entgegen, die die Wirklichkeit aus höherem Einheitsgrund ableitet. Auch deshalb kann von „Freiheitsverachtung“ keine Rede sein. Doch stoßen konträre Freiheitsprinzipien hier zusammen. Führt das moderne zur Dissoziation, so fordert umgekehrt Jung Integration. Wie die Romantik sieht er den Menschen als Glied einer Kette: horizontal, vertikal, räumlich und zeitlich. So entpuppt sich seine Alternative zum Gleichheitsprinzip als die Idee der Einheit. Für Jung und Spann findet wahre Gleichheit, die die Verschiedenheit der Besonderen nicht bloß abstrakt anerkennt, vielmehr substanziell „aufhebt“, nicht auf empirischem Niveau statt. Wirkliche Gleichheit kann es erst geben als Einheit der höheren Ebene. Die Verschiedenen werden in einer integralen Ordnungsform vereint zur schöpferischen Synthese. Für Jung ist hier der „metaphysische Impuls“ lebendig. „Das Icherlebnis ist Einheit des Bewußtseins. Der menschliche Geist strebt deshalb umgekehrt nach dem Bewußtsein der Einheit. […] Wie diese Idee des Ganzen nur aus dem Übersinnlichen fließt, so empfängt auch der Menschengeist seine letzten Antriebe aus Bezirken, die jenseits des Verstandes liegen.“ (28) Wahre Gleichheit bestehe nur im Angesicht Gottes.
Jungs Streben mündet also im Schichtmodell der Hierarchie, einem organischen Ordnungsmuster komplexer Relationen, die alles auf den letzten Einheitsgrund zurückführen. Dies ist auch Kritikern des Reichsgedankens aufgefallen20. Im Sinne Jungs resümiert etwa Pater Przywaras „Analogia Entis“: „Das Universum ist […] nicht eigentlich immanent und positiv, sondern transzendierend relational „All-Einheit“, nämlich kraft des Bezugs des Alls der Vielheit auf die Einheit Gottes.“ Polemisiert man gegen dies vermeintlich „autoritäre“ Ein-Konzept für ein „innerweltliches Zwei-Prinzip“, „das in nuce die Pluralität in sich enthält und Voraussetzung jeglichen menschlichen Handelns“21 sei (so Hannah Arendt), zementiert man die duale Logik. Dagegen ist Jungs mehrdimensionale Begriffswelt elastisch angelegt.
Das Resultat von alldem ist eine neue Kultur der Pietät, die eingangs schon im Goethe-Motto anklingt: „Nicht das macht frei, daß wir nichts über uns anerkennen wollen, sondern eben, daß wir etwas verehren, das über uns ist.“ (HdM 15)
Dieses Programm nun bezieht Jung auf eine Fülle von Themen. Sein Medium ist die die organische Denkform. Sie verbindet Einzelnes und Ganzes und gibt ein Zusammenspiel der Kräfte.
„Wesentlich im Organischen ist die lebendige Einheit des Ganzen, widerspiegelt von Teilen, die wiederum Eigenleben besitzen; […]. Das Leben des Ganzen, gesichert durch den Dienst der Teile, behütet von der Kraft und Macht des Ganzen. Staatsmacht erst ist die bewahrende Krönung volksmäßiger Ganzheit.“22
Thematisch sucht Jung sämtliche Bereiche des modernen Lebens zu durchdringen. So durchläuft sein Werk Volk, Gesellschaft, Staat, Recht; Kultur; Wirtschaft; Bevölkerungspolitik; Außenpolitik; schließlich „Gedanke und Tat“. Behandelt werden sämtliche Wertsphären und Teilsysteme der Wirklichkeit. Jung versteht sie substanzhaft als „Lebenskreise“, die sich teils ergänzen, teils aufeinander aufbauen.
Das Kriegsende 1918/19 verursachte Systembrüche in zahlreichen Ländern, ja wurde zum Urdatum neuer Katastrophen. Jung hat von einer dreifachen Krise Europas gesprochen: der absoluten Diesseitigkeit und Beziehungslosigkeit des einzelnen zu den ewigen Werten, der Atomisierung und Kollektivierung der Gesellschaft und dem Zerfall des Privateigentums. 1932 schrieb er: jetzt seien Kapitalismus, bürgerliche Demokratie und säkulare Gesellschaft am Ende. Das zwang Intellektuelle von seinem Kaliber in einen Mehrfrontenkampf: gegen Ost und West, individuell und kollektiv, Reaktionäre und Nationalsozialisten, Liberale und Kommunisten. So überdeterminieren die sich überlagernden Horizonte und überstürzenden Perspektiven oft die Begriffe. Zu zahlreich die Fragen, zu ambitioniert die Dialektik von Kritik und Konstruktion.
Zunächst war der Spenglersche Pessimismus zu überwinden; der hatte empfohlen, sich in der Dekadenz stoisch einzurichten. Jung übernahm das Muster von Kultur und Zivilisation. Indes hielt er Regeneration für möglich und wies den schicksalhaften Determinismus ab. Doch führte er Spenglers kulturkritische Motive weiter: die dominierende Macht des Geldes, Urbanisierung, Medienmacht und politische Demagogie, Kulturzerfall. Themen also, die wir bis heute diskutieren, man denke nur an Neil Postman, Noelle-Neumann oder die diskurspolitischen Debatten seit dem Historikerstreit der 1980er Jahre.
Was die politische Systemfrage angeht, war die Monarchie kein wirkliches Thema mehr für die Jungkonservativen. In Verfassungsfrage und staatlicher Ordnung durchaus flexibel, dachten sie pluralistisch. Völker und Zeiten, deren „Individualität“, bestimmen die staatliche Form. Ihr entspricht keine generelle Norm, sie ist stets konkret. Heute führt ein Denker wie Alain de Benoist diese Gedanken fort: „Welches ist das beste politische Regiment? Eine solche Frage ist sinnlos. Unabhängig von den Epochen, den Verhältnissen und den Orten gibt es ebensowenig ein besseres politisches Regime an sich wie eine ‚absolute‘ Lösung für die menschlichen Angelegenheiten […].“23
Es sind die Größen von Volk und Volkstum, die Jungs Konzept wesentlich fundieren. Damit schließt er sich Max Hildebert Boehm an („Das eigenständige Volk“, 1932), der, von Herder und Riehl ausgehend, die Völker abgrenzt gegen Rasse, Gesellschaft, Staat.24 Das volkliche Problem hielt er für drängend, lebten doch seit 1918 Deutsche in 16 verschiedenen Staaten! So sind ihm Völker wahre Entitäten; die handelnden Subjekte der Geschichte: „Ein Volk ist die Individuation göttlichen Geistes und damit ein organisches Ganzes, das entsteht und vergeht.“ (HdM 20) Das Volk hat ein natürliches Substrat, sein Volkstum jedoch gilt als „metaphysische Wesenheit“. Volk ist die Alternativgröße zum staatszentralistischen und jakobinischen, französischen Nationalismus; der kenne nur Individuen statt Körperschaften. Die Gliederung sozialer Einheiten baut sich auf: von der Familie, den Nachbarschaften (hier weist er voraus auf den Kommunitarismus), Gemeinden, Kreisen, einer Vielzahl von Ständen (Berufe, Gebiete, Konfessionen, Verbände, Institutionen) bis hin zum Volk und dann zum Reich. Stand – Bund – Volk – Reich sind also vor- und transpolitische Kategorien.
Alle sind zunächst selbstverwaltet, dem Staat eignet keine Dominanz. Erst durch politische Selbstorganisation gewinnt er Gestalt und wird „Höchststand“. Jung denkt also prinzipiell gemeinschaftsorientiert und föderalistisch. Das Ferment ist geistiger Natur, nur „übersinnliche Verwurzelung“ ermöglicht das „einheitliche Lebensgefühl“ (HdM 105). Soziale Dissoziation dagegen verschuldet Rechtskrisen: „Das Volk hat keine geistige Einheit mehr, ist ein wirrer Haufen gegeneinander tobender Einzelner, denen jede Gemeinsamkeit abgeht.“ (106) Hier wurzelt die Ablehnung der Menschenrechte.25
Jungs soziale Gliederung schließt mit der Vision Mitteleuropas als Großraum, erleuchtet von der Aura der Reichsidee. Die wurzelt in mythischem Boden. Die mitteleuropäische Vielvölkerordnung soll „deutschen Staat“ und „heiliges Reich“ vereinen, somit das staatliche Erbe Preußens und das reichische Habsburgs in der Gegenwart antreten.
Hält man anders seine Ablehnung von Coudenhoves Paneuropa-Union daneben, wird man ebenso große Skepsis angesichts des heutigen EU-Prozesses unterstellen dürfen.
Für Jung besteht ein Primat der Außenpolitik. Sie setzt den Staat voraus. Der bleibt freilich schwach konturiert. Das beweist die von Jung exponierte Staats-Definition Walter Heinrichs: „Nach organischer Auffassung ist die Gesellschaft eine objektive geistige Wesenheit, die sich zunächst in mehreren Teilbereichen […] ausgliedert. Solche Lebenskreise oder Stände sind z. B. Kunst, Wissenschaft, Religion, Kirche, Familie, Wirtschaft, Staat u. a. m. […] Der Staat erscheint dann als jener Stand, der jeder […] Gesellschaft ihre organisatorische Gestalt, ihre feste geschichtliche Form verleiht.“ (HdM 292)
Die körperschaftliche Idealisierung der Ständedenker der 1920er Jahre, gleichermaßen gegen Individualisierung gerichtet wie gegen staatliche Dominanz, schwebt eigentümlich zwischen Liberalem und Illiberalem. Diese Ambivalenz greift nicht nur zwischen politischer und ökonomischer Sphäre26, sondern in den Teilsystemen selbst. Deutlich wird jedenfalls die liberale Trennung zwischen Staat und Gesellschaft, Staat und Wirtschaft, Staat und Kirche. Jung betont so die Eigengesetzlichkeit der Lebenskreise. Andererseits pflichtet er der Kritik an Parlamentarismus, Parteien, Lobbyismus, Klassenkampf bei – den zentrifugalen Tendenzen der modernen Gesellschaft. Die verschärfen sich heute im Zeichen von Multikulti, Masseneinwanderung und Globalisierung. Klassisch formuliert seine Föderalismusschrift: „Je stärker individualistisches Denken sich durchsetzt, um so nackter wird die Interessenherrschaft, und der Staat wird zum Spielball […]. Das Lebensganze, das der Staat schützen soll, tritt […] in den Hintergrund, das Partikularinteresse drängt sich vor. […] Private […] üben im Namen des Staates eine Diktatur des gruppenmäßigen Nutzens aus.“27
Sind diese Interessen international ausgelegt, sprengen sie den nationalen Rahmen erst recht. Jung gewinnt anhand moderner Betriebstheorien einen realistischen Begriff globaler Vernetzung und territorialer Entwertung. Indem Organisationen, Einrichtungen, Unternehmen ihre Bodenhaftung aufgeben und sich in supranationale Betriebsnetze wandeln, emanzipieren sie sich von natürlichen Substraten, historischen Räumen, kulturellen Voraussetzungen. Träger dieses Prozesses sind internationale Eliten und solipsistische Kosmopoliten („Davos-Gruppe“)28. Sie generieren aus Beschleunigung und Mobilität nicht nur den neuen Machttyp „des Verschwindens“29, sondern auch neue Loyalitätsbezüge und Identitätskonstrukte. Diese brechen mit der Tradition radikal, erodieren den „Heimattrieb“ und beschleunigen die „Nomadisierung der Völker“ (HdM 311).30
Hat auch Jung Carl Schmitts totalen Staat abgelehnt, teilt er doch dessen kritische Deutung, der moderne Staat werde von der Gesellschaft aufgesogen, er sei aufgabenüberlastet und anspruchsüberflutet; ein „quantitativ totaler“ (also schwacher) Staat, kein „qualitativer“ Staat (also total aus Stärke).
Die Kritik am modernen Parteienstaat (Ämterfilz, Patronage, Parteiapparate als Versorgungssysteme)31 orientiert sich an Robert Michels (Oligarchisierung als Problem der Elitenrekrutierung), der thematische Komplex Bürokratisierung an Max Weber. Staatliche Verwaltung, die Beamtenapparate schwellen an zu Mammutbehörden. Ihre spezifisch formale Rationalität entkernt soziales Leben und politische Entscheidung, korrumpiert also staatliche Handlungsfähigkeit.
Jungs antiindividualistische Orientierung führt konsequent zum sozialethischen Primat der Familie. Die Verbindung von Mann und Frau, deren Wesen und Rollen er archetypisch polarisiert, führt idealerweise zur Familiengründung. Wie Hegel identifiziert er die Familie als die soziale Grundeinheit. Sie erfüllt den gesellschaftlichen Erziehungsauftrag und bildet künftige Generationen heran. Hier grenzt er sich polemisch vom Nationalsozialismus ab: Die staatliche Einheitsschule wird strikt ablehnt, staatliche Erziehung gar als „Wahngebilde“ verworfen. Stets plädiert er für die alleinige Verantwortung der Eltern. In der aktuellen Debatte um Ganztagesschulen und Kitas hätte er die familiäre Obhut absolut privilegiert.
Jungs familiäres Ethos wirkt sich nachhaltig aus im Bereich Steuer- und Wahlrecht, sieht er die Familie doch als „Rechtspersönlichkeit“ und fordert ausdrücklichen Familienschutz. So schlägt er ein qualifiziertes Wahlrecht für Eltern vor, erst recht deren steuerliche Bevorzugung. Den fatalen Flexibilisierungstrend nimmt er vorweg: „Öffentlich werden Berufsstellen ausgeboten, für deren Bewerbung Familienväter von vornherein ausgeschlossen sind. Die Zeitungen preisen Wohnungen an, für die nur kinderlose Ehepaare erwünscht sind. Eine Gesellschaft und ein Staat, die sich solches gefallen lassen, sind krank.“ (HdM 131) Diesen Zug vollendet die postmoderne „Zivilgesellschaft“.32
Im Zentrum der Kritik am formaldemokratischen Repräsentativsystem stehen die Fragen nach der Homogenität der Regierten, der Identität von Regierung und Wählern und der Ermittlung des Gemeinwillens. Seine Wertschätzung des Rätesystems (SdR 67) ging ein in die drei Regeln organischer Staatsgestaltung: 1) Genossenschaftliche und herrschaftliche Formen (Wahl und Ernennung) müssen miteinander verschmolzen werden, um das Leben der Teile und des Ganzen gleichermaßen zu sichern. 2) Sämtliche Wahlvorgänge (mit Ausnahme der Urwahl) sind indirekt. 3) Die Urwahl selbst muß sich in so kleinen Einheiten vollziehen, daß eine gesellschaftlich-lebendige Verknüpfung zwischen Führern und Geführten möglich ist.
Prominenter Exponent der Parlamentarismuskritik jener Jahre war Carl Schmitt, den Jung kannte und den er voraussetzt. Schmitt analysierte den Verfall der beiden Grundprinzipien des klassischen Parlaments: Transparenz durch Öffentlichkeit und Wahrheit durch Diskussion. Mit ihrem Verlust wird auch die Legitimität übergeordneter Einrichtungen brüchig, die des Völkerbunds, heute der EU und UNO.
Die modernen Kriege werden desto effektiver, aber auch unerbittlicher, als sie unter moralischem Vorwand exekutiert werden. Eine „vorsorgende Kriegspropaganda“ fädelt sie ein. „Was heute auf den öffentlichen Rednertribünen in Genf gespielt wird, ist nichts anderes als eine Fütterung der öffentlichen Meinung mit moralischen Grundsätzen, an die einige glauben. Das ist der Schirm, hinter dem Geschäfte politischer Nützlichkeit oft zweckmäßig abgewickelt werden: in Wirklichkeit auf machtpolitischer Grundlage, in denkbar nüchterner Weise.“ (HdM 625) So war es, so ist es.
Die widersprüchlichste Position nimmt Jung in der ökonomischen Frage ein. Diese Ambivalenz und seine Nähe zu politischen Kräften, die die Aushöhlung des Sozialstaats forcierten, hat ihm den Vorwurf des Klassenstandpunkts eingebracht.33
Grundsätzlich: Jung steht als Nichtmarxist positiv zu Marktwirtschaft und (sozial verantwortetem) Privateigentum. Seine Zeit geht aus von Nationalökonomien, die auf dem Weltmarkt konkurrieren. Was deren Sektoren betrifft, privilegiert er die ersten beiden: landwirtschaftliche und Industrieproduktion, Ernährung und wertschöpfende Gütererzeugung. Demgegenüber werden Handel und vor allem der Finanzsektor abgewertet. Gegen dessen Verselbständigung polemisiert er unentwegt. Seiner Lehre entsprechend, soll die Wirtschaft der Volksversorgung dienen, im Gemeinwesen komme ihr eine „dienende Funktion“ zu. Diese traditionale Auffassung verkennt die Eigendynamik moderner Ökonomie, ja ihre systemische Totalisierung zum gesellschaftlichen Zentralfaktum und den modernen Weltmarkt als universelles Interaktionsmedium. Vollends bizarr wirkt sein normatives Bedarfsdeckungsmodell, das er – kritisch freilich zu recht – gegen moderne Anreizsteigerung abhebt.34 Er steht hier im Zeitkontext, in dem viele den Rücklauf von Güterproduktion und Technologie erwarteten, so Werner Sombart. Diese Kreise favorisierten auch einen Autarkietrend, so damals die Tat.35
Zunächst aber wirkt seine Position extrem neoliberal, zumal vor dem Hintergrund der Krise von 1930 und dem chronischen Streit um die soziale Gesetzgebung im Reich. Grundsätzlich lehnt Jung die Verstaatlichung von Betrieben und planwirtschaftliche Konzepte ab. In die Lohnpolitik solle der Staat nicht eingreifen, die Tarifautonomie ist für ihn unantastbar. Prinzipiell lehnt er den sozialstaatlichen Prozeß nach 1918 ab (HdM 447–53). Im Hinblick auf die Steuergesetzgebung fallen auch Worte wie „Neidsteuer“ und „Steuerbolschewismus“.36
Dem steht freilich entgegen, daß er „nationale Arbeit“ dem „internationalen Kapital“ entgegensetzt, seiner „organischen“ Wirtschaftsform (als unbedingt „gemeinnützig“) die „Volksversorgung“ zuweist. Wirtschaftspolitik müsse sich stets vereinen mit Bevölkerungs- und Sozialpolitik. Eine Autonomie des Ökonomischen komme gar nicht in Frage. Auch die Wirtschaft müsse dem Gesamtplan höherer Lebensordnung dienen. Die hieran orientierten staatlichen Imperative lauten: Binnenmarktorientierung, nationale Rohstoffversorgung und autarke Landwirtschaft. Schließlich wird eine umfassende, strikt gemeinwohlorientierte „Bedürfnisregelung“ politisch gefordert (HdM 486). Sie unterscheidet klar zwischen „notwendigen“ und „überflüssigen“ Gütern und Industrien und plädiert am Ende gar für eine generelle „Bedürfnislosigkeit“.
Anregend lesen sich in Jungs Kulturspiegel seine prinzipiellen Reflexionen und aktuellen Wertungen. Harmonisch definiert er zunächst, große Kultur erwachse „aus metaphysischer Wurzel, aus dem Nährboden einer Religion“. Sie spiegle diese Einheit „in der Welt der Mannigfaltigkeit“ ab. So wird Kultur zur Mitte „aus Religion und Natur, beiden angehörend und sie […] zusammenhaltend“. (HdM 370) Die hohe Kunst überbrücke den „Abgrund zwischen Unendlichem und Endlichem, Ewigem und Vergänglichem durch ihre Gesichte, Bilder und Ahnungen“. So zeuge sie für den ganzen Menschen (HdM 110).
Historisch wird ihre Entwicklung zwar als Verfall beschrieben, so in Naturalismus und Neuer Sachlichkeit. Doch gewähre die Zeit auch Lichtblicke. Die (antimimetischen) Expressionisten schneiden mit ihrem Primat des Geistes gut ab, bevor die Darstellung zu einer umfassenden Apotheose Stefan Georges ansetzt. George wird gefeiert als Kultautor der Gegenwart: ein ursprünglicher Sprachschöpfer und poetischer Magier, der Größe, Kraft, Adel und neues Leben aufruft und ungeheure Bilder von Schönheit, Heiligkeit und wahrer Würde aufstellt. Der Dichter als Seher, Prophet, Gesetzgeber entdeckt den neuen Stern und baut in seinem Licht den Kreis als Zelle kommender Gemeinschaft auf. So wird er Gründer aus geistiger Mitte, der die deutsche Wende heraufführt. Aus innerer Flamme, dem Arkanum des Geheimen Deutschland, sprühen Funken, die dem „Neuen Reich“ vorausleuchten.
Am 22. August 33 läßt Jung Papen in einer von ihm verfaßten Rede sagen: „Immerhin sehen wir, wie vielgestaltig die Strömungen sind, die […] in einem Kreuzungspunkt der Geschichte zusammenlaufen“; wie schwierig es sei, „die flutende Bewegung in das richtige Bett zu leiten.“ 37
Das versuchten sie beide: den Nationalsozialismus zu steuern. Wenn Papen freilich meinte, sich Hitlers zu bedienen und Jung ebenso Papen instrumentalisieren wollte, zeigt das ihre Illusionen an. Immerhin bleibt Jungs Weg aus kritischer Reserve zum Widerstand. Im Verein mit seinen Attentatsplänen38 entsteht so eine Linie mit den Verschwörern des Juli 1944.
Seine Gedanken sprechen die Reden Papens 1933 aus, seine „Sinndeutung“, die Denkschrift für Papen im Frühjahr 193439 und dann die Marburger Rede vom 17. Juni. Überwog anfangs die Hoffnung einer konservativen Führung des Regimes, standen Kritik und Abwehr am Schluß.
Der „Kraft dieses Aufbruchs“ hatte er zunächst begrüßt. Deutschland habe 1933 die wahre Demokratie, „nämlich die Vereinigung aller Vollmachten auf einen Volksführer […] eingeführt. Die großartige Identität zwischen Staatsführung und Staatsbürgern ist allerdings nicht nach dem Wunschbilde demokratischer Doktrinäre in Form einer Gesetzesherrschaft hergestellt“. Das „Verschwinden jeder Distanz“ sei die wahre Demokratie (SdR 44).
Umso bemerkenswerter seine Wendung gegen den totalen Staat. Bei der Gewaltfrage wendet er sich schroff gegen den Terror und die „Propagandawelle“ des Regimes. Gegen Manipulation und „Masseninstinkte“ werden offene Aussprache, ja „Aufklärung, Warnung und Mahnung“ eingefordert.40
Jungs christliches Bekenntnis durchzieht die Verlautbarungen. Es gehe um die Entscheidung: gläubig-ungläubig. Vor dem christlichen Hintergrund Europas könne das positiv nur bedeuten: Wiederverchristlichung. Von da aus gewinnt er die Ideen der Humanität, der Person, des Gewissens und freien Entscheids – ja des Pluralismus zurück. Das gipfelt in seinem großartigen Angriff gegen die NS-These: „Der einzelne ist nichts, die Gemeinschaft alles.“
Zentral bedeutsam erscheint uns, daß Jung sich auch dem bis heute brisanten Thema des Irrationalen zuwendet. Hatte doch der „Drang nach Lebenserneuerung“ ganz unterschiedliche Gruppen zusammengeführt, die von Ausland und Nachwelt oft mit dem pauschalen Verdikt eines „Verrats am Geist“ (Th. Mann) abgetan wurden. Polemisch sind so rassischer Biologismus und echte Spiritualität in einen Topf geworfen. Klar scheidet Jung hier den transrationalen Aufbau des Geists vom regressiven Naturalismus der Nationalsozialisten.
Es gebe nur eine Stelle, schließt die „Sinndeutung“, wo Menschen und Völker gleich seien: vor Gott. „Das Leben dieser Welt aber ist vielgestaltig, beruht auf Unterschied und Kampf […]. Die große Aufgabe der Politik ist die Ordnung unter Ungleichen, sei es unter Menschen oder unter Völkern. Diese Ordnung wird es nicht geben ohne Gerechtigkeit, und Gerechtigkeit ist unmöglich ohne Herrschaft. Berufen zur Herrschaft aber ist, wer die Macht in der Gnade Gottes ausübt.“ (SdR 80)
Das Prinzip organischer Willensbildung beruhe auf politischer Freiwilligkeit, so Papen in Marburg. Deshalb sei es logisch, auch jenseits der Grenzen „die Heiligkeit aller Volkstümer anzuerkennen“ (SdR 247). Gegen die „doktrinären Fanatiker“ sei notwendig zu betonen, daß „die Deutschen ein Volk unter Völkern inmitten Europas sind“. Es gehe um die Idee einer europäischen Gerechtigkeit; die NS-Ideologie sei „wegen ihrer rassischen und völkischen Ausschließlichkeit dieser Aufgabe nicht gewachsen“.41
Heute steht die politische Systemfrage für uns kaum auf der Tagesordnung. Gleichwohl erodiert die demokratische Substanz in den Händen der Funktionseliten, und die Völker sind dem Ansturm der Globalisierung ausgesetzt, verschränkt diese doch innen und außen. Sie wird gesteuert teils über Menschenrechte, Unterhaltungsindustrie, individualistische Konsumkultur und neue Medien, teils über die internationalen Konzerne, institutionellen Prozesse und das imperiale Engagement der USA. Anders als in der totalitären Ära der „schweren“, der Ersten Moderne mit ihrem Kollektivcharakter, verschmelzen heute imperialistische Strukturen und soziokulturelle Anarchisierung zur globalen Postmoderne auf schwer durchschaubare Weise. Die These der Rechten jedenfalls: soziale Desintegration und kultureller Zerfall seien verursacht durch die Utopie einer diabolischen Linken, verkennt die Metamorphosen des Politischen und die neue globale Dialektik. Brisanz hat vielmehr der aktuelle Austausch linker und liberaler Prinzipien. Anders als die kommunistische Linke verstehen sich heute (fast alle) „Linken“ als postsozialistisch. Ihr vormaliger Gemeinschaftsbezug entfällt. Ihn ersetzt heute ein linksliberales Struktursyndrom, das alle Kräfte aufsaugt. Derart totalisiert vermag es widerständige Restpositionen auf zahlreichen Ebenen zugleich anzugreifen. Sein destruktives Hauptmerk richtet sich dabei auf alle identitären Größen: natürliche, geschichtliche und metaphysische „Rückstände“, die im globalen Malstrom verschwinden sollen. Stoßkraft erhält der linke Impuls erst durch die kapitalistische Mobilmachung. „Um das Volk zu atomisieren“, schreibt Jürgen Elsässer42, „und die isolierten Individuen besser in das neue Imperium des totalen Marktes einsaugen zu können, stellen die Massenmedien jede Form von Gemeinschaft unter Faschismusverdacht.“ Diese Strategie scheint umso mehr aufzugehen, als heute kollektives Gedächtnis und Vergangenheitsbezug in der westlichen Welt völlig vom Erinnerungskult um den Nationalsozialismus und den Holocaust dominiert sind. Mit der autoritären Installierung eines unwiderruflichen, geschichtspolitischen Dogmas, das seinen Gegenstand hinterrücks sakralisiert und „monotheistisch“ fixiert, um so den „zivilisatorischen Bruch“ absolut zu setzen, scheint der Mensch endgültig abgeschnitten von seiner Herkunft. Genau die aber wäre der Spielraum, eine Übermacht der Gegenwart noch kritisch zu relativieren. Der semitheologischen Zuspitzung dieses nihilistischen Weltbilds wird deshalb kein sachlicher Einspruch von zeithistorischer Warte aus Paroli bieten können.
Eine neue Stärke des Denkens wird uns nur im Rückgang auf die mythisch-spirituelle Quelle des Lebens zuwachsen. Dafür legt die metaphysische Zurüstung des Gedankens bei Jung eindrucksvoll Zeugnis ab.
Das analytische Arsenal der Konservativen Revolutionäre gilt es fruchtbar zu machen in der Globalisierungskritik, ihre konstruktive Vision einer transzendenten Einheit alles Lebendigen in Gott aber den Dunkelmännern und ihrem Todeskult entgegenzusetzen.
Edgar Julius Jung: Sinndeutung der deutschen Revolution und andere Schriften. (Superbia) Leipzig 2007. 255 Seiten, kt. € 16,95
Föderalismus als Weltanschauung. (Superbia) Leipzig 2009. 100 Seiten, kt. € 12,95
Sebastian Maaß: Die andere deutsche Revolution. Edgar J. Jung und die metaphysische Grundlegung der Konservativen Revolution. (Regin) Kiel 2009. 158 Seiten, kt. € 14,95
1 Armin Mohler/Karlheinz Weißmann: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. Graz 2005, 180.
2 Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch (1950). Zuletzt: Graz 1999; Vorläufer von 1), aber mit eigenem Text.
3 In: Edgar Julius Jung: Sinndeutung der deutschen Revolution und andere Schriften. Leipzig 2007; 195–213, 208 (= SdR).
4 Zit. nach Helmut Jahnke: Edgar Julius Jung: ein konservativer Revolutionär zwischen Tradition und Moderne. Pfaffenweiler 1998; 43.
5 Das erkennt auch sehr deutlich Sebastian Maaß in seiner ausgezeichneten Studie: Die andere deutsche Revolution. Kiel 2009; 132.
6 So Bernhard Jeschke: Zur Kritik der konservativ-revolutionären Ideologie in der Weimarer Republik. Weltanschauung und Politik bei Edgar Julius Jung. München 1971.
7 Zit. bei: Edmund Forschbach: Edgar J. Jung – ein konservativer Revolutionär – 30. Juni 1934. Pfullingen 1984; 17.
8 Karl Dietrich Bracher: Zusammenbruch des Versailler Systems und Zweiter Weltkrieg. In: Propyläen: Weltgeschichte, 9. Band. Frankfurt/M. 1960; 389–459, 394.
9 Anders freilich die grundsätzliche Einschätzung Armin Mohlers, der die Nietzsche-Nachfolge besonders betont und die konservativen Revolutionären tendenziell als Nihilisten versteht. Vgl. Mohler 1950/99; 90 ff.
10 Allgemein zum Komplex die große, auch Jung würdigende, systematische Darstellung von Hans-Georg Meier-Stein: Die Reichsidee 1918–1945. Das mittelalterliche Reich als Idee nationaler Erneuerung. Aschau 1998.
11 Zit. Jahnke, 94.
12 Zit. nach: Karlheinz Weißmann: Edgar J. Jung. In: Criticón 104/1987; 245–249, 246
13 Dagmar Pöpping: Abendland. Christliche Akademiker und die Utopie der Antimoderne 1900–1945. Berlin 2002.
14 Zur vielschichtigen und vielstimmigen Verfassungsdiskussion dieser Jahre bspw. Reiner Marcowitz: Weimarer Republik 1929–1933. Darmstadt 2004; 26 ff. Jung selbst hat sich an ihr beteiligt mit seiner Föderalismusschrift von 1931.
15 Weißmann, Edgar Jung. In: Criticón; a. a. O., 248.
16 Franz von Papen: Appell an das deutsche Gewissen. Reden zur nationalen Revolution. Oldenburg 1933.
17 Nikolai Berdjajew: Das Neue Mittelalter. Darmstadt 1927. Ders.: Der Sinn der Geschichte. Darmstadt 1925.
18 Darmstadt 1929.
19 Ziegler und Jung haben auch gemeinsam ein Buch verfaßt: Leopold Ziegler: Fünfundzwanzig Sätze vom Deutschen Staat. Berlin 1931.
20 Klaus Breuning: Die Vision des Reiches. Deutscher Katholizismus zwischen Demokratie und Diktatur (1929–1934). München 1969; dort zum Thema ‚Hierarchie‘: 291–300, 298.
21 Ebd., 297.
22 Edgar Julius Jung: Föderalismus als Weltanschauung. Leipzig 2009; 17.
23 Alain de Benoist: Demokratie: Das Problem. Tübingen 1986; 26.
24 Wolfgang Herrmann: Der neue Nationalismus und seine Literatur. (1933) Limburg 1994; 62.
25 Beipflichtend zitiert Jung hier Constantin Frantz: „Alle bloßen Rechtssubjekte bilden dann wirklich alle eine gleichartige Masse. Keine Rede von Stand und Beruf, noch von Besitz und Bildung; der Eine ist wie der Andere.“ (HdM 47)
26 Der gängige Vorwurf lautet auf: politischen Klassenerhalt und ökonomisch-technische Modernisierung.
27 Edgar Julius Jung: Föderalismus als Weltanschauung. Leipzig 2009; 15.
28 Vgl. das Kapitel zu diesem Thema in: Samuel Huntington: Who are we? Hamburg 2004.
29 Zygmunt Bauman: Flüchtige Moderne. Frankfurt/M. 2003.
30 Dagegen die klassische Anthropologie: Peter Dürrmann: Heimat und Identität. Der moderne Mensch auf der Suche nach Geborgenheit. Tübingen 1994.
31 Diesen ganzen Komplex führt heute in der BRD kritisch fort: Hans Herbert von Arnim in seinen zahlreichen Büchern; repräsentativ etwa: Die Deutschlandakte. Was Politiker und Wirtschaftsbosse unserem Land antun. München 2008.
32 Daniel Bell: Die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus. (1976) Frankfurt/M. 1991.
Hans van der Loo und Willem van Reijen: Modernisierung – Projekt und Paradox. München 1992.
Richard Sennett: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Darmstadt 1998.
Hartmut Rosa: Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne. Frankfurt/M. 2005.
33 So pointiert: Panajotis Kondylis: Konservativismus. Geschichtlicher Gehalt und Untergang. Stuttgart 1986 oder etwa Stefan Breuer: Ordnungen der Ungleichheit – die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen 1871–1945. Darmstadt 2001.
34 Seine Position wäre heute unter ökologischem Gesichtspunkt vollends brisant, freilich aussichtslos, wie auch die parteipolitische Entwicklung der Grünen bezeugt. Konsumkritische und antihedonistische Auffassungen lassen sich nur mehr außerhalb des parteistaatlichen Konsenses formulieren.
35 Die mit dem Kapitalismus im Debakel der Weltwirtschaftkrise viel schroffer abrechnete als Jungs relativ zahme, oft unentschlossene Kritik. Vgl. Klaus Fritzsche: Politische Romantik und Gegenrevolution. Fluchtwege in der Krise der bürgerlichen Gesellschaft: Das Beispiel des ‚Tat‘-Kreises. Frankfurt/M. 1976. Das Hauptwerk der Tat in diesem Zusammenhang: Ferdinand Fried: Das Ende des Kapitalismus. Jena 1931.
36 Zustimmend zitiert er allen Ernstes etwa: „Der Schutz für den Kranken zerstörte den Willen zum Gesundsein, der Schutz für den Schwachen tötete die Schaffensfreude, die Gesetze zum Schutz der Arbeitslosen bewirkten Arbeitslosigkeit.“ (Funk) HdM, 453.
37 Papen, Appell; 83.
38 Dazu Leopold Ziegler: Edgar Julius Jung. Denkmal und Vermächtnis. Salzburg 1955.
39 Dazu Forschbach; 105 ff.
40 Papen, Appell; 52.
41 Zit. bei Forschbach; 109.
42 Jürgen Elsässer: Nationalstaat und Globalisierung. Leipzig 2009; 29.